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Frau Billot war eine dicke Mama von fünfunddreißig bis sechsunddreißig Jahren, kugelrund, frisch, fleischig, herzlich; sie trabte ohne Unterschied vom Taubenhaus zum Hühnerhaus, vom Schafstall zum Kuhstall, inspizierte ihre Öfen, ihre Kessel und ihren Braten, beurteilte mit einem einzigen Blick, ob alles an seinem Platze stand, und nach dem Geruch allein, ob Thymian und Lorbeer in den Kasserollen in genügender Quantität verteilt waren; brummte aus Gewohnheit, aber ohne die entfernte Absicht, daß ihnen ihre Brummerei unangenehm sein sollte, gegen ihren Mann, den sie ehrte, wie den höchsten Potentaten, ihre Tochter und gegen ihre Taglöhner, die sie speiste, wie keine Pächterin auf zehn Meilen in der Runde die ihrigen speiste. Es fand sehr große Konkurrenz statt, um bei Herrn Billot unterzukommen. Aber auch hier waren leider, wie im Himmel, im Vergleich zu denen, die erschienen, viele Berufene und wenig Auserwählte.
Wir haben gesehen, daß Pitou, ohne berufen zu sein, auserwählt worden war. Das war ein Glück, das er zu seinem wahren Wert schätzte, besonders als er das goldgelbe Brot sah, das man zu seiner Linken legte, den Äpfelmostkrug, den man zu seiner Rechten stellte, und das Stück gesalzene Fleisch, das man ihm vorsetzte. Seit der Zeit, wo er seine arme Mutter verloren, und das war fünf Jahre her, hatte Pitou selbst an Festtagen keine solche Kost genossen.
Voll Dankbarkeit fühlte auch Pitou in demselben Maße, in dem er das Brot verschluckte und das gesalzene Fleisch mit einem reichlichen Aufguß von Äpfelmost befeuchtete, seine Bewunderung für den Pächter, seine Achtung für dessen Frau und seine Liebe für ihre Tochter zunehmen. Ein einziger Umstand quälte ihn: das war die demütigende Funktion, der zufolge er am Tage die Schafe und die Kühe hüten sollte, eine Funktion, die so wenig im Einklang mit der stand, welche ihm für den Abend vorbehalten war und die Belehrung der Menschheit über die erhabensten Grundsätze der Gesellschaft und der Philosophie zum Zwecke hatte. Pitou träumte davon nach seinem Mittagessen, doch selbst in dieser Träumerei machte sich der Einfluß des vortrefflichen Mahles fühlbar. Pitou fing an, die Dinge unter einem ganz andern Gesichtspunkte zu betrachten, als er dies nüchtern gethan hatte. Die Funktionen eines Schäfers und Kuhhirten, die er als so sehr unter seiner Person ansah, waren von Göttern und Halbgöttern verrichtet worden.
In einer der seinigen ungefähr ähnlichen Lage, nämlich von Jupiter aus dem Olymp weggejagt, wie er, Pitou, durch seine Tante Angélique vom Pleux weggejagt worden, hat sich Apollo zum Hirten gemacht und die Herden von Admetos gehütet; allerdings war Admetos ein König-Hirte, Apollo war aber auch ein Gott.
Herkules war etwas wie Kuhhirte gewesen, da er, wie die Mythologie sagt, die Kühe von Geryon am Schweif gezogen; und ob man die Kühe am Schweif oder am Kopf führt, das ist ein Unterschied in den Gewohnheiten von demjenigen, welcher sie führt, und nichts anderes; im ganzen bleibt er immer ein Kuhführer oder Kuhhirte.
Mehr noch, jener von Virgil erwähnte Titerus, der am Fuße einer Buche liegt und sich in so schönen Versen zu der Ruhe, die ihm Augustus bereitet hat, Glück wünscht, war auch ein Schäfer. Ferner war ein Schäfer jener Mecibeus, der sich so poetisch darüber beklagt, daß er seinen Herd verlassen soll.
Sicherlich sprachen alle diese Leute gut genug Lateinisch, um Abbés zu werden, und dennoch wollten sie lieber ihre Ziegen den bittern Geißklee abweiden sehen, als Messe lesen oder Vesper singen. Es mußte also, im ganzen genommen, der Stand eines Hirten auch seine Reize haben. Wer hielt übrigens Pitou ab, ihm die Würde und die Poesie zurückzugeben, die er verloren? Wer hielt Pitou ab, den Palämons und Menalkes der umliegenden Dörfer Gesangskämpfe vorzuschlagen? Niemand. Sicherlich hatte Pitou mehr als einmal auf dem Chor gesungen, und wenn er nicht von dem Abbé Fortier, der ihn sogleich mit seiner gewöhnlichen Strenge der Würde als Chorknabe entsetzte, beim Austrinken des Weines der Meßkännchen ertappt worden wäre, so konnte ihn dieses Talent weit führen. Er verstand es allerdings nicht, die Hirtenflöte zu blasen, aber er wußte in allen Tonarten das Röhrchen zu spielen, was sich ungemein gleichen mußte. Er schnitt zwar seine Flöte nicht selbst aus Röhren von ungleicher Größe, aber aus Zweigen vom Lindenbaum und vom Kastanienbaum machte er Pfeifen, deren Vollkommenheit ihm den Beifall seiner Kameraden eintrug. Pitou konnte also Schäfer sein, ohne sich zu sehr herabzuwürdigen; er stieg zu diesem in neuerer Zeit schlecht geschätzten Stande nicht herab, er hob ihn vielmehr zu sich hinauf.
Überdies waren die Schäfereien unter die Leitung von Jungfer Billot gestellt, und Befehle aus dem Munde Katharinens erhalten, hieß nicht Befehle erhalten.
Doch Katharine wachte ihrerseits über der Würde von Pitou.
Als an demselben Abend der junge Mann auf sie zutrat und sie fragte, um welche Stunde er abgehen müsse, um mit den Schäfern zusammenzutreffen, antwortete Katharine lächelnd:
Sie werden nicht abgehen
Warum nicht? fragte Pitou erstaunt.
Ich habe meinem Vater begreiflich gemacht, die Erziehung, die Sie erhielten, stelle Sie über die Beschäftigung, die er Ihnen zugeschieden. Sie werden im Pachthofe bleiben.
Ah! desto besser, rief Pitou; somit werde ich Sie nicht verlassen.
Der Ausruf war dem naiven Pitou entschlüpft. Doch er war nicht so bald aus seinem Munde, als ihm die Röte bis über die Ohren stieg, während Katharine ihrerseits den Kopf senkte und lächelte.
Ach! verzeihen Sie, das ist mir unwillkürlich aus dem Herzen gekommen. Sie dürfen mir darum nicht grollen, sagte Pitou.
Ich grolle Ihnen auch nicht, Herr Pitou, erwiderte Katharine, es ist nicht Ihre Schuld, wenn Sie ein Vergnügen daran finden, bei mir zu bleiben.«
Hier trat ein kurzes Stillschweigen ein. Darüber darf man sich nicht wundern; die zwei armen Kinder hatten sich so viele Dinge in so wenig Worten gesagt!
Aber ich kann nicht im Pachthofe bleiben, ohne hier etwas zu thun. Was werde ich im Pachthofe thun? fragte Pitou.
Sie werden thun, was ich that. Sie werden die Schreibereien, die Abrechnungen mit den Taglöhnern besorgen, die Einnahmen und Ausgaben verzeichnen. Sie können doch rechnen, nicht wahr?
Ich weiß meine vier Regeln, antwortete Pitou stolz.
Also eine mehr als ich, sagte Katharine. Ich habe es nie über die dritte bringen können. Sie sehen wohl, mein Vater wird dabei gewinnen, daß er Sie als Rechnungsführer hat; und da ich meinerseits dabei gewinnen werde, und da Sie Ihrerseits dabei gewinnen werden, so wird alle Welt gewinnen.
Und was gewinnen Sie dabei, Jungfer Katharine? fragte Pitou.
Ich gewinne dabei Zeit, und während dieser Zeit werde ich mir Hauben machen, um hübscher zu sein.
Ah! rief Pitou, ich finde Sie schon sehr hübsch ohne Haube.
Wohl möglich! doch das ist Ihr eigentümlicher Geschmack, erwiderte lachend das Mädchen. Übrigens kann ich am Sonntag nicht in Villers-Cotterets tanzen, ohne eine Art von Haube auf dem Kopfe zu haben. Das ist gut für die vornehmen Damen, die Puder zu nehmen und mit bloßem Kopfe zu gehen berechtigt sind.
Ich finde Ihre Haare schöner, als wenn sie Puder hätten.
Ah! ah! ich sehe, Sie sind gekommen, um mir Komplimente zu machen.
Nein, Jungfer Katharine, das verstehe ich nicht. Beim Abbé Fortier hat man das nicht gelernt.
Hat man dort tanzen gelernt?
Tanzen, beim Abbé Fortier? Jesus! Jungfer Katharine, ah! ja wohl, tanzen!
Also können Sie nicht tanzen?
Nein.
Nun! so werden Sie mich am nächsten Sonntag zum Tanze begleiten und zusehen, wie Herr von Charny tanzt; er tanzt am besten von allen jungen Leuten der Umgegend.
Wer ist das, Herr von Charny?
Er ist der Eigentümer des Schlosses Boursonne.
Er wird also am Sonntag tanzen?
Gewiß.
Und mit wem?
Mit mir.
Das Herz von Pitou schnürte sich zusammen, ohne daß er wußte, warum.
Also um mit ihm zu tanzen, wollen Sie sich schön machen?
Um mit ihm zu tanzen, um mit den anderen zu tanzen, um mit aller Welt zu tanzen.
Mit mir ausgenommen.
Und warum nicht mit Ihnen?
Weil ich nicht zu tanzen verstehe.
Sie werden es lernen.
Ah! wenn Sie es mir zeigen wollten, Sie, Jungfer Katharine, so würde ich es viel besser lernen, als wenn ich Herrn von Charny zuschaue, das versichere ich Sie.
Wir werden sehen, sagte Katharine; mittlerweile ist es Zeit, zu Bette zu gehen; gute Nacht, Pitou.
Gute Nacht, Jungfer Katharine.
Es war Gutes und Schlimmes in dem, was Katharine Pitou gesagt hatte: das Gute, daß er von der Stelle eines Hirten zu der eines Buchhalters erhoben worden war; das Schlimme, daß er nicht tanzen konnte, während es Herr von Charny konnte; nach der Aussage von Katharine tanzte dieser sogar besser als alle anderen.
Pitou träumte die ganze Nacht, er sähe Herrn von Charny tanzen, und er tanze sehr schlecht.
Am andern Tage ging Pitou unter der Leitung von Katharine ans Geschäft; da fiel ihm eines auf: wie nämlich das Studieren bei gewissen Lehrern eine sehr angenehme Sache ist. Nach zwei Stunden war er vollkommen in seiner Arbeit bewandert.
Ah! Jungfer Katharine, sagte er, wenn Sie mich das Lateinische gelehrt hätten, statt daß es der Abbé Fortier that, ich glaube, ich hätte keine Barbarismen gemacht.
Und Sie wären Abbé geworden?
Und ich wäre Abbé geworden.
Somit hätten Sie sich in ein Seminar eingeschlossen, in das nie eine Frau hätte kommen können?
Ah! rief Pitou, daran habe ich nie gedacht, Jungfer Katharine . . . ich will lieber nicht Abbé sein.
Um neun Uhr kam der Vater Billot zurück; er war weggegangen, ehe sich Pitou von seinem Lager erhoben hatte. Jeden Morgen um drei Uhr beaufsichtigte der Pächter persönlich den Abgang seiner Pferde und seiner Fuhrleute; dann lief er bis um neun Uhr auf den Feldern umher, um zu sehen, ob jedermann an seinem Posten sei, und ob alle ihre Arbeit verrichteten; um neun kehrte er zum Frühstück zurück, um zehn Uhr begab er sich abermals von Hause weg; um ein Uhr aß man zu Mittag, und der Nachmittag, wie die Stunden des Vormittags, war der Beaufsichtigung gewidmet. Die Geschäfte des Vaters Billot gingen auch vortrefflich. Er besaß, wie er gesagt hatte, seine sechzig Morgen in der Sonne und eintausend Louisd'or im Schatten,
Beim Frühstück eröffnete der Pächter Pitou, die erste Vorlesung des Werkes von Doktor Gilbert werde in zwei Tagen in der Scheune, um zehn Uhr morgens, stattfinden.
Pitou bemerkte hierauf schüchtern, zehn Uhr morgens sei die Stunde der Messe; aber der Pächter erwiderte, er habe gerade diese Stunde gewählt, um seine Arbeiter auf die Probe zu stellen.
Der Vater Billot war, wie gesagt, Philosoph.
Er haßte die Priester als Apostel der Tyrannei, und fand er eine Gelegenheit, Altar gegen Altar zu errichten, so ergriff er sie voll Eifer.
Frau Billot und Katharine wagten auch einige Bemerkungen; doch der Pächter erwiderte, die Frauen werden in die Messe gehen, wenn sie wollen, in Betracht, daß die Religion für die Weiber gemacht sei; was aber die Männer betreffe, so sollen sie die Vorlesung des Werkes vom Doktor anhören, oder bei ihm austreten.
Der Philosoph Billot war sehr Despot in seinem Hause; Katharine allein hatte das Vorrecht, die Stimme gegen seine Entscheidungen zu erheben; waren aber diese Entscheidungen dergestalt im Geiste des Pachters festgestellt, daß er Katharine antwortete mit finsterer Stirne, so schwieg diese wie die andern.
Nur gedachte Katharine aus den Umständen Nutzen für Pitou zu ziehen. Während sie vom Tische aufstand, bemerkte sie ihrem Vater, um alle die schönen Dinge vorzutragen, die er am zweiten Tage zu sagen habe, sei Pitou sehr ärmlich gekleidet; er spiele die Rolle des Lehrers, der da unterrichte, und der Lehrer dürfe nicht vor seinen Schülern zu erröten haben.
Billot bevollmächtigte seine Tochter, über die Kleidung von Pitou mit Herrn Dulauroy, dem Schneider von Villers-Cotterets, übereinzukommen.
Katharine hatte recht, und eine neue Kleidung war keine Sache des Luxus für den armen Pitou: er trug immer noch die Hosen, die ihm fünf Jahre vorher der Doktor Gilbert hatte machen lassen, die von zu lang zu kurz geworden waren, aber sich, das ist nicht zu leugnen, durch die Sorge von Mademoiselle Angélique um zwei Zoll jährlich verlängert hatten. Was den Rock und die Weste betrifft, so waren diese Kleidungsstücke seit mehr als zwei Jahren verschwunden und durch den serschenen Kittel ersetzt worden, mit dem unser Held schon in den ersten Kapiteln dieser Geschichte vor den Augen unserer Leser erschienen ist.
Pitou hatte nie an seinen Anzug gedacht. Der Spiegel war etwas Unbekanntes bei Mademoiselle Angélique, und da er nicht wie der schöne Narcissus die Urneigung hatte, in sich selbst verliebt zu werden, so war es ihm auch nie eingefallen, sich in den Quellen, an denen er seine Ruten stellte, zu beschauen.
Doch seit dem Augenblick, wo ihm Katharine gesagt hatte, er könne sie zum Tanze begleiten, seit dem Augenblick, wo von Herrn von Charny, dem eleganten Kavalier, die Rede gewesen, seit der Stunde, wo die Geschichte mit den Hauben, auf die Katharine, um ihre Schönheit zu vermehren, rechnete, in das Ohr von Pitou gedrungen war, hatte Pitou in einen Spiegel geschaut und sich betrübt über den Verfall seiner Kleidung gefragt, auf welche Art auch er seine natürlichen Vorzüge etwas erhöhen könnte.
Leider war Pitou nicht imstande gewesen, sich auf diese Frage eine Antwort zu geben. Der Verfall seiner Kleidung beruhte auf ihrem Alter, um aber neue zu bekommen, mußte man Geld haben, und Pitou hatte in seinem Leben keinen Pfennig besessen.
Wohl hatte Pitou die Hirten, wenn sie sich um den Preis der Flöte oder der Verse stritten, sich mit Rosen bekränzen sehen; doch er dachte mit Recht, dieser Kranz, so gut er ihm auch zu Gesichte stehen dürfte, würde nur noch mehr die Armut seiner übrigen Kleidung hervorheben.
Pitou war also äußerst angenehm überrascht, als am Sonntag um acht Uhr morgens, während er über die Mittel, seine Person zu verschönern, nachsann, Herr Dulauroy eintrat und auf einen Stuhl einen Rock und himmelblaue Hosen nebst einer großen weißen, rosa gestreiften Weste legte.
Zu gleicher Zeit trat die Nähterin ein und legte auf einen andern Stuhl ein Hemd und eine Halsbinde; paßte das Hemd gut, so hatte sie Befehl, ein halbes Dutzend zu machen.
Es war die Stunde der Ueberraschungen: hinter der Nähterin erschien der Hutmacher. Er brachte einen kleinen Dreispitz von der neuesten Form, voll Eleganz, kurz das beste, was man bei Herrn Corau, dem ersten Hutmacher von Villers-Cotterets verfertigte.
Es hatte überdies der Schuster den Auftrag, für Pitou ein Paar Schuhe mit silbernen Schnallen anzufertigen.
Pitou erholte sich nicht von seinem Erstaunen, er konnte nicht glauben, alle diese Reichtümer seien für ihn. In seinen übertriebensten Träumen hätte er es nicht gewagt, sich eine solche Garderobe zu wünschen. Thränen der Dankbarkeit befeuchteten seine Augenlider, und er vermochte nur die Worte zu murmeln: Oh! Jungfer Katharine, Jungfer Katharine, ich werde nie vergessen, was Sie für mich thun!
Alles dies ging ganz vortrefflich, als ob man das Maß an Pitou genommen hätte; nur die Schuhe fanden sich um die Hälfte zu klein. Herr Lautereau, der Schuster, hatte das Maß am Fuße seines Sohnes genommen, der vier Jahre älter war, als Pitou.
Dieser Vorzug von Pitou vor dem jungen Lautereau machte einen Augenblick unsern Helden stolz; doch die Bewegung des Stolzes war bald gemäßigt durch den Gedanken, er werde genötigt sein, ohne Schuhe zu dem Tanze zu gehen, oder mit seinen alten Schuhen, die durchaus nicht mehr zu seinem übrigen Anzug paßten. Doch diese Besorgnis war von kurzer Dauer: ein Paar Schuhe, das man zu gleicher Zeit dem Vater Billot schickte, machte die Sache ab. Es fand sich zum Glück, daß der Vater Billot und Pitou denselben Fuß hatten, was man sorgfältig, aus Furcht, ihn zu demütigen, vor dem Vater Billot verbarg.
Während Pitou damit beschäftigt war, diese kostbare Kleidung anzuziehen, trat der Friseur ein. Er teilte die gelben Haare von Pitou in drei Massen: die eine, und das war die stärkste, sollte unter der Form eines Zopfes auf seinen Rock herabfallen; die zwei anderen hatten die Bestimmung, die zwei Schläfen zu bekleiden, und zwar unter dem wenig poetischen Namen Hundsohren; doch was ist da zu sagen, das war einmal der Name.
Als Pitou gekämmt, frisiert, mit seinem blauen Rock und seinen blauen Hosen, mit seiner rosa Weste und seinem Jabot-Hemde, mit seinem Zopf und seinen Hundsohren sich im Spiegel betrachtete, hatte er große Mühe, sich selbst zu erkennen, und er wandte sich um, um zu sehen, ob nicht Adonis in Person auf die Erde herabgestiegen wäre.
Er war allein. Er lächelte sich freundlich zu und, den Kopf hoch, die Daumen in den Hosentaschen, sagte er zu sich selbst, indem er sich auf den Zehen erhob:
Wir werden diesen Herrn von Charny sehen! . . .
Es ist wahr, daß Ange Pitou in seiner neuen Tracht nicht einem Schäfer von Virgil, wohl aber einem Schäfer von Watteau glich, wie sich zwei Wassertropfen gleichen.
Der erste Schritt, den Pitou bei seinem Eintritte in die Küche that, war auch ein Triumph.
Ah! sehen Sie doch, Mama, rief Katharine, wie hübsch er ist!
Er ist allerdings nicht zu erkennen, sagte Frau Billot.
Zum Unglück ging Katharine von der Gesamtheit, die das Mädchen angenehm berührt hatte, zu den Einzelheiten über. Pitou war minder hübsch in den Einzelheiten, als in der Gesamtheit
Oh! wie drollig! rief Katharine, was für große Hände haben Sie!
Ja, sagte Pitou, nicht wahr, ich habe tüchtige Hände.
Und große Kniee.
Das ist ein Beweis, daß ich wachsen soll.
Aber mir scheint, Sie sind schon sehr groß, Herr Pitou.
Ich werde immerhin wachsen, denn ich bin erst siebenzehn und ein halbes Jahr alt.
Und keine Waden.
Ah! das ist wahr, durchaus keine; doch sie werden kommen.
Man muß es hoffen, sagte Katharine. Gleichviel, Sie sind sehr hübsch.
Pitou verbeugte sich.
Oho! rief der Pächter, der nun eintrat und Pitou ebenfalls betrachtete. Wie stattlich bist du nun, mein Junge! Ich möchte wohl, daß deine Tante Angélique dich sehen würde.
Ich auch, sagte Pitou.
Ich wäre begierig, zu wissen, was sie sagen würde, versetzte der Pächter.
Sie würde nichts sagen, sie würde wüten.
Aber, Papa, sprach Katharine mit einer gewissen Besorgnis, hätte sie nicht das Recht, ihn zurückzunehmen?
Da sie ihn fortgejagt hat!
Und dann sind die fünf Jahre abgelaufen, sagte Pitou.
Welche Jahre? fragte Katharine.
Die, für welche der Doktor Gilbert tausend Franken hinterlegt hatte.
Er hatte also tausend Franken für deine Tante hinterlegt?
Ja, ja, ja, um mich in eine Lehre zu schicken.
Das ist ein Mann! rief der Pächter. Wenn man bedenkt, daß ich alle Tage Aehnliches erzählen höre! Für ihn auch – er machte eine Gebärde mit der Hand – auf Leben und Tod!
Er wollte, daß ich ein Gewerbe lerne, sagte Pitou.
Und er hatte recht. So werden die guten Absichten vereitelt. Man hinterlegt tausend Franken, um einen Knaben ein Gewerbe lehren zu lassen, und statt ihn ein Gewerbe zu lehren, bringt man ihn zu einem Pfaffen, der einen Seminaristen aus ihm machen will. Und wie viel bezahlte sie deinem Abbé Fortier?
Sie bezahlte ihm nichts.
Also steckte sie die zweihundert Livres des guten Herrn Gilbert ein?
Wahrscheinlich.
Höre, soll ich dir einen guten Rat geben, Pitou, so rate ich dir, wenn deine alte bigotte Tante abfährt, überall wohl nachzuschauen, in den Schränken, in den Strohsäcken, in den Gurkenhäfen.
Warum? fragte Pitou.
Siehst du, weil du in einem wollenen Strumpf einen Schatz finden wirst. Ei! gewiß, denn sie wird keine Börse gefunden haben, die groß genug gewesen wäre, um ihre Ersparnisse darin unterzubringen.
Sie glauben?
Ich bin fest davon überzeugt. Doch wir werden zu geeigneter Zeit hievon sprechen . . . Hast du das Buch von Doktor Gilbert?
Ich habe es hier in meiner Tasche.
Mein Vater, sagte Katharine, haben Sie wohl überlegt?
Es bedarf keiner Ueberlegung, um gute Dinge zu thun, mein Kind, erwiderte der Pächter; der Doktor hat mir gesagt, ich soll das Buch lesen lassen, die Grundsätze, die es enthält, verbreiten; das Buch wird gelesen, und die Grundsätze werden verbreitet werden.
Und, fragte Katharine schüchtern, wir können in die Messe gehen, meine Mutter und ich?
Geht in die Messe, antwortete Billot; ihr seid Weiber, wir sind Männer, das ist etwas anderes; komm, Pitou.
Pitou grüßte Frau Billot, und Katharine und folgte dem Pächter, ganz stolz darauf, daß man ihn einen Mann nannte.