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Des Hofes Glanz und Schimmer
Blinkt nur wie faules Holz, Die Kirche lebt vom Flimmer Und wird vor Demut stolz; Arm sind des Lebens Feste, Rings abgestandner Wein, Das Höchste und das Beste, Wie niedrig und wie klein. |
»Walter Raleigh« |
Eine Meile hinter Bornstedt liegt Marquardt, ein altwendisches Dorf, ebenso anziehend durch seine Lage wie seine Geschichte. Wir passieren Bornim, durchschneiden den »Königsdamm« und münden unmerklich aus der Chaussee in die Dorfstraße ein, zu deren Linken ein prächtiger Park bis an die Wublitz und die breiten Flächen des Schlänitz-Sees sich ausdehnt.
Die gegenwärtige Gestalt von Marquardt, ebenso wie sein Name, ist noch jung; in alten Zeiten hieß es Schorin. Im fünfzehnten Jahrhundert und weiter zurück war es im Besitz zweier Familien; die eine davon nannte sich nach dem Dorfe selbst (Zabel von Schorin, 1375), die andere waren die Bammes. Der Besitz wechselte oft; die Brösickes, Hellenbrechts und Wartenbergs lösten einander ab, bis 1704 der Etatsminister und Schloßhauptmann Marquardt Ludwig von Printzen das reizende Schorin vom Könige zum Geschenk und das Geschenk selber, dem Minister zu Ehren, den Namen Marquardt erhielt.
An von Printzen, der sieben hohe Staatsämter bekleidete und ebenso viele Titel führte, läßt sich die Phrase vom »unsterblichen Namen« mustergültig studieren. Wer kennt ihn noch? Und doch war der Ruhm, den er seinerzeit genoß, ein so allgemeiner und wohlverdienter, daß selbst der medisante Herr von Pöllnitz nicht umhin konnte, in seinen Memoiren zu schreiben: »Um 1710 wurde von Printzen zum Oberhofmarschall ernannt. Seine Verdienste machten ihn dieser Stelle vollkommen würdig. Der Hof, bei welchem er schon sehr jung angestellt worden war, hatte weder seine Sitten noch sein Herz verdorben. Treue und Redlichkeit waren die Triebfedern aller seiner Handlungen, und man kann mit Wahrheit sagen, daß unter allen Ministern des Königs er derjenige war, der den Meinders und Fuchs, welche Deutschland unter seine größten Männer rechnete, am meisten gleichkam. Seine Aufrichtigkeit hatte ihm jedermanns Liebe zugezogen. Selbst der Kronprinz, der ein geborener Feind aller Minister war, konnte ihm seine Hochachtung nicht versagen, so daß er, als der Prinz zur Regierung kam, der einzige war, der seine Stelle behielt.«
So Pöllnitz über von Printzen. Ein Glück, daß sieben Hof- und Staatsämter ihn bei Lebzeiten schadlos hielten für die Undankbarkeit der Nachwelt. Er bezog 40 000 Taler jährlich. Unter seinen vielen Ämtern war auch das eines »Direktors des Lehnswesens«, was die Anhäufung von Lehnsbriefen des gesamten Havellandes im Marquardter Archive erklären mag.
Von Printzen starb 1725; schon sechs Jahre früher (1719) war das anmutige Schorin, nunmehr Marquardt, in die Hände der Familie von Wykerslot übergegangen, die, zu Anfang des Jahrhunderts, vom Niederrhein, dem Jülichschen und Kleveschen her, ins Land gekommen war. Vater und Sohn folgten einander im Besitz, jagten und prozessierten ein halbes Jahrhundert lang und erwarben sich das im engsten Zusammenhang damit stehende fragwürdige Verdienst, das Gutsarchiv mit den meisten Aktenbündeln, diesmal nicht Lehnsbriefe, vermehrt zu haben. Es war eine calvinistische Familie, und das Interessanteste aus ihrer Besitzzeit bleibt wohl, daß, obschon sie die Kirche aus eigenen Mitteln erbaut hatten, ihnen, solange Friedrich Wilhelm I. regierte, nicht gestattet wurde, das heilige Abendmahl in dieser ihrer Kirche aus der Hand eines reformierten Geistlichen zu empfangen. Die Wykerslot mußten sich, an ihrem eigenen Gotteshause vorbei, nach Nattwerder begeben, einer benachbarten Schweizerkolonie, wo das Abendmahl nach calvinistischem Ritus erteilt wurde.
1781 starb der jüngere von Wykerslot. War der Besitz bis zu diesem Zeitpunkte kein konstanter gewesen, so wurde er von jetzt ab, in der Unruhe sich steigernd, ein beständig wechselnder, so daß wir in dem kurzen Zeitraum von 1781 bis 1795, die Wykerslots noch mit eingerechnet, das nunmehrige Marquardt in Händen von vier verschiedenen Familien sehn. Die Nähe Potsdams – wie bei vielen ähnlichen Punkten – spielte dabei eine Rolle. Wer dem Hofe nahestand oder, wenn außer Dienst, es schwer fand, sich ganz aus der Sonne zurückzuziehen, wählte mit Vorliebe die nahe gelegenen Ortschaften. Unter diesen auch Marquardt. Hofleute erstanden es, nahmen hier ihre Villeggiatur und verkauften es wieder. Die Besitzreihe war die folgende:
Oberstlieutenant von Münchow von 1781 bis 1789,
Hofmarschall von Dorville von 1789 bis 1793,
Kammerherr und Domherr Baron von Dörenberg von 1793 bis 1795,
General von Bischofswerder von 1795 bis 1803.
Über die Besitzzeiten der erstgenannten drei ist wenig zu sagen. Von Münchow errichtete seiner verstorbenen Frau ein Rokokodenkmal mit der Inschrift: »Friede sei über ihrer würdigen Asche«; Dorville und Dörenberg gingen spurlos vorüber. Erst mit General von Bischofswerder begann eine neue Zeit. Marquardt trat in die Reihe der historischen Plätze ein.