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Der geneigte Leser muß diesmal den Mund voll nehmen, sich auf einen großen Sprung gefaßt halten, und sich zugleich hüten, daß ihn das Gruseln nicht ankommt. Das erste von wegen des langen Titels, das zweite, weil der Leser von Palermo bis auf den Hunsrücken muß, und das dritte, weil vom Schinderhannes die Rede ist.
Der geneigte Leser thut am besten, wenn er ein Bleistift nimmt und sich mit Strichlein vergegenwärtigt, daß der selige Pfarrer in Weil zwei Söhne hatte, von denen jeder wieder einen Sohn hatte; die letzteren waren also leibliche Geschwisterkinder, denn sie hatten einen und denselben Großvater väterlicherseits, aber darum noch nicht mütterlicherseits, denn meines Vaters Großvater mütterlicherseits war ein Gutsbesitzer, und der seines Geschwisterkinds war der Pfarrer Cossäus auf dem Hunsrücken. Und somit wäre das erste erklärt. Zum andern aber ist's von Palermo auf den Hunsrücken akkurat so weit, als vom Hunsrücken nach Upsala in Schweden, oder nach Belgrad im Türkenland, wenn's der Leser nachrechnen will; und muß einer schon gut marschieren und nicht viel umsehen und noch alle Schöpplein unterwegs probieren, wenn er die Tour in etlichen Wochen zurücklegen will. Zum dritten aber gab's eine Zeit, wo nicht bloß in Italien der berühmte Rinaldo Rinaldini oder der Fra Diavolo, sondern auch in Deutschland, unter den Augen der ehrsamen Polizei, der berühmte Schinderhannes sein Unwesen trieb. Alte Leute wissen noch davon zu erzählen, daß man die deutschen Kindlein geschreckt hat mit dem Schinderhannes, wie vorzeiten die römischen Mütter die ihren, wenn sie riefen: »Der Hannibal ist vor den Thoren.« Da ist's denn kein Wunder, wenn's Gruseln einen ankommt. Doch zur Sache.
In den neunziger Jahren wohnte auf dem Hunsrücken in ... der Pfarrer Cossäus, auch einer von den badischen Beamten, wie mein Großvater. Sein Pfarrsprengel ging weit über sein Dorf hinaus, denn es gehörten noch Bauernhöfe und zwei andere Ortschaften dazu. Darum sich auch der Herr Pfarrer ein Rößlein hielt, und zwar einen schönen Apfelschimmel. Wenn er gepredigt hatte, bestieg er denselben und ritt allsonntäglich hinüber ins Filial, und seine Predigt ward durchs Reiten nicht schlechter, aber auch nicht besser. Denn so fest er in seinem Sattel saß, so fest saß er auch in seinem Konzept. Wenn seine Frau aber das Rößlein am Waldsaum herumbiegen sah, so stand auch die Suppe auf dem Tisch. Und das ging einmal wie's andremal, denn jedesmal wenn's Rößlein kam, kam auch der Herr Pfarrer mit, bis auf das einemal, wo das Rößlein ohne den Herrn Pfarrer kam, wie wir späterhin berichten werden.
Eines schönen Tags lag einmal der Herr Pfarrer am Fenster auf dem Polster und rauchte seine lange Pfeife in die freie Luft hinaus und dachte so an allerhand und schaute über das Hunsrücker Land hin. Da kam ein Bernerwägelein des Wegs daher gefahren, drauf saßen etliche grüne Landjäger mit Flinten und Säbeln bewaffnet, und hatten in der Mitte einen Malefikanten sitzen, dem die Füße und Hände in Ketten geschlossen waren, doch so, daß er dabei seine Pfeife rauchen konnte. War er so schnell aus dem Neste geholt worden, daß er die Landjäger nicht mehr bitten konnte: »ihr Herren, ich bin noch nicht ganz reisefertig, noch ein wenig Geduld,« oder sonst wie – kurz, der Tabak war ihm ausgegangen und er rauchte noch so kalt weiter. Als sie eben langsam am Pfarrhaus vorüberkamen, und er den alten Herrn sein Pfeiflein so gemütlich rauchen sah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen und er schaute sehnsüchtig hinauf und rief: »Nichts für ungut, Herr Pfarrer – hättet Ihr nicht eine Pfeife Tabak für mich, mich g'lüstet's so arg. Ihr wißt ja gewiß selber wie's thut.« Und der Pfarrer rief den Herren Landjägern zu, sie möchten ein wenig halten, es verschlage ja doch nichts, ob der Malefikant ein Viertelstündlein früher oder später hinter die Eisengitter käme – und ging hin und langte ein ganzes Päcklein und gab's dem Malefikanten und noch etliche nützliche Lehren dazu, und wünschte ihm gute Reise und gute Besserung dazu.
Als des Pfarrers Frau das hörte, meinte sie, eine Pfeife voll hätt' es auch gethan, und so ein Kerl, der brauche nicht auch noch rauchen, und dergleichen Reden mehr. Aber der Pfarrer lachte und sagte, den dankbaren Blick des Malefikanten werde er so leicht nicht vergessen. Aber es gab deswegen noch keine Ehehändel, wiewohl schon manchmal um einer Pfeife Tabak willen oder um noch was Geringeres der Streit losgegangen ist, – notabene – wenn beide hart waren, Denn nur, wenn Stahl und Feuerstein zu einander kommen, giebt's Funken, sonst nicht. Darüber verflossen viele Jahre. Da ward an einem Abend spät noch der Pfarrer ins Filial gerufen, einem kranken Mann das heilige Abendmahl zu bringen. Und er säumte nicht lange, und hieß den Knecht den Schimmel satteln, um hinüber zu reiten. Da wollte sich die Pfarrfrau aber doch noch ins Mittel legen und sagte: »Lieber Mann, du solltest lieber da bleiben, es geht durch den Wald und die Sonne ist am Sinken und du weißt, daß es nicht geheuer ist, denn der Schinderhannes treibt sein Unwesen in der Gegend und mochte dir ein Leids thun.« Aber der Pfarrer sagte: »Frau, gieb dich zufrieden, ich geh auf Gottes Wegen. Der Mann liegt im Sterben, unser Herrgott wird mich bewahren.« Und so steckte er denn Kelch und Patene zu sich, zog das seidene Mäntelein an und seinen Dreispitz über den Kopf und setzte sich auf seinen Apfelschimmel. Er ging durch einen Hohlweg, dann durch den Wald bergab und bergauf bis zu dem kranken Mann, der sich herzlich freute auf die Erquickung. Denn es war ihm zu Mut wie dem Propheten Elia, da er unterm Wachholderbeerbaum lag und sprach: »Es ist genug.« Und der Herr Pfarrer erschien ihm als der Engel, der ihm zuredete: »Stehe auf, nimm und iß, du hast einen großen Weg vor dir, aber kraft dieser Speise sollst du gehen bis daß du kommst an den Berg Gottes.« Und die zwei redeten und beteten noch mit einander, und der Pfarrer ward so lebendig im Geiste, daß ihm alle Sorge und Angst gänzlich abhanden gekommen war und mit keinem Gedanken mehr des Schinderhannes gedachte. Als er Abschied nehmen wollte, denn es war schon stark am Dunkeln, trat der Sohn des Hauses vor und sagte: »Herr Pfarrer, der Vater hat noch was auf dem Herzen, hat er's Euch gesagt?« Der Pfarrer schaute den alten Niklas scharf an und sagte langsam: »So – das hättet Ihr mir früher und vor dem heiligen Nachtmahl sagen sollen,« – »Um Vergebung,« sagte der Sohn, »'s wird dem Vater gar schwer und er möchte auch Euer Hochwürden nicht betrüben.« »Nun, sagt's nur und erleichtert mir und Euch das Herz,« antwortete der Pfarrer. Da schaute ihn der alte sterbende Mann an und sprach: »Herr Pfarrer, Ihr wißt, daß ich noch einen Sohn habe, den Ihr eingesegnet habt. Ihr wißt, daß er nie hat gut thun wollen und lieber ins Wirtshaus als ins Gotteshaus gegangen ist. Nun hat er sein Mütterliches zu Geld gemacht und ist seit Jahren schon auf und davon in die weite Welt. Das thut mir und Euch auch weh, und darum hab ich's nicht sagen wollen. Nun geht's aber zum Sterben und ich seh das Kind nicht wieder. Wenn er einmal wieder heimkommt, sagt ihm, daß er seinem Vater 's Sterben schwer gemacht hat, aber daß ich ihm alles vergebe, und daß er machen soll, daß wir uns im Himmel wieder sehen. Wollt Ihr ihm das sagen?« Dem Pfarrer standen die Thränen in den Augen und er versprach's ihm in die Hand hinein und wollte davon reiten. Der Sohn aber sagte: »Herr Pfarrer, 's ist spät, ich will Euch ein Stück weit begleiten, Ihr reitet lieber den Fußweg durchs Gebirg als die Chaussee und habt auch näher.« Dem Pfarrer war's auch recht, und so zogen die zwei zusammen, und der Sohn erzählte, wie oft der Vater im Fieber nach dem Jüngsten gerufen hätte und wie's ihm jetzt leichter sein werde, weil er alles gesagt hätte. Als sie auf der Höhe ankamen, wo man schon den Kirchturm sehen konnte über die Thalschlucht hin, sagte der Pfarrer: »So, Jörg, jetzt kehrt um zum Vater, ich bin bald daheim und der Vater braucht Euch.« Der Sohn wollte zwar durchaus noch mit, aber der alte Herr litt's nicht. Sie schüttelten sich die Hände und schieden. Langsam und vorsichtig ritt der Pfarrer den Weg hinunter. Der Mond schaute schon durch die Buchenwipfel und der Weg war nicht gerade am besten. Er mochte eben mitten in der Schlucht sein, als plötzlich aus den Büschen ein lautes Halt donnerte. Der Pfarrer, auf seinen Schimmel trauend, setzte ihm die Fersen in die Weichen und fing an, einen schnellen Galopp anzuschlagen, aber gleich darauf fiel ein Schuß und die Kugel pfiff hart über dem Dreispitz des würdigen Herrn in die Buchenwipfel hinein. Der brave Schimmel entsetzte sich aber über diese Frevelthat so sehr, daß er einen kräftigen Satz nach links machte, dabei seinen Herrn abwarf und aus Leibeskräften der Heimat zulief. Der Pfarrer war glücklicherweise in die Büsche gefallen und die beiden Raubritter hatten leichte Mühe ihn herauszuziehen. Mit geschwärzten Gesichtern und bis an die Zähne bewaffnet fielen sie über den sich herausarbeitenden Pfarrer her, und beraubten ihn sogleich seiner Uhr, seines Geldes und der Abendmahlsgefässe. Der Pfarrer hielt es fürs geratenste, den Widerstand aufzugeben, war doch sein Schimmel gerettet und er selbst heil vom Pferde gekommen, das war ja dankenswert, denn was nützt einem Geld und Uhr, wenn man die Hüfte oder gar den Hals bricht. Nur als sie ihm die Abendmahlsgefässe nahmen, konnte er sich nicht enthalten zu sagen: »Nehmt euch in acht, das bringt euch vollends den Fluch!« Schon an den Gefässen und besonders an diesem Wort hatten sie einen Pfarrer erkannt, und beratschlagten in der Spitzbubensprache, was sie nun mit ihm thun wollten, ob laufen lassen oder mitnehmen. Endlich kamen sie überein, ihn mitzunehmen zum Hauptmann, um Fanggeld von den Bauern und der Familie zu erpressen. So nahmen sie ihn denn zwischen sich und banden ihm mit einem Strick die Hände und schweigend ging's immer tiefer in den Wald hinein. Der Pfarrer überlegte sich sein Schicksal, dachte an sein Weib und seine Kinder und die Angst, die sie daheim hätten, wenn der Schimmel ohne ihn zurückkam, und an den guten Rat seiner Frau – aber immer kam's wieder herauf: du bist doch auf Gottes Wegen, und dem alten Niklas hat's doch wohl gethan, daß er noch getröstet worden ist. Mit seinen Gefährten sprach er nichts, sondern suchte seine Seele in Gott zu fassen, und bat um einen guten Kernschuß aus Gottes Wort auf das Herz des Hauptmanns. Als sie eine gute Weile gegangen, banden die beiden Strauchdiebe dem Pfarrer, der ohnehin wenig sah, die Augen zu, denn sie mußten nahe am Ziele sein. Sie faßten ihn an der Hand und führten ihn dann etliche holperichte Treppen hinunter, dann nahmen sie ihm die Binde ab und er befand sich in einer dunklen Höhle. Die beiden pfiffen und die Fallthür öffnete sich. In einem weiten Raum saßen ihrer dreißig Gesellen im Kreise herum, und in der Mitte auf einer umgestürzten Tonne der Hauptmann. Der Rauch des Kienspans suchte sich mühsam den Ausweg durch ein Loch.
Die beiden Ankömmlinge wurden mit Hurrah empfangen.
»Was habt ihr denn da für einen Vogel mitgebracht,« rief einer, »hat einen Dreispitz und ein schwarz Mäntelein an. – Hu, das ist ein Pfarrer, der soll uns predigen.«
Die Rotte lachte laut auf, nur der Hauptmann nicht, der befahl den Gefangenen herzubringen.
»Einen Pfarrer habt ihr gefangen, das hättet ihr können bleiben lassen, ich will nichts mit der Geistlichkeit zu thun haben, es hat mir schon einmal einer so hart zugesetzt, daß ich's nicht vergessen kann,« sagte der Hauptmann.
»Hauptmann, du bist toll!« rief einer von denen, die den Pfarrer gefangen hatten, »wir wollen Fanggeld von den Bauern haben; so einen fangt man nicht alle Tage.«
»Schweig,« donnerte der Hauptmann, »oder ich schlage dir alle Zähne in deinen Hals hinunter.« Er leuchtete mit dem Span dem Pfarrer ins Gesicht und frug: »Wo seid Ihr Pfarrer, wie heißt der Ort?«
Der Pfarrer antwortete fest mit seiner tiefen Stimme: »Ich bin der Pfarrer ..... von ..."
»Von ... ?« frug der Hauptmann verwundert. »Ich meine, ich kenne Euch und Ihr mich.«
»Habe nicht die Ehre,« sagte der Pfarrer trocken.
»Aber ich kenne Euch und das soll Euch nicht unvergolten bleiben,« sagte der Hauptmann weiter. »Besinnt Euch einmal.»
Nun ward's dem Pfarrherrn doch heiß und kalt. Er besann sich, ob er nicht einen von den Spitzbuben schon ans Amt berichtet hatte; es konnte ja sein, daß sie jetzt Rache an ihm übten.
»Mein Leben steht in Gottes Hand,« sagte er dann, »macht was Euch gut dünkt, der jüngste Tag bringt's doch ans Licht!«
»Hab' ich's nicht gesagt,« flüsterte der erste wieder, »der hält uns eine Predigt und macht uns die Hölle heiß.«
Der Hauptmann aber sagte: »Nein, beileibe nicht, so ist's nicht gemeint, Herr Pfarrer. Erinnert Ihr Euch noch, daß Ihr einem Gefangenen auf seinem Weg ins Loch ein Päcklein Tabak selber heruntergebracht habt?«
»Ja, das erinnere ich mich noch,« antwortete der Pfarrer.
»Kennt Ihr den noch?«
»Nein.«
»Ich bin's, schaut mich 'mal an; das hab' ich Euch nicht vergessen, und jetzt sag' ich Euch: Ihr seid frei und könnt heimgehen. Habt ihr ihm was abgenommen,« rief er zu den beiden Strauchdieben, »so gebt's heraus, wenn euch euer Leben lieb ist.«
Mit Widerwillen gaben die zwei das Geld und die Uhr und den Nachtmahlskelch heraus. Als der Hauptmann den Kelch sah, frug er: »Warum habt Ihr denn den Kelch bei Euch, Herr Pfarrer?«
»Weil ich dem alten Niklas von ... das Nachtmahl noch gegeben habe. Der liegt im Sterben und drum bin ich in der Nacht noch hinübergegangen. Ich wollte, Herr Hauptmann, Ihr könntet mit Euren Leuten auch einmal so ruhig sterben wie der Niklas; dem hat nichts mehr weh gethan, außer etwas, was Ihr nicht, zu wissen braucht.«
»Herr Pfarrer,« sagte der Hauptmann, »macht uns das Herz nicht schwer. Wir sind doch dem Galgen oder dem Rad verfallen, und eines ist uns so lieb wie's andere. Wir haben auch noch nie einen Armen beraubt, und nur die großen Leuteschinder, die kein Mensch und keine Polizei straft, machen wir leichter.«
»Das ist aber ein schlecht Geschäft, Herr Hauptmann, unserm Herrgott eigenmächtig helfen wollen. Da könntet Ihr Euch doch die Finger und die Seele dabei verbrennen. Wenn's aber an Galgen oder Rad mit Euch geht, so denket daran, daß es auch für blutrote Sünden noch ein Wasser giebt.«
»Schmeißt die Pfaffenkappe hinaus,« brüllten etliche im Hintergrund. »Wir haben's schon lang gesagt, der hält uns noch eine Predigt und der Hauptmann ist schon angesteckt.«
Über dem Tumult, der sich erhob, redete einer von den Räubern leise mit dem Hauptmann. Der Hauptmann nickte und gab dem Pfarrer die Hand und sagte laut: »Herr Pfarrer, 's war Schuldigkeit, daß ich Euch gehen ließ, sagt Eurem Weib einen schönen Gruß vom Schinderhannes.« Da gruselte es dem Pfarrer doch. Denn der Schinderhannes hatte mehr als einen Mord auf der Seele und hatte manche Mühle in Brand gesteckt, und manchen Kaufmann, der nach Frankfurt zur Messe wollte, bis aufs Hemd ausgezogen. Der Pfarrer schritt mit seinem Begleiter durch die Reihen zur Höhle hinaus. Es mochte schon der Mitternacht zugehen, denn der Mond stand schon hoch am Himmel. Schweigend gingen die zwei neben einander. Endlich brach der Räuber das Schweigen und sagte:
»Herr Pfarrer, lebt der Niklas in... noch?«
»Ja, er lebt noch, aber er treibt's nimmer lang. Kennt Ihr ihn?«
»O ja, ich sollte ihn wohl kennen,«»sagte stockend der Begleiter. Der Mond brach eben voll durch die Wolken und der Wald war lichter, und der Pfarrer schaute seinen geschwärzten Begleiter durchdringend an.
»Du bist der Andres,« sagte der Pfarrer und blieb stehen.
»Ja, ich bin's leider Gottes,« antwortete er. Der Pfarrer seufzte tief auf und erzählte ihm nun, was dem Niklas noch das Sterben schwer gemacht und was er ihm noch aufgetragen. Da brach dem Räuber das Herz und er weinte wie ein Kind. »Ach, Herr Pfarrer, wenn nur ein Loskommen wäre, aber ich muß zurück, sonst schlagen sie mich tot.«
»Da kann ich dir helfen, wenn du von deinem Sündenleben fort willst. Ich sage dir, du bist jetzt mein Arrestant und giebst mir deine Pistolen und dein Messer her.«
Der Räuber und ehemalige Konfirmand war so verdutzt, daß er mechanisch folgte. Der Pfarrer steckte den Säbel in eine hohle Buche und die Pistolen verschwanden in seinem großen Sack. Als sie eben am Ausgang des Waldes waren, sahen sie eine Menge Fackeln und Laternen vom Dorf heraufkommen. Als nämlich der Schimmel leer in den Pfarrhof kam, schloß die Pfarrfrau, daß hier ein Unglück passiert sei. Zudem war, was sich jetzt erst herausstellte, der Müller im Ort geplündert worden, als er vom Fruchtmarkt kam. Die resolute Pfarrerin ließ drum den Ortsschulzen bitten, gleich Sturm zu läuten, um auf ihren Eheherrn zu fahnden. Und nun zog ein Teil der Bauernschaft aus mit Dreschflegeln und Hacken, und teilten sich in Rotten, den Wald zu durchsuchen. Da kamen ihnen die beiden entgegen. Der Pfarrer dankte den Leuten und verbot weiter zu fragen über den sonderbaren Gesellen, der mit ihm kam. Was die Frau Pfarrerin alles gesagt von ihrer Angst, und wie ihr Mund von guten Lehren und Weisheit strömte, so daß der Pfarrer gar nicht zu Worte kam, will ich nicht beschreiben. Dem Andres aber half er mit eigener Hand beim Waschen, und spedierte ihn ins Bett. Als er seiner Frau erzählte, was ihm begegnet und wen sie unter dem Dache hätten, da gruselte es ihr auch. Aber als sie an den jetzt vielleicht geretteten Sohn dachte, und wie's gerade so und nicht anders habe kommen müssen, gab sie ihrem Eheherrn recht und sagte: »Du bist doch auf Gottes Wegen gewesen, lieber Mann.«
Dem Niklas ließ der Pfarrer früh am Morgen sagen, daß sein Sohn gefunden sei. Acht Stunden darnach schlief er ruhig ein. Der Andres bekam zwar seine Strafe, aber da er keine Blutschuld begangen, und weil er sich selbst gestellt, ist glimpflich mit ihm verfahren worden. Der Schinderhannes aber und seine Gesellen sind bald darnach eingefangen worden. Denn daß sie den Pfarrer gefangen, war ruchbar geworden und hatte großen Rumor und dem Amtmann Beine gemacht, der sich fürchtete, bei solch einer Gelegenheit schlechter wegzukommen als der Herr Pfarrer. –
Auf diese Art ist unsere Familie mit dem berüchtigten Schinderhannes in Berührung gekommen und braucht sich des nicht zu schämen.