Hermann Essig
Taifun
Hermann Essig

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Hermione sprach unsinnigerweise immer weiter.

»Wir können ja das Ganze wieder aufstecken«, sagte Ganswind in zitternder Resignation. »Es ist mir allerdings peinlich, eine eingegangene Verpflichtung nicht einlösen zu sollen.«

»Das geht nicht, Ossi, – der Doktor kann dir solchen Schaden zufügen. Herr Polizeirat kannte Susanne doch auch schon vor der Verlobung.« Hermione schien mehr und mehr die Zurückhaltung zu verlieren.

»Davon hatte ich natürlich keine Ahnung, daß sich Herr Polizeirat ein politisches Verdienst erwerben wollte.« Sie opponierten ihm gemeinsam.

»Ein Verdienst?« frug der Polizeirat und überlegte gleichzeitig. An das hatte er bisher nicht einmal gedacht. Er hatte aus Pflicht und Diensteifer seine Bedenken. Wie stand es nun tatsächlich mit dem Verdienst? Eine Störung des bisher Angebahnten konnte ihm vielleicht wenig Lob einbringen, wenn sich eine der Parteien auflehnte. Vielleicht hatte er mehr Verdienst, wenn er die Ausländerin auf eine gute Art unschädlich machte. Nur mußte es rasch gehen. Er frug deshalb weiter: »Könnten die zwei etwa binnen drei Wochen heiraten?«

Über diese Alternative waren Hermione und Ganswind sehr überrascht. Zuerst sprach er von strafdrohender Verfolgung und nun plötzlich von einer raschen Eheschließung. Beide versicherten ihm, daß die Hochzeit binnen kurzem stattfinden könnte.

Die Konferenz nahm hierdurch plötzlich eine ganz andere Wendung. Man vereinigte sich einmütig, eine Beschleunigung in alle Vorbereitungen für die Hochzeit zu bringen. Ganswind hatte verschiedene Male den Hörer des Fernsprechers am Ohre. Der Hauswirt versprach gegen den Mieter, der noch hier wohnte, eine einstweilig vollstreckbare Verfügung zur Räumung innerhalb Monatsfrist zu erzwacken. Dann sollte neu vorgerichtet werden beziehungsweise nicht, weil ja keine Handwerker aufzutreiben waren. Das Möbelverleihgeschäft wurde angerufen. Die Kommanditgesellschaft. Der Olympdirektor. Für solche abgehetzte Sache war Ganswind viel eher zu haben als für einen Abbruch der Angelegenheit. Die Doktorehe wurde wie eine Theateraufführung inszeniert, wo man nicht hinter die Kulissen sehen und nicht nach dem stillen Hohlraum fragen durfte, den das Gebäude darstellte, wenn nicht gerade gespielt wurde. Für das Leben auf der hingestellten Szene blieben dennoch Doktors verantwortlich. Es wurde ihnen alles übergeben, ein fertiger Betrieb. Wenn sie nichts damit anzufangen wußten, so war es ihre Schuld.

Es wäre eine Grausamkeit gegen jedwedes Menschenkind gewesen, wenn man es plötzlich auf einen Thron gesetzt hätte, um König zu spielen. Das hieße ungefähr, einem Eisbär den Äquator zu verordnen.

Ganz so schlimm war natürlich diese Art der Hausstandsgründung nicht. Doch wie konnte jemand erwarten, daß sich die zwei in Verhältnissen zurechtfinden sollten, die man ihnen einfach in die Hände gab, ohne daß sie Bescheid wußten, wie sie entstanden waren. Da konnte entweder alles verloren gehen, oder sie mußten sich mit Krach die Köpfe zusammenstoßen.

Es machte selbstverständlich Hermione unendlich viel Freude, mit den Geschäftsleuten große Rechnungen auf unbekannte Kasse zu machen. Die Hauswirtin, Frau Rechtsanwalt Büffel, war fast übergeschnappt vor Entzücken, wie vornehm und niedlich zugleich Hermione das Heim in ihrem Hause für Frau Dr. Bäumler und ihren Mann herrichtete. Büffel hatte auf das Ganswindsche Institut einem schweren Kavalier beziehungsweise dessen hinterlassenen Erben die schönsten Federn ausgerupft.

Währenddem für sie vorbereitet wurde, gingen die beiden durch Berlin spazieren. Die Stadt war nicht mehr so krüppellos wie einst im Frieden. Wenn früher auf einem Platze oder an einer Ecke ein Mann ohne Beine in einem engen Kärrelchen zum Betteln postiert war, so widerte das an. Jetzt begegnete einem mancher überzwerge Mann, der mit unbeachtenden Blicken gestreift wurde. »Ah, guten Tag, Herr Kickerling, wie geht's?« »Danke sehr, gut.« Er trug zwar mühevolle Gebrechen an sich, aber es wäre unanständig gewesen, wenn er darüber geklagt hätte. Sonst hätte er die Ehre verloren, der Herr Kickerling, in Firma Tugendhubel, zu sein.

»Siehst du, das ist der Mann, der mir immer im Schillercafé gegenüber gesessen hat.« Susanne mußte sich alles scharf merken, was ihr durchaus nicht schwer fiel. Die Hauptaufgabe der verliebten Braut war das Gedächtnis für alles, was der Herr Bräutigam sprach und erzählte, was er ihr zeigte, und wo er sie hinführte. Sobald er Susanne einmal ertappte, daß sie etwas nicht wußte oder falsch, so war der Doktor tief verletzt und besann sich, ob das die Liebe war. Susanne aber, die zwei ungewöhnlich weite Augen im Kopf hatte, behielt alles genau, so daß es dem Doktor immer heißer und weher ums Herze wurde und er dauernd verschwiegene Plätze mit ihr aufsuchte, um sie dort für vorläufig abzumurksen. »Ach, wenn wir dann in der Wohnung sind!« seufzten sie. Eigentlich nur deshalb wünschten sie die Wohnung, für die andere Zeit gefiel es ihnen besser in dem geheimen Gasthaus, das ein pensionierter Oberkellner eingerichtet hatte, wo man Schinken und Braten essen konnte, so viel man wollte. Wenn es ihre künftige Ökonomie gestattete, so brauchte sich Susanne nie mit einer eigenen Küche abzugeben. Sie rechnete ihm vor, daß ihr Frühstück allein dreihundert Mark verschlungen habe. Im Hotel aßen sie für zwanzig Mark. Unterwegs machten sie viele interessante Bekanntschaften. Eine reizende Frau Kupfer mit der weniger schönen Tochter. Sie veranlaßte beide, zu einem Tee zu ihr zu kommen. Die feinsten Kreise berührten sich dort mit den mittleren und niederen, aber mit gleicher Sucht, den Magen zu füllen. Es gab Leberwurst- und Käseaktien zu erwerben, die halbmonatliche Dividenden von dreißig Prozent abwarfen. Sie trafen auch mit einem Studenten zusammen, der ihnen erzählte, schon fünfundzwanzigmal als Hochstapler verhaftet worden zu sein, daß er aber jedesmal freikomme, weil er gute landwirtschaftliche Konnexionen habe.

Eines Tages kamen sie am Taifun vorüber und glaubten, es wäre Anstandspflicht, sich wieder einmal blicken zu lassen. Man zeigte sich ihnen deswegen aber sehr ungnädig. Wollten sie denn spionieren, was für sie oder ob für sie gearbeitet wurde? Dabei erzählten sie Büffel und Hermione von Madame Kupfer. Büffel erklärte schmunzelnd, daß er sich trotz der hohen Dividenden nicht beteiligen wolle, weil sich die Dame eines zu großen Vertrauens erfreue und deshalb keine arbeitsfreudigen Kapitalien suche, sondern solche, die bisher über faule Beschäftigung zu klagen hatten. Innerhalb sechs Monaten wäre sie bankerott und würde erst einige Jahre Gefängnis absitzen müssen, ehe sie im alten Stile mit den alten Freunden fortfahren könnte. Susanne staunte über diese Enthüllung, fand es unglaubhaft und saß am nächsten Tage wieder mit Fredy bei Kupfers. Als sie aber Geld geben sollte, zeigte sie sich zögernd, denn sie hatte keines. Vor dem Doktor brauchte sie sich aber durch die Ablehnung keine Blöße zu geben, weil ja Büffel die Frau als unsicher hingestellt hatte.

Der Doktor sagte, er würde es doch gegeben haben.

Susanne war darüber erfreut und jauchzte vor Vergnügen, daß sie endlich einmal Gelegenheit gehabt hatte, ihren Reichtum zu heucheln.

Nach dem unnötigen Besuch beim Taifun, wo man sie lieber noch nicht gesehen hätte, weil man erst mit fertigem Material aufwarten wollte, lag ein schwefelgelber Brief auf Susannes Schreibtischchen. Käterchen hatte ihn lange genug mit Argwohn betrachtet, ehe Susanne gegen zwei Uhr morgens nach Hause kam, auf dem Umwege über den Viktoriaplatz.

Käterchen hockte immer stundenlang wartend und nickte in heftigen Pendelausschlägen auf ihrem Stuhle in der Küche. Sie hörte selten, wenn Susanne eintrat, und mußte von ihr häufig durch ein unter die Nase gehaltenes Zündholz aufgeschreckt werden.

Was war das! Susanne stand vor ihr, in der einen Hand den gelben Brief und in der anderen eine große Beißzange. Käterchen erschrak darüber bis in den Tod. Aus einem leichenblassen Gesicht starrte sie mit verschlafenen Augen. Es war etwa wie beim Erwachen am jüngsten Gerichte, wenn der Würgengel zu den Menschen kommt und sie ahnungslos überrascht, ob sie nun Buße getan haben oder nicht,

Susanne empfand nie Mitleid mit einer Untergebenen. Wozu auch? Sie hatte die Anklage gegen sie in der Hand. Hermione hatte ihr geschrieben. Es war so schlimm, daß sie nicht einmal bei ihrem letzten Besuch im Taifun der Sache mündlich Erwähnung tun konnte.

Susanne besann sich: sollte sie ihren Zorn selber an ihr auslassen oder das Geschäft einem anderen übertragen. Wie Käterchen leichensteinsteif vor ihr saß, hatte sie eine leise Angst vor dem Totschlag oder vor der langsamen Marter, denn das Vergehen Käterchens war der Folterung würdig.

Susanne frug: »Weißt du von etwas?«

»Ich? Wovon soll ich wissen?« war die Antwort.

Susanne bewahrte eine künstliche Ruhe. Sie sagte: »Steh' auf!«

Käterchen stand auf und wollte zu Bett gehen.

Susanne frug sie: »Wo willst du hin? Das könnte dir einfallen, dich ungestraft ins Bett zu stehlen. Bleib' hier! Stecke das Gas an! Koch' mir einen Kaffee!«

»Es sind keine Bohnen mehr da.«

»Die werd' ich dir besorgen.« Susanne ging ins Zimmer und suchte dem Scheine nach in ihrem Büfett, ob sie noch Kaffee finde. Die gehamsterten Vorräte waren zu Ende, das wußte sie so gut wie Käterchen. Aber Käterchen gehorchte wenigstens, steckte selber das Gas an und setzte den Kessel darauf.

Die Gasflamme brauchte Susanne aber nicht, um Kaffee zu kochen, sondern um ein Marterinstrument zuzurichten. Sie betrat bald wieder die Küche. »Du mußt recht haben, es ist kein Kaffee mehr da. Nimm den Kessel weg.«

Käterchen nahm den Kessel weg und wollte die Flamme auslöschen.

»Willst du gleich brennen lassen!« Susanne puffte sie zur Seite und legte ihre Beißzange auf die Flamme, damit sie heiß werde. Darauf befahl sie Käterchen, den Küchenstuhl neben den Herd zu stellen und sich darauf zu setzen. Käterchen gehorchte mit großem Widerwillen. Es kam ihr so vor, als ob ihre Herrin diesmal eine ganz scheußliche Handlung an ihr vornehmen wollte. Ihre Pulse schlugen heftig, und sie sah sprungbereit die Zange auf der Flamme.

Die Zange glühte schon an ihren Schneiden. Da befahl ihr Susanne: »Maul auf!«

Käterchen zitterte und hielt die Hände vor den Mund.

»Maul auf! Willst du dein Maul aufmachen«. rief Susanne leise, damit niemand im Hause erwachte.

Käterchen öffnete nicht und hielt die Hände mit krampfhafter Abwehr vor das Maul, strampelte mit den Füßen und begann zu schreien, laut; sie grillte auf.

Darüber war Susanne so wütend, daß sie ihr einen Stoß gab, der sie vom Stuhle warf. Sie ließ die Zange auf dem Feuer liegen und ging aus der Küche mit den Worten: »So ein Schwein, das gleich schreit, kann ich nicht gebrauchen.« Hinter sich schlug sie die Türe zu.

Käterchen rappelte sich vom Boden hoch, stierte auf die Zange, drehte nach einer Weile den Gashahn ab, sprach mit heftigen Gestikulationen vor sich hin: »Jetzt weiß ich, was ich tue, ich rücke heute nacht aus; die soll sich einmal schneiden. Und wenn ich meine Sachen hierlassen muß.« Dann stand sie wieder eine Weile voll Nachdenken: »Was wollte sie denn mit der glühenden Beißzange?« Da sie dies nicht zu enträtseln vermochte, so legte sie sich todmüde und auch zu faul zur Flucht mit den Kleidern auf ihr Bett und schlief ein.

In der Nacht, während sie schlief, kam Susanne an ihr Bett mit verstörten Zügen. Sie betrachtete sie lange. Warum hatte sie sich nicht ausgezogen? Sie hatte ihr mit der Schere eine Verletzung beibringen wollen. Käterchen schlief mit weit aufgerissenem Maule, aus dem die schwarzen Zähne herausstanden. Diese Zähne hatte sie ihr mit der glühenden Zange herausreißen wollen. Sie kam jetzt auf die Idee, ihr eine Flüssigkeit in den Mund zu gießen.

Und das war reizend. Susanne nahm daran ein großes Vergnügen. Sie goß in einem feinen dünnen Faden, den die Schlafende fortwährend hinunterschluckte, bis die zwei Liter fast alle waren und sie plötzlich erwachte. Susanne hatte sofort auch das Gefäß zurückgezogen, und Käterchen schmatzte mit der Zunge und drückte sich an den Gurgelknopf, sah sich um und warf sich zurück aufs Bett. Susanne dachte in sich: »Du böses Luder, schlafe du nur, aber meine nur nicht, daß das alles sei, womit ich dich strafe.« Doch sie konnte sich wenigstens, weil sie über ihre Tat hatte lachen müssen, niederlegen und einschlafen.

Susannes Schlaf war unruhig; sie erwachte fortwährend in Angstzuständen, die Polizei komme zu ihr herein, um sie zu verhaften. Sie sah lauter Brüsseler Schutzleute von der alten Zeit. Dann waren es wieder Bilder von Paris, die sie aufschreckten. Auch mit der Eisenbahn hatte sie viel zu schaffen. Und das Schrecklichste war, daß Kätzi mit einem Rachen, größer als von einem Löwen, nach ihr gähnte und ihr mit der Tatze in das Gesicht schlug, daß es heftig blutete und zerfetzt hing. Der Doktor trat dann zu ihr hin und ekelte sich vor ihr, weil sie kein schönes Gesicht mehr hatte.

Am Morgen schien alles in Ordnung. Käterchen dachte an die verstrichene Nacht wie an einen unsinnigen Traum. Anders stellte sich Susanne die Traumbilder wie eine erlebte Wirklichkeit vor.

Sie verfertigte ihre Frisur ohne Käterchens Hilfe. Das tat Käterchen sehr wehe. Sie bat um Auskunft, was sie getan hätte. Ein stechender Blick von Susanne war die einzige Antwort. Nachdem Susanne gefrühstückt und sich angezogen hatte, befahl sie Käterchen, zum Zahnarzt Mauligel zu gehen.

Käterchen wollte anfangen zu zittern. Da drohte ihr Susanne: »Wenn du heute nicht gehst, so werde ich dir deinen schwarzen Rachen mit der Feuerzange in Ordnung bringen.«

Was sollte sie tun? Käterchen verwünschte sich, daß sie nicht ausgerückt war. Aber es war schon besser, sie ging zum Zahnarzt, als sie ließ sich von Susanne martern. Sie hatte zu sehr Respekt vor ihr, und wußte, daß sie die Drohung wahr machen würde. Sie tat ja auch sonst immer alles, was sie androhte.

»Und damit ich Gewißheit habe, werde ich dich selbst hinschaffen«, setzte Susanne hinzu. »Doch befehle ich dir, daß du selbst beim Zahnarzt den Wunsch aussprichst, deine Zähne neu hergerichtet zu erhalten. Verstehst du? Nicht daß du dort schreist und brüllst: ich will nicht. Sonst tut er es nicht, weil ich nicht das Bestimmungsrecht über dich habe. Schreist du aber, oder erklärst du, du wolltest keine Zähne, so komme ich nachher mit der Zange. Ich frage nämlich nichts nach dem Selbstbestimmungsrecht. Solange du bei mir bist, hast du nach mir zu tanzen. Verstanden?«

Käterchen konnte überhaupt nicht mehr sprechen.

Susanne fuhr fort: »Und wenn du etwa im Zweifel bist, warum es ist, so lies den gelben Brief, den mir gestern Frau Ganswind schrieb wegen dir.«

»So gemein«, sagte Käterchen, »die hat so schön mit mir getan. Und jetzt verrät sie mich.«

»Cochon!« triumphierte Susanne, »das ist es nicht. Aber du cochon, jetzt hör' ich ja von dir selbst, daß du mich verlästerst, wenn man dich beschwatzen kann. Du dumme Kanaille, Schwarzwild, Schwarzwaldsau, du bist bei Polizeirat Löwe gewesen. Weißt du, was du bist?« Susanne fuhr auf und stand vor ihr mit dem Frühstücksmesser, das sie ihr an die Gurgel ansetzte. »Soll ich, Vieh. Soll ich?«

Käterchen stand bewegungslos. Was sollte sie auch antworten oder womit sich rechtfertigen?

»Weißt du, was man mir schrieb? Ich soll dich hinauswerfen, sonst könnten wir nicht heiraten.« Käterchen war so versteinert, daß sie auch hierauf nichts erwidern konnte.

»Nimm deine Sachen und geh!« sagte jetzt Susanne mit gieriger Spannung.

Käterchen blieb regungslos stehen. Sie überlegte, wie die Menschen so dumm sein konnten und anvertraute Geheimnisse ausplaudern. Sie hielt sich für bloßgestellt und schämte sich. Sollte sie nicht am besten aus dem Hause gehen? Ihr Ehrgefühl war verletzt, weil man sie ertappt hatte.

»Überlege es nicht lange, du bist uns im Wege. Warum bedenkst du so etwas nicht früher, ehe du mich verlästerst. Wenn ich dich behalte, so glaubt man dir deine Gemeinheiten«, erklärte ihr Susanne mit verhältnismäßiger Ruhe. Und Käterchen sagte daraufhin trotzig: »Sie sind auch wahr.«

»Wahr?« Susanne erlitt fast einen Schlag. Dann aber faßte sie sich und erörterte ruhig. »Ich habe geglaubt, du seiest mit allem einverstanden, was wir taten.«

Käterchen sah sie an: »Davon sagte ich nichts.«

Mehr interessierte Susanne nicht, die weitere Verhandlung mit Käterchen war nur noch ein unterhaltendes Spiel. »Dann möchte ich aber wissen, warum die Leute haben wollen. daß du von mir weggehst«, frug Susanne.

»Ich habe von den Kapitänen in Brüssel erzählt, und daß Sie mit der Katze so verrückt sind, und dann, daß Sie mich halbtotschlagen«, klarte Käterchen mit gesteigerter Rede und begann zu weinen.

Susanne sah ihr lächelnd zu und sagte nach einer Weile mit bedauernder Verstellung: »Ja, es tut mir leid, du hast es angerichtet, die Leute fassen das eben penibel auf. Und daß ich dich halbtotgeschlagen hätte! Der Doktor soll nun eben einen angenehmen ungestörten Haushalt bekommen. Wenn dann solch ein ausgeschämtes Vieh, wie du bist, da wäre, so ginge das allerdings nicht. Aber hab' ich dich denn halbtotgeschlagen?« setzte sie wieder heftiger werdend hinzu und schlug sie.

»Sie schlagen mich ja schon wieder!«

»Das möchte ich wissen, was das den Polizeirat angeht!« schrie Susanne. »Und ob ich dich schlagen kann, das möchte ich auch wissen.« Damit ging ein wahres Trommelfeuer von Faustschlägen über Käterchen nieder. »So, hast du jetzt genug?« sagte Susanne atemlos und ging zu Kätzi auf den Diwan, redete mit ihr und suchte Kraft und Trost aus der Erschöpfung. »Kätzi, wie bös sind die Menschen«, sprach sie. »Und seit ich verlobt bin, wirst du armes Liebchen auch so vernachlässigt, komm, komm.« Kätzi schnurrte und verstand alles.

Käterchen zählte draußen die Püffe und dachte, bei ihr hat alles keinen Zweck. Ich bin eben nun ein ausgestoßenes Menschenkind; sie soll mich vollends totprügeln, dann bin ich da, wo ich hin will. Sie schluchzte und dachte an den Schwarzwald zurück, wo sie doch auch einmal ein ganz nettes Kind gewesen war, mit dem die Leute freundlich taten. Womit hatte sie das herbe Los verdient!

Es war offenbar, daß zwischen die zwei zusammengewöhnten Weibswesen nur die Idee der Verehelichung einen Keil getrieben hatte. Käterchen wäre es früher niemals eingefallen, ihre Herrin gewissermaßen zu denunzieren.


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