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John Berthier Heatherstones Tagebuch.
Thul-Valley, 1. Oktober 1841. Das fünfte Bengalische und das dreiunddreißigste Königin-Regiment kommen heute morgen auf ihrem Wege nach der Front hier durch. Tee bei den Bengalen. Letzte Nachrichten vom Hause sind, daß zwei Halbverrückte, namens Francis und Bean, ein Attentat auf das Leben der Königin gemacht haben.
Es wird ein harter Winter werden. Die Schneegrenze hat sich auf den Bergen um tausend Fuß gesenkt, aber die Pässe werden noch wochenlang offen sein, und wenn auch nicht, so haben wir so viele Stationen im Lande gelassen, daß Pollock und Rott sich ohne Schwierigkeiten werden behaupten können. Sie sollen nicht das Geschick von Elphinstones Korps teilen. Ein solches Trauerspiel ist genug für ein Jahrhundert.
Elliot von der Artillerie und ich sind für die Pässe auf eine Entfernung von über zwanzig Meilen haftbar, vom Eingang des Tales bis diesseits der hölzernen Lotosbrücke. Goodenoughs von den Musketieren ist für die andere Seite verantwortlich, und Oberstleutnant Sidney Herbert vom Geniekorps hat die Oberaufsicht über beide Sektionen. Unsere Abteilung ist der Arbeit nicht gewachsen. Ich habe anderthalb Kompagnien von unserem Regiment und eine Schwadron Sowaren, die zwischen den Felsen unbrauchbar sind. Elliot hat drei Kanonen; aber einige seiner Leute liegen an der Cholera danieder, und ich bezweifle, daß er mehr als zwei bedienen kann. (Capsicum gegen Cholera – hab's probiert.) Anderseits hat jeder Proviantzug seine eigene Bedeckung, obwohl die letztere häufig zum Lachen ungenügend ist. Diese Täler und Schluchten, welche sich von dem Hauptpasse abzweigen, wimmeln von Afreedees und Pathanen, die ebenso kecke Räuber wie religiöse Fanatiker sind. Es ist ein Wunder, daß sie nicht einige unserer Karawanen vernichtet haben. Sie könnten sie plündern und wieder zurück auf ihren Bergfesten sein, ehe wir einzugreifen und sie zu überholen vermöchten. Nur Furcht hält sie zurück. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich am Eingange jeder Schlucht einen der Bande zur Warnung aufknüpfen lassen. Sie sehen wie die leibhaftigen Teufel aus mit ihren Habichtnasen, den wulstigen Lippen, dem buschigen Haar und ihrem satanischen Grinsen.
Nichts Neues von der Front heute.
2. Oktober. Ich muß Herbert um eine Kompagnie mehr bitten – wenigstens. Ich bin überzeugt, daß wenn ein ernstlicher Angriff auf uns gemacht werden sollte, die Pässe genommen würden. Heute morgen erhielt ich zwei drängende Botschaften von zwei verschiedenen Punkten, je sechzehn Meilen entfernt, um mir zu melden, daß die Stämme sich anschickten, von den Bergen herunterzukommen. Elliot brach mit einer Kanone und den Sowaren nach der jenseitigen Schlucht auf, während ich mit der Infanterie nach der anderen eilte; aber wir fanden, daß es ein blinder Alarm war. Ich sah keine Spur der Feinde, und obgleich wir von einem Kugelschauer begrüßt wurden, konnten wir doch keinen der Halunken fangen. Wehe ihnen, wenn sie je in meine Hände fallen! Ich werde ihnen kürzeren Prozeß machen, als jemals ein Glasgower Richter einem hochländischen Wilddieb. Diese fortwährenden Alarme bedeuten entweder gar nichts oder sie sind ein Anzeichen, daß die Hügelbewohner sich zusammenscharen und irgendeinen Plan in Aussicht haben.
Wir hatten eine Zeitlang keine Nachrichten von der Front, aber heute kam ein Train Verwundeter durch mit der Neuigkeit, daß Nott Ghuznee eingenommen habe. Hoffentlich hat er den schwarzen Schuften, die in seine Hände gefallen sind, die Hölle heiß gemacht. Kein Wort von Pollock. Eine Elefantenbatterie kam von Punjub herauf, in ziemlich gutem Zustande. Es waren einige Rekonvaleszenten dabei, die zu ihren Regimentern zurück wollten. Kannte keinen von ihnen, außer Moslyn von den Husaren und dem jungen Blakesley, der mein Leibfuchs in Carterhouse war, und den ich seither nicht gesehen hatte. Punsch und Zigarren bis elf Uhr.
Brief von Wills und Ko. wegen der kleinen Rechnung, die sie mir von Delhi aus geschickt. Dachte, ein Feldzug befreite einen von solchen Plackereien. Wills sagt in seinem Briefe, daß er mich persönlich aufsuchen werde, da seine Mahnungen vergeblich gewesen seien. Falls er das tut, ist er jedenfalls der tapferste und ausdauerndste Schneider der Welt. Eine Zeile von Daisy aus Kalkutta und eine von Hobhouse, um mir zu melden, daß Matilda im Testamente zur Universalerbin eingesetzt ist. Freut mich!
3. Oktober. Prächtige Nachrichten von der Front heute. Barclay von der Madras-Kavallerie ist mit den Telegrammen durchgaloppiert. Pollock ist am 16. vorigen Monats im Triumph in Kabul eingezogen.
Dies sollte die ganze elende Geschichte zu Ende bringen – dies und die Brandschatzung der Stadt. Hoffentlich wird Pollock nicht zimperlich sein und der hysterischen Partei zu Hause nachgeben. Die Stadt sollte niedergebrannt und die Felder sollten mit Salz bestreut werden. Vor allen Dingen müssen die Residenzgebäude und der Palast demoliert werden.
Es ist schwer, in diesem elenden Tale festsitzen zu müssen, während andere Ruhm und Erfahrung ernten. Ich habe nichts davon gehabt, ausgenommen ein paar kleine Scharmützel. Möglicherweise werden wir aber doch noch etwas zu sehen bekommen. Eine von unseren Patrouillen brachte einen Gefangenen ein, welcher sagt, daß sich die Stämme in der Teradaschlucht zusammenscharen, zehn Meilen nördlich von hier, und den nächsten Train anzugreifen beabsichtigen. Wir können uns nicht auf derlei Nachrichten verlassen, aber es mag doch etwas daran sein. Ich schlug vor, unsern Gefangenen zu erschießen, damit er nicht den doppelten Verräter spielen könnte und den Feinden unsere Schritte verriete. Elliot aber widersetzte sich. Im Kriege darf man keine Chancen fortwerfen. Ich hasse halbe Maßregeln. Die Kinder Israels scheinen das einzige Volk gewesen zu sein, das den Krieg zu einem logischen Ende geführt hat – außer Cromwell in Irland. Erlangte endlich einen Kompromiß, wonach der Mann als Gefangener zurückgehalten und erschossen wird, falls die Nachricht sich als falsch erweist. Ich hoffe nur, daß wir Gelegenheit haben werden, zu zeigen, was wir leisten können. Die Kerle an der Front werden sicher Auszeichnungen und Orden ohne Ende erhalten, während wir armen Teufel, die am meisten Verantwortung und Strapazen gehabt haben, leer ausgehen werden. Elliot hat Heimweh.
Die letzte Trainkolonne hat uns eine Menge Flaschen mit Saucen hier gelassen; da sie aber vergessen haben, uns etwas zu essen zu geben, übergaben wir die Saucen den Sowaren, die sie aus ihren Pfannen trinken, als wäre es Schnaps. Wir hören, daß eine andere große Trainkolonne auf der Ebene in ein Paar Tagen erwartet wird.
4. Oktober. Die Hügelstämme scheinen es diesmal wirklich ernst zu meinen. Zwei von unseren Spionen kamen heute mit der Nachricht von ihrem Zusammenscharen im Teradaviertel. Der alte Halunke Zeman ist an der Spitze, und ich habe der Regierung empfohlen, ihn seiner Neutralität halber mit einem Teleskop zu beschenken! Er wird es kaum bekommen, wenn ich ihn nur unter die Finger kriege. Wir erwarten den Train morgen früh und haben vorher keinen Angriff zu befürchten, denn die Kerls kämpfen um Beute, nicht um Ruhm, obwohl man ihnen Mut nicht absprechen kann, wenn sie einmal loslegen. Ich habe einen prachtvollen Plan ausgearbeitet, und er hat Elliots volle Unterstützung. Beim Himmel, wenn wir es durchsetzen können, wird es die feinste Falle sein, von der man je gehört hat. Unsere Absicht ist, das Gerücht zu verbreiten, wir gingen das Tal hinunter, um dem Train zu begegnen und den Eingang eines Passes, von woher wir einen Angriff erwarteten, zu blockieren. Sehr gut! Wir werden bei Nacht abmarschieren und mit Tagesanbruch ihr Lager erreichen. Einmal dort, werde ich meine zweihundert Mann in den Wagen verstecken und wieder mit dem Train herauskommen. Unsere lieben Feinde werden, in dem Glauben, daß wir südwärts marschiert seien und mindestens schon zwanzig Meilen weit weg wären, wenn sie die Karawane ohne uns nach Norden abziehen sehen, natürlich auf letztere losstürzen. Wir werden ihnen eine solche Lektion erteilen, daß sie eher versuchen werden, einen Blitzstrahl auszuhalten, als noch einmal die Proviantzüge Ihrer britannischen Majestät zu belästigen. Ich stehe auf glühenden Kohlen vor lauter Erwartung.
Elliot hat zwei von seinen Kanonen so schlau aufgeputzt, daß sie mehr wie Hökerfässer als wie Schießgewehre aussehen. Artillerie klar zum Gefecht beim Train zu sehen, würde Verdacht erregen. Die Artilleristen werden in den Wagen neben den Kanonen sitzen, um sofort klarmachen und das Feuer eröffnen zu können. Infanterie vorn und hinten. Habe unseren vertrauten und diskreten Seapoy-Dienern den Plan mitgeteilt, den wir nicht zu verfolgen beabsichtigen; denn wenn man irgend etwas über eine ganze Provinz verbreitet haben will, braucht man es nur unter dem Siegel der Verschwiegenheit seinen vertrauten eingeborenen Dienern zu sagen.
Neun Uhr abends. Gerade marschieren wir los, dem Train entgegen. Hoffentlich glückt es.
5. Oktober. Sieben Uhr abends. Triumph! Triumph! Bekränzt uns mit Lorbeern, Elliot und mich! Wer kann sich mit uns als Ungeziefervertilger messen? Ich bin eben zurückgekommen, müde und matt, blut- und staubbedeckt, aber ich habe mich hergesetzt, ehe ich mich gewaschen und meine Kleidung gewechselt habe, um meine Taten schwarz auf weiß zu sehen, wenn auch nur in meinem Privattagebuche, für niemands Auge als für mein eigenes. Ich werde alles ausführlich beschreiben, als eine Vorbereitung für unseren offiziellen Bericht, der nach Elliots Rückkehr versandt werden muß. Billy Dawson pflegte zu sagen, es gäbe drei Grade der Vergleichung: eine Unwahrheit, eine Lüge und einen offiziellen Bericht. Wir wenigstens können unseren Erfolg nicht übertreiben, denn es wäre unmöglich, noch etwas hinzuzufügen.
Wir marschierten programmäßig los und stießen auf das Lager des Trains am Eingange des Tales. Sie hatten zwei schwache Kompagnien von den Vierundfünfzigern bei sich, die ohne Zweifel, wenn gewarnt, sich hätten behaupten können, aber ein unerwarteter Anfall von den Hügelstämmen ist wahrhaftig keine Kleinigkeit. Mit unserer Verstärkung jedoch konnten wir den Schuften die Stirn bieten. Chamberlain hatte den Befehl – ein feiner junger Kerl. Wir machten ihm bald die Sachlage klar und waren bei Tagesanbruch zum Aufbruch bereit, obgleich seine Wagen so voll waren, daß wir uns genötigt sahen, einige Tonnen Futter zurückzulassen, um Platz für die Seapoys und die Artillerie zu machen. Um fünf Uhr waren wir abmarschiert und um sechs Uhr hatten wir ein gut Stück Weges hinter uns, unsere Bedeckung so zerstreut und nachlässig wie möglich. Keine hilfloser erscheinende Karawane hatte jemals einen Angriff mutwillig herausgefordert.
Ich konnte bald sehen, daß es diesmal kein blinder Alarm war, und daß die Stämme es ernst meinten. Von meinem Beobachtung-Posten hinter dem leinenen Vorhange eines Wagens konnte ich beturbante Köpfe wahrnehmen, wie sie hinter den Felsen emporschossen, um uns zu beobachten, und dann und wann eilte ein Späher davon, um die Nachricht von unserem Herannahen zu überbringen. Aber erst als wir dem Terada-Passe, einer düstern, von gigantischen Klippen umgebenen Schlucht, gegenüber waren, fingen die Asreedees an, sich hervorzuwagen, obwohl sie sich so schlau versteckt hatten, daß wir stracks in die Falle hineinmarschiert wären, wenn wir nicht bereits derartiges vorausgesehen hätten. Jetzt hielt der Train an, und die Feinde eröffneten, als sie sich bemerkt wußten, ein heftiges, aber schlecht gezieltes Feuer auf uns. Ich hatte Chamberlain gebeten, seine Leute als Tirailleure vorgehen zu lassen und sie anzuweisen, sich langsam vor dem Feuer zurückzuziehen, um die Asreedees heranzulocken. Diese List gelang vollkommen. Als die Rotröcke sich langsam zurückzogen, soviel wie möglich unter Deckung bleibend, folgten ihnen die Feinde mit Triumphgeschrei, von Felsen zu Felsen springend mit teuflischem Geheul. Mit ihren schwarzen, verzerrten, höhnischen Gesichtern, ihren drohenden Gesten und flatternden Gewändern würden sie ein prachtvolles Sujet für einen Maler gebildet haben, der Miltons Vorstellung von dem Heere der Verdammten veranschaulichen wollte. Von allen Seiten drängten sie heran, bis sie, in dem Glauben, daß der Sieg ihnen sicher wäre, die Deckung der Felsen verließen und auf uns losgestürzt kamen: ein wütender, heulender Haufe. Jetzt war unsere Gelegenheit gekommen, und herrlich benutzten wir sie. Aus jeder Spalte und Ritze der Wagen kam ein Feuerstrahl, und jeder Schuß zählte in der dichtgedrängten Menge. Fünfzig oder sechzig fielen um wie die Hasen, die anderen stutzten einen Augenblick und kamen dann unter Führung ihrer Häuptlinge von neuem auf uns losgestürmt. Es war jedoch nutzlos für undisziplinierte Männer, einem so wohlgezielten Feuer widerstehen zu wollen. Die Anführer wurden niedergeschossen, die anderen zögerten einen Augenblick, wandten sich dann hastig und flüchteten den Felsen zu. Jetzt war es an uns, die Offensive zu ergreifen. Die Kanonen wurden klargemacht und Kartätschen zwischen die Feinde gedonnert, während unsere kleine Infanterietruppe im Trabe vorging und alles, was ihr unter die Hände kam, niederstach und -schoß. Nie habe ich eine Schlacht sich so schnell und so entschieden wenden sehen. Der Rückzug wurde zur Flucht, die Flucht zur Panik, bis von den Hügelstämmen nichts mehr übrig blieb als ein zersprengter Haufe, der in wilder Jagd seinen Bergfestungen zuraste. Aber ich war durchaus nicht geneigt, sie jetzt, da ich sie in meiner Gewalt hatte, so billig fortzulassen. Im Gegenteil, ich beschloß, ihnen eine solche Lektion zu erteilen, daß der bloße Anblick eines einzigen Rotrockes in Zukunft ein Paß in sich selbst sein würde. Wir folgten den Flüchtlingen auf den Fersen und gelangten unmittelbar nach ihnen in die Teradaschlucht. Ich detachierte Chamberlain und Elliot mit einer Kompagnie beiderseits, um meine Flanken zu decken, und drängte mit meinen Seapoys und einer Handvoll Artilleristen vorwärts, um ihnen keine Zeit zu lassen, sich zu erholen und zur Besinnung zu kommen.
Wir waren aber durch unsere steifen europäischen Uniformen und den Mangel an Übung im Klettern so behindert, daß wir keinen von den Bergbewohnern hätten überholen können, wäre uns nicht ein unerwartetes Ereignis zu Hilfe gekommen. Eine kleinere Schlucht zweigte sich vom Hauptpasse ab, und in der Eile und Verwirrung stürzten einige der Flüchtenden dort hinein. Ich sah sechzig oder siebzig sich hineinwenden, aber ich würde vorbeigegangen und dem Hauptkörper gefolgt sein, wäre nicht einer der Kundschafter zu mir gekommen, um mir zu sagen, daß die kleinere Schlucht eine Sackgasse bildete und daß die Afreedees, welche hineingelaufen wären, keinen anderen Ausweg hätten, als sich durch unsere Reihen zu kämpfen. Das war eine Gelegenheit, den Stämmen Schrecken einzujagen. Ich überließ die Verfolgung des Hauptkörpers Chamberlain und Elliot, schwenkte meine Seapoys in den engen Paß hinein und schritt langsam mit ausgebreiteten Linien vor, den ganzen Boden von Klippe zu Klippe deckend. Kein Schakal hätte ungesehen entschlüpfen können. Die Rebellen waren gefangen wie Ratten in der Falle.
Die Schlucht, in der wir uns befanden, war die düsterste und großartigste, die ich je gesehen habe. Auf beiden Seiten ragten nackte Felsenwände schier tausend Fuß hoch, und näherten sich oben einander, so daß man nur durch eine schmale Spalte das Tageslicht erblicken konnte; diese Spalte wurde durch Palmen und Aloestauden, die über die Ränder der Kluft hingen, noch mehr verschmälert. Die Felswände waren am Eingange ein paar hundert Ellen weit voneinander; aber als wir vorgingen, rückten sie näher und näher aneinander, bis kaum eine halbe Kompagnie dicht gedrängt nebeneinander marschieren konnte.
Eine Art Dämmerung herrschte in diesem seltsamen Tale, und in dem schwachen, ungewissen Lichte ragten die großen Basaltblöcke verschwommen und phantastisch hervor. Kein Pfad war da und der Boden war sehr uneben; aber ich drängte wacker vorwärts, meine Kerle ermahnend, den Finger am Drücker zu halten, denn ich konnte sehen, daß wir uns der Stelle näherten, wo die beiden Felswände einen spitzen Winkel miteinander bildeten.
Endlich kam die Stelle in Sicht. Ein großer Haufen Blöcke lag am äußersten Ende des Passes aufgehäuft, und zwischen diesen kauerten unsere Flüchtlinge, offenbar gänzlich aufgelöst und nicht mehr widerstandsfähig. Als Gefangene waren sie nutzlos, und sie loszulassen, stand außer Frage! Ich hatte deshalb keine andere Wahl, als ihnen den Garaus zu machen. Meinen Säbel schwingend, feuerte ich meine Leute zum Sturme an, als wir plötzlich durch ein Ereignis zurückgehalten wurden, das den Grundstein zu allem Unglück der Zukunft legen sollte.
Ich habe Ähnliches wohl ein- oder zweimal auf den Brettern vom Drury-Lane-Theater, aber nie vorher noch nachher im wirklichen Leben gesehen.
In der einen Felswand, nahe dem Steinhaufen, wo die Feinde ihr letztes Halt machten, war eine Höhle, die mehr dem Lager eines wilden Tieres als einer menschlichen Wohnung glich. Aus dieser dunklen Wölbung tauchte plötzlich ein Greis auf, so alt, daß alle anderen Veteranen, die ich je gesehen, ihm gegenüber Kinder waren. Sein Haar und Bart waren schneeweiß und reichten halb bis zu seinem Gürtel hinab. Sein Gesicht war runzlig und braun und knochig, halb Affe, halb Mumie, und so dünn und ausgedörrt waren seine verschrumpften Glieder, daß man ihm kaum noch Lebenskraft zugetraut hätte, wenn nicht seine Augen gewesen wären, die glitzerten und glänzten wie zwei Diamanten in einer Fassung von Mahagoni.
Diese Erscheinung kam aus der Höhle gestürzt, warf sich zwischen die Flüchtlinge und unsere Kerle und wies uns zurück mit einer Handbewegung, wie es machtvoller niemals ein Herrscher seinen Sklaven gegenüber getan haben kann.
Blutmänner, schrie er mit donnernder Stimme, in vorzüglichem Englisch noch dazu, dies ist eine Stätte des Gebets und der Beschaulichkeit, nicht des Mordes. Steht ab, damit nicht der Götter Zorn auf euch falle.
Aus dem Wege, Alter! herrschte ich ihn an. Es wird dir übel ergehen, wenn du uns nicht aus dem Wege gehst!
Ich konnte sehen, daß die Feinde Mut schöpften und daß einige meiner Seapoys zurückwichen, als sagte ihnen dieser neue Feind nicht zu. Ich mußte schnell handeln, wollte ich anders unseren Erfolg vollständig machen.
Ich stürzte vorwärts an der Spitze der weißen Artilleristen, die bei mir geblieben waren. Der alte Bursche kam mit ausgestreckten Armen auf uns zu, wie um uns aufzuhalten; aber wir konnten uns jetzt nicht an Kleinigkeiten kehren, und so jagte ich ihm meinen Säbel durch den Leib, in demselben Augenblick, in welchem einer der Kanoniere ihm mit seinem Karabiner den Schädel einschlug.
Er brach augenblicklich zusammen, und die Hügelleute brachen angesichts seines Falles in ein unsagbares Geheul des Entsetzens aus.
Die Seapoys, die vorher geneigt schienen, sich im Hintergrunde zu halten, kamen jetzt hervor, und es dauerte nicht lange, bis wir unsern Sieg vervollständigt hatten. Keiner der Feinde verließ die Schlucht lebendig.
Hätten Hannibal oder Cäsar mehr tun können? Unser eigener Verlust bei der Geschichte war unbedeutend – drei Tote und etwa fünfzehn Verwundete.
Nach dem Gefecht suchte ich nach dem alten Knaben, aber sein Körper war verschwunden, obgleich ich keine Ahnung habe, wie oder wohin. Sein Blut komme auf sein eigenes Haupt. Er würde jetzt noch am Leben sein, wenn er nicht, wie die Konstabler zu Hause sagen, einen Beamten an der Ausführung seiner Pflicht zu hindern gesucht hätte.
Die Kundschafter erzählten mir, daß er Ghoolab Shah hieße, daß er einer der höchsten und heiligsten Buddhisten sei. Er war in der Gegend sehr berühmt als ein Prophet und Wundertäter. Deshalb der Spektakel, als er niedergeschlagen wurde. Man sagte uns, daß er schon zur Zeit von Tamerlans Durchmarsch im Jahre 1337 in derselben Hütte lebte, und noch eine Masse derartigen Unsinns.
Ich ging in die Höhle hinein. Wie ein Mensch auch nur eine Woche darin leben kann, ist mir ein Rätsel, denn sie ist wenig mehr als vier Fuß hoch und eine so feuchte und elende Grotte, wie ich nur je eine gesehen habe. Ein hölzerner Schemel und ein rauher Tisch mit einer Menge hieroglyphenbekritzelter Pergamentrollen daraus bildeten die einzige Ausstattung. Nun, er ist jetzt an einem Orte, wo er lernen wird, daß die Bibel des Friedens und Wohlgefallens allem seinem heidnischen Krimskrams überlegen ist. Friede sei mit ihm!
Elliot und Chamberlain konnten den Hauptkörper des Feindes nicht einholen – ich wußte es im voraus –, so daß die Ehre des Tages mir zufällt. Ich sollte jedenfalls eine Rangerhöhung dafür erhalten und vielleicht – wer weiß? – eine Erwähnung in der ›Gazette‹. Welch eine glückliche Gelegenheit! Zeman, denke ich, verdient sein Teleskop nun doch, da er sie mir bereitet hat. Werde jetzt etwas zu mir nehmen, da ich halb verhungert bin. Ruhm ist etwas Herrliches, aber man kann doch nicht davon leben.
6. Oktober, 11 Uhr vormittags. Ich will jetzt versuchen, so ruhig und genau wie möglich niederzuschreiben, was mir diese Nacht passiert ist.
Ich bin nie ein Träumer oder Geisterseher gewesen, so daß ich mich auf meine Sinne verlassen kann, obwohl ich selbst es niemandem geglaubt hätte. Ich würde sogar jetzt noch glauben, daß ich mich getäuscht habe, hätte ich nicht seither die Glocke gehört. Ich will jedoch erzählen, was sich zugetragen hat.
Elliot war bei mir im Zelte, und wir rauchten zusammen bis ungefähr zehn Uhr. Ich machte dann die Runde und ging zu Bett, nachdem ich alles in Ordnung gefunden hatte. Ich war gerade eingenickt, denn ich war nach des Tages Last und Mühe hundsmüde, als ich durch ein leichtes Geräusch geweckt wurde. Ich wandte mich um und sah einen Mann in asiatischem Kostüm am Zelteingange stehen. Er stand regungslos als ich ihn sah, und fixierte mich mit einem feierlich drohenden Ausdruck. Mein erster Gedanke war, daß der Kerl irgendein fanatischer Ghazi oder Afghane wäre, der sich mit der Absicht hereingeschlichen hatte, mich zu erstechen, und ich wollte deshalb von meinem Lager aufspringen, um mich zu verteidigen, aber ich hatte unerklärlicherweise nicht die Kraft dazu. Eine übermächtige Mattigkeit und Energielosigkeit war über mich gekommen. Hätte ich den Dolch auf meine Brust gezückt gesehen, ich hätte ihn nicht abhalten können. Ich glaube, daß ein Vogel unter dem Einflusse einer Schlange eine ähnliche Empfindung hat, wie ich sie in der Gegenwart dieses düstern Fremdlings hatte. Meine Gedanken waren klar genug, aber mein Körper war so schwerfällig, als ob ich noch schliefe. Ein- oder zweimal schloß ich die Augen und versuchte mich selbst zu überreden, daß die ganze Geschichte auf Einbildung beruhe; aber sobald ich die Lider wieder öffnete, starrte mich der Mensch mit seinen eisigen drohenden Augen noch immer an. Das Schweigen wurde unerträglich. Ich fühlte, daß ich meine Mattigkeit wenigstens soweit bezwingen mußte, um ihn anzureden. Endlich brachte ich stotternd einige Worte hervor und fragte den Eindringling, was er von mir wolle.
Leutnant Heatherstone, antwortete er langsam und ernst, Sie haben heute den gemeinsten Frevel, das größte Verbrechen begangen, das einem Menschen möglich ist. Sie haben einen der Dreimalgesegneten und Ehrwürdigsten gemordet, einen Adepten des ersten Grades, einen älteren Bruder, der mehr Jahre auf dem höheren Pfade gewandelt ist, als Sie Monate zählen. Sie haben ihn zu einer Zeit gemordet, als seine Arbeit einen Höhepunkt zu erreichen versprach und er einen Grad mystischer Erkenntnis erlangt hatte, der die Menschheit dem Schöpfer eine Stufe näher gebracht hätte. Alles dieses haben Sie ohne Grund, ohne Aufreizung getan, zu einer Zeit, als er sich der Hilflosen und Bedrängten annahm. Hören Sie mich jetzt an, Leutnant Heatherstone. Als man vor vielen tausend Jahren sich der mystischen Wissenschaft zuerst zuwandte, lernten die Weisen, daß die kurze Spanne menschlichen Lebens nicht hinreiche, um einen Menschen zu den luftigen Höhen des Seelenlebens emporklimmen zu lassen. Die Forscher lenkten deshalb in jenen Tagen ihre Aufmerksamkeit zuerst darauf, ihre Lebenszeit zu verlängern, damit sie größeren Spielraum zum Wirken hätten. Vermöge ihrer Kenntnis der Geheimnisse der Natur waren sie imstande, ihre Körper gegen Krankheit und Greisenalter zu stählen. Es blieb ihnen nur noch übrig, sich vor den Angriffen böser und gewalttätiger Menschen zu schützen, da diese immer bei der Hand sind, um die, die weiser und edler sind als sie, zu vernichten. Da dies durch keine direkten Mittel bewirkt werden konnte, arrangierte man geheime Kräfte auf solche Weise, daß den etwaigen Verbrecher eine schreckliche und unvermeidliche Vergeltung traf. Durch Gesetze, die nicht wieder beseitigt werden können, wurde es unwiderruflich bestimmt, daß jeder, der das Blut eines bis zu einem gewissen Grade der Heiligkeit gelangten Bruders vergießt, dem Verderben anheimfallen muß. Diese Gesetze bestehen bis auf diesen Tag, John Heatherstone, und Sie sind denselben verfallen. König oder Kaiser würden diesen Mächten gegenüber hilflos sein. Welche Hoffnung gibt es dann für Sie? In früheren Tagen wirkten diese Gesetze augenblicklich, so daß der Mörder mit seinem Opfer umkam. Man gelangte später zu der Ansicht, daß diese schnelle Vergeltung den Sünder daran verhinderte, die Größe seines Verbrechens zu begreifen. Es wurde deshalb angeordnet, daß die Vergeltung den Chelas oder engeren Jüngern des Heiligen überlassen werden solle, die die Frist nach Belieben verlängern oder verkürzen und die Strafe entweder sofort oder an irgendeinem künftigen Jahrestage des Verbrechens vollstrecken könnten.
Weshalb die Bestrafung nur an diesem Tage stattfinden kann, brauchen Sie nicht zu wissen. Es genügt, daß Sie der Mörder Ghoolab Shahs, des Dreimalgesegneten, sind, und daß ich der älteste der mit seiner Rache betrauten drei Chelas bin. Es ist dies keine persönliche Frage unter uns. Inmitten unserer Studien haben wir keine Muße und Neigung für dergleichen. Es ist ein unabänderliches Gesetz, und es ist uns ebenso unmöglich, davon abzuweichen, wie Ihnen, ihm zu entfliehen. Früher oder später werden wir zu Ihnen kommen und Ihr Leben als Sühne für das Leben fordern, das Sie genommen haben. Das gleiche Schicksal wird den elenden Soldaten Smith treffen: obwohl weniger schuld als Sie, hat er dieselbe Strafe verdient, indem er seine frevlerische Hand gegen den Erwählten Buddhas erhob. Wenn Ihre Frist verlängert wird, so geschieht dies nur, damit Sie Zeit haben, Ihr Vergehen zu bereuen und die volle Wucht Ihrer Strafe zu spüren. Und damit Sie sich nicht versucht fühlen, sich Ihr Schicksal aus dem Kopfe zu schlagen und es zu vergessen, wird unsere Glocke – unsere Geisterglocke, die eine unserer mystischen Geheimnisse ist – Sie immer an das erinnern, was geschehen ist und geschehen wird. Bei Tag und Nacht sollen Sie sie hören, und sie wird Ihnen ein Zeichen sein, daß, Sie mögen tun, was Sie wollen, und gehen, wohin Sie wollen, Sie nie das Joch der drei Chelas Ghoolab Shahs von sich abschütteln können. Sie werden mich nie wiedersehen, Verfluchter, bis zu dem Tage, an welchem wir Sie holen werden. In Furcht und Schrecken werden Sie leben, in fortwährender Erwartung, die noch schlimmer ist als der Tod selbst! – Mit einer drohenden Handbewegung wandte sich die Gestalt und schwebte aus dem Zelte in die Dunkelheit hinaus.
Im selben Augenblick, als der Kerl mir aus dem Gesicht verschwand, erholte ich mich von der Lethargie, die mich befallen hatte. Ich sprang aus dem Bette, stürzte nach dem Eingange und spähte hinaus. Eine Schildwache stand, auf ihre Büchse gelehnt, einige Schritte entfernt da.
Du Hund, hob ich auf hindostanisch an, was soll das bedeuten, daß du mich in dieser Weise stören läßt?
Der Mann starrte mich erstaunt an.
Hat jemand den Sahib gestört? fragte er.
Diese Minute – diesen Augenblick! rief ich. Du mußt ihn aus dem Zelte haben gehen sehen!
Der Burra Sahib irrt sich! antwortete der Mann ehrerbietig, aber entschieden. Ich habe hier seit einer Stunde gestanden, aber keiner ist aus dem Zelte gekommen.
Verblüfft und beunruhigt grübelte ich darüber nach, ob die ganze Geschichte nicht doch nur auf Einbildung beruhe, verursacht durch die Aufregung während unseres Scharmützels, als ich von einem neuen Wunder überrascht wurde. Über meinem Kopfe ertönte plötzlich ein scharfer, klingender Laut, ähnlich dem Geräusch, das durch ein angestoßenes leeres Weinglas hervorgebracht wird, nur lauter und intensiver. Ich schaute auf, aber es war nichts zu sehen. Ich untersuchte das ganze Innere des Zeltes sorgfältig, konnte aber die Ursache des fremdartigen Geräusches nicht entdecken. Übermüdet wie ich war, gab ich es endlich auf, das Rätsel zu lösen, warf mich auf mein Lager und war bald fest eingeschlafen. Als ich heute morgen erwachte, war ich geneigt, die Vorgänge der letzten Nacht meiner Einbildungskraft zuzuschreiben; aber ich wurde bald über meinen Irrtum aufgeklärt; denn kaum war ich aufgestanden, als der seltsame Laut wieder ebenso deutlich und ebenso scharf wie nachts an mein Ohr schlug.
Was es ist oder woher es kommt, geht über meinen Verstand. Ich habe es seitdem nicht wieder gehört. Sollte hinter den Drohungen des Kerls doch etwas stecken und dies die Warnungsglocke sein, von der er sprach? Das ist doch unmöglich. Aber sein Auftreten war unbeschreiblich eindrucksvoll. Ich habe versucht, es so genau wie möglich zu erzählen, habe aber, fürchte ich, doch noch manches vergessen. Wie wird diese seltsame Geschichte enden? Kein Wort an Chamberlain oder Elliot. Sie sagen, ich sähe heute morgen wie ein Gespenst aus.
Abends. Habe mit dem Kanonier Rufus Smith gesprochen, der den alten Kerl mit dem Gewehrkolben niedergeschlagen hat. Seine Erfahrung ist die gleiche gewesen. Er hat die Glocke auch gehört? Was bedeutet das alles? Es ist zum Rasendwerden!
10. Oktober (vier Tage später). Gott sei uns gnädig! –«
Dieser lakonische Eintrag beendigte das Tagebuch. Es schien mir aber, daß darin ein ergreifenderes, packenderes Bild von zerrütteten Nerven und gebrochener Geisteskraft enthalten war, als in einer ganzen Erzählung. An das Tagebuch war ein kurzer Anhang geheftet, der offenbar erst kürzlich von dem General hinzugefügt worden war.
»Von jenem Tage an bis heute«, hieß es, »habe ich mich jener schrecklichen Glocke nicht entziehen können. Zeit und Gewohnheit haben mir keine Erleichterung gebracht, im Gegenteil, mit den dahineilenden Jahren hat sich auch meine Kraft verflüchtigt, und meine Nerven sind weniger imstande, die fortdauernde Spannung zu ertragen. Ich bin gebrochen an Geist und Körper. Ich lebe in einem Zustand ewiger Furcht; immer warte ich auf die verhaßte Glocke; ich fürchte mich, mit meinen Mitmenschen zu reden, um ihnen meinen elenden Zustand nicht zu verraten; meine einzige Hoffnung ist das Grab. Ich bin Willens zu sterben, Gott weiß es; und doch, jedesmal, wenn wir uns dem 5. Oktober nähern, werde ich halb rasend vor Angst, da ich nicht weiß, welch ein seltsames und furchtbares Schicksal mir bevorsteht. Vierzig Jahre sind vergangen, seit ich Ghoolab Shah gemordet habe, und vierzigmal sind alle Schrecken des Todes über mich ergangen, ohne daß ich den seligen Frieden des Jenseits erreicht hätte. Ich weiß nicht, in welcher Gestalt mein Schicksal mich erreichen wird. Ich habe mich in diesem einsamen Lande verschanzt und mich mit Schranken umgeben, weil der Instinkt mich in meinen schwachen Augenblicken antreibt, Schritte zur Selbsterhaltung zu tun, aber ich weiß ganz gut, wie nutzlos es ist. Sie müssen jetzt bald kommen, denn ich werde alt, und die Natur wird ihnen zuvorkommen, falls sie sich nicht beeilen. Ich bin mir selbst Hochachtung schuldig, dafür, daß ich meine Hände von der Blausäure oder der Opiumflasche gelassen habe. Es hat immer in meiner Kraft gestanden, meine mystischen Verfolger auf solche Weise schachmatt zu setzen; aber ich habe immer behauptet, daß in dieser Welt kein Mann seinen Posten verlassen darf, bis er zur gehörigen Zeit von den zuständigen Behörden abgelöst wird. Ich habe jedoch keine Bedenken gehabt, mich allen möglichen Gefahren auszusetzen, und während der Sikh- und Seapoy-Kriege habe ich alles getan, was ein Mann nur tun kann, um dem Tode zu begegnen. Aber er ging an mir vorüber und suchte sich manchen jungen Burschen aus, für den das Leben noch voller Rosen war; und mich ließ er Orden und Kreuze gewinnen, die für mich allen Reiz verloren hatten.
Nun, diese Dinge können nicht vom Zufall abhängen, und es gibt unzweifelhaft einen gewichtigen Grund dafür. Einen Ersatz hat mir die Vorsehung in der Gestalt einer treuen, guten Gattin gewährt, der ich mein schauerliches Urteil vor der Hochzeit erzählte, und die edelmütig einwilligte, mein Schicksal zu teilen. Sie hat die Hälfte der Bürde von meinen Schultern genommen – arme Seele! – aber ihr eigenes Leben ist unter der Last zusammengebrochen. Meine Kinder sind mir auch ein Trost gewesen. Mordaunt weiß alles, oder doch fast alles. Vor Gabriele haben wir es geheimzuhalten versucht, obgleich wir sie nicht verhindern konnten, zu sehen, daß nicht alles richtig ist. Ich möchte, daß dieser Bericht Herrn Dr. John Easterling in Stanvaer gezeigt würde. Er hat bei einer Gelegenheit diese Marterglocke gehört. Meine traurige Erfahrung wird ihm beweisen, daß ich die Wahrheit sprach, als ich sagte, es gäbe viel Weisheit in der Welt, die ihren Weg nach England noch nicht gefunden hätte.
J. B. Heatherstone.«
Der Morgen graute, als ich diese außerordentliche Erzählung, der meine Schwester und Mordaunt Heatherstone gespannt zuhörten, beendigt hatte. Wir konnten schon durch die Fenster sehen, wie die Sterne allmählich erblaßten und ein graues Licht im Osten erschien.
Der Kätner, der den Spürhund hatte, wohnte ein paar Meilen entfernt; es war daher Zeit, aufzubrechen. Wir überließen es Esther, meinem Vater die Geschichte auf ihre Weise zu erzählen, packten einige Nahrungsmittel in unsere Taschen und begannen unseren traurigen und ereignisreichen Gang, der uns an das tragische Ziel führen sollte.