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1836-1837.
Ich weiß einen Helden von seltener Art,
So stark und so zart, so stark und so zart;
Das ist die Blume der Ritterschaft,
Das ist der erste an Milde und Kraft,
So weit auf des Vaterlands Gauen
Die Sterne vom Himmel schauen.
Er kam zur Welt auf sonnigem Stein
Hoch über dem Rhein, hoch über dem Rhein;
Und wie er geboren, da jauchzt' überall
Im Lande Trompeten- und Paukenschall,
Da wehten von Burgen und Hügeln
Die Fahnen mit lustigen Flügeln.
In goldener Rüstung geht der Gesell,
Das funkelt so hell, das funkelt so hell!
Und ob ihm auch Mancher zum Kampf sich gestellt,
Weiß Keinen, den er nicht endlich gefällt;
Es sanken Fürsten und Pfaffen
Vor seinen feurigen Waffen.
Doch wo es ein Fest zu verherrlichen gilt,
Wie ist er so mild, wie ist er so mild!
Er naht, und die Augen der Gäste erglühn,
Und der Sänger greift in die Harfe kühn,
Und selbst die Mädchen im Kreise
Sie küssen ihn heimlicher Weise.
O komm, du Blume der Ritterschaft
Voll Milde und Kraft, voll Milde und Kraft!
Tritt ein in unsern vertraulichen Rund
Und wecke den träumenden Dichtermund,
Und führ' uns beim Klange der Lieder
Die Freude vom Himmel hernieder!
Die Schlacht ist aus, zersprengt des Feindes Schaaren,
Ein schwarzes Bahrtuch sinkt die Nacht hernieder,
Da lagern rings um's Feuer die Husaren,
Und wärmen ihre kampfesmüden Glieder.
Ein bärt'ger Reiter sieht nach seiner Wunde,
Ein andrer ladet emsig die Pistolen,
Die volle Flasche geht von Mund zu Munde;
Kein Wort erschallt, nur tiefes Athemholen.
Und still ist's ringsum. Nur die Frühlingswinde,
Gewohnt mit holden Blumen sonst zu kosen,
Sie spielen durch's Gefild und fächeln linde
Der Todeswunden dunkle Purpurrosen.
Doch sieh! Dort unterm Lindenbach am Thurme
Ist sanft ein junger Reiter eingeschlafen,
Es rettet aus des Krieges wüstem Sturme
Sein Geist sich in der Träume Friedenshafen.
Er schlummert süß. Es hat um seine Wangen
Ein ros'ger Freudenschimmer sich ergossen,
Ein mildes Lächeln hält den Mund umfangen,
Um den die ersten blonden Flaumen sprossen,
Er träumt sich heim vielleicht ins enge Zimmer,
In seines Jugendspiels geliebte Räume
Durch's offne Fenster fällt der Sonnenschimmer,
Und draußen duften Wein und Blütenbäume.
Und vor ihm steht ein Mädchen hold erglühend,
Der Morgenstrahl vergoldet ihre Wangen,
Daß schöner noch der Mund, in Purpur blühend,
Daß glänzender die braunen Locken prangen.
Sie reicht im Glas ihm feurigen Tokaier,
Nachdem sie nicht verschmäht zum Gruß zu nippen;
Er aber küßt, ein ungestümer Freier,
Anstatt des süßen Weins die süßern Lippen.
Umschlungen stehn sie, ganz in sich versunken,
Und schau'n sich selig lächelnd an und schweigen,
Und nur die Nachtigallen schmettern, trunken
Von Rosenduft, ein Brautlied in den Zweigen.
So träumt der Jüngling – aber plötzlich tönen
Trompeten fern in lustigen Fanfaren,
Es fallen Schüsse, dumpfe Trommeln dröhnen,
Und auf vom Boden springen die Husaren.
Der Träumer auch erwacht. Er fährt zusammen,
Dann sitzt er eilig auf mit den Genossen;
Sie jagen fort; – zu Asche glühn die Flammen,
Und fern verhallt der Hufschlag von den Rossen.
Es steht im Wald, im tiefen Wald
Das Haus des Woiewoden;
Eiszapfen hangen am Dache kalt,
Und Schnee bedeckt den Boden.
Das Fräulein sitzt am Herd und spinnt
Zu ihrem Hochzeitschleier;
Sie hört im Rauchfang gehn den Wind
Und schürt empor das Feuer.
Da tritt die Waldfrau zu ihr ein,
Die pflegt nichts Guts zu bringen:
»Guten Abend, feines Goldtöchterlein!
Will dir ein Liedchen singen!«
»»Was sollen deine Lieder mir?
Mein Liebster, der kommt balde.
Da hast du Brod, da hast du Bier,
Geh wieder heim zum Walde!««
Die Alte sprach: »Hast immer Zeit,
Dein Schatz wird nimmer kommen.
Der Wald ist tief, der Weg ist weit;
Hat andern Weg genommen.«
»»Was quälst du dich mit falschem Weh?
Treu wird mein Liebster bleiben,
Er schwur es mir, bis aus dem Schnee
Einst rothe Röslein treiben.««
Das Fräulein rief's, doch war ihr bang,
Der Wind pfiff nicht geheuer,
Die Alte blieb, die Alte sang
Ihr dumpfes Lied ins Feuer:
»Und als ich ging die Schlucht entlang,
Da kamen drei Wölfe gesprungen,
Die heulten wie ob gutem Fang
Und hatten blutige Zungen.
Und als ich kam zum Fichtenzaun,
Drei Raben hört' ich schreien;
Sie schrien: ihr Jungen, euch sollt traun
Der frische Schmaus gedeihen!
Und als ich kam zum eis'gen See,
Hab' ich einen Knaben gefunden;
Es floß wohl über den Winterschnee
Sein Blut aus tiefen Wunden.
Roth Röslein blüht aus dem Schnee so kalt,
Nun hast du's selbst vernommen.
Der Weg ist weit und tief der Wald,
Dein Schatz wird nimmer kommen.«
Das Lied war aus, die Alte fort,
Des Herdes Glut vergangen,
Die Jungfrau saß und sprach kein Wort,
Ihr waren so bleich die Wangen.
Und lauter draußen pfiff der Wind,
Und lauter schrien die Raben.
Drei Tage nach diesem hat sein Kind
Der Woiewod begraben.
O komm zu mir, wenn durch die Nacht
Wandelt das Sternenheer!
Dann schwebt mit uns in Mondespracht
Die Gondel über's Meer.
Die Luft ist weich wie Liebesscherz,
Sanft spielt der goldne Schein,
Die Cither klingt, und zieht dein Herz
Mit in die Lust hinein.
O komm zu mir, wenn durch die Nacht
Wandelt das Sternenheer!
Dann schwebt mit uns in Mondespracht
Die Gondel über's Meer.
Das ist für Liebende die Stund',
Liebchen, wie ich und du;
So friedlich blaut des Himmels Rund,
Es schläft das Meer in Ruh.
Und wie es schläft, da sagt der Blick
Was keine Zunge spricht,
Die Lippe zieht sich nicht zurück
Und wehrt dem Kusse nicht.
O komm zu mir, wenn durch die Nacht
Wandelt das Sternenheer!
Dann schwebt mit uns in Mondespracht
Die Gondel über's Meer.
Ave Maria! Meer und Himmel ruhn,
Von allen Thürmen hallt der Glocken Ton.
Ave Maria! Laßt vom ird'schen Thun,
Zur Jungfrau betet, zu der Jungfrau Sohn!
Des Himmels Schaaren selber knieen nun
Mit Lilienstäben vor des Vaters Thron,
Und durch die Rosenwolken wehn die Lieder
Der sel'gen Geister feierlich hernieder.
O heil'ge Andacht, welche jedes Herz
Mit leisen Schauern wunderbar durchdringt!
O sel'ger Glaube, der sich himmelwärts
Auf des Gebetes weißem Fittich schwingt!
In milde Thränen löst sich da der Schmerz,
Indeß der Freude Jubel sanfter klingt.
Ave Maria! Wenn die Glocke tönet,
So lächeln Erd' und Himmel mild versöhnet.
Im Föhrenwalde ging der Sturm,
Mitternacht war die Stunde,
Da trat in des alten Sängers Thurm
Der Knab' mit trüber Kunde:
»Hört auf mit Lesen nun, Herr Skiold,
Schaut auf von eurem Buche!
Der alte Swerker lieb und hold,
Der liegt im Leichentuche.«
Da seufzte der Sänger tief empor:
»Sei Friede mit dem Biedern!
Doch weh! Mir starb das letzte Ohr,
Das horchte meinen Liedern.
Wohl fechten die Andern tagaus, tagein,
Doch sind sie des Skalden vergessen,
Und werden einst selber vergessen sein,
So kühn sie des Ruhms sich vermessen.
Ich aber habe zur Neige nun
Des Lebens Kelch geleeret;
Wohl mag der Sänger gehn und ruhn,
Wo niemand sein begehret.
Auf, Knabe, schwinge die Fackel stolz
Empor zur Balkendecke,
Daß prasselnd von dem dürren Holz
Die volle Flamme lecke!
Dann eil' hinaus zum Walde frei,
Nimm mit, was du erworben,
Und sage den Leuten rings, es sei
Der letzte Skalde gestorben.« –
Und als der Knabe floh, da stand
Schon auf der Zinnen hohe,
Und wie ein königlich Gewand
Schlug um ihn her die Lohe.
Die Harfe hielt er goldesschwer
Und sang vom Thurmesgipfel,
Da neigten die Föhren rings umher
Ihre gerötheten Wipfel.
Doch als gemach das Lied verscholl,
Verloschen auch die Flammen;
Es stürzte dampfend mit Geroll
Der alte Thurm zusammen.
Da lag nun unter Schutt und Brand
Begraben der letzte Skalde,
Und niemand sang im ganzen Land,
Als nur die Vögel im Walde.
Ich kam in einen grünen Hain,
Viel Eichen standen in der Runde,
Durch die gewölbte Laubrotunde
Floß goldner Sonnenglanz herein;
Da streckt' ich mich ins Gras zur Ruh
Und sah dem Spiel der Blätter zu.
Nach fünfzig Jahren kam ich wieder,
Doch mocht' ich andres da erschau'n:
Die schönen Wipfel lagen nieder,
Die Stämme waren ausgehau'n;
Statt dessen blühten in der Rund
Viel tausend Blümlein, klein, doch bunt.
Und weil die Eichen nun verschwunden,
Brüsten sich stolz die Blümelein,
Und meinen gar in manchen Stunden,
Sie möchten selbst wohl Eichen sein.
Wolle Keiner mich fragen,
Warum mein Herz so schlägt,
Ich kann's nicht fassen, nicht sagen,
Was mich bewegt.
Als wie im Traume schwanken
Trunken die Sinne mir;
Alle meine Gedanken
Sind nur bei dir.
Ich habe die Welt vergessen,
Seit ich dein Auge gesehn;
Ich möchte dich an mich pressen
Und still im Kuß vergehn.
Mein Leben möcht' ich lassen
Um ein Lächeln von dir,
Und du – ich kann's nicht fassen –
Versagst es mir.
Ist's Schicksal, ist's dein Wille?
Du siehst mich nicht; –
Nun wein' ich stille, stille,
Bis das Herz mir zerbricht.
Ach Gott, was hat mein Vater, was meine Mutter gedacht,
Daß sie mich zu den Nonnen in das Kloster gebracht!
Nun darf ich nimmer lachen und muß im Schleier gehn,
Und darf kein liebend Herze mein Herze verstehn.
Sie haben abgeschnitten mein langes schwarzes Haar,
Hat keiner sich erbarmet meiner sechzehn Jahr;
Ich bin schon so betrübt und bin doch noch so jung,
Und hat die Welt der Freuden doch für Alle genung.
An meiner Zelle Fenster bau'n die Vögelein,
Da möcht' ich oft mit ihnen so frei und lustig sein;
Ich höbe meine Flügel und fände wohl den Steg.
Weit über alle Thürme und Klöster hinweg.
Und wenn der Abend dämmert und dunkelt die Nacht,
Hab' ich vieltausendmal an meinen Schatz gedacht;
Nun bin ich eine Nonne, mein Schatz ist so weit,
Drum fließen meine Thränen allezeit.
Es fließen wohl die Wellen mitsammen in das Meer,
Es fliegen mitsammen die Vögel drüber her,
Der Tag hat seine Sonne, die Nacht den Sternenschein;
Nur ich muß alle Stunden einsam sein.
Ich wollt, sie läuteten im Kreuzgang erst um mich,
Und trügen mit den Kerzen mich still und feierlich;
Da wär' ich los auf einmal von aller Noth und Pein,
Und dürfte mit den Engeln wieder fröhlich sein.
I.
In meinem Garten die Nelken
Mit ihrem Purpurstern
Müssen nun alle verwelken,
Denn du bist fern.
Auf meinem Herde die Flammen,
Die ich bewacht so gern,
Sanken in Asche zusammen,
Denn du bist fern.
Die Welt ist mir verdorben,
Mich grüßt nicht Blume, nicht Stern;
Mein Herz ist lange gestorben,
Denn du bist fern.
II.
Wohl waren es Tage der Sonne,
Die Bäume blühten im Mai,
Dein Blick sprach Liebeswonne –
Das ist vorbei.
Verblüht sind lange die Bäume,
Der Herbst ist kommen geschwind;
Die Träume, die schönen Träume
Verweht der Wind.
III.
Gute Nacht mein Herz und schlummre ein!
In diesen Herbstestagen
Ohne Blumen und Sonnenschein
Was willst du schlagen?
Dein Schmerz ist aus, deine Lust ist todt,
Verweht sind Lenz und Lieder;
Der Liebe Röslein purpurroth
Blüht nimmer wieder.
Singend zog er ins Land hinein,
Der falsche, liebe Knabe –
Und du? – Im stillen Grabe
Schlafe mein Herz, schlaf' ein!
Die Sonne brannte heiß am Tage,
Nun wird es auf den Abend kühl;
Die Wolken ziehn in dunkler Lage,
Und durch die Luft weht Harfenspiel.
Mir ist so eigen, ist so trübe;
Mein Herz strebt in die Ferne fort,
Es denkt an seine alte Liebe
Und sinnt auf ein verloren Wort.
Umsonst! Ich werd' ihn nimmer finden,
Den Spruch, der Seelen binden mag;
Warum auch gab ich ihn den Winden,
Da er auf meinen Lippen lag!
Ach! Immer finstrer wird der Schatten;
Ich steh' allein in öder Nacht
Und keine Stätte harrt des Matten,
Und niemand ist, der mit mir wacht.
Du fragst mich, liebe Kleine,
Warum ich sing' und weine,
Du fragest, was mich schmerzt?
Ich habe den Lenz versäumet,
Ich habe die Jugend verträumet,
Ich habe die Liebe verscherzt.
Mir schwoll der Becher am Munde,
Ich hatte nicht Durst zur Stunde,
Ich ließ vorüber ihn gehn;
Mir winkt' im grünen Laube
Granate, Feig' und Traube,
Doch hab' ich sie lassen stehn.
Und als nun kam der Abend,
Die Sonn' im Glanz begrabend,
Da war mein Durst erwacht;
Aber der Becher der Wonnen,
Die Früchte waren zerronnen,
Und dunkelte rings die Nacht.
Die Welt hat mich verlassen;
Nun sing' ich auf den Gassen
Mein Lied, wie tief es schmerzt:
Ich habe den Lenz versäumet,
Ich habe die Jugend verträumet,
Ich habe die Liebe verscherzt.
O sieh mich nicht so lächelnd an,
Du Röslein jung, du schlankes Reh!
Dein Blick, der jedem wohlgethan,
Mir thut er in der Seele weh;
Mein Herz wird trüb und trüber
Bei deiner Freundlichkeit;
Vorüber ist, vorüber
Der Liebe Zeit.
Ja wär' ich jung und froh wie du,
Und wär' ich so frisch, und wär ich so rein:
Wie schlüge mein Herz dem deinen zu,
Wie könnten wir selig zusammen sein!
Wie sollte durch's Gemüthe
Mir ziehn ein süßer Traum!
Doch so – was soll die Blüte
Am welken Baum?
Mein Leben liegt im Abendroth,
Deins tritt erst ein in den sonnigen Tag;
Mein Herz ist starr, mein Herz ist todt,
Deins hebt erst an den lustigsten Schlag;
Du schaust nach deinem Glücke
In goldne Fernen weit.
Ich blicke schon zurücke
In alte Zeit.
Drum sieh mich nicht so freundlich an,
Du Röslein jung, du schlankes Reh!
Dein Blick, der jedem wohlgethan,
Mir thut er in der Seele weh.
Laß scheiden mich und wandern
Die Welt hinauf, hinab;
Du findest einen Andern,
Und ich – ein Grab.
O wär' es blos der Wange Pracht,
Die mit den Jahren flieht!
Doch das ist's was mich traurig macht,
Daß auch das Herz verblüht;
Daß, wie der Jugend Ruf verhallt
Und wie der Blick sich trübt,
Die Brust, die einst so heiß gewallt,
Vergißt, wie sie geliebt.
Ob von der Lippe dann auch kühn
Sich Witz und Scherz ergießt,
's ist nur ein heuchlerisches Grün,
Das über Gräbern sprießt.
Die Nacht kommt, mit der Nacht der Schmerz,
Der eitle Flimmer bricht;
Nach Thränen sehnt sich unser Herz,
Und findet Thränen nicht.
Wir sind so arm, wir sind so müd,
Warum, wir wissen's kaum;
Wir fühlen nur, das Herz verblüht,
Und alles Glück ist Traum.
Ich hatt' ein Bildnis wunderfein,
Mit zarten Farben ausgemalt,
Das hat mit seinem bunten Schein
Gar lieb ins Auge mir gestrahlt;
Ich hielt es ganz für mich allein,
Und wo ich war, da mußt' es sein.
Tags stand's an meiner Arbeitsstätte,
Zu Nacht hing's über meinem Bette,
Und selbst in meinem schönsten Traum
Wie hold es blüht', ihr glaubt es kaum.
Da dachten die Leute in der Stadt:
»Was der wohl so besondres hat!«
Kamen herbei von allen Enden,
Betasteten es mit plumpen Händen,
Hielten es gegen Feuer und Licht,
Ob auch die Farben in der Richt,
Wischten am Firniß hier und dort,
Und hingen's dann an seinen Ort.
Die Leute sind ein eigen Geschlecht,
Meinen, sie hätten vollkommen Recht,
Sagen, mir bliebe das Bild ja doch,
Und ich auch sei derselbe noch;
Ich aber schlage die Augen nieder,
Und wenn ich auf mein Kleinod seh,
Thut's mir im tiefsten Herzen weh;
Der Schmelz ist hin und kommt nicht wieder.
Und fragst du mich mit vorwurfsvollem Blick:
Warum so trübe? Welch ein Mißgeschick
Vermag der Seele Frieden dir zu stören? –
Wohlan! Es sei! Die nächt'ge Stund' ist gut,
Im Becher glüht der Traube dunkles Blut –
Von meiner Jugendliebe sollst du hören.
Ich war ein Knab', wie andre Knaben sind,
Halb trotzig heißer Jüngling, halb noch Kind,
Zu scheu, des Lebens Räthsel zu entsiegeln;
Mein junges Herz war voll und sehnsuchtsschwer,
Es wußte kaum, weßhalb – es glich dem Meer,
Das still des Mondes harrt, ihn abzuspiegeln.
Da fand ich Sie, das blonde Sind der Flur,
Und zwiegeschaffen fühlten wir uns nur,
Uns neu zu einen wie in Edens Räumen;
Blau war ihr Auge, wie die Sommernacht;
Und diese Lippen! – Wem sie nur gelacht,
Der mußt' hinfort von heißen Küssen träumen.
Wohl blüht' uns damals eine schöne Zeit,
Als wir in dunkler Waldeseinsamkeit
Das Reh belauschten und der Knospen Schwellen,
Als wir im Kahne – Dämmrung ringsumher –
Uns wiegten auf dem abendstillen Meer,
Vom Spätroth nur gesehen und von den Wellen;
Als wir auf mondbeleuchtetem Balkon
Zweistimmig sangen zu der Laute Ton,
Als wir uns heimlich flüsternd dann umfingen,
Und Aug' in Auge seligen Erguß
Herniederthaute, und im ersten Kuß
Die Seelen brennend an einander hingen.
O wär' ich bei des ersten Kusses Tausch
Damals gestorben in beglücktem Rausch,
Aus weichen Armen in die Gruft getrieben!
Ich wäre jetzt kein Greis mit braunem Haar,
Frisch außen, innen Leiche. – O fürwahr,
Es stirbt als Knabe, wen die Götter lieben.
Nun mußt' ich sie verlieren. An den Mann
Ist sie gebannt, den sie nicht lieben kann,
Dem ihre ersten Küsse nicht zu eigen.
Er führte lächelnd zum Altar sie fort;
Sie wurde bleich, der Priester sprach das Wort,
Ich aber stand dabei und mußte schweigen.
Und denk' ich dran, so kocht in Grimm mein Herz,
Und wie ein kaltes Eisen fährt der Schmerz
Mir durch die Brust, und jeder Trost versaget.
Darum bin ich so trüb, darum so wild.
Doch nun hinweg damit! – Das Glas gefüllt!
Beim Weine will ich schwärmen, bis es taget.
Nun wollen Berg' und Thale wieder blühn,
Die Winde säuseln durch der Wipfel Grün,
Des Waldhorns Klang verschwimmt im Abendroth –
Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt.
Die Freunde rudern frisch und säumen nicht,
Des Wassers Furche blinkt im Sternenlicht,
Die Cither klingt, im Takte schwebt das Boot –
Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt.
Der Mond geht auf und lauter wird die Lust,
Es drängen Lieder sich aus jeder Brust,
Der Wein im Becher glutet dunkelroth –
Ich möchte froh sein, doch mein Herz ist todt.
Und stiege meine Lieb' aus ihrem Grab
Mit all den Wonnen, die sie einst mir gab,
Und böte Alles, was sie einst mir bot:
Umsonst! – Denn hin ist hin und todt ist todt.
Verglommen ist das Abendroth,
Da tönt ein fernes Klingen;
Ich glaube fast, das ist der Tod,
Der will in Schlaf mich singen.
O singe nur zu,
Du Spielmann du!
Du sollst mir Frieden bringen.
Ein weiches Bette der Rasen giebt,
Es säuseln so kühl die Cypressen.
Und was ich gelebt, und was ich geliebt,
Ich will es Alles vergessen.
Keinen Ruhm, kein Glück
Lass' ich zurück,
Hab' nichts als Schmerzen besessen.
So fahr' denn wohl du arge Welt
Mit deinen bunten Schäumen!
Was dich ergötzt, was dir gefällt,
Wie gern will ich's versäumen!
Schon wehet die Nacht
Mich an so sacht;
Nun laßt mich ruhn und träumen.
O Jugendzeit, du grüner Wald,
Darin der Liebe Röslein blüht,
Wie ist dein Rauschen mir verhallt,
Verhallt im Ohr und im Gemüth!
Voll Liebeslust der frische Muth,
Der helle Blick, der kecke Sinn,
Das rasche, rothe Dichterblut,
O sprich, o sprich, wo sind sie hin!
Es kamen Zeiten schwer wie Blei,
Der Zweifel schlich in diese Brust,
Der Traum der Neigung floh vorbei,
Und blasser wurden Licht und Lust;
Und wenn ich in die Zukunft schau,
Das ist nicht mehr das alte Gold,
Ich seh' ein trübes Nebelgrau,
Wie's herbstlich um die Berge rollt.
Und doch getrost! Die Blüthenzeit
Verweht hat sie des Windes Flucht;
Doch reift in tiefer Einsamkeit
Und unter Schmerzen reift die Frucht.
Die Sehnsucht lass' ich nimmer los;
Sie wächst in kranker Brust und schwillt,
Wie in der dunkeln Muschel Schooß
Empor die lichte Perle quillt.
Drum klag' ich nicht, drum zag' ich nicht,
Sie halt' ich fest in Noth und Pein,
Und wenn mein Herz im Kampfe bricht,
So muß die Sehnsucht Flügel sein.
Da schwingt sie kühn sich auf mit mir,
Daß hell wie Liedesgruß es schallt,
Und schwebt, und trägt mich heim zu dir
O Jugendzeit, du grüner Wald!
Sie redeten ihr zu: Er liebt dich nicht,
Er spielt mit dir – Da neigte sie das Haupt,
Und Thränen perlten ihr vom Angesicht
Wie Thau von Rosen; o, daß sie's geglaubt!
Denn als er kam und zweifelnd fand die Braut,
Ward er voll Trotz, nicht trübe wollt' er scheinen;
Er sang und spielte, trank und lachte laut,
Um dann die Nacht hindurch zu weinen.
Wohl pocht' ein guter Engel an ihr Herz:
»Er ist doch treu, gieb ihm die Hand, o gieb!«
Wohl fühlt' auch er durch Bitterkeit und Schmerz:
»Sie liebt dich doch, sie ist ja doch dein Lieb,
Ein freundlich Wort nur sprich, ein Wort vernimm,
So ist der Zauber, der euch trennt, gebrochen.«
Sie gingen – sahn sich – o, der Stolz ist schlimm!
Das Eine Wort blieb ungesprochen.
Da schieden sie. Und wie im Münsterchor
Verglimmt der Altarlampe rother Glanz –
Erst wird er matt, dann flackert er empor
Noch einmal hell, und dann verlischt er ganz –
So starb die Lieb' in ihnen, erst beweint,
Dann heiß zurückersehnt, und dann – vergessen,
Bis sie zuletzt, es sei ein Wahn, gemeint,
Daß sie sich je dereinst besessen.
Nur manchmal fuhren sie im Mondenlicht
Vom Kissen auf. Von Thränen war es naß,
Und naß von Thränen war noch ihr Gesicht,
Geträumet hatten sie – ich weiß nicht was.
Dann dachten sie der alten schönen Zeit,
Und an ihr nichtig Zweifeln, an ihr Scheiden,
Und wie sie nun so weit, so ewig weit. –
O Gott, vergieb, vergieb den Beiden!
Siehst du das Meer? Es glänzt auf seiner Flut
Der Sonne Pracht;
Doch in der Tiefe, wo die Perle ruht,
Ist finstre Nacht.
Das Meer bin ich. In stolzen Wogen rollt
Mein wilder Sinn,
Und meine Lieder ziehn wie Sonnengold
Darüber hin.
Sie flimmern oft von zauberhafter Lust,
Von Lieb' und Scherz;
Doch schweigend blutet in verborgner Brust
Mein dunkles Herz.
Die Nacht war schwarz, die Luft war schwül,
Ich fand nicht Schlaf auf meinem Pfühl,
Mein Sinn ward trüb und trüber;
Da schritten die Tage der alten Zeit
Zu langem, langem Zug gereiht
Wehklagend mir vorüber:
»Du hattest den Lenz und du hast ihn entlaubt,
Du hattest das Heil und du hast nicht geglaubt,
Du hattest ein Herz zum Lieben,
Du hast es vertändelt mit eitlem Schein;
Nun bist du zuletzt allein, allein
Mit deinem Jammer geblieben.«
»Und wie du ringst in bangem Gebet,
Es ist zu spät, es ist zu spät,
Du darfst von Rast nicht wissen;
Dein einsam Herz ist dein Gericht.«
Ich aber drückte mein Angesicht
Lautweinend in die Kissen.
Wenn ich in den Knabenjahren
Abends hinsank auf mein Bette,
wie war die Rast mir lieblich!
Schon nach wenig Athemzügen,
Lösten sich von selbst die Wimpern
Und des Schlafes Wellen spülten
Um die Brust mir leicht und linde,
Und der Traum mit Elfenhänden
Nahm mir von der jungen Seele
Allen kleinen Harm des Tages.
Aber jetzt wie ward es anders!
Such' ich Mitternachts mein Lager
Mit herabgebrannter Kerze,
Bleibt der süße Schlaf mir ferne;
Denn die Sehnsucht ruckt am Kissen,
Und es lasten die Gedanken
Auf mir wie ein böser Alpdruck,
Und mit Rabenflügeln schwirren
Um mein Haupt die schlimmen Sorgen.
Stundenlang mit heißem Auge
Starr' ich dann hinaus ins Dunkel,
Bis zuletzt die matte Seele
Sich verliert in dumpfen Träumen.
Ach, was gäb' ich drum, ihr Freunde,
Könnt ich nur noch einmal wieder,
Einmal wie ein Jüngling weinen,
Einmal schlafen wie ein Knabe!
Und bist du fern, und bist du weit
Und zürnst noch immer mir,
Doch Tag und Nacht voll Traurigkeit
Ist all mein Sinn bei dir.
Ich denk' an deine Augen blau
Und an dein Herz dazu –
Ach, keine, keine find' ich je,
Die so mich liebt, wie du.
Wie stand die Welt in Rosen schön,
Da ich bei dir noch war:
Da rauscht es grün von allen Höhn,
Da schien der Mond so klar.
Du brachst die Ros', ich küßte dich,
Ich küßt' und sang dazu:
Wohl keine, keine find' ich je,
Die so mich liebt, wie du.
Wohl bin ich frei nun, wie der Falk,
Der über die Berge fliegt,
Vor dem die Welt, die schöne Welt
Hellsonnig offen liegt;
Doch hat der Falk sein heimisch Nest,
Und wo wird mir einst Ruh?
Ach, keine, keine find' ich je,
Die so mich liebt, wie du.
O schlimmer Tag, o schlimme Stund',
Die uns für immer schied!
Da sind aus meines Herzens Grund
Geschieden Freud' und Fried'.
Nun such' ich wohl durch Land und See,
Und habe nicht Rast noch Ruh;
Doch keine, keine find' ich je,
Die so mich liebt, wie du.
In diesen Zimmern hast du jüngst gewohnt,
Die Treppen hat dein schöner Fuß betreten,
Durch diese Wipfel schautest du den Mond,
Und sahst den Sommer blühn auf diesen Beeten.
Und dort an jenem Fenster saßest du,
Und alter Zeit gedachtest du im Herzen,
Und dort entschliefst du, wenn zu tiefer Ruh
Dein Nachtgebet besprochen alle Schmerzen.
Ach, da du fortzogst, mußt es jedem sein,
Als ob der Engel dieses Hauses schiede;
Ich aber trat an deiner Statt herein,
Ein wilder Gast mit meinem wilden Liede.
Nun ist mir oft, als wüßten sie von dir
Und müßten reden diese stummen Wände,
Als schwebt' um Garten, Wald und Blumen hier
Ein still Vermächtniß, das ich nicht verstände.
Und doch, verständ' ich's, möcht' es mir – wer weiß! –
Vom Busen wälzen eine Last von Kummer,
Und diese Wimper müd und fieberheiß
Mit Thränen wieder segnen und mit Schlummer.
Wüßt' ich das Eine nur, was Tag und Nacht
Die Rast mir nimmt und mir verstört das Leben,
Das Eine nur, ob du noch mein gedacht,
Und, wenn du's thatest, ob du mir vergeben?
(Fragment.)
1838.
Es liegt am Strand der Spree im Preußenland
Die Stadt Berlin, die jede Zeitung nennt;
Berühmt durch ihren Fritz und ihren Sand
Und tausend Dichter, welche Niemand kennt;
Dort lebte noch vor Kurzen unbekannt,
Doch werth, daß ihr ihn kennet, ein Student,
Und weil mir eben andre Helden fehlen,
Will ich von meinem Freund Clotar erzählen.
Er war ein seltner Kauz, halb Mann, halb Kind,
Ein Mensch, als hätt' ihn der April geboren:
Bald heldenkühn und rasch zur That gesinnt,
Bald träumerisch in Schwärmerei verloren;
Trübsinnig heute, wetterlaunisch, blind,
Und morgen jeden Kummer abgeschworen;
Jetzt wehmuthweich, jetzt trotzig, nimmer stet –
Mit einem Wort: er war ein Stück Poet.
In der Gesellschaft, wo am blanken Theetisch
Das Wasser brodelt und der Blaustrumpf glänzt,
Und wo prosaisch bald und bald poetisch
Des Geists Rakete durch die Luft sich schwänzt,
Langweilt er sich; er liebt es nicht, den Fetisch
Mit anzubeten, den man just bekränzt;
Er schwieg darum, und that er auch den Mund auf,
So war's zu gähnen nur von Herzensgrund auf.
Auch haßt' er Ceremonien und Visiten,
Manschetten, Binde, Frack, den Hut im Arm,
Den Mund voll Phrasen und das Herz voll Nieten,
Und fader Püppchen aufgestutzten Schwarm;
Ja, hätte manche Dame zu gebieten,
So würde längst ihm in der Hölle warm,
Damit er qualvoll dort es lernen müsse,
Wie man die schönberingte Hand ihr küsse.
Dagegen liebt' er alte Folianten,
Woraus der Geist vergangner Größe sprach;
Wenn bleicher schon des Himmels Sterne brannten,
Saß einsam er noch oft bei ihnen wach.
Er spürt in ihrem Schacht den Diamanten
Der Schönheit und dem Gold der Weisheit nach,
Und hörte drin mit andachtsvollem Lauschen
Des Lebens tiefverborgne Quellen rauschen.
Ernsthaft ans Wert, zum Frohsinn aufgeräumt,
Das war sein Wort, und das war seine Weise.
Seht hin! Die Cither klingt, der Becher schäumt,
Er rastet beim Gelag im Freundeskreise,
Da glänzt die Stirn, die eben noch geträumt,
Die blasse Wange färbt mit Roth sich leise,
Die Wimpern zucken rasch, die Augen blitzen,
Und seine Lippe sprüht von hundert Witzen.
Und fand er Mädchen sinnig, lieb und schlicht,
Mit offner Stirn und feingewölbten Brauen,
So weilt er gern. Ihr lächelndes Gesicht
Voll ros'gen Friedens scheucht ihm jedes Grauen;
Ihm war's, als säh' er durch des Auges Licht
Der Seele tiefen Himmel glänzend blauen;
Im Herzen klang ihm leise Melodie,
Und Liebe
fühlt' er nicht, doch ahnt er sie.
Wir werden lieben! – Schöne Dämmerzeit!
Die Luft ist still, nur schauert's in den Bäumen,
Erröthend dehnt der Himmel sich so weit,
Die Vögel schlafen noch, die Blumen träumen
Und duften aus dem Traume; weit und breit
Zieht leichter Nebel an den Bergessäumen;
Doch Alles kündet schon, daß strahlenvoll
Der Sonne Gruß die Welt entzünden soll. –
Es war April. Der Schnee im Thal zerschmolz.
Die Ströme tanzten siegreich durch die Flur,
Die ersten Schwäne wiegten flügelstolz
Den Leib im tiefen sonnigen Azur,
Von harz'gen Knospen schwoll das dürre Holz,
Durch dessen Kronen lau der Westhauch fuhr,
Und schüchtern aus dem lockern Boden trat
Vom Licht geweckt die erste grüne Saat.
O kennt ihr jene Sehnsucht, die so mild
Zu dieser Zeit die Menschenbrust durchzieht,
Die sanft mit jedem Frühlingshauche schwillt,
Mit jedem Veilchen voll und voller blüht,
Die, o so süß und doch so ungestillt,
Kaum weiß, wonach sie seufzt, wofür sie glüht,
Und endlich, wenn der Abendstern erscheint,
Der Hoffnung und Erinn'rung Thränen weint?
Dieselbe Sehnsucht ist's, die in der Nacht
Die Nachtigall der Rose schmelzend klagt,
Dieselbe, die vom süßen Traum erwacht
Uns seufzen läßt, daß es schon wieder tagt,
Dieselbe, die im Mädchenherzen sacht
Sich regt und dennoch sich zu regen zagt,
Wenn sechzehnjährig es zum erstenmal
Entgegenknospt der Liebe jungem Strahl. –
Es war April. Am Fenster stand Clotar
Und sah hinaus zum weiten Himmelsbogen,
Wo aus dem Blau die Sonne licht und klar
Herniederschien und wo die Schwalben zogen,
Und auch in seiner Brust fing wunderbar
Der Wellenschlag der Sehnsucht an zu wogen,
Ihm war's, als rief's ihn aus dem dumpfen Haus
Mit tausend Stimmen in die Welt hinaus.
Und plötzlich fuhr er auf, wie aus dem Traum
Ein Kranker fährt, wenn er sich fühlt genesen –
Vom Auge reibt er sich des Schlummers Flaum,
Und nicht begreift er, was mit ihm gewesen;
Was hinten liegt, däucht ihm ein Leben kaum,
Der Zukunft farb'ge Blätter will er lesen,
Er ruft: Hinaus, um neue Kraft zu saugen!
Das frische Grün ist gut für trübe Augen.
Und von der Wand nahm er den Wanderstab,
Den Ariost und seine treue Laute;
Dann gieng's die Friedrichsstraße rasch hinab,
Die schattenlos einförmig langgebaute;
Ihn kümmert's wenig, daß auf ihn herab
Aus manchem Fenster man verwundert schaute;
Zum Hall'schen Thor schritt er hinaus in Ruh,
Und wandert ohne Umschau'n rüstig zu.
Doch fürch ich wahrlich, mancher wird mich schelten,
Daß meinen Helden ich so ungerührt
Von dannen schicke, und ich lass' es gelten,
Berlin hat Vieles, dem ein Lob gebührt.
Schön ist's unstreitig Abends an den Zelten,
Wenn man sein Liebchen dort spazieren führt;
Schön ist's im fischberühmten Stralau, Dank o
Neptunus dir, und schön ist's auch in Pankow.
Schön ist der Staub der wimmelnden Chausseen,
Schön ist der Fähndrichs feingeschnürtes Corps,
Schön sind die nachgeäfften Propyläen
Mit Treppen drauf, das Brandenburger Thor,
Schön des Ballets hochaufgeschürzte Feen,
Und schön des Colosseums Damenflor,
Ja, schön sind Menschen, Wasser, Luft und Erde,
Vor allem die Charlottenburger Pferde – –
Süß schlummert das Mädchen im Kämmerlein,
Gebettet auf reinlichen Pfühle;
Die Sommernacht haucht würzig herein
Mit ihrer erquickenden Kühle.
Am Fenster blühn die Rosen zumal,
Es duften so süß die Linden,
Kaum mag des Mondes goldner Strahl
Durch's Laub den Eingang finden.
Doch plötzlich stärker wird der Duft,
Glühwürmchen weben und flimmen,
Es rauschen die Blätter, es klingt die Luft
Von leisen melodischen Stimmen:
»Süß Lieb, süß Lieb, und wiege dich fein
Auf stillen Schlummerwogen!
Traumkönig will dein Liebster sein
Traumkönig kommt gezogen.«
Da steht der Elf zu Häupten ihr,
Er schüttelt die Locken, die dunkeln,
Daß hell an seiner Krone Zier
Die Edelsteine funkeln.
Dann beugt er sich sanft auf die Holde herab,
Küßt Stirn und Lippen ihr leise,
Und zieht mit goldenem Zauberstab
Umher viele luftige Kreise.
Und wie er sie weiter und weiter schlingt,
Da wird zum Palaste das Stübchen,
Drin ruhn, von fürstlichem Glanz umringt,
Traumkönig und sein Liebchen.
Aus purpurnen Polstern bereitet schwillt
Die prächtige Lagerstätte;
Von ferne dämmert die Lampe mild,
Zwei Pagen knien am Bette.
Und drüber in silbernem Reifen schwingt
Ein Vogel sein farbig Gefieder,
Er schaukelt sich sacht wie im Schlaf und singt
Ein Brautlied schmelzend hernieder.
So ruht Traumkönig beim Liebchen fein
In traulichem Küssen und Kosen,
Bis hell das Lager der Morgenschein
Bekränzt mit leuchtenden Rosen.
Dann schwindet der Elfe von dannen sacht,
Rings ist der Zauber zerflossen,
Und auch das Mädchen, das holde, erwacht,
Von lieblicher Scham übergossen.
Doch als sie empor nun die Augen schlägt,
Von langen Wimpern umsäumet,
Da seufzt sie, da preßt sie das Herz bewegt:
Ach, war denn mein Glück nur geträumet?
Sag an, du wildes oft getäuschtes Herz,
Was sollen diese lauten Schläge nun?
Willst du nach so viel namenlosem Schmerz
Nicht endlich ruhn?
Die Jugend ist dahin, der Duft zerstob,
Die Rosenblüte fiel vom Lebensbaum;
Ach, was dich einst zu allen Himmeln hob,
Es war ein Traum.
Die Blüte fiel, mir blieb der scharfe Dorn,
Noch immer aus der Wunde quillt das Blut;
Es sind das Weh, die Sehnsucht und der Zorn
Mein einzig Gut.
Und dennoch, brächte man mir Lethe's Flut,
Und spräche: Trink, du sollst genesen sein,
Sollst fühlen, wie so sanft Vergessen thut,
Ich sagte: Nein!
War Alles nur ein wesenloser Trug,
Er war so schön, er war so selig doch;
Ich fühl es tief bei jedem Athemzug,
Ich liebe noch.
Drum laßt mich gehn, und blute still mein Herz,
Ich suche mir den Ort bei Nacht und Tag,
Wo mit dem letzten Lied ich Lieb' und Schmerz
Verhauchen mag.
Der schnellste Reiter ist der Tod;
Er überreitet das Morgenroth,
Des Wetters rasches Blitzen;
Sein Roß ist fahl und ungeschirrt,
Die Senne schwirrt, der Pfeil erklirrt
Und muß im Herze sitzen.
Durch Stadt und Dorf, über Berg und Thal,
Im Morgenroth, im Abendstrahl
Geht's fort in wildem Jagen,
Und wo er floh mit Ungestüm,
Da schallen die Glocken hinter ihm,
Und Grabeslieder klagen.
Er tritt herein in den Prunkpalast,
Da wird so blaß der stolze Gast,
Und läßt von Wein und Buhle;
Er tritt zum lustigen Hochzeitsschmaus,
Ein Windstoß löscht die Kerzen aus,
Bleich lehnt die Braut im Stuhle.
Dem Schöffen blickt er ins Gesicht,
Der just das weiße Stäblein bricht,
Da sinkt's ihm aus den Händen;
Ein Mägdlein windet Blüt' und Klee,
Er tritt heran; ihr wird so weh –
Wer mag den Strauß vollenden!
Drum sei nicht stolz, o Menschenkind!
Du bist dem Tod wie Spreu im Wind,
Und magst du Kronen tragen.
Der Sand verrinnt, die Stunde schlägt,
Und eh' ein Hauch dies Blatt bewegt,
Kann auch die deine schlagen.
Tief im Schooße des Kyffhäusers
Bei der Ampel rothem Schein
Sitzt der alte Kaiser Friedrich
An dem Tisch von Marmorstein.
Ihn umwallt der Purpurmantel,
Ihn umfängt der Rüstung Pracht,
Doch auf seinen Augenwimpern
Liegt des Schlafes tiefe Nacht.
Vorgesunken ruht das Antlitz,
Drin sich Ernst und Milde paart,
Durch den Marmortisch gewachsen
Ist sein langer, goldner Bart.
Rings wie eh'rne Bilder stehen
Seine Ritter um ihn her,
Harnischglänzend, schwertumgürtet,
Aber tief im Schlaf, wie er.
Heinrich auch, der Ofterdinger,
Ist in ihrer stummen Schaar,
Mit den liederreichen Lippen,
Mit dem blondgelockten Haar.
Seine Harfe ruht dem Sänger
In der Linken ohne Klang;
Doch auf seiner hohen Stirne
Schläft ein künftiger Gesang.
Alles schweigt, nur hin und wieder
Fällt ein Tropfen vom Gestein,
Bis der große Morgen plötzlich
Bricht mit Feuersglut herein;
Bis der Adler stolzen Fluges
Um des Berges Gipfel zieht,
Daß vor seines Fittichs Rauschen
Dort der Rabenschwarm entflieht.
Aber dann wie ferner Donner
Rollt es durch den Berg herauf,
Und der Kaiser greift zum Schwerte,
Und die Ritter wachen auf.
Laut in seinen Angeln dröhnend
Thut sich auf das eh'rne Thor;
Barbarossa mit den Seinen
Steigt im Waffenschmuck empor.
Auf dem Helm trägt er die Krone
Und den Sieg in seiner Hand;
Schwerter blitzen, Harfen klingen,
Wo er schreitet durch das Land.
Und dem alten Kaiser beugen
Sich die Völker allzugleich
Und auf's Neu zu Aachen gründet
Er das heil'ge deutsche Reich.
Ich blick' in mein Herz und ich blick' in die Welt,
Bis vom Auge die brennende Thräne mir fällt;
Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem Licht,
Doch hält mich der Nord – ich erreiche sie nicht.
O die Schranken so eng, und die Welt so weit,
Und so flüchtig die Zeit!
Ich weiß ein Land, wo aus sonnigem Grün
Um versunkene Tempel die Trauben glühn,
Wo die purpurne Woge das Ufer beschäumt,
Und von kommenden Sängern der Lorbeer träumt.
Fern lockt es und winkt dem verlangenden Sinn,
Und ich kann nicht hin!
O hätt' ich Flügel, durch's Blau der Luft
Wie wollt' ich baden im Sonnenduft!
Doch umsonst! Und Stund' auf Stunde entflieht –
Vertraure die Jugend, begrabe das Lied! –
O die Schranken so eng, und die Welt so weit,
Und so flüchtig die Zeit!