Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
O du der jenseit steht der heiligen fluten –
So wandte sie an mich ihr wort mit stechen
Das durch die schneide schon gebracht zum bluten ●
Und sie fuhr weiter ohne abzubrechen:
Sag sag ob dieses wahr ist! Solcher klage
Ziemt deinem eingeständnis zu entsprechen...
Darüber wurde meine kraft so zage
Dass sich die stimme hob ● doch beim beginne
Erstarb eh sie durchs innre trat zu tage.
Kurz hielt sie ein und sprach: Was soll dein sinnen?
Gib antwort! Konnte des vergangnen trauer
Doch in den wassern noch nicht dir zerrinnen!
Mir trieb Verwirrung untermischt mit schauer
Hervor ein solches ›ja‹ aus meinem munde
Dass es erst durch die miene ward genauer.
So wie ein bogen kracht wenn strick und runde
Erzittern unter allzu starkem zucke ●
Und mindrer kraft der pfeil das ziel verwunde:
So brach ich unter diesem schweren drucke..
Es stürzte seufzer mir hervor und zähre
Und meine stimme stockte unterm rucke.
Und sie zu mir: In meiner wünsche sfäre
Die mit dir jenem gut entgegengingen
Jenseit von dem nichts ist was sich bewähre:
Was fandest du für gruben ● was für schlingen
Auf deinem weg dass du für ihr durchwallen
Dich derart um die hoffnung konntest bringen?
Was zeigte sich dir bei den andren allen
An fördernissen an befriedigungen
Auf dass du ihnen gingest zu gefallen?..
Nachdem sich tiefer seufzer mir entrungen
Könnt ich kaum einen hauch der stimme borgen..
Aus meinem mund die antwort kam erzwungen.
Ich sagte unter weinen: Zeitlich sorgen
Mit seiner falschen lust trieb mich zurücke
Sobald sich euer antlitz mir verborgen.
Sie sagte: ›Leugne oder unterdrücke
Was du bekennen sollst: die schuld liegt offen
Trotzdem...
der richter irrt in keinem stücke.
Doch wenn von eingestandnen Sünden troffen
Des schuldigen lider ● wird nach unsrem rechte
Vom schleifrad umgekehrt der schnitt getroffen.
Damit indes dich stärker übers schlechte
Die scham belaste und beim nächsten gange
Dich minder der Sirenen sang befechte:
Horch und tu ab die tränen von der wange!
Und du wirst hören wie mein fleisch im grabe
Bewegen musste mit ganz andrem drange.
Nie gab natur und kunst dir eine labe
Mehr als mein schöner leib der mich umhangen ●
Den ich als staub zurückgelassen habe.
Und war die höchste freude dir entgangen
Durch meinen tod – welch irdische besitze
Vermochten dich zu ziehn in ihr verlangen?
Wol ziemte dass die erste scharfe spitze
Der trügerischen dinge dich entrücke
Hinter mir her zu meinem andren sitze.
Nicht ziemte dass dies deinen fittich drücke
Mehr wunden dir zu holen: junge frauen
Und andre eitelkeit von kurzem glücke.
Ein neues vöglein mag abwartend schauen..
Jedoch der flügg-gewordnen sinn benähmen
Nicht pfeile-schiessen und nicht falle-bauen.‹
Wie kinder horchen und sich schweigend schämen ●
Den blick am boden ● und was sie betöre
Erkennen und sich drob im innern grämen:
So stand ich und sie sprach: Mit dem gehöre
Empfandst du leid.. doch heb den bart erst wieder
Dann macht die schau dass grössres dich verstöre...
Nicht mindren Widerstandes dreht die glieder
Ein starker eichbaum bei des sturmes toben
Von Nord her oder landen der Numider:
Als ich auf ihr geheiss das kinn erhoben
Und da sie bei dem ›bart‹ ans antlitz dachte
Hatt ich das gift des satzes zu erproben.
Und als ich mein gesicht in richtung brachte
Bemerkt ich jene ersten kreaturen
Wie ihre blumenstreuung einhalt machte..
Mein auge sah ● noch mit der trübung spuren ●
Wie sich die Selige nach dem tier bewege
Das eines wesens ist in zwei naturen.
Sie schien jenseit der flut in schleiers hege
Höher als einst ● um soviel wie sie vorne
Vor allen andren schritt im erdenwege.
Solch stechen fühlt ich von der reue dorne
Dass jedes ding das meist mich zog im leben
In seine lust ● nun meist mich trieb zum zorne.
Dies eingeständnis liess mein herz so beben
Dass ich entsank – wie elend sie mich lasse
Sie wusst es wol die grund dazu gegeben.
Sodann als neue kraft gewann der blasse
Sah jene frau ich zu mir hingebogen
Die erst ich traf.. sie sagte: Fass mich! fasse!
Sie schleifte mich nachdem sie mich gezogen
In jene flut bis oberhalb der brüste
Und glitt mit feder-leichte auf den wogen.
Als ich nun nahe war der seligen küste
Hört ich ›Asperges‹ mit so süssem hoffen
Dass ichs zu denken nicht ● zu schreiben wüsste.
Dann tat die schöne frau die arme offen ●
Sie nahm mein haupt und tauchte mich im flusse
Woraus zu schlürfen jetzo mich betroffen.
Sie holte mich hervor nach diesem gusse ●
Ich ward in der vier Holden tanz verwoben
Und jede hob die arme zum umschlusse.
›Wir sind hier nymphen ● Sterne sind wir droben ●
Eh noch die Selige die erde sähe
Hat Gott zu ihrem dienste uns erhoben.
Wir führen vor ihr antlitz: für die nähe
Der freudigen lichter aber machen sehend
Erst jene drei mit einer tiefern spähe.‹
So fing ihr singen an und weiter gehend
Entrückten sie mich bis zur brust des Greifen.
Dort hielt die Selige uns entgegenstehend...
Nun lass mit eifer deine blicke schweifen ●
So sprachen sie ● du trittst vor die rubine
Die einst die liebe kor dich zu ergreifen.
Und tausend wünsche ● flammender als kiene ●
Drängten mein aug in jenes auges helle
Das stets den Greifen traf mit gleicher miene.
Ich sah wie gleich der sonne in der quelle
Ganz so das doppeltier sich drin entfalte
In bald der einen bald der andren stelle.
(Denk leser ob Verwunderung mich halte!)
Und wie das ding sich selber nie bewege
Doch sich in seinem abbild umgestalte.
Indem vor staunen und vor freude rege
Sich meine seele labte an der speise
Die macht dass wen sie sättigt lust noch hege:
Da kamen nach der art der höchsten kreise
Die andern Dreie mit entgegennicken
Und tanzen nach der engel sangesweise:
›Zeig Selige dich mit deinen heiligen blicken!
Zeig dich‹ so klang ihr singen ›der getreue
Kam dich zu schauen nach soviel geschicken.
Tu uns zugunsten ihm die gunst! Verstreue
Den Schleier der dein angesicht umscheuchte!
Lass deine Schönheit sehn – die zweite neue!‹
O glanz der ewigen lebendigen leuchte!
Wer hat sich so im musenhain ermattet
Und hat so lang geschlürft von jener feuchte
Dass ungehindert ihm sein geist gestattet
Das abzuschildern was du hier erfülltest:
Vom klangbewegten himmel überschattet
Als du im offnen äther dich enthülltest!
FEGEFEUER ● XXXI. GESANG.