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2. Die Pfaueninsel von 1685 bis 1592
Johann Kunckel

»He, holla, halt«, schreit's hinter ihm, »wir kennen Euch, nicht von der Stelle!
Hoch Euer Galgenmännlein, hoch der kleine rauchige Geselle!
Und wieder hoch! und dreimal hoch! Alräunchen, Hütchen meinetwegen,
Mag's ferner goldne Eier Euch und andern tote Bälge legen.«
Annette Droste-Hülshoff

Johann Kunckel, zu Hütten bei Rendsburg, und zwar wahrscheinlich 1630, geboren, hatte sich von Jugend auf der Alchimie befleißigt, den Stein der Weisen gesucht, den Phosphor entdeckt und war 1677 in kursächsische Dienste getreten, wo ihm das für damalige Zeit außerordentlich hohe Gehalt von 1 000 Talern, nebst Vergütung für alle Materialien, Instrumente, Gläser und Kohlen, zugesagt worden war. Er erhielt aber schließlich diese Summe nicht ausgezahlt und auf seine desfallsige Beschwerde einfach den Bescheid: »Kann Kunckel Gold machen, so bedarf er kein Geld; kann er solches aber nicht, warum sollte man ihm Geld geben?«

Die Verlegenheiten, die ihm daraus erwuchsen, veranlaßten ihn, einen Ruf an den brandenburgischen Hof anzunehmen, freilich unter bescheideneren Bedingungen, die aber das Gute hatten, daß sie gehalten wurden. Der Große Kurfürst sagte ihm in einer ersten Unterredung, in der diese Dinge zur Sprache kamen: »Ich kann Euch 1000 Taler nicht geben, denn ich gebe meinen Geheimen Räten nicht mehr; um keine Jalousie zu machen, so will ich Euch geben, was ich meinen Geheimen Kammerdienern gebe.« So erhielt Kunckel ein Jahresgehalt von 500 Talern. Er nahm erst die Drewitzer Glashütte in Pacht, wurde dann Compagnon der Glashütte auf dem Hakendamm bei Potsdam, erfand hier das Rubinglas, das zu schönen Pokalen verarbeitet wurde, und erhielt endlich, da es ihm um ein möglichst abgelegenes, schwer zugängliches Plätzchen für seine Arbeiten zu tun war, in dem schon genannten Jahre 1685 den ganzen Kaninchenwerder (Pfaueninsel) zum Geschenk. Die Schenkungsurkunde besagte, daß ihm, unter Befreiung von allen Abgaben, die ganze Insel erb- und eigentümlich übereignet, das Recht des freien Brauens, Backens und Branntweinbrennens zuerkannt und der Bau einer Windmühle gestattet werden solle, »damit seine Leute nicht gezwungen seien, des Backens und Brauens, des Mahlens und Schrotens halber, die Insel zu verlassen«. Gleichzeitig wurde er in seiner Rubinglas-Fabrikation durch ein Privilegium geschützt wogegen er es übernahm, »alljährlich für fünfzig Taler Kristallgläser an die Kurfürstliche Kellerei abzuliefern und seine Glaskorallen nur an die Guineasche Compagnie zu verkaufen«.

Die Errichtung der Glashütte erfolgte bald darauf an der nordöstlichen Seite der Insel dicht am Ufer. Er erbaute besondere Öfen, um die beste Art der Kondensierung des Feuers zu ermitteln; kein Fremder durfte die Insel betreten, nur der Kurfürst besuchte ihn wiederholt, um die Anlage des Ganzen sowie den Kunstbetrieb kennenzulernen. Dabei wurde, über die Glasfabrikation hinaus, viel experimentiert.

Worauf diese Bemühungen gerichtet waren, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Daß es sich um Goldmachekunst und um Entdeckung des Steins der Weisen gehandelt habe, ist sehr unwahrscheinlich. Nachweisbar verhielt sich Kunckel gegen solche Versuche, wenigstens wenn sie von andern ausgingen, sehr ablehnend.

So entzog ihm denn auch der Große Kurfürst nie seine Gnade, wiewohl die Erfolglosigkeit, auch die wissenschaftliche, aller der damals unternommenen Experimente so ziemlich feststeht. Friedrich Wilhelm rechnete, wie Kunckel ihn selbst sagen läßt, die daran gewendeten Summen zu solchen, die er verspielt oder im Feuerwerk verpufft habe. Da er jetzt weniger spiele, so dürfe er das dadurch Gesparte an Forschungen in der Wissenschaft setzen.

Mit dem Hinscheiden des Kurfürsten schied aber auch Kunckels Ansehen, wenigstens innerhalb der Mark Brandenburg. Man machte ihm den Prozeß auf Veruntreuung und Unterschleif, und wenn auch nichts bewiesen werden konnte, weil eben nichts zu beweisen war Der Prozeß lief im wesentlichen auf bloße Schikanen hinaus und kann einem keine besonders hohe Meinung von der Rechtspflege jener Epoche beibringen. Der Beklagte sollte eingeschüchtert, abgeschreckt werden. Als ihm Unterschleife nicht nachgewiesen werden konnten, richtete man schließlich die Frage an ihn: was denn bei all dem Laborieren und Experimentieren in einer Reihe von Jahren herausgekommen sei. Das ist nun in der Tat eine Frage, die schließlich jeden Menschen in Verlegenheit setzen kann, und Kunckel gab die beste Antwort, die er unter so bewandten Umständen geben konnte. Er sagte: »Der hochselige Herr Kurfürst war ein Liebhaber von seltenen und kuriosen Dingen und freute sich, wenn etwas zustande gebracht wurde, was schön und zierlich war. Was dies genutzt hat, diese Frage kann ich nicht beantworten.« , so mochte er dennoch von Glück sagen, durch eine Aufforderung König Karls XI. von Schweden seiner alten Umgebung entrissen zu werden. Dies war 1692. Er ging nach Stockholm, wurde schwedischer Bergrat und unter dem Namen Kunckel von Löwenstern in den Adelsstand erhoben. Er starb wahrscheinlich 1702.

Sein Laboratorium auf dem Kaninchenwerder hatte nur allerkürzesten Bestand gehabt. Noch vor seiner Übersiedelung nach Schweden brannten die Baulichkeiten nieder – am östlichen Ufer der Insel finden sich bis heute einzelne verstreute Schlackenreste, die ungefähr die Stelle angeben, wo die alchimistische »Hütte« stand. Mehr als ein Jahrhundert verging, bevor die Zaubererinsel zu einer Zauberinsel wurde.


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