Heinrich Federer
Sisto e Sesto
Heinrich Federer

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4. Kapitel

»Nein, Mario, gib zurück!«

So rollte es rauh wie Bergwasser vom schriftüberladenen Tischchen am Fenster zu den Vorhängen der Türe zurück, wo der Kammerherr stand. Ist das eine See oder ein Wind oder eine Welteiche, die so lärmt? Nein, es ist nur das kleine, grauhaarige, aber breitschulterige Männlein in schneeweissen Talar am Tischchen, das ohne sich merkbar zu rühren und ohne den umbarteten Mund grösser als zu einem Schlücklein Wasser zu öffnen, gleich alle vier Wände mit Tosen erfüllt. Diese Stimme! ... Und noch etwas: diese kleinen, scharfen, eisigen Augen im staubigen Gesicht, kalt, schwer und doch so kugelig rollend und blitzend wie Quecksilbertropfen! Das ist Sixtus V. Sein langes, überhohes Gesicht scheint grau, verwittert und formlos wie ein Stein, mit drei Hammerschlägen gemodelt. Aber wenn man näher sieht, sind hundert feine Kerbe hineingeschnitten, vom Kranksein viele, vom Studieren noch mehrere und vom Kämpfen mit seiner und der Welt Wildheit die meisten. Am Fenster arbeitet er. Wie ein Adler vom Horst späht er von hier über die Welt unter sich. Keinen Teppich unter den Füssen und keinen Baldachin ob dem Haupte mag er leiden. Zu lange hat er nur Erde zum Lager und nur den hohen Naturhimmel zum Dache gehabt. Selbst das Seidenmützchen ist ihm lästig. Es liegt auf einer alten Abschrift der Septuaginta, Folium 44, auf dessen breiten Rand der Papst noch eben seine Glossen mit kleinen, scharfen Schriftzügen hingekritzelt hat. Wer das lesen kann, muss Augen wie ein Sperber haben. Und erst, wer das so schreiben konnte! Der sieht der Menschheit auf die letzte und feinste Naht.

»Gebt her, Mario!«

Der Kammerherr Mario de Zucco stand schon unter den Türflügeln und machte gerade die dritte tiefe Abschiedsverbeugung, als es wie Widerwind so heftig und ungeahnt vom Schreibtisch zurückbrauste. Vor Verblüffung blieb er auf den Knien liegen. »Eilig, Mann!« herrschte ihn Sixtus an. »Wir wollen darüber nochmals mit und zu Rate sitzen.«

Das war das erstemal, dass der Heilige Vater ein schon unterzeichnetes Schriftstück wieder zurückzog, er der strenge und bestimmte und unverrückbare.

»Und wenn die Barone draussen warten, so führt sie herein!« rollte die Stimme zu Ende.

Doch keiner der haderlustigen Herren, weder Paolo Mossi noch Arrigo Fanciolla harrten in den Vorsälen. Sixtus wäre froh gewesen, wenn die Zänker schon daständen. Er bleibt jetzt nicht gern mit dem Skriptum da allein im Zimmer. Er möchte jetzt am liebsten recht gewaltig arbeiten, da mit Exegeten über die heillose Schwierigkeit zwischen Matthäus 1 und Lukas 3, oder dort bei den Plänen mit Baumeister Fontana über die Reparaturen am Quirinal und über die oft geflickten Wasserwerke; oder er möchte grosse, schwere Rechtssachen untersuchen, urteilen, richten, strafen, Stunde auf und Stunde ab, bis zum Rosenkranz in der Sixtina, nur um den Bruder und Bruderssohn zu vergessen, die ihm so nahe leben, viele Wochen schon gefangen und immer noch nicht verurteilt. Sie wollen ihn sehen, sie heischen gebieterisch, mit dem Bruder und Onkel zu reden und das Gericht von seinem Munde zu empfangen, Gesicht gegen Gesicht, diese stolzen Bergleute und hochpochenden Verwandten.

Warum konnte er mondenlang nicht seinen Namen unter das Urteil setzen: »Enthaupten! Sixtus V.«? Sonst ging er so kaltblütig mit diesen dürren, tötenden Papieren um. Aber hier? nein! So oft er unterzeichnen wollte, sah er ein altes und ein junges Gesicht aus dem Blatt schauen, hörte Vaters und seine eigene Knabenstimme, roch den Duft der armen Bauernstube daheim in Grottamare, einen Duft von Stroh, Lehm und halbgedörrten Rosinen, und den viel süssern des ersten gedruckten Buches, das ihm seine ernste Mutter heimlich eines Abends zusteckte, als er schlafen ging. Es war die Geschichte des Papstes Gregorius des Grossen von Elemente Parvi, lateinisch für Schüler mit Regeln der Grammatik, und hatte das Weib die Arbeit von Monaten gekostet. Aber wie der harte Junge jetzt mit aufglühenden Augen dankte und bald das Buch, bald die Hand der Mutter hitzig küsste, da war alles bezahlt. Der Vater brummte zwar, aber liess ihn doch gewähren und lachte dann auch, wenn Felice später mit dem Pfarrer Latein sprach und es bald schöner und schneller konnte als der Priester selbst. O die ganze Jugendgeschichte öffnete ihre längst erloschenen Augen wieder auf diesem Papier. Denn da ging es um Fleisch von seinem Fleisch und Blut von seinem Blut. Er hatte seit einem Menschenalter sich frei und heimatlos und einsam geglaubt, ohne Ahne und ohne Nachkommen, ohne jede warme menschliche Gliederschaft, so recht wie sein Amt zwischen Himmel und Erde es brauchte. Und sieh, da kommen zwei Menschen, die ihm Bruder sagen und Ohm!

Er hasst sie und liebt sie. Ein entwöhntes Gefühl von Herzlichkeit will ihn bei ihrem Perettinamen ergreifen. Etwas wie damals, als er die Mutter küsste oder als er vor dem Konvent der Minoriten den Vater noch einmal geschämig und doch wild umarmte und dann schnell in den dunkeln Korridor entschlüpfte. Nie hat er seitdem wieder so gefühlt. Kalt ist er geworden wie ein Buch.

Aber es sind ja Banditen, punktum! Auf dieses böse Wort hin hatte er das Todesurteil rasch unterschrieben. Denn wie Erzengel Michael die Teufel, so hasste der Papst dieses Menschengezücht. Nein, nein, leicht soll es ihm werden, bei solchem blutigen Pack die Regungen der Natur zu unter ...

»Euere Heiligkeit, die Herrschaften di Mossi und Fanciolla!«

Feierlich führte Mario auf ein Nicken des Papstes die Gemeldeten ein. Der kahlköpfige Siebziger di Mossi und der sechzehnjährige Fanciolla, beide in braunem Samt und kurzem spanischem Degenmantel, aber ohne Waffen, traten mit einem Gefolge von Advokaten und Zeugen ein. Di Mossi ist anzusehen wie eine zähe, graue Regenwolke, Fanciolla wie ein junges, lustiges Morgenrot. Der hochadelige Bursche ist gestern mündig und unbeschränkter Herr seines gewaltigen Erbes geworden. Er lacht immer ein wenig frech vor sich hin. Seine Kirschenlippen kann er unmöglich schliessen. Die eine blutet üppig über das weisse Knabenkinn herab, die andere schwellt zur frechen Spitznase auf. Dazwischen blecken wilde, grosse Zähne wie Marmorblöcke und wollen alles, was Ordnung und Würde heisst, aus lauter lachendem Übermut wie Mandelnüsse zermalmen. Kläglich nimmt sich daneben der dürre Mossi aus, wie er den verschrumpften und zahnlosen Mund geizig zusammenknöpft. Die beiden Edelleute mit ihrem Chorus verbeugen sich dreimal in einem raschen, wunderbar gemeinsamen Rhythmus, wie nur Römer es verstehen. Es ist, als walle dreimal eine lange schöne Welle auf und nieder. Dann stellen sie sich in einem weiten Bogen vor dem Pontifex auf, di Mossi und Fanciolla an beiden Flügeln, dem Oberhirten zunächst.

Es ging der Streit um ein Grenzland, halb mit Oliven, halb mit Reben bestellt, am mittäglichen Hang der Volskerberge. In diesem Prozess waren massenhaft Advokaten bestochen, falsche Eide geschworen und eine Menge Bauern halbtot gepresst worden. Aber immer, ohne mit einem Flecklein Blut die zarten, weissen Hände der beiden Nobili zu besudeln. Die Sache wurde zum Landesärgernis. Sixtus hatte sich über den Fall genau unterrichtet und wollte ihn jetzt mit einem Machtspruch ein für allemal aus der Welt schaffen.

Er winkte lässig, die Kläger möchten sich nur ungeniert aussprechen. Dann blickte er hartnäckig und immer ein wenig im Barte krauend auf den Boden, wo in den bunten Marmor der schwache Richter Heli gezeichnet war, mit allem Drum und Dran der biblischen Erzählung.

Die Parteien begannen, eine nach der andern, ihre Gerechtsame und erlittene Unbill zu schildern. Die Juristen mischten Sätze aus den Pandekten und aus dem Pseudoisidor ein und machten das Verzwickte mit jeder Glosse noch verzwickter. Die biedern Zeugen nickten, die Mossianer, so oft der Greis nach heiserem Gelispel wieder den Geifer vom zahnlosen Mund wischte, die Fanciollaner, so oft der üppige Arrigo den leisen Jünglingsflaum nach einem besonders tapfern und klingenden Satz mit seiner roten Zungenspitze netzte. Die Gegner schoben einander in gesitteten und höflichen Worten die gröbsten Frevel in die Schuhe. Zuletzt redeten nur noch der kahle Mossi und der frische Fanciolla, jener giftig und mager wie eine alte Wespe durch den Saal surrend, dieser hochfahrend und spottselig wie eine Edeldrossel singend. Aber alles geschah in den süssen Lauten der römischen Hochsprache.

Sixtus hatte indessen den grauen, in seine sündigen zwei Söhne vernarrten Heli genügend in der ganzen Elendigkeit beschaut und fragte nun, ohne aufzusehen, möglichst leise: »Um was handelt es sich also?« Aber es rollte doch wie fernes Gewitter durch die Sala.

»Um ein Stück Wald und Weinland!« ward mit Wichtigkeit wiederholt, »zwölfmal so gross wie der Petersplatz.«

»Ein paar Oliven und Trauben,« wiederholte der Papst, »weiter!«

Tiefer noch neigte er die Stirne und reger spielten seine kurzen Finger im Bart. Es dünkte die Signori, er höre gar nichts von ihrem Zank. Er hatte wohl etwas anderes, Grösseres zu denken, dieser Mann der Weltgeschichte.

Die zwei führenden Advokaten verlasen jetzt Gutachten berühmter Bologneser Professoren, während Sixtus die gottlosen Buben des Priesters Heli verfolgte, wie sie am Tempeltor den opfernden Leuten Geld oder Geflügel oder ein frisches Böcklein abjagten und den Beraubten hintendrein erst noch ruchlos die Zunge nachstreckten. Konnten das nicht die zwei Peretti drüben in der Burg sein? Ganz Rom weiss, was die Paritonder gefrevelt haben, hundertmal mehr als diese biblischen Schurken. Und da sollte er den Heli spielen und auf seinem Stuhle die Gerechtigkeit verschlafen, damit das ungestrafte Verbrechen auf ihn auch so schnöde Grimassen schneiden kann? Niemals! – Sein weisses Haar fing an zu wehen und seine Stirne rötete sich. Aber die tiefen Quecksilberaugen, die schon so manchen Beherzten unsicher und schwach gemacht, blieben steif im Boden haften.

Diese Unaufmerksamkeit des gefürchteten Richters liess die Streiter nach und nach die Rücksicht auf den Ort, wo man stand, und auf die Person, zu der man sprach, immer mehr ausser acht setzen. Die Vorwürfe wurden heftiger, die Worte minder gewählt, die Melodie des Vortrags ging verloren. Endlich gab es Schimpfnamen, wie sie vor Seiner Heiligkeit nie hätten ausgesprochen werden dürfen.

»Du eitler Zuckerbube, zeig den Mädchen deine Zähne, nicht mir! Mir musst du einen Bart zeigen und noch etwas dazu ... Verstand!«

»Wo suchen wir ihn, ehrwürdige Ruine unseres Jahrhunderts?«

»Wo ein Naseweis, wie du, nie hinkommt!«

»Und Euere Knochenherrlichkeit nie war.«

»Dein Gebein wird freilich nicht alt. Die Dirnen haben es längst zermürbt. Man sehe deine Fratze! Was ist daran als Maul? Alles Maul! An Maul bist du David und Goliath in einem.«

»Ach, hättet auch Ihr nur so viel Maul, um küssen und trinken zu können. Alter Salomon, ich weiss, Ihr gäbet all Euer totes Getrümmer an einen einzigen der vielen Küsse, die mich hinterm Vatikan noch diesen Abend begnadigen. Aber Ihr, ich kann es würdigen, haltet ewige Quadragesima.«

»Fabelst du immer in dieser Höhe, hübsches Äfflein?«

»Wann hätte, o Patriarch der Rumpelkammer, der Aschermittwoch nicht auf den Prinzen Karneval geflucht, wie so ein Habenichts immer auf den Millionär flucht?«

»Gottes Wunder! im Unverstand stecken wohl deine Aktiven!«

»Im Verstand, Vossignoria, Euere Passiven!«

»Ein Esel, wer noch mit dir redet!«

»Wohlan, nun seid Ihr gut getauft!«

»Asino, asino ...«

»Fahret weiter,« rollte und grollte es da unversehens vom schneegewandeten, tiefgebückten Männlein in die Gruppe hinüber.

Nein, der apostolische Fischer musste tief in sein Weltgarn vergrübelt sein, dass er ihnen keinen Blitz, sondern dieses gedankenlose: fahret weiter! ins Gezänke warf. Er sann wohl über Philipp nach, der im Eskurial päpstlicher als der Papst sein wollte, und an den frühergrauten Schlaupelz in Paris, den vierten Heinz. Welcher war wohl der üblere?

Und weiter kreiste und jubelte das gottlose Duett.

Sisto aber fuhr weder nach Madrid noch Paris, sondern haftete jetzt am schönen Jüngling Samuel, mitten in Helis Türe stehend, links und rechts die Hand flach auf die Pfosten gestützt, weit aufgesperrt den reinen Mund und die grossen Kindsaugen, und das viele Haar gesträubt wie ein vom Geist Gottes am Schopf gepackter und unwiderstehlich getriebener Engel, schreiend mit Leib und Seele: Heli! Heli! ... Aber der mattherzige Richter hebt den Kopf kaum vom Kissen und sinkt wieder zurück in sein altes, feiges und feiles Schlafmützentum. So oft Sisto dieses sündhafte Phlegma sieht, kitzelt es ihn gewaltig, diesen Schlappgreisen aus dem Mosaik da ins spasslose und schmerzhafte Leben zu reissen, vor sein Tribunal zu schleppen, ihm seine herzliche Verachtung ins Gesicht zu speien und den Alten alsdann dem Strang zu überliefern. Warum hat die Memme ihre Kinder verschont ... selbst, da der Herr ihn so schreckhaft gemahnt hatte! ... Ihn, Sisto, soll man nicht mahnen. Kein Samuel braucht zu kommen ... Schon diese Narren, die da vor ihm ihren Wahnwitz auskramen, sind Samuels genug, ihn zu warnen, wenn er ein wenig sollte geschwankt haben. Man sieht es hier: so würde alles Volk, wenn es keinen unbestechlichen Richter mehr zu fürchten hätte, die Jungen alles verlachend wie hübsche Papageie, die Altern belfernd wie blinde und taube Uhus. Und was hätte erst der Richter oder eigentlich Missrichter und Unrichter zu gewärtigen? Auf dem mittlern Mosaik des Saalbodens kann es jeder lesen: der Bote vom Feldzug ins Fenster hereinhängend ... dass die Helisöhne von den Philistern erschlagen worden, hat er bemeldet und immer noch nicht den Atem zurückgewonnen; nun der Vater selbst, hintenüber vom Sessel gefallen, das Genick zerschmettert, und vor ihm die heilige Justitia, baumlang und gen Himmel blitzend wie eine ungebrochene Lanze. Ja, ja, mögen der Lanzenträger noch so viele sich bücken und zusammenknicken, sie bleibt immer unversehrt und hochauf. Aber er will neben ihr stehen, ganz so gerade und ganz so hoch, so dass Lanze und Lanzenhalter eines sind, und man in alle Zukunft keins vom andern trennen kann. Wer Gerechtigkeit sagt, sagt Sisto und wer Sisto meint, meint die Gerechtigkeit. So war es bis heute. Weg Fleisch und Blut! Wir zwei sind aus härterem Stoff. Zum Spruche denn!

Sixtus liess die Rechte langsam aus dem Bart sinken, aber horchte nun ein Weilchen scharf der übeln Musik vor ihm zu, um aus der ehernen Bibel sich leichter in diese gegenwärtige Lappalie zu finden. Sein Gesicht war zwar von langen Priesterjahren mit hundert feinen Runzelfäden durchsponnen, aber im übrigen rauh und knochig wie seine Abstammung geblieben, und wie ein Stein lächelt, so lächelt er jetzt stumm über diese zierlich gebauten und blank gescheuerten Durchlauchten, die sich vor ihm in die Haare gerieten, wie die Gassenbuben im Trastevere. Es war, als lache der uralte Bauer über den uralten Kavalier der Weltgeschichte.

»Signori,« fragte er nun, bemüht, den Donner seiner Stimme so gut er konnte zu verbergen, »sind es denn wirklich ein paar Krüge Öl und etliche Schüsseln voll Trauben wert, dass sich meine durchlauchtigsten Söhne so erhitzen! Was meint Ihr, liebe Fanciullini?«

Stille, dann ein greises Hüsteln, dann ein Kräuseln der Knabenlippen.

»Ich sehe klar, das Unrecht liegt auf beiden Seiten und keine Partei, auch die obsiegende nicht, möchte sich fürder an diesem dubiosen Stück Erde edelmännisch, ich meine, so recht in Ritterehren erlustigen. Nun wohl, erspart uns allen ein weiteres! Hier Signori,« der Papst drückte die Faust auf einen Aktenstoss seines Tisches, »hier ist für jeden Fürwitz die nötige Antwort, aber noch unbarmherzig viel mehr enthalten. Seid weise und lasset es euch darnach nicht weiter gelüsten!«

Das Hüsteln wird erstickend dünn. Der alte Mossi knöpft die Lippen verzweifelt zusammen. Aber dem Fanciolla züngelt das wahre, adelige Blut in zwei roten Fackeln die bleichen Wangen herauf, und Zähne und Zunge lachen ihm sozusagen wie einem vergnügten jungen Leu aus dem offenen Maul.

»Gebet also, Signori, den nichtigen Fetzen und seine ganze Plackerei dem Gubernatore in Orvieto zuhanden der dortigen Notleidenden. Es hat davon in jener Gegend eine schreckliche Menge vom Krieg und vom verflossenen Hungerjahr her. Pauperibus, figliuoli miei, pauperibus!«

Als der graue di Mossi auch noch dieses letzte übelriechende Wort geschluckt hatte, verzog er sein wohlgepflegtes und glattgeschminktes, steinaltes Gesicht, als hätte er Rattengift bekommen. Und von einer solchen unglücklichen Ratte unterschied ihn auch wirklich nichts weiter, als dass er in hübscher Verkleidung und ohne sichtbaren Schwanz auf den Hinterbeinen aufrecht stand.

Aber der frische Bube Fanciolla lachte grossartig und rief dann mit klirrenden Zähnen: »Euere Heiligkeit hat vollkommen recht. Ich trete meine Ansprüche all diesen Käuzen und armen Hungerleidern von Viterbo ab. Das ist die Stadt meiner Väter. Der möchte ich das Almosen zuhalten.«

Sixtus nickte dem Bürschchen, das aus einem Cherub und einem jungen Teufel in den einen Junker Arrigo die Fanciolla zusammengegossen schien, ein wenig unwillig und ein wenig wohlwollend zu. Dann richtete er das Auge auf den Alten:

»Und Ihr, Edler von Mossi?«

Der Gerufene schrak zusammen und zitterte über den ganzen Leib. Dann aber schoss er bissig auf und pfiff giftig aus seiner grauen Rattenseele heraus: »Ich, oh no no no! Der Prozess soll entschei...«

»Di Mossi«, fuhr es jetzt wie ein Donnerschlag neben ihn in den Boden. Alle hoben die Köpfe. Wenig fehlte und sie hätten sich auch noch bekreuzt.

»Ich weiss«, donnerte das päpstliche Gewitter weiter, »wie du auf deinen Gütern vom Umbrischen herauf bis zu den Abruzzen deine Pächter und Zinseintreiber schalten lässest. Die Bauern müssen vom Stehlen leben, wenn sie nicht verhungert in deinen Schollen umfallen sollen. So übel saugst du sie mit Zehnt' und Fron aus!«

»Heiligkeit!« stöhnte die Mossi. Jedes Wort geisselte ihn. Aber am meisten brannte es seinen uralten Grafenstolz, dass der Papst ihn so derb duzte.

»Auch Ihr, Marchese Arrigo di Fanciolla«, sprach Sixtus und zielte mit dem kurzen, dicken Zeigfinger auf den Jüngling, »geht wild und herrisch mit Euern vielen kleinen Leuten um. Aber freilich, Ihr seid noch jung und hitzig und habt kein besseres Vorbild gehabt. Auch sagt man, dass Ihr Herz besitzet und Euern Knechten nach der Peitsche wieder Wein und Kuchen gönnet ...«

»Heiligkeit!« wehrte Arrigo überglücklich ab.

»Milch und Brot sollen sie haben, das ist das wenigste«, rollte die Stimme des weissen, kleinen Mannes nun furchtbar schwer über beide schuldige Häupter, den Kahlkopf und den Bubenwirbel. »Was soll ich das Land von Dieben säubern und die Banditen aufknüpfen und – –« hier stockte das Gewitter einen schwachen Augenblick, aber polterte dann um so gewaltiger fort, »und den eigenen Bruder und Neffen unter das Beil schicken ...«

Tief und in feierlichem Anstand neigten hier alle die Stirnen.

... »Was hilft das, wenn ihr das arme Volk durch Euern Geiz, di Mossi, und durch Euere Tollheiten, Fanciolla, doch immer wieder in Verzweiflung treibt, bis ihnen nichts mehr übrig bleibt, als Briganten zu werden? Signori, Signori, bekennet, wo finge ich besser mit dem Galgenstrick an, dort oben im Gebirge oder hier in Rom bei meinen Adeligen mit Ring und Reif!«

»Hier,« sagte mit seinen klirrenden Zähnen der junge, raschblütige Marchese und das Rot seiner Wangen fing an, aus dem hellen Übermut in eine dunklere Scham überzugehen.

»Hier,« wiederholte er ehrlich und tupfte schuldbewusst an seine, aber hernach gleich auch mit kindischer Schadenfreude dem alten Widerpart an die Brust.

»Geht! ... dass ich kein Wort mehr von jenem Erdhäufchen höre! Ein paar Oliven und Reben galten euch mehr als eine ganze verhungerte Provinz. Seid froh, dass ich dieses Verbrechen so sanft abtue. Das Gut gehört von jetzt an der Armengemeinde von Viterbo, und Ihr, junger Herr, leistet mir ein Probestück Eueres gebesserten Adels, indem Ihr als Schirmer und Verwalter des Vermögens darüber wie über Euer Liebstes wachet und fleissig sorget, dass jene Oliven und Trauben in die richtigen Teller fallen! Gehet!«

»Euern Segen, Heiligkeit!« hörte man jetzt den alten di Mossi mit halbtoter Stimme betteln. Wenn er dann gar nichts aus der Audienz rettete, so wollte er wenigstens den einen Profit einer solchen Gelegenheit nicht fahren lassen und dem Pontifex zum mindesten einen recht scharfen Segen für das Übriggebliebene abmarkten. Denn bis ins ungreifbare Geistliche und Heilige trieb es dieser Geizhals mit seinem Prozentenhunger. Vom päpstlichen Segen, so nahe, im gleichen Saal, nur auf vierzehn Köpfe verteilt, erwartete sein sonderbares geschäftliches Christentum mindestens einen zwanzigprozentigen Nutzen.

Geduldig wie unser Herrgott, der über Täubchen und Geier die Sonne aufgehen lässt und beim ersten wie beim tausendsten Mal unerschütterlich hofft, dass doch jetzt, jetzt ein Fünklein solcher Gnade auch einen schlimmen Vogel zur Tugend führe: so breitete Sixtus seine weissen, rauhen Hände aus und segnete mit gewohnter Langmut, was da vor ihm in buntscheckiger Stimmung niederkniete und ein schallendes Kreuz von der Stirne zur Brust schlug.

Dann küsste vom Prozessvölklein eins ums andere den Fischerring und ging mit dreimal gebogenem Knie von dannen.

Als sich Sixtus allein sah, ward ihm, dem audienzumlagerten Greis, ungefähr so viel leichter wie einem Gärtner, der von dickem Gestrüpp umwuchert, sich wieder einmal mit der Axt Luft und Licht geschaffen hat. Der kleine Herr erhob sich, nahm das Todesurteil der zwei Peretti wieder vom Tische und mass den Saal mit jenen breiten und in die Knie hotzelnden Schritten, wie er sie aus dem Bauernland gebracht, in der Klosterzucht dann abgehobelt und in der Prälatur poliert hatte, aber seit der päpstlichen Omnipotenz wieder in der rohen, ursprünglichen Zimmerung übte, zum Verdruss der spanischen Kardinäle, zum Spass der französischen, aber zur herzlichen Genugtuung der Schweizergarde, die in Pluderhosen und Harnisch ihr Hirtenblut nicht verleugnete und da einen verwandten Tropfen herausfühlte.

So ging Sixtus auf und ab, immer rascher, um sich nun auch zum zweiten Gerichtsspruch zu ermannen, und immer, wenn er gegen die Helischilderung geriet, richtete er es so ein, dass er mit einem herschreitenden Fuss dem jüngern, mit einem zurückschreitenden dem ältern Schurken mitten in den Nacken trat. Dabei trug er sich seine Gedanken in lauter, eindringlicher Rede vor, als währe es eine offene Gerichtssitzung:

»Die ganze Stadt weiss, dass mein Bruder und Nepote als Briganten festgenommen und in die Burg geworfen worden sind. Ich habe es sogleich und ungescheut laut werden lassen.«

»Aus Eitelkeit?«

Sixtus sah auf die Seite, wo er sich immer einen Doppelgänger in schwarzer Bettlerkutte vorstellte, den Mönch Sixtus, der dem Papst Sixtus ins Gewissen redete. Dieser arme, geringe Sixtus hatte soeben gesprochen.

»Nein, Frater reverende, nicht aus Eitelkeit, glaub' ich, sondern aus weiser Vorsicht, um mich vor aller Welt zu binden und gegen meine eigene Schnödigkeit zu sichern, wenn ich über unsere Familie den Stab brechen muss. Dass ich unparteilich sein kann, darum!«

Damit trat er dem ältern Helibuben mit der ganzen Sohle seines breiten Bauernfusses auf den Kopf.

»Die Gesandten werden es nach Wien und Paris und Madrid berichten, und gross wird der Respekt in der hohen und niedern Christenheit sein, wenn es heisst: weil der Bruder Sesto ein Räuber war, hat der Bruder Sisto ihn wie irgendeinen andern Schuldigen köpfen lassen. Es waltet noch, so wird es wie ein Lied klingen, auf dieser bestechlichen Erde wenigstens ein unbestechlicher Richter. Das heidnische Rom hatte einen Brutus, hier ist der christliche Brutus! Die Bücher der Geschichte werden betitelt: Petrus der Apostel ... Gregor der Eiferer ... Innozenz der Glorreiche ... Julius der Soldat ... Pius der Heilige ... aber dann ... aber dann ... Sixtus der Gerechte!«

»Der harte, der herzlose!« lispelte es nebenan.

Der Papst besah sich stirnrunzelnd den Einwand.

»Es ist wahr, concedo, ich fühlte bisher nichts für die zwei Verwandten. Ich kenne sie nicht, weiss nicht einmal, wie sie aussehen. Ihr Tod kostet mich keine Träne. Habe ich Brutus gesagt, christlicher Brutus? Das war falsch. Brutus hat fast seine Seele aufgegeben, als er das Schuldig über seinen Sohn verhing. Ich kann es kalt tun. Diese Gerechtigkeit ist kein Heldenstück. So weit, frommer Bruder, hast du recht.«

Diesmal ging er an den Söhnen Helis vorbei. Er wusste selbst nicht wieso. Aber dem gottvollen Mahner Samuel wich er mit einer respektvollen Schleife schon von weitem aus.

»Jedoch, ob kalt oder warm, das wiegt hier nicht mit. Hier gilt nur die lieb– und leidlose Sache,« beruhigte sich der Papst. »Nur die heilige Sache!«

»Und doch auch, Heiligkeit, deine minder heilige Person,« kam es zurück.

»Warte, warte, du bist zu hart; ja, parteiisch gegen mich. Das leugne ich ja nicht, wenn mein Gericht zu den Thronen und Pulten dringt, macht es mich berühmter, als wenn ich die alte Elisabeth bekehrte oder den Sultan am goldenen Horn taufte.«

»Heiligkeit, wozu dieses Berühmtsein?«

»Es nützt, es nützt. Du kannst das nicht verstehen, du bist ein weltverkapselter Zellenmensch. Ständest du aber oben auf meinem windumbrausten Petrusgipfel, die Kirche in der einen und meinen Staat in der anderen Hand, du würdest anders reden. Dieses Todesurteil wird mich furchtbar machen weitum im Lande. Und furchtbar muss man heute sein, will man der Welt Gutes erweisen. Kein König wird ein Privileg mehr fordern, wenn ich ans eigene Blut keines gehen lasse. Das Volk aber wird sagen: So haben wir es erwartet. Er ist gerecht. Er haut die eigene Hand ab, wenn sie ihn ärgert ... Ich aber füge bei: Nun wohl, so reiniget auch euch jetzt, ihr Millionen Hände, die ihr so viel Ärgernis in die Welt schafft; ihr Vagabunden im Gebirge, ihr Strassenräuber, ihr Schmäher und Schimpfer der Obrigkeit! Aber auch ihr, Volkspresser und Brandschatzer, reiniget eure Hände! ihr beschnittenen und unbeschnittenen Nörgeler der Religion, du, Elisabeth von England, und ihr, rauhe Wasa in Schweden, du, Barbar Iwan zu Moskau, du, Türk an der Donau, aber auch du, schlauer Graubart zu Paris! Reiniget euere Hände, ihr Sünder alle, der Richter naht und haut sie ab und wirft sie wie faules Holz ins Feuer, so wahr er sein eigenes Glied nicht geschont hat ... still, rede nicht weiter, Sixtus Mönch! Du bist ein Heiliger, aber kein Politiker. Ich muss beides sein.«

Und indem er das in seinen langen weissen Bart schüttelte, ward sein Mut wieder hoch. Er schritt wie ein König über die biblischen Schlingel weg und trat mit einem letzten, wuchtigen Schritt dem ohnehin zerschmetterten Heli ins Genick. Dann schellte er laut.

»Zucco, trag den Brief sogleich zum Kommandanten auf die Engelsburg!«

»Also doch noch der alte Pontifex«, murmelte der Kammerherr im Ausgang.

Aber Sixtus hatte heute einen guten, wahrhaft fürstlichen Tag. Von Österreich gingen günstige Berichte über die Operationen gegen den Muselmann ein. Auch predigte Canisius im Stefansdom bei gewaltigem Zulauf und grosser geistlicher Erbauung. Wenn er mit dem Rufe Jesus schliesse, sei es, als lohe ein überirdisch Feuer aus ihm. Aus Indien und China gingen Briefe von den Patres Ricci und Nobili ein, worin sogar von der Taufe mehrerer Prinzen die Rede war. Und in der Hugenottenstadt La Rochelle war ein anderer Jünger Lojolas zu Tode gemartert worden, ohne dass er aufgehört hätte, noch aus Feuer und Messern heraus den Namen Jesus zu singen.

»Immer die Ignazianer, immer dieselben!« rief Sixtus mit einer beinahe unwilligen Bewunderung. »Was ist doch das für eine kühne Miliz Christi! Tut nichts ohne Jesu, alles für Jesu! Mögen sie denn in Gottesnamen Jesuiten heissen!«

Nach diesem Entschluss, gegen den er sich monatelang gesträubt hatte, langten gegen Abend noch dreihundert neugeprägte Dukaten der Signoria von Venedig für den Schatz des heiligen Petrus an.

Als die Pagen nach dem Aveläuten unter Vorantritt Zuccos die kleine, einsame Mahlzeit auf silberner Platte wie immer hereintrugen, wies Sisto die Tafel zurück und sagte seltsam weich. »Zucco, ich möchte einen Minestrone rustico, so eine Winzersuppe, wie sie die Bauern um Ancona herum geniessen. Ich hab' sie als Bub dreimal im Tag bekommen und möchte sehen, ob sie auch dem Papst noch schmeckt. Es hat darin Mehl und Rosinen und Fenchel und viel Tomate und wird dick wie Leim gesotten, so dass der Löffel aufrecht darin stehen kann. Rüste mir das, und in einem Holznäpflein, dass alles stimmt!«

Die vornehmen Orsini– und Colonnabüblein, deren feine Schnäbel nur Taubenbraten und Pfirsichpasteten aus silbernen Tellern naschten, verzogen ihre zarten Schelmengesichter vor diesem barbarischen Speisezettel. Di Zucco aber verbeugte sich würdevoll und sagte zeremoniös: »Wie Euere Heiligkeit befehlen! Aber ein Holznapf dürfte im ganzen Vatikan nicht aufzutreiben sein.«

»Sind wir so arm!« spöttelte Sixtus mit einem feinen Lächeln. »Dann holt nur einen aus dem Franziskanerkonvent!«

Wie nun der Papst seinen Minestrone selig aus dem Holzteller löffelte, fiel der letzte flache Strahl auf den Obelisk mitten im Petersplatz. Noch nie war dem Heiligen Vater dieser ägyptische Stein so schön vorgekommen. Glich er nicht durchaus der Gerechtigkeit, so steil, so hart, so gerade und mit so goldener Spitze in den Himmel zielend?

Freilich im Hintergrund starrte die schwere, runde Masse der Engelsburg in den dunkelnden Himmel auf. Seit Wochen konnte Sixtus nicht ohne Bitterkeit dorthin blicken. Aber jetzt war auch das vorbei. Ruhig schaute er zur Festung. Alles wird ja nun gesühnt. Er hat seinen eigenen seelenklugen Beichtvater Zaccaria Mense hinübergesandt, dass er die beiden zum Sterben wohl vorbereite und ihnen hernach den päpstlichen Segen erteile. Auch muss er ihnen versichern, Seine Heiligkeit werde für die Witwe daheim und für die ganze, arme Gemeinde wie ein Vater sorgen.

Indessen schlagen nachts am Lateran, am Quirinal und auf der Engelsbrücke die Kanzlisten auf besondere Weisung des Papstes folgende Bekanntmachung an die Mauern:

»Wegen Raub und Totschlag sind auf obersten Entscheid zum Tod verurteilt und in der Frühe des Morgens, 20. September, enthauptet worden: Sesto und Poz'do Peretti, Bruder und Neffe Seiner Heiligkeit Sixtus V.«

Wenn die Römer das morgen lesen, ist das Beil schon zweimal gefallen. Einige wenige vielleicht, die den Kanzlisten im Dunkel neugierig gefolgt sind, lesen den Spruch heute schon bei der Fackel und erzählen ihn daheim und haben eine schlechte, spukhafte Nacht und stecken beim Morgengrauen, wann das Eisen die zwei Köpfe mäht, ihren Hals schaudernd und fröstelnd ins warme Bett zurück, indem sie stottern: Herr, sei den armen Sündern gnädig!

Sisto, der Papst, räumt und schabt indessen gemächlich den Napf aus und liest von Zeit zu Zeit ein Blatt Salat dazu aus einem zweiten Holzgeschirr. Das gehört dazu. Es hat geschmeckt wie zu Kindeszeiten, und jeder Löffel voll hat einen Haufen alter Erinnerungen geweckt. Aber mit dem Minestrone hat er ihr Weichmütiges und mit dem Salat ihr Bitteres rasch hinuntergeschluckt und nur das Drollige und Herzhafte davon ein Weilchen gleichsam auf der Zunge behalten.

Wie Zucco abtischte, sagte der Papst: »Das will ich nun immer nachts so haben, in dem Geschirr da. Woher hast du aber auch gleich zwei so artige Näpflein bekommen? In der Zeit warst du doch nicht in San Francesco!«

Di Zucco entfärbte sich leicht und ein Angstschwindel trieb ihm alles Blut unters Haar hinauf. Aber seine Etikette war stärker als Schwindel und Tod. Mit einer präzisen Verneigung trat er einen Schritt zurück, stellte sich wieder im seideknarrenden Koller steif in die Höhe und sagte im reinsten römischen Kammerherrenstil:

»Euere Heiligkeit haben geruht, aus einem Napf, wie ihn die Gefangenen der Engelsburg gebrauchen, den anbefohlenen Minestrone rustico und den Salat dazu zu essen. Die Minoriten speisen jetzt, wo das Holz so rar und teuer ist, aus irdenen Töpfen.«

»Aus der Engelsburg?« wiederholte Sisto erschüttert. »Sag alles!«

»Es sind nur diese zwei Näpfe frei gewesen, von einem verurteilten Paar, Vater und Sohn ... die ... die ... kein Geschirr mehr brauchen.«

Di Zucco weiss genau, wer die beiden sind. Auch der Papst weiss es. Aus dem Schüsselchen des Bruders hat er den Minestrone, aus dem Näpflein Poz'dos den Salat gegessen. Da ist weiter nichts mehr zu sagen.

Sixtus winkte denn auch stillschweigend seinem Zucco, ihn allein zu lassen. Es litt ihn nicht, einen Zeugen seiner unbemeisterten Seele zu haben. Er langte zum Brevier und las den härtesten der Psalmen, seinen Liebling, den zweiundachtzigsten, der wie ein zorniger Wind aus der Bibel stürmt und den Papst schon oft tapfer gemacht hat. Er fühlt sich auch jetzt gekräftigt und wagt sich lesend in den nächsten Psalm vor. Aber der streckt seine weissen Hände nur zum Segnen aus und singt: Selig der Mann, der bei dir Hilfe sucht ... Welch' ein Spruch! gerade jetzt! ... Sixtus blieb bei diesem Vers fassungslos stecken.


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