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Seelen


Messalulu

Dein Schoß säuft Samen
Von hundert Berserkern,
Dein Bein tanzt auf Festen mit hundert Wilden,
Dein Mund trinkt auf Festen
Hundert Becher und Küsse,
Es bersten die Gläser der Weine
An wankenden Wänden.

Was hast den Knaben du
Nur ein Mal nachts umschlossen?
Du bist eines von den wüsten Rossen,
Du hast sein Herz zerstoßen,
Du hast sein Blut vergossen,
Sein rotes Blut, das ist ins grüne Gras geflossen,
Draus sind Rosen aufgeschossen,
Du schlucktest dornenunverdrossen
Viel Knospen jung und unerschlossen.
Mit bleichen Rosen
Schläfst du bei den bleicheren Matrosen.

Du hast genossen.
Nun stirbst du lang in allen Gossen.

Die kalte Hand hat schon gegriffen
Nach deinem Tierschoß, Weib.
Das Messer ist geschliffen
Für deinen Unterleib.

 

Jehova

Auf deinem Schild gedonnert steht
Der Tod und das Verderben.
Deine Donner wühlen Gräber
In das fluchbedeckte All,
Deine Donner thronen über Bergen,
Hinabzurollen die Nacht.
Sündern ausgießt du der Sonne
Morgenseligen Tag.

Vergebens war das Gebet
Der sechsunddreißig Gerechten –
Aus Nordnächten des Mordens
Schallt unendliche Klage,
Jammer zerhackt mein Herz,
Israel winselt im Winter,
Der Ewige
Beschneidet sein Volk.
Gegen den unerbittlichen Dornbusch
Warf sich die Seele,
Ob sie dem Zorn sich als Opfer vermähle:

»Heilig, heilig dünkte sich dein Volk geboren,
Eckstein ward's rasch allen Hunden,
Bis es auch dies Amt verloren.
Auserkoren! Auserkoren!
Du hast es gesendet unter die Sichelwagen
Deines Pogrom-Grimmes.
Es verendet:
Es hat dich ausgeboren!«

 

Der Zerschöpfer

Über den Gestaden des Phalgou,
Rotschimmernden Forellenstroms,
Stand ich auf dem Ockerfels in die Zukunft.
Windsturm heulte mich an,
Wälder bäumten heran,
Wolken schäumten heran:
Das eherne Nachtmeer,
Das über mir Grau-Indianer zusammschlug.

Nicht genügt mir die Welt –
Mond, Stern und Erdenall:
Der ewige Tod.
Der grünsten Wiese Gras-Igel-Gewand
Vergilbt im Hauch der Erzsonne,
Des Seen trinkenden Feuers.
Sie erschöpft das Blühn der Gesträuche.
Nicht freut mich reif aufsterbend der Sommer,
Nicht freut mich der Tiefgang
Im glitschigen Weib:
Verwesung atmet mich an aus jeder Geburt.
Ich will alles Leben töten!
Ich weine Blut, den Winter lache ich tot –
Aber die Sonne schluckt mich mit dem Halm,
Neue Menschen brütet sie wieder,
Tierisch über wildem Getier.
Ach, zu klein ist mein Mund –
Wie gern verschläng ich die Sonne!

 

Oskar Kokoschka

Du bist einer von den lichten,
Von dem Aufgang roter Sonne,
Was noch schwarz im Dunkeln geistert,
Weicht von Dir zur Wolkenwende.

Ruhe schwankt zur Bank der Fäulnis,
Chaos mißt der Berge Abgrund,
Leben ist im Niedern trächtig,
Liebe giert und wird nicht schwanger,
Schaffen nur gibt Dir die Schöpfung:
Schwebend in des Lichtes starken Stürmen
Rein im Atem den Äther schirmen!

 

Georg Trakl

In dem Baum, der aufwärts wandert,
Geht die Glocke Abend unter,
Bis zum Schatten blauer Tiefe,
Die zur Seele singend spricht.

Dunkel wird in Dir das Feuer.
Lichte Reise ahnt der Körper,
Wiegt sich schluchzend über Wassern,
Jenseits toter Lebensheimat.

Dämmert Dir die neue Weihe,
Schwinge führt zum stillen Reigen,
Hoch und höher über allem
Wo, Warum und Wann und Wie.

 

Flucht nach Ägypten

Überall erschallt das fromme Lied
Vom Zimmermann, der Palästina mied.
Auf Bildern folgt er gehend,
Dienstbeflissen Spuren
Eines Eselchens,
Das eine Mutter und ihr Kind ertrug,
Während rings anbetend Engel niederfuhren.

Wer Ostens Menschen weiß
Und riecht, wie sich Kamelmist
In Wunderweihrauch der Legenden wandelt,
Sieht Staubgestalten anders walten.
Denn der schwere Jussuf ritt den wunden Esel,
Die Ehesklavin Mirjam folgt
Im Wüstensande wankend,
Den andern Wandermännern
Schwarzverschleiert.

Säugling auf ihrem müdgebeugten Buckel
Schläft in eine Zukunft,
Wo ihn, aussätziger Bettler Hirten,
Sterngelehrig Ochs und Esel
Und, gesalbt mit allen Salben,
Könige grüßen.

 

Christus spricht

Des Mondes Bauch nimmt ab,
Das Meer verrauscht,
Die Welt vereist,
Der Schleier der Nacht
Fällt mit den Sternen.
Der Herbstkranich ruft.
Ich wische mir den Fuß ab,
Der eure Erde betrat.
Ich bin das Feuer,
Ihr habet mich kalt gemacht.
Wer wird die Sonne anzünden,
Wenn es Winter ist.

 


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