Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Rückblick

Epistel an d'Alembert

(22. Oktober 1776)

Die Zeit, mein d'Alembert, befreit den Sinn
Von allem Trug, enthüllt den Menschenwahn.
Die schönen Tage sind für mich dahin,
Wo voller Freuden noch die Lebensbahn.
Das Alter kam; ich blicke kalt und klar;
Längst ließ ich schon den Dienst der Venus ruhn;
Umsonst ruft Epikur und seine Schar.
Von Vorurteilen war ich einst umsponnen –
Sie sind bei reifendem Verstand zerronnen,
Und insgeheim errötend, denk' ich nun
Des Selbstbetrugs, dem ich zum Opfer fiel.

Als ich den Thron bestieg, ward ich ein Raub
Der Ehrsucht: ew'ger Nachruhm war mein Ziel.
Ich dachte nicht ans blöde Volk im Staub,
Das Lob und Tadel ohne Wahl verstreut,
Des feiler Weihrauch nur die Toren freut,
Unwert, daß man so heiß danach begehrt
Arbeit und Sorge hat an mir gezehrt;
Uranien dienend, buhlt' ich um Bellonen;
Mein Geist, der rastlos neue Pläne reifte
Und in der Zukunft dunkle Fernen schweifte –
Er wollte nur der eignen Unrast fronen!
Die Kunst des Herrschens strebt' ich zu erringen;
Denn fest hielt mich der Wahn gebannt,
Der Geist vermöchte, rastlos angespannt,
Durch Rechenkunst das Schicksal selbst zu zwingen –
Allein was ist der Mensch und sein Verstand?

Ein Nichts kann unser Stückwerk flugs vernichten;
Des Schicksals unabänderliches Walten
Beschämt der Menschen Stolz und all ihr Dichten.
Die Würde selbst, die Macht, nach der die Fürsten
Die blöden, die sie schon in Händen halten,
Nur doppelt unersättlich dürsten,
Als müßten in gesichertem Genießen
Ströme von Glück und Wollust sie umfließen –
Auch diese Würde ändert nichts daran:
Sie sind nur Sklaven in des Schicksals Bann.

Der alte König auf der Rampe am Potsdamer Stadtschloß.


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