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Die Barke »Dewata«, Kapitän Tenbrink, verließ gegen Mitte September den Hafen von Singapore. Als Ladung war Reis angegeben. Bestimmungshafen Taliabu - eine der Sula-Inseln in der Molukkensee. Die Besatzung bestand aus den erwähnten fünf Matrosen, dem Kapitän und mir als Passagier. Die Geschäfte eines Steuermannes besorgte der Chinese. Die Küche betrieb der Malaie im Nebenberufe. Das Fahrzeug war als Dschunke getakelt, führte große Mattensegel und entsprach auch in seinem Bau den chinesischen Dschunken, von der Mannschaft konnten sich nur der Chinese und der Dajak mit dem Kapitän direkt verständigen. Die anderen mußten einen dieser beiden als Dolmetscher benutzen, wenn sie mit ihrem Schiffsführer etwas zu reden hatten. Der Papua verstand etwas englisch; der Alfure ein wenig malaiisch. Man kann sich vorstellen, wie sich das Leben untereinander in einem derartigen Babel abspielen mußte.
Der Hafenkapitän in Singapore wollte mir anfangs nicht erlauben, mit der Barke unter Segel zu gehen. Es gäbe Dampfer, die mich in die Nähe der Inseln brächten. Da ich aber später doch noch auf diese Barken angewiesen sein würde, blieb es sich schließlich gleich, ob ich jetzt oder später mitfuhr. Billiger stellte sich diese Art des Reisens jedenfalls. Das antwortete ich dem Manne. Ein deutscher Kaufmann in Singapore vermutete in dem Holländer einen Seeräuber. An die Reisladung glaubte er nicht. Kurz, man sparte nicht mit Warnungen und guten Ratschlägen. -
Man hatte mir mittschiffs in einem Decksaufbau eine Kammer' angewiesen, deren Eingang mit einer sehr solide gearbeiteten Türe verschlossen werden konnte. Es war dies der einzige derartige Raum. Alle anderen Unterkunftsgelegenheiten waren nur durch Mattenvorhänge gegen neugierige Blicke gesichert. Anfangs schien mir diese Kammer so recht für meine Zwecke geeignet. Gar bald merkte ich jedoch, daß eine geheime Absicht mit der Zuweisung dieses Raumes an mich verbunden sein mußte. Und das kam so. Zwei Tage nach unserer Abreise, gegen Abend, sichteten wir einen Dampfer, der unsern Kurs zu schneiden beabsichtigte. Mit meinem Fernglas erkannte ich ihn als einen holländischen Küstenschutzdampfer, den ich von früher her noch in Erinnerung hatte. Unser Kapitän nahm anfangs keine Notiz von dem Schiffe, wußte er doch, daß der andere ausweichen mußte. Erst als drüben ein Flaggensignal hoch ging, das unsere Dschunke aufforderte, beizudrehen, kam Leben unter die Mannschaft. Es entstand ein wütendes Geschimpfe unter den Leuten. Die Luken wurden geöffnet und unter Deck entstand ein Rumoren, über dessen Ursprung ich mir nicht klar wurde. Die Aufforderung zum Beidrehen ließ der Holländer unbeachtet. Er setzte ruhig seinen Kurs fort und warf mir nur ein paar wütende Blicke zu, als ich ihn auf das Flaggensignal aufmerksam machte.
Der Dampfer kam näher. Bald rauschte er längsseit. Ich war gerade in meine Kammer getreten, um den Beamten, falls sie an Bord kämen, eine Karte nach Deutschland mitzugeben, die sie im nächsten Hafen der Post überantworten sollten. Da schlug plötzlich die Türe meiner Kabine mit einem lauten Krach ins Schloß. Finsternis umgab mich. Ein Fenster besaß der Raum nicht, wie ich erst jetzt bemerkte. Bisher hatte ein handbreiter Spalt an dem obersten Teile der Außenwand Luft und Licht vermittelt. Dieser Spalt war nicht mehr sichtbar. Als ich mich umwandte, um die Türe wieder zu öffnen, gab sie meinem Drucke nicht nach. In demselben Augenblick vernahm ich eine Stimme von außen, die nach dem Woher und Wohin fragte. Die Antwort unseres Kapitäns lautete:
»Von Singapore nach Labuan, Ladung Reis und Mehl für Rechnung der englischen Regierung. Heimatshafen Labuan.«
Damit gab sich der Küstendampfer zufrieden. Englische Regierungsladung auf englischem Schiffe nach englischem Hafen ging ihn nichts an.
Ich aber war nicht wenig erstaunt über diese Antwort. Die verschiedenen Warnungen gingen mir durch den Kopf. Ich versuchte nochmals die Türe zu öffnen, aber vergebens. Sie wich und wankte nicht. Nun wurde mir die Sache zu bunt. In meinem Gepäck steckte ein Buschbeil, das konnte mir jetzt gute Dienste leisten. Als ich mich danach bückte, vernahm ich ein leises Knirschen an der Tür. Ganz schwach nur drang der Laut an mein Ohr, aber ich fühlte doch, daß sich draußen jemand am Schloß zu schaffen machte. Mit festem Griff stieß ich die Tür nach außen – und lag im nächsten Augenblick auf dem Deck. Die Tür hatte sich spielend leicht geöffnet und meine gewaltige Kraftanstrengung, die ich glaubte anwenden zu müssen, war mir zum Verhängnis geworden.
Das Gelächter der Matrosen, die am Maste standen, und meinen Sturz beobachtet, vielleicht sogar erwartet hatten, ignorierte ich. Ein Blick sagte mir, daß der Schlüssel nicht mehr im Schlosse stak. – Jetzt wußte ich genug. Auf diesem Fahrzeug wurde irgend ein faules Spiel gespielt, und nun verwendete ich meinen ganzen Scharfsinn darauf, herauszubringen, was man hier trieb. Daß man mich nicht noch einmal einsperrte, dafür wollte ich schon sorgen.
Nach einem kurzen Spaziergang an Deck, kehrte ich zur Kammer zurück. Siehe da – der Spalt war wieder offen. Auch hierüber wunderte ich mich nicht. Wußte ich doch nun, daß diese Kammer dazu bestimmt war, unbequeme Zuschauer zu beseitigen oder gefangen zu halten.
Der Chinese erschien in der Türöffnung. Mit einem Blick überzeugte er sich, daß kein Lauscher in der Nähe war, dann fragte er: Ob ich sein Freund sei. Natürlich bejahte ich. Zur Bekräftigung reichte ich ihm einen Straitsdollar.
»Es ist gut!« antwortete er und setzte seinen Gang über das Deck fort. Während ich noch über den Sinn der Frage nachdachte, erschien der Kapitän:
»Man sagt mir, daß die Türe in Ihrer Kammer zugefallen war und nicht wieder geöffnet werden konnte. Es tut mir leid. Ich werde das reparieren lassen.«
»Nicht nötig, Kapitän,« gab ich zurück. »Ich werde das selbst in Ordnung bringen.«
Mit diesen Worten hob ich die Tür aus den Charnieren und warf sie oben auf das Deckshaus.
Erstaunt hatte der Mann meinem raschen Handeln zugesehen. Nun er sah, daß ich ihn durchschaute, wurde er wütend:
»Herr, das verbitte ich mir. Sie haben an meinem Schiff ohne meine Erlaubnis nichts zu ändern. Die Kammer muß verschließbar bleiben.«
»Nicht solange ich darin bin, Käpt'n! Ich habe sie gemietet!«
»Und ich sage, daß die Türe wieder eingesetzt werden soll,« brüllte er. Mit diesen Worten rief er den Malaien heran und befahl ihm, den Schaden wieder gut zu machen. Dann wandte er sich um und ging auf das Achterdeck, wo er mit dem Chinesen lange verhandelte.
Der Malaie schleppte die Türe in den Decksgang und lehnte sie dort an die Wand. Um ihn auf meine Seite zu bringen, winkte ich ihm verstohlen in die Kammer und drückte ihm dort ebenfalls einen Silberdollar in die Hand, indem ich ihn zugleich ersuchte, die Kammer nicht mehr mit einer Türe, sondern mit der Matte zu verschließen. – Er nickte zustimmend und begab sich nach vorn, von wo er mit Hammer und Nägeln zurückkehrte. Seine Blicke glaubte ich dahin deuten zu sollen, daß er allein zu sein wünsche. Ich ließ noch einen Dollar in seine Hand gleiten und begab mich aufs Achterdeck, um gewohnheitsmäßig nach dem gesteuerten Kurse zu sehen. – Er zeigte N.N.O., während wir bis zum Erscheinen des Dampfers fast entgegengesetzt gesteuert hatten.
»Sie wollen Borneo nördlich umfahren, Käp'tn?« fragte ich, an die Gruppe herantretend.
»Denke nicht daran!« gab er knurrend zurück. »Was sollte ich dort zu suchen haben?«
»Meine nur. Der Kurs steht auf Kap Datu. Wir kommen schneller an unser Ziel, wenn wir Borneo und Celebes südlich umsteuern. Aber mir kann es recht sein. Ich sehe gern den englischen Manövern zu.«
Blitzschnell fuhr der Kapitän herum, während sein Steuermann schadenfroh lächelte.
»Was für Manöver? Was meinen Sie damit?«
»Nun, das wissen Sie doch, daß in diesen Tagen englische Kriegsschiffe in der Datu-Bucht zusammentreffen. Ganz Singapore sprach ja davon. Auch ein paar Holländer werden zur Begrüßung dorthin gehen.«
»Davon ist mir nichts bekannt. Mein Agent hat mir nichts davon gesagt!« schrie der Holländer in heller Aufregung. »Heh! Mate, Steuermann, weißt du etwas von Manövern in der Datu-Bucht?«
Langsam drehte sich der Chinese dem Sprecher zu. In seinen listigen Schlitzaugen blitzte offener Hohn.
»Hab davon gehört, Kap'tain!«
»Und das sagst du mir nicht, schlitzäugiger Hund!« Mit einem lästerlichen Fluche stürzte er sich auf seinen Untergebenen. Doch der war flinker als sein Vorgesetzter. Geschickt wich er dem drohenden Schlage aus, sprang etwas vor und stellte seinem Gegner ein Bein, so daß dieser auf das Deck stürzte und um ein Haar über Bord geflogen wäre. Dann warf er sich mit einem Jubelgeheul auf den am Boden Liegenden und bearbeitete ihn aus Leibeskräften mit den Fäusten.
Ich hatte der Szene interessiert zugeschaut. Ebenso der Alfure, der am Steuer stand. Auch über dessen Antlitz lief ein freudiger Schauer, als er sah, daß sein Herr so jämmerlich verhauen wurde. In seinem Entzücken ahmte er jeden Hieb, den der Steuermann austeilte, in der Luft nach. Die Folge davon war, daß das Steuer seinen Händen entglitt und die Dschunke aus dem Ruder lief. Die Segel klatschten schwer gegen die Spieren und drückten das Fahrzeug hart auf die Seite. Durch diesen Umstand wurden die drei andern Matrosen aufmerksam und kamen auf das Achterdeck. Sofort bildeten sich die Parteien. Der Papua sprang dem Kapitän zu Hilfe, indem er dem Chinesen den Kopf stark nach hinten riß und den Versuch machte, ihm den Kehlknorpel zu zerschlagen. Das litt der Alfure nicht, der den Papua mit ungestümer Wut angriff. Neben mir stand der Malaie, der den Anlaß zu der Rauferei wissen wollte und gleichzeitig dem gänzlich unbeteiligten Dajak heftige Vorwürfe über etwas zu machen schien, das dieser mit einer drohenden Bewegung nach dem Messer zurückwies.
Der Malaie hatte kaum gehört, daß Kriegsschiffe unterwegs sein sollten, als er auf die am Boden raufende Gesellschaft zusprang und sie durch Tritte und Püffe, die er durch hastig hervorgestoßene Worte unterstützte, auseinandertrieb. Die Worte mußten eine magische Kraft besessen haben, denn sie wirkten Wunder. Im Nu waren alle auf den Beinen und spähten angestrengt über das Meer. Dann wurden die Segel wieder in den Wind gebraßt und – der Kurs geändert. Man steuerte jetzt rein östlich. Dem Lande zu.
Selbstredend hatte ich mich während der ganzen Balgerei neutral verhalten. Sie hatte mir aber wertvolle Fingerzeige über die Gesinnung der Fahrtgenossen zu einander gegeben. Ich wußte jetzt, daß der Papua zu dem Kapitän hielt. Der Chinese erfreute sich der Gunst des Alfuren und des Dajaks, welch' letzterer ein Feind des Malaien war. Nur wie der Malaie zu den übrigen stand, wußte ich noch nicht. Es liegt aber in der Art dieses Volkes jeden zu betrügen, gleichviel ob er Freund oder Feind ist. So würde auch dieser keine Ausnahme machen, dachte ich.
Der Kapitän war sofort nach seiner Befreiung unter Deck gegangen. Ich ahnte, daß er dort irgend eine Waffe zu sich stecken würde, um gegen erneute Angriffe geschützt zu sein. Das raunte ich dem Chinesen zu, als er an mir vorüberglitt.
»Nehmen Sie sich selbst in Acht!« flüsterte er zurück. Dann verschwand er ebenfalls unter Deck.
Ich hätte gar zu gern gewußt, wo wir uns eigentlich befänden. In den mir zugänglichen Räumen war weder Seekarte noch irgend ein nautisches Instrument zu entdecken. Ich wandte mich deshalb an den Malaien mit der Frage, ob er mir nicht Höhe und Breite unseres Standortes zu Mittag angeben möchte. Er verneinte und gab der Ansicht Ausdruck, daß wir bald in Sicht der Bintang-Inseln kommen müßten. Kein Mensch an Bord, außer dem Kapitän, verstehe etwas von der Nautik und die Instrumente halte der »Alte« stets unter Verschluß.
»Aber der Steuermann muß doch auch Kenntnisse in der Seefahrtskunde besitzen,« warf ich ein. »Es geht doch nicht an, daß Schiff und Ladung nur zwei Augen anvertraut sind.«
»Schiff und Ladung gehören dem Kapitän,« erwiderte der Malaie. »Und der will niemanden an Bord haben, der etwas von der Schiffsführung versteht, weil er weiß, daß er von dem Augenblick an seines Lebens nicht mehr sicher ist.«
»Na, so schlimm wird das wohl nicht sein,« antwortete ich. »Er hätte mich doch sonst nicht an Bord kommen lassen. Ich bin ja auch Seemann gewesen und kenne die Nautik genau.«
»Wie?« fuhr der Malaie auf. »Sie sind Seemann? Sie wissen ein Schiff über die See zu führen? Sie können Borneo und Flores und Buru und Billiton finden?«
»Wenn ich die Instrumente und die Karten habe, ja!«
»Oh, Tuwán, warum haben Sie das nicht früher gesagt? Und der Kapitän weiß das?
»Ich vermute es. Ich glaube es ihm in Singapore mitgeteilt zu haben.«
»Dann hat er das überhört oder vergessen. Sagen Sie ihm nichts davon, denn – ich traue ihm nicht.«
Wenn ich bisher noch geringe Zweifel gehabt, so waren sie jetzt verflogen. Ich befand mich auf einer jener Barken, die in den Sunda-Inseln zahlreiche Verstecke haben und von diesen aus, wie der Fuchs aus seinem Bau auf Raub, Schmuggel oder noch Schlimmeres ausgehen. Gleichzeitig drängte sich mir auch die Überzeugung auf, daß mich dieses Schiff niemals nach Taliabu bringen würde. – Mit dieser Erkenntnis reifte auch in mir der Entschluß auf irgend einer der Inseln, die wir in Sicht bekommen würden, die Dschunke zu verlassen. Ging es nicht im Guten – nun, so mußte es auf andere weise möglich gemacht werden. Der Malaie hatte Recht. Der Kapitän durfte nicht erfahren, daß ich ein Schiff zu führen verstand.
Die Prügelszene hatte anscheinend wie ein reinigendes Gewitter unter der Schiffsbesatzung gewirkt. Die Leute begegneten sich manierlicher und der Kapitän ließ sogar ab und zu ein kurzes Lachen erschallen, wenn der Chinese mit ihm in traulichem Geplauder auf dem Achterdeck spazieren ging. Nur der Alfure saß immer in sich gekehrt und verfolgte sowohl den Papua als den Dajak mit Blicken voller Haß.
Der Kompaß deutete immer noch den Ostkurs an. Ich hätte das ohnehin aus dem Sonnenauf- und Untergang entnehmen können, denn hier auf dem Äquator oder doch in allernächster Nähe desselben ist das unschwer festzustellen, wenn der Kapitän aber die Bintang-Inseln anlaufen wollte, so mußte das Land nicht mehr fern sein.
Ich vermied es, mit dem Holländer zusammenzutreffen. Mein bevorzugter Platz war der vordere Teil des Schiffes. Hier konnte ich in aller Ruhe das Meer und seine Bewohner beobachten und hier hatte ich freies Sehfeld für mein Fernglas. Es war dies eines der feinsten, bis dahin bekannten Gläser und gab nicht nur scharfe, stark vergrößerte Bilder, sondern erfüllte auch seinen Zweck in nicht zu übertreffendem Maße.
Eines Morgens zeigte sich vor der emporsteigenden Sonnenscheibe ein dunkler, unregelmäßiger Strich. Der neben mir stehende Dajak machte mich darauf aufmerksam und rief seine Entdeckung auch dem Malaien zu. Dieser schüttelte ungläubig den Kopf, kam aber nach vorn und spähte angestrengt auf die jetzt starke blendende Sonnenscheibe.
»Haben Sie auch das Land gesehen, Tuwán?« fragte er nach einer Weile.
»Ich halte das, was ich gesehen habe, allerdings für eine Insel.«
»Unmöglich, Tuwán. was sollten das wohl für Inseln sein?« erwiderte er nach einer Weile.
»Ich denke die Bintang-Inseln. Sie sagten selbst, der Kapitän wolle dort landen,« gab ich zurück.
»Der wird sich hüten, den Inseln zu nahe zu kommen,« rief er lachend. »Ich aber wäre es schon zufrieden, wenn er es trotzdem versuchte ....«
Er brach mit einer Miene ab, die mich erkennen ließ, daß er schon zuviel gesagt hatte. Er biß sich auf die Unterlippe und seine falschen Augen bohrten sich förmlich in den Horizont, plötzlich fragte er ganz unvermittelt:
»Wann können wir den dunklen Punkt dort erreicht haben?«
»Hm. wenn wir die Fahrt wie jetzt beibehalten, können wir kurz vor Sonnenuntergang dort sein,« erwiderte ich.
»Zu früh – zu früh,« murmelte er. Dann wandte er sich kurz ab und ging unter Deck.
Gegen zehn Uhr früh kam der Chinese in meine Kammer. «Er musterte prüfend die Matte vor dem Eingang und sagte so nebenbei:
»Sie täten doch besser, die Türe wieder einsetzen zu lassen. Es ist nachts sehr feucht....«
»Hier trinke mal, Freund,« unterbrach ich ihn. »Das ist besser als alle Türen der Welt.«
Über das gelbe Gesicht lief ein Ausdruck gieriger Freude. Hastig setzte er die Geneverflasche an und nahm einen herzhaften Schluck. Noch schnalzend über den Hochgenuß sagte er:
»Der Kap'tain will, daß die Türe heute noch eingehängt wird. Ich muß das tun, was er sagt...«
»Und wenn sie über Bord fällt? «Eine Flasche Gin und zwei Straitsdollar ist mir die Sache wert.«
»Hm – hm,« brummte er leuchtenden Auges. Das wäre schon möglich, aber... »hm – wir brauchen ihn, wir brauchen ihn!«
»Weißt du, daß ich auch Seemann bin und Schiffe allein über das Meer bringen kann?«
Ungläubig sah mich der Chinese an. Dann hielt er sich den Bauch und lachte, daß ihm die Tränen über die Backen liefen. Dieser Heiterkeitsausbruch lockte den Malaien an. Auch ihm bot ich die Flasche. Aber mit allen Zeichen des Abscheues wies er sie von sich und bat nur um etwas Tabak. In demselben Moment ging der Kapitän vorüber. Erstaunt blieb er vor der Kammer stehen und sah mißbilligend auf seinen Steuermann, dem das ungewohnte Getränk immer neue Lachsalven entlockte.
»Kapitän, ein Schluck Genever gefällig?« fragte ich, indem ich ihm die Flasche reichte. »Es ist echter Stoff. Stammt wirklich aus Schiedam.«
Mißtrauisch blickte er mich an. Um ihn zu beruhigen, nahm ich erst einen Schluck des scharfen Getränkes. Nun setzte auch er die Flasche an den Mund. Ein »Ah« des Kenners entfuhr seinen Lippen. Dann trank er und trank in langen durstigen Zügen den heimischen Schnaps.
»Na, das kann gut werden. Bleibe so dabei, Freund, dann bist du mich heute abend los!« dachte ich, während ich mit heimlicher Freude bemerkte, wie sich der Arm des Kapitäns immer höher hob.
Endlich setzte er ab. Die Flasche war leer. Mit einem herzlich seinsollenden Dankeswort stapfte er zurück zum Achterdeck und verschwand dort in seiner Kammer.
Der Malaie hatte dem Trinken des Kapitäns mit schlecht verhehlter Mißbilligung zugeschaut. Anfangs wollte er Einspruch erheben. Er besann sich aber und ließ nur beobachtende Blicke über unsere Gesichter schweifen. Als der Kapitän gegangen war, fragte er mich mit lauerndem Blick in den stechenden Augen:
»Haben Sie nicht noch ein wenig Gin für meinen chinesischen Freund?«
»Wenn der Steuermann noch einen Schluck haben will, gern,« antwortete ich. Ich wußte nicht recht, was ich aus der Frage machen sollte. Darum wartete ich noch mit der Öffnung der zweiten Flasche. Der Malaie mußte so gut wie ich begriffen haben, daß der nächste Trunk den Chinesen um seine Besinnung bringen mußte.
»Oh, Herr, ja – noch – einen – Trunk!« stieß der Steuermann, dessen Augen bereits einen glasigen Schein annahmen, lallend hervor.
»Soll ich?« fragte mein Blick den Malaien.
Dieser trat hinter mich und raunte mir zu:
»Wenn Sie navigieren können – ja!«
Der Chinese mochte wohl die Worte, kaum aber deren Sinn verstanden haben, denn er lachte wieder hell auf und deutete spottend auf mich.
»Seemann! Hahaha....« Dann setzte er die Flasche zu einem langen Schluck an. Wenige Minuten später lag er röchelnd am Boden.
»Jetzt zeige, Tuwán, was du kannst. Ich hole dir die Instrumente und die Karten oder was du sonst brauchst. Dann sage mir, was das für Inseln sind, auf die wir zusteuern.«
Auf meine Frage, wo der Kapitän sei, antwortete der Malaie mit verächtlichem Ausdruck:
»Der liegt in seinem Bett und schnarcht.«
»Dann lasse mich in die Kajüte. Dort muß ein Chronometer sein. Ich brauche auch sonst noch Tabellen und Angaben über Strömungen und dergleichen.«
Leider fand ich das Gesuchte nicht. Außer dem Sextanten fand sich nur eine alte Seekarte, auf der bereits andere Kurse abgesteckt waren. Sie schien jedoch auch für die gegenwärtige Reise zu gelten, denn ich glaubte, die plötzliche Kursänderung nach S.S.O. herauszulesen.
Der Malaie folgte jeder meiner Bewegungen mit unverhohlenem Mißtrauen. Nur als er mich um Mittag mit dem Sextanten so hantieren sah, wie er es von seinem Kapitän abgeguckt hatte, wuchs seine Zuversicht.
Als ich die Breite gefunden hatte, verglich ich meine Observation mit der vom Tage vorher und ließ die eingezeichnete Länge gelten. Den danach ermittelten Schiffsort teilte ich dem Malaien mit.
»Die Insel vor uns hat nach der Karte keinen Namen,« sagte ich. »Es ist ein einsames unbewohntes Eiland, das in der Mitte zwischen Lingga und dem Riouv-Archipel liegt. In drei Tagen erreichen wir auf diesem Kurse den Hafen von Lingga.«
Diese Erklärung machte auf den Malaien einen unbeschreiblichen Eindruck. Sein Gesicht wurde ganz grün und mit wutverzerrter Stimme schrie er:
»Oh – der Hund! wenn das wahr ist, muß der Schuft sterben! Er will mich verderben....«
Das Wort erstarb ihm auf der Zunge. Mit einem Wutschrei, der nichts Menschliches an sich hatte, stürzte der Kapitän auf das Deck. Bebend vor Zorn warf er sich mir entgegen, um mir den Sextanten zu entreißen – da traf ihn ein so wuchtiger Schlag von der Hand des Malaien, daß er zwei Schritte vorwärts taumelte und mit einem dumpfen Aufschrei besinnungslos zusammenbrach.
Der Malaie, dem der Schaum vor dem Munde stand, wollte sich auf den besiegten Gegner werfen, aber ich hielt ihn zurück.
»Halt – Mann! Du hast mich zum Kapitän gemacht, nun gehorche mir. Was hast du auf der Insel zu fürchten?«
»Alles, Tuwán! Ändert schnell den Kurs, daß man uns von dort nicht bemerkt. Jene Insel ist ein Schlupfwinkel der Seeräuber, wenn ich denen in die Hände falle, töten sie mich.«
»Aber warum denn – was hast du denn verbrochen?«
»Ich habe ihre Kumpane einmal angezeigt, um – mich zu retten.«
»Dann allerdings wirst du keine besondere Sehnsucht nach der Insel haben. Aber nun gib mir ehrliche Auskunft. Was für ein Fahrzeug ist dieses?«
»Muß der Tuwán das wissen?«
»Selbstverständlich, sonst kann ich doch nicht in deinem Interesse handeln.«
Der Malaie sann lange nach. Dann sagte er:
»Ich muß erst den Chinesen und den Dajak fragen, Tuwán. Unterdessen will ich den Kapitän über Bord werfen.«
»Mensch, bist du verrückt? Das ist ja Mord. Das erlaube ich auf keinen Fall!«
»Bah,« lachte er wild auf. »Der hat schon mehr Menschenleben vernichtet, als – nun, als mancher andere. Auf Sie hatte er es auch abgesehen. Es ist Zeit, daß er verschwindet.«
»Nein, nein, solange ich an Bord bin, tötest du den Kapitän nicht! Binde ihn meinetwegen und setze ihn irgendwo an Land, aber begehe keinen Mord.«
Wir begaben uns zu dem regungslosen Körper und ich beugte mich nieder, um ihn zu untersuchen. Am Hinterkopfe klaffte ein Riß, der dick mit Blut verklebt, anscheinend schon ein wenig älter war, als der Hieb des Malaien. In den Mundwinkeln des fahlen Gesichtes saß ebenfalls geronnenes Blut. Die Herztätigkeit war kaum wahrnehmbar.
»Hast du den Mann schon in der Kajüte geschlagen?« fragte ich den Malaien, der gefühllos meinen Hantierungen zusah. »Diese Wunde am Hinterkopfe ist etwas älter....«
»Nein, Tuwán, ich nicht. Aber der Alfure war in der Kajüte. Den hat der Hund da gepeitscht und das vergißt ein Alfure nicht.«
»So –! Also jetzt sorge dafür, daß der Mann irgendwo untergebracht wird, wo er keinem Menschen mehr schaden kann und dann sage mir wohin ich das Schiff bringen soll.«
»Kennt der Tuwán die Tambelon-Inseln?«
»Nein, aber sie sind auf der Karte verzeichnet, folglich kann ich dorthin steuern.«
»Dann lassen Sie das Schiff dorthin segeln, Tuwán.«
»Gut!« Ich brachte die Dschunke auf den Nordkurs und begab mich dann in meine Kammer, um den Chinesen mittels Ammoniak ins Leben zurückzurufen. Der Dajak mußte an das Steuer gehen.
In meiner Kammer fand ich den Chinesen nicht. An Backbord vor dem Lukeneingang lag der Papuaneger auf dem Bauche und verfolgte meine Handlungen mit gespannter Aufmerksamkeit. Sein Benehmen war so auffällig, daß ich unwillkürlich meine Effekten überflog. Es war aber alles noch fest verschlossen und von den offen herumliegenden Gegenständen fehlte nichts.
Ich näherte mich dem Neger und fragte ihn in englischer Sprache, wo der Chinese sei. Ohne sich aus seiner Lage zu rühren, gab er mit breitem Grinsen zur Antwort, daß er das nicht wisse. Dabei fletschte er die weißen Raubtierzähne.
Auch der Malaie, der jetzt wieder auf Deck erschien, hatte den Chinesen nicht gesehen. Sein Blick glitt über die kleine Kammer, umfaßte das Vorderdeck und blieb auf dem höhnisch lachenden Gesichte des Papua haften. Ein furchtbarer Verdacht stieg in ihm auf.
»Tuwán, der Papua hat den Steuermann über Bord geworfen,« rief er mir zu. »Soll ich ihn seinem Opfer nachsenden?«
»Erst wollen wir das Schiff durchsuchen. Dein Verdacht ist vielleicht doch nicht begründet. Und dann – brauchen wir ja den Papua notwendig für die Schiffsarbeit. Hat er wirklich den Mord begangen, dann entgeht er seiner Strafe nicht. Dafür sorge ich schon.«
Der Chinese war und blieb verschwunden. Der Kapitän lag am Abend, als ich mit dem Revolver in der Hand einige Stunden Schlaf suchte, im Schiffsraume auf einer Matte. Er hatte das Bewußtsein noch nicht wieder erlangt.
Am nächsten Mittag konnte ich feststellen, daß wir 72 Seemeilen zurückgelegt hatten, wir konnten die Inselgruppe noch in der Nacht erreichen. Ich rief den Malaien und fragte ihn, welches der zahlreichen Eilande er anzulaufen wünsche. Er nannte eine Insel, deren Name mir entfallen ist, die auf der Karte auch nicht näher angegeben war. Sehr unangenehm war es ihm, daß wir die Gruppe in der Nacht anlaufen würden.
Ich schlug ihm vor, gegen Abend den Kurs zu ändern und am Tage auf die Inseln aufzukreuzen, wenn es nötig würde. Auch könnten wir an der ersten Insel ankern, letzteres war ihm besonders unangenehm. Nur das nicht.
Jetzt hielt ich es für geboten, mir genaue Auskunft über die Art unsers Schiffes geben zu lassen. Ich wollte wissen, wie ich mich zu verhalten hatte, wenn nun irgend jemand an Bord kam.
Der Malaie erzählte nun:
»Der Kapitän ist Eigentümer dieser Dschunke. Er war bis vor kurzer Zeit im Dienste der Seeräuber als Lotse tätig. Die Schiffe, die sich ihm anvertrauten, gingen sämtlich auf den Inseln zugrunde. Heute befaßt er sich mit dem Schmuggel von Waffen, die er den Eingeborenen auf den Inseln gegen Waren vertauscht. Auf dem Waffenschmuggel steht Todesstrafe. Dieses Mal haben wir in Singapore eine Ladung Pulver, Revolver und Kugeln geholt, die in Reissäcken verpackt ist, damit sie etwa untersuchenden Zollbeamten nicht auffällig erscheint. Der Kapitän führt auch falsche Schiffspapiere, die er vorzeigt, wenn ein Kriegsschiff uns anhält. Bei den Engländern sind es holländische und bei den Holländern englische Papiere.
»Wolltet Ihr denn nicht nach den Sula-Inseln? Der Kapitän hat mir doch gesagt, er wolle nach Ceram und mich in Taliabu an Land setzen.«
»Er hielt Sie für einen reichen Engländer und hatte die Absicht, Sie auf einer der Inseln bei den Seeräubern abzusetzen. Sie sollten eine große Summe als Lösegeld zahlen und dann – wären Sie auf der Barke, die Sie nach einem Hafen bringen mußte, verunglückt.«
»Wo wohnt denn der Kapitän eigentlich?«
»Eben auf der kleinen Insel, die wir vorgestern sichteten. Dort wohnen auch die Seeräuber, die mich suchen. Ich ahnte schon längst, daß er den Dajak und mich an diese ausliefern wollte.«
Kurz vor Sonnenuntergang tauchten die Umrisse mehrerer Inseln aus dem Meere auf. Hohe, zerrissene Kegel, die bis weit hinauf bewaldet waren, überragten flache, tellerförmige Eilande. Zwischen diesen letzteren sah ich durch das Fernglas dichte schwarze Rauchwolken aufsteigen.
Der Malaie war unter Deck gegangen, um einige Stunden zu ruhen. Als die Nacht hereinbrach, die unter dem Äquator ohne Dämmerung der sinkenden Sonne folgt, ließ ich ihn rufen.
»Wir können heute abend noch eine der Inseln ansteuern. Ich sehe auf dreien Feuerschein. Sie sind also bewohnt.«
»Bewohnt? Nein, nur auf einer Insel stehen ein paar Hütten. Die Feuer werden von den Trepangfischern herrühren, die den Fang mit Fackeln betreiben. Es ist besser, Tuwán, den Inseln bis zum Morgen aus dem Wege zu gehen. Kannst du das?«
Obgleich ich den Grund für dieses Ansinnen nicht kannte, wollte ich dem Malaien doch zu Willen sein. Morgen hatte ja meine Reise ohnehin ein Ende. Dann konnte der Kapitän das Kommando wieder übernehmen. Übrigens – wie ging es ihm denn? Seit gestern hatte ich nichts mehr von ihm gehört.
Ich rief den Malaien, der angestrengt auf den hellen Schein blickte, zu mir und fragte ihn, wie es dem Kapitän ginge.
»Oh – gut. Der ist vergangene Nacht schon gestorben.«
»Was – gestorben? Und das erfahre ich jetzt erst? Mann, Mann, ist das auch kein Mord gewesen?« fragte ich mit leisem Schauder, denn das falsche Auge konnte meinen Blick nicht aushalten.
»Mord? Nein, er atmete nicht mehr und da hat ihn der Alfure über Bord geworfen. Es waren gerade Haifische beim Schiff...«
»Schweig, Mensch! Ihr seid ja fürchterlich. So geht man doch nicht mit einem Menschen um!«
»Aber Tuwán, er mußte doch wohl tot sein, weil er nicht mehr atmete, der Alfure sagte es auch...«
»Genug, genug. Mir graust vor Euch!«
Der langgezogene Ton einer Dampfsirene rollte plötzlich über das Meer, wäre der Blitz eingeschlagen, so hätte er nicht mehr Verwirrung unter die vier Schiffsleute bringen können, wie dieses Signal. Alles stürzte auf das Vorderdeck und suchte in dem Dunkel der Nacht nach den Laternen des Dampfers.
Der Alfure hatte das Steuer fahren lassen und die Dschunke legte sich, der Dünung folgend, langsam vor den Wind. Das große Mattensegel klapperte hart in den Blöcken...
Da stürzte der Malaie aufs Achterdeck.
»Tuwán, ein Dampfer – ein Dampfer...,« keuchte er, zitternd vor Aufregung.
»Ja, was sollte es denn sonst sein? Natürlich ist ein Dampfer in der Nähe,« erwiderte ich lachend, »warum fürchtest du dich denn so vor einem Dampfer?«
»Er wird uns anhalten, untersuchen ...«
»Bah! Jetzt bei Nacht? Es fahren doch Barken genug hier umher, wenn der Dampfer die alle untersuchen wollte, hätte er viel zu tun.«
»Nein Tuwán. Unsere Dschunke kennt jeder Zolldampfer. Seht, jetzt tauchen auch die Lichter auf. Da – rot!«
»Also steuert er südwärts, von dem haben wir nichts zu fürchten. Doch, was ist das? Er stoppt?«
Das Geräusch der Schraube wurde jäh unterbrochen. Der Dampfer stoppte und würde, wenn er es auf uns abgesehen hatte, sicher ein Boot aussetzen. Diese Meinung behielt ich jedoch für mich. Die Mannschaft unserer Dschunke schien aber auch nicht im Unklaren über das zu sein, was nun kommen mußte, denn schlotternd vor Angst kamen alle vier zu mir um zu hören, was jetzt zu tun sei. Ich riet ihnen, unser Boot flott zu machen und damit auf die Eilande zu entfliehen, wenn die Gefahr vorüber sei, würde ich ihnen ein Zeichen geben. Nach langem Hin- und Herreden, wobei es an Drohungen und Zornesausbrüchen gegen mich nicht fehlte, brachten die vier endlich das Boot zu Wasser. Sie stießen in demselben Augenblick von der Bordwand ab, als der Ruf: »Ship ahoi« dicht in unserer Nähe ertönte.
Ich rief die Antwort zurück, hörte aber gleichzeitig wie man schrie: »Stop that boat there!« und wie hastige Ruderschläge den Flüchtigen folgten, wilde Flüche und erregtes Stimmengewirr sagte mir, daß man sie eingeholt und gefangen hatte.
Ich sah mit einiger Spannung den Dingen entgegen, die nun folgen mußten. Aber Stunde auf Stunde verrann, ohne daß man sich um die Dschunke bekümmerte. Da ich allein nicht imstande war, das große Segel zu regieren, ließ ich es an Deck fallen und band das Steuer fest. Hierauf stillte ich meinen Hunger und zündete mir eine Zigarre an. Der Dampfer war verschwunden. Das leise Schaukeln des treibenden Fahrzeuges mußte mich bald in den Schlaf gewiegt haben. Ich fühlte plötzlich eine Hand auf meiner Schulter und eine rauhe Stimme rief:
»Morning Sir – Get up please!«
Vor mir stand ein englischer Offizier und acht Bewaffnete. Im ersten Augenblick wußte ich nicht recht, woran ich war. Dann aber begriff ich die Lage.
»Sie kommen spät, Herr Leutnant,« sagte ich, mich erhebend. »Ich habe Sie schon gestern abend erwartet. Rufen Sie jetzt nur Ihr Schiff heran und nehmt die Barke ins Schlepptau. Ich bin froh, wenn ich erst wieder unter anständigen Menschen mich bewegen kann.«
An Bord des Kriegsschiffes begegnete meine Erzählung nur ungläubigen Mienen. Dennoch schloß man mich nicht ein. Die unter meinem Gepäck vorgefundenen Papiere, Instrumente usw. ließen doch Zweifel an meiner Seeräubertätigkeit zu. Insbesondere die Empfehlungen an die amerikanischen Konsuln zerstreuten jeden Zweifel.
Vierundzwanzig Stunden später war ich wieder in Singapore – um eine Erfahrung reicher! Die vier Schiffsleute von der Dschunke waren bereits in den Listen der Kriegsschiffe bekannt als Seeräuber und Mörder. Sie wurden nach kurzem Verhör an den Rahen des Kriegsschiffes aufgeknüpft.