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15. Die beiden Spieler

Etwa zur gleichen Zeit, in der Hufner mit zitternder Hand den verhängnisvollen Brief nach San Francisco schrieb, lenkte ein Reiter sein müdes, abgetriebenes Pferd einen der schmalen Bergpfade hinab in das Paradies. Er hielt erst, als er das kleine, freundliche Tal von einer offenen Stelle aus überblicken konnte.

Nicht die reizende Szene und auch nicht das vom Abendnebel gemilderte Sonnenlicht, weder die malerischen Gebirgsrücken noch das prächtige Spiel von Licht und Schatten waren jedoch der Anlaß dazu. Er sah das alles nicht, sondern hatte nur angehalten, um die Zelte zu zählen.

Es war eine wilde, abenteuerliche Gestalt, dieser finstere Reiter auf dem matten, schweißbedeckten Tier. Ein alter, brauner Filzhut bedeckte das wirre, struppige Haar. Aus dem dichten, dunklen Bart, der fast sein ganzes Gesicht versteckte, glühten ein paar kleine, dunkle Augen düster hervor. Sonst ließ sich von dem ganzen Mann nicht mehr erkennen als die Stiefel, deren Hacken klingende, mexikanische Sporen besaßen. Ein langer, kalifornischer, bunter Poncho hüllte ihn vom Hals bis zu den Stiefeln ein. In dieser Tracht glich er von weitem den Nachkommen der eingewanderten Spanier. Aber seine gemurmelten Worte klangen anders, und trotz des Bartes hätte er nie den Amerikaner verleugnen können.

»Hm«, brummte er jetzt vor sich hin, als er den kleinen, freundlichen Platz übersah. »Ein ganz ansehnliches Nest, und der Boden auch ziemlich aufgewühlt. Liegt auch hübsch versteckt in den Bergen, so daß man es vielleicht eine Woche da aushält. Es wird aber auch Zeit, daß ich wieder einen vernünftigen Platz erreiche. Da wird wohl wenigstens ein richtiger Schluck Brandy zu haben sein. Also los, die Kehle ist mir schon ausgetrocknet.«

Er hob dabei den Zügel seines hungrigen Tieres, das die kurze Rast benutzt hatte, um ein paar Grasbüschel abzunagen. Dadurch gehorchte es nicht sofort dem Befehl, und mit einem wilden Fluch stieß ihm der Reiter die scharfen Sporen in die Flanken, so daß es sich aufbäumte und dann in wilder Flucht den Hang hinunterlief.

Der Mann zügelte es nicht. Ein trotzig-verächtliches Lächeln spielte um seine Lippen, als er mitten durch den Wald seine oft halsbrecherische Bahn verfolgte. Dabei lenkte er den Lauf des schnaubenden, schweißtriefenden Tieres mit Zügel und Sporen.

Endlich erreichten sie die Ebene, in der überall Löcher aufgewühlt waren und Haufen ausgeworfener Erde lagen. Das Pferd mußte hier Schritt gehen, um seine Bahn zwischen diesen Hindernissen zu suchen. So kam der Reiter nur langsam vorwärts, bis er die quer durch die Flat führende Straße erreichte. Er biß verdrießlich die Zähne zusammen und sah sich wütend um, ob er nicht seinen Zorn über diese Verzögerung auslassen konnte. Hier und da arbeiteten Goldwäscher an den verschiedenen Stellen. Er ritt aber ohne Gruß an ihnen vorbei, und sie beachteten den Fremden auch nicht weiter. Plötzlich, fast unwillkürlich, zügelte er sein Pferd wieder, warf es herum und ritt zu einer Gruppe zurück.

Hier saß ein einzelner Mann auf einem frischen Erdhaufen. Er hatte die Jacke abgelegt, seinen Strohhut nach hinten geschoben und rauchte eine Zigarre. Das Werkzeug neben ihm verriet, daß er gerade noch gearbeitet hatte. Als er den Reiter wieder zurückkommen hörte, sah er ihn fragend an. Er konnte nichts weiter von ihm wollen, als sich vielleicht nach jemand im Ort erkundigen.

»Na, Boyles, wie geht's?« sagte da der Fremde, als er neben ihm hielt. »Seit wann haben Sie denn angefangen, die Erde aufzukratzen? Geht's mit den Karten nicht mehr? Sie werden sich noch Ihre Finger hier verderben!«

Der Mann antwortete nicht. Er sah den Fremden erstaunt und wenig begeistert an.

Nach einer Weile sagte er:

»Sie sind mir gegenüber im Vorteil. Woher kennen Sie meinen Namen?«

»Das ist gut!« lachte der Reiter grimmig in sich hinein. »Woher ich Ihren Namen weiß? Soll ich Sie an die Nacht im Mississippisumpf erinnern?«

»Zum Teufel, Siftly!« rief der Goldwäscher aus und sprang mit einem Satz in die Höhe. Er griff die Hand des Reiters und schüttelte sie kräftig. »Wo kommst du denn her? Ich freue mich, dich gesund zu sehen!«

»Vielen Dank, Boyles«, sagte der Spieler und nickte ihm zu. »Ich bin nur etwas im Land umhergeritten. Jetzt wollte ich einmal sehen, wie die Sache hier im Paradies steht. Aber im Ernst, hast du das Spielen aufgegeben, daß du dir die Hände mit der Spitzhacke verdirbst? Das Hacken und Graben ist doch ein mühseliges Brot, und unsereiner paßt nicht richtig dazu!«

»Verdammt, wenn ich's freiwillig täte«, brummte der Miner. »Der verfluchte Kerl, der Smith, hat mich vor acht Tagen so ausgezogen, daß ich keinen Cent mehr in der Tasche habe. Aber Geduld, der Platz hier scheint nicht schlecht zu sein, und ich bin jetzt hinter seine Schliche gekommen. Das nächste Mal...«

»Was für ein Smith?« sagte Siftly ruhig. »Kenn ich ihn?«

»Du? Na, ich glaube schon, du hast doch in San Francisco mit ihm einen Tisch gehabt!«

»Der ist hier?« schrie, Siftly plötzlich, sprang von seinem Pferd und trat zu dem Mann. »Teufel, Boyles, das ist eine gute Nachricht, die du mir da gibst. Sie ist Gold wert. Kann ich dir mit ein paar Unzen aushelfen, sag es ehrlich. Hast du es später, zahlst du es mir wieder zurück.«

»Topp!« rief der andere und hielt ihm die Hand zum Einschlagen hin.

»Topp!« sagte Siftly und warf seinen Poncho zurück, um ihm die Hand kräftig zu drücken.

»Das kam rechtzeitig!« rief Boyles. »Ich will es dir mit Zinsen zurückzahlen. Wenn du mich für etwas brauchst, Siftly, ich bin dein Mann. Aber zum Henker, du hast ja Blut an der Hand!«

»Die verfluchten Dornen!« sagte Siftly. »Ich habe mir die Haut in Stücken vom Körper gerissen. Von Antonios her habe ich den Weg verpaßt und bin die ganze Strecke durch den Wald gekommen.«

»Das ist ein böser Weg, ich kenne ihn«, sagte Boyles. »Hm, ich hätte dich gern gebeten, mir gegen Smith beizustehen, aber gegen einen alten Kameraden...«

»Wo kann ich ihn finden?« sagte Siftly, ohne auf die halbe Anfrage direkt zu antworten.

»Frag in Kentons Zelt nach, da steckt er jeden Abend.«

»Danke, und jetzt das Gold. Wieviel brauchst du?«

»Brauchen? Liebe Güte, das ist eine kuriose Frage. Du weißt ja ganz gut, daß man für einen neuen Spielanfang einiges haben muß. Aber kannst du mir erst mit vier Unzen helfen, ohne daß du sie selbst vermißt?«

»Ich glaube, ja. Du wirst nicht lange brauchen, um sie zurückzuzahlen.«

»Ich hoffe nicht.«

»Also, dann good-bye! Komm heute abend in Kentons Zelt, da wiege ich es dir ab und kann dir da vielleicht noch einiges erzählen.«

Damit schwang er sich wieder in den Sattel, nickte dem anderen zu und ritt auf die Straße zu, die am Teufelswasser entlangführte. Hier stieg er jedoch noch einmal ab und ließ sein Pferd an den einzelnen Grasflecken weiden, während er seine Satteltasche herunternahm. Dann wusch er sich und säuberte seine Kleidung, so gut das hier ging. Er kämmte sogar Haare und Bart. Dann ritt er langsam durch die ganze Stadt, ohne an einem Zelt zu halten. Als er den Platz erreichte, an dem die Flagge der Vereinigten Staaten von einem glattgeschälten, schlanken Zedernbaum wehte, hielt er an. Er wußte genau, daß er hier den obersten Gesetzeshüter finden konnte.

Inzwischen brach der Abend an. Die Dämmerung ist in Nordamerika sehr kurz. Wenn die Sonne erst einmal am Horizont verschwindet, folgt fast unmittelbar die Nacht. Die Arbeiten im Freien waren fast alle beendet. Die meisten Leute hatten schon ihr Abendbrot gegessen. Viele schlenderten zwischen den Zelten herum, um den Abend zu genießen oder mit der Flasche oder den Karten die Zeit bis Mitternacht zu verbringen. Nur wenige legten sich schon so früh auf ihr Lager, um mit der Morgendämmerung wieder frisch an der Arbeit zu sein.

Ein großer Unterschied bestand in den verschiedenen Trinkzelten. Nur in den amerikanischen wurde gespielt, während die Franzosen und Deutschen das nicht erlaubten. Die Mexikaner hielten sich von den übrigen fern und blieben in ihren Lagern, die sie eine Strecke von der Stadt entfernt angelegt hatten. Sie tranken wenig Alkohol, und nur wenige von ihnen trieben sich in den Spielzelten herum, um gegen die Amerikaner mit ihrem eigenen Spiel, dem Monte, anzutreten.

Was sonst noch an Fremden in der Flat oder der Nachbarschaft hauste – Indianer, Neger, Chinesen und einige Insulaner von den Sandwichinseln–, kam nach dem Dunkelwerden nie in die Zeltstadt.

Einer der Hauptspielplätze im Paradies war Kentons Zelt, in das sich auch der Justizrat damals verirrt hatte. Hier hatte Smith mit seinem Partner Ruly seinen Stammsitz aufgeschlagen. Es gab noch drei weitere Spieltische, einer mit Mexikanern, die anderen von Amerikanern unterhalten. Roulette, Würfel und Karten sollten den Goldgräbern die Möglichkeiten zeigen, ihr Erworbenes zu verdoppeln. In Wahrheit wurde ihnen aber ihr sauer verdienter Arbeitslohn aus dem Beutel gelockt. Es ist nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, daß bei all diesen Spielen betrogen wird. Alle Spieler haben falsche Karten. In den Vereinigten Staaten bestehen große Fabriken, die nur Karten für diesen Zweck herstellen. Für den Nichteingeweihten sind sie natürlich nicht von anderen zu unterscheiden. Sie haben auf der Rückseite in dem scheinbar zufälligen blauen oder roten Muster Punkte, Striche und Arabesken an der oberen Ecke. Ein geübter Blick erkennt die Karten rasch an der Rückseite. Der Spieler kann nicht nur die verschiedenen Farben, sondern auch den Wert der Karte ablesen. Seine geübte und schnelle Hand hat nichts weiter zu tun, als gefährliche Karten zu entfernen.

Trotzdem hatte Smith in der letzten Zeit mit wenig Glück gespielt. Jedenfalls glaubte er, daß seine Fähigkeiten höher lagen. Vor Verlusten bewahrte er sich aber und bemühte sich, seinen Partner in den freien Stunden noch besser einzuweisen. In ihrem Zusammenspiel lag der Verlauf des Spieles selbst.

Heute saß er aber allein an seinem Tisch. Es war noch früh, und die Hauptspiele begannen immer erst nach zehn Uhr. Die Sätze davor brachten nur wenig ein. Trotzdem sah er schon öfter ungeduldig zum Zelteingang. Sein sowieso nicht freundliches Gesicht hatte sich noch finsterer zusammengezogen und in Falten gelegt. Von San Francisco waren wieder mehrere Amerikaner und andere Fremde eingetroffen. Die Neuigkeiten machten die Runde, besonders der Bericht von einem erneuten Feuer. Es hatte fast ausschließlich denselben Stadtteil betroffen wie das frühere Feuer. Nach allgemeiner Meinung mußte es genauso böswillig gelegt worden sein wie das erste.

In diesem Augenblick kam Ruly in das Zelt. Anstatt sich gegenüber zu setzen, kam er an Smith' Seite.

»Na, wo haben Sie sich den ganzen Abend herumgetrieben?« sagte Smith, ohne den Gruß seines Partners zu erwidern. »Zum Teufel, ich sitze hier...«

»Pst!« flüsterte Ruly, ohne auf den Vorwurf zu achten. »Ich möchte Sie etwas fragen, daß Sie selbst betrifft.«

»Und das wäre?« erkundigte sich finster der lange Spieler.

»Haben Sie mal Ärger mit einem gewissen Siftly gehabt?«

»Siftly!« sagte Smith rasch. »Was ist mit dem? Wie kommen Sie auf den?«

»Er ist hier.«

»Hier? Im Paradies?« rief Smith und sah sich hastig um, als wollte er bei Gefahr das Zelt schnell verlassen.

»Sie können nicht mehr unbemerkt weg«, flüsterte ihm aber Ruly rasch und ängstlich zu. »Ich habe ihn und den Sheriff schon vor dem Zelt gesehen.«

»Den Sheriff?« erkundigte sich Smith mit zusammengebissenen Zähnen.

»Siftly muß heute abend angekommen sein. Er hielt sein Pferd vor dem Zelt des Sheriffs an und ging hinein. Der Name Smith wurde mehrfach genannt.«

»Und woher wissen Sie das?«

»Mein Zelt befindet sich genau neben dem von Hale. Durch die dünne Leinwand versteht man jedes Wort. Ich blieb ganz still im Dunkeln liegen, konnte aber nicht herausbekommen, um was es sich eigentlich handelte.«

»Vielen Dank«, sagte Smith, der sich inzwischen völlig gefaßt hatte. Gleichgültig mischte er die Karten. »Es ist nichts weiter. Mit dem Smith ist wohl ein anderer gemeint. Wenn es übrigens der Siftly wäre, den ich aus San Francisco kenne, sollte es mich freuen, ihn hier wiederzutreffen. Er ist ein entschlossener Bursche, und solche Leute brauchen wir hier, um dem verdammten Fremdengesindel die Spitze zu bieten. Es wird höchste Zeit, daß wir einmal dazwischen aufräumen.«

»Also sind Sie sicher?«

»Setzen Sie sich nur auf Ihren Platz!«

Ruly war das unruhige Verhalten Smiths und sein unwillkürlicher Schreck bei der Namensnennung nicht entgangen. Er fand sich mit der angeblichen Ruhe seines Partners nicht ab. Trotzdem gehorchte er der Aufforderung und nahm seinen Platz ihm gegenüber wie immer ein, um ankommende Spieler zu erwarten.

Obwohl seine Hände das Spiel mechanisch mischten, dachte Smith an etwas völlig anderes. Ständig schweifte sein Blick wieder zum Zelteingang, wo er die Gestalt seines Verfolgers erwartete.

Jetzt hob sich die Leinwand wieder, und Siftlys bärtiges Gesicht tauchte da auf. Wenn Smith aber auch fühlte, daß er blaß wurde, behielt er doch seine Ruhe. Sein Plan war schon gefaßt. Er mischte sich jetzt mit lauter Stimme in das Gespräch der anderen.

»So ein Feuer ist in dem Zeltnest eine unangenehme Sache. Aber es ist auch ein böser Wind, der keinem Menschen Gutes zuweht.«

»So?« rief ein junger Amerikaner, der ihn wild ansah. »Wem kann ein solches Feuer Glück bringen? Dem Plünderer und Dieb vielleicht!«

»Oho!« rief ein anderer. »Haben nicht nachher viele hundert Leute Arbeit?«

»Alles, was ich zum Beispiel habe«, sagte Smith, ohne auf die Bemerkung einzugehen, »verdanke ich dem letzten Feuer. Ich weiß auch, daß es Brandstiftung war, und ich kenne sogar den Brandstifter!«

»Was? Er kennt ihn?« riefen alle Umstehenden durcheinander. »Und Sie haben ihn nicht angezeigt, nicht dem Volk übergeben, das ihn ins Feuer geworfen hätte?«

»Ja, wie soll man jemand preisgeben, der auf freien Füßen draußen in den Bergen eine Stunde Vorsprung hat?« lachte Smith auf seine heisere Art. Er wußte, daß Siftly in diesem Augenblick selbst hinter seinem Stuhl stand, während der Sheriff neben ihn trat. »Wenn er mir nicht einmal wieder zufällig über den Weg läuft, ist er sicher. Denn keiner außer mir hat Beweise in der Hand. Ich habe sein eigenes Gold, das er bei seiner Flucht im Stich lassen mußte.«

»Das hätten Sie aber an die abliefern müssen, die durch das Feuer zu Schaden gekommen sind«, sagte jemand.

»Da müßte ich ja dumm sein«, lachte Smith. »Ich hatte selbst noch eine Rechnung offen, und bis die nicht beglichen ist, betrachte ich es als mein Eigentum und – habe auch ein Recht dazu!«

Der Sheriff warf einen fragenden Blick zu Siftly. Der schüttelte leise den Kopf und winkte ihm dann, ihm vor das Zelt zu folgen.

»Wie heißt der Schuft, dieser Mordbrenner?« rief ein langer Kentuckier. »Sein Name sollte doch wenigstens bekannt werden! Der Kerl soll vogelfrei sein, und jeder, der ihn antrifft, kann ihn über den Haufen schießen oder am nächsten Baum aufhängen!«

»Namen«, sagte Smith, dem die Bewegung des Sheriffs nicht entgangen war und sah den beiden mit verächtlichem Lächeln nach. »Wer kümmert sich um Namen. Wenn Sie mir jetzt sagen, daß Sie Brandon heißen, muß ich es Ihnen glauben.«

»Aber ich heiße auch so!« rief der junge Bursche, der aus Wut über den Zweifel rot wurde.

»Nun ja, ich streite es ja auch gar nicht ab«, sagte Smith ruhig, während die anderen lachten. »Sie können sich aber auch Johns oder Brown oder Philipps nennen, und wir alle wären deshalb nicht klüger!«

»Und Ihr Name ist Smith, was?« sagte der Kentuckier, den die Ruhe des Spielers ärgerte.

»Ich nenne mich so«, erwiderte lächelnd der Lange und ließ die Karten durch die Finger schnellen. »Aber jetzt, Gentlemen, hoffe ich, daß mir jemand die Freude macht, das Gold hier abzuholen, das er heute abend gewinnen will. Es muß acht Uhr vorüber sein, und die Nächte sind viel zu kurz!«

Einige setzten sich an den Tisch, und es dauerte nicht lange, und alles andere war über dem Spiel vergessen.

Vom Sheriff gefolgt ging Siftly, der seinen Plan so plötzlich geändert hatte, langsam die Straße hinauf. Wenige Minuten später war Hale an seiner Seite.

»Na?« sagte der Sheriff und versuchte im Licht des hereinbrechenden Abends das Gesicht des Fremden zu erkennen. Hut und Bart beschatteten es aber völlig. »Meine Beschreibung paßte doch aufs Haar, und jetzt haben Sie sich anders besonnen. War das nicht der Smith, den Sie meinten?«

»Nein«, sagte Siftly ruhig. »Es tut mir leid, daß ich Sie umsonst bemüht habe. Ich wollte, ich hätte mir den Mann selbst vorher angesehen. Aber es soll wenigstens für Sie nicht ganz umsonst gewesen sein, und wenn Sie...«

»Vielen Dank«, sagte Hale und schob kalt die Hand des Fremden zurück. »Es ist meine Pflicht, den ehrlichen Mann zu unterstützen und Verbrecher zu entlarven. Für geleistete Arbeit habe ich allerdings bestimmte Forderungen. Kennen Sie diesen Smith?«

Siftly zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Dann sagte er:

»Ja, von den Staaten her. In San Francisco bin ich ihm nur einmal begegnet.«

»Wie war Ihr Name?«

»Siftly.«

»Also, gute Nacht, Mr. Siftly«, sagte der Sheriff. Er blieb stehen, um die Straße wieder zurück zu seinem eigenen Zelt zu gehen. »Wenn Sie sich den Mann noch einmal ansehen wollen und Ihre bisherige Meinung ändern, stehe ich Ihnen wieder zur Verfügung.«

»Gute Nacht, Sir«, sagte der Spieler, den diese Worte etwas stutzig machten. Er blieb ebenfalls stehen und sah dem Sheriff nach. Aber im nächsten Augenblick zuckte er mit einem leichten, spöttischen Lächeln die Schultern und ging zum nächsten Trinkzelt, um sich zu stärken.

Es war elf Uhr vorbei, als er erneut Kentons Zelt betrat, diesmal allein. Ohne mit jemand ein Wort zu wechseln, ohne Smith anzusehen, ging er zuerst zu Boyles an die Theke. Dann ließ er sich an Smith' Tisch nieder. Hier setzte er kleine, unbedeutende Summen auf die Karten, ohne auf das Spiel weiter zu achten.

Es wurde spät. Die meisten Goldwäscher hatten sich zurückgezogen. Nur einige hartnäckige saßen noch an den Tischen und machten den vergeblichen Versuch, ihr verlorenes Gold zurückzugewinnen. Endlich gaben auch sie verzweifelt auf. Nur Siftly setzte noch weiter, so niedrig wie immer. Als die letzten Goldwäscher das Zelt verlassen hatten, stand er ebenfalls auf.

Smith warf einen verstohlenen, lächelnden Blick auf seinen alten Kameraden und packte sein Geld zusammen. Ruly hatte er schon vor etwa einer Stunde ins Bett geschickt. Jetzt trat er vor das Zelt, wo er die dunkle Gestalt des Spielers mit untergeschlagenen Armen etwas abseits stehen sah. Er blickte sich um. Der Wirt war im Zelt mit dem Wegräumen der Gläser beschäftigt und leuchtete unter die Tische, ob sich nicht hier oder da ein Goldstück verirrt hatte – eine gute Beute für ihn. Die Straße selbst war menschenleer. Nur in wenigen Zelten brannte noch Licht. Smith ging auf den Mann zu, streckte ihm die Hand entgegen und sagte:

»Guten Abend, Siftly.«

Siftly drehte langsam den Kopf zu ihm, ohne den Gruß zu erwidern oder die ausgestreckte Hand zu nehmen, und sagte nur:

»Komm die Straße mit hinauf, wo die Zelte enden. Was wir zu besprechen haben, braucht sonst niemand zu hören.«

»Ich... habe Gold bei mir«, antwortete der Spieler zögernd.

»Wir sind beide Manns genug, um es zu verteidigen, falls ein Dritter danach gelüstet«, lautete die ruhige Antwort. »Die Hälfte gehört mir sowieso.«

Smith Augenbrauen zogen sich finster und drohend zusammen. Es war aber nur ein Moment, und im nächsten sagte er schon leise vor sich hin lachend:

»Sie scheinen unser Geschäft summarisch abmachen zu wollen. Meinetwegen, es ist jedenfalls besser so, als wenn wir den Sheriff dabei bemühen müßten. Wären Sie schlau gewesen, hätten Sie das gleich von Anfang an so gemacht.«

»Komm«, sagte Siftly ruhig und wandte sich ab, ohne seinen Begleiter aus den Augen zu lassen. Smith dachte aber gar nicht mehr daran, zu entfliehen. Er wußte recht gut, daß das jetzt unmöglich war. Die beiden Männer gingen schweigend eine kurze Strecke die Straße hinauf, bogen dann durch eine Lücke in den Zelten nach links ab und betraten gleich darauf die rote Flat. Hier folgten sie etwa hundert Schritte einem betretenen Pfad. Erst, als sie zu den Stellen kamen, wo der Boden überall aufgewühlt war und der Weg bei Nacht gefährlich wurde, hielt Siftly an. Er warf seinen Poncho zurück und setzte sich dann auf einen Erdhügel. Sein Begleiter stellte den ziemlich schweren Sack mit den Dollars und dem Gold auf den Boden und blieb daneben stehen. Noch immer hatten die beiden kein weiteres Wort gewechselt. Da Siftly auch jetzt noch schwieg, begann Smith endlich:

»Sie werden mir nicht glauben, wenn ich sage, daß ich mich freue, Sie hier zu treffen.«

»Nein«, erwiderte Siftly trocken.

»Das dachte ich mir«, sagte der Spieler lächelnd. »Aber es ist tatsächlich so.«

»Darum haben Sie sich auch so große Mühe gemacht, von mir wegzukommen, was?« sagte Siftly und nahm damit die höfliche Anrede wieder auf.

»Es war von Anfang an ein dummer Streich«, sagte Smith völlig ruhig. »Entweder mußte ich Kalifornien verlassen, oder mich darauf gefaßt machen, daß wir uns irgendwo einmal begegnen. Die Gelegenheit war damals aber zu verlockend. Hol's der Teufel, ich konnte noch nie im Leben eine Gelegenheit ungenutzt vorübergehen lassen.«

»Und doch wollten Sie mich heute dem Sheriff verraten und als Brandstifter anzeigen.«

»Natürlich, ehe ich mich selbst schnappen lasse! Was haben wir beide mit den Gerichten zu tun, daß einer von uns sie auch noch freiwillig aufsucht?«

»Und weshalb freuen Sie sich, mich wiederzusehen, wenn man fragen darf?«

»Weil ich eben einen Holzkopf als Mitspieler habe, mit dem nichts anzufangen ist. Wir beide dagegen könnten hier erfolgreich sein.«

»Sie glauben wirklich, daß ich nach dem, was zwischen uns beiden vorgefallen ist, noch Ihr Kompagnon werden will?«

»Was könnten Sie Besseres tun?« sagte Smith. »Sie wissen genau, daß Sie an meiner Stelle genauso gehandelt hätten. Ich brauche nur an unseren guten Brown zu erinnern, und deshalb müssen wir uns gar nichts vorwerfen. Ich bin in der Lage, den Schaden wieder wettzumachen, und der Sache steht kein weiteres Hindernis im Wege.«

Siftly schwieg und sah eine Weile nachdenklich vor sich hin. Smith hütete sich, ihn dabei zu stören. »Weshalb haben Sie Kalifornien nicht verlassen?« erkundigte sich Siftly.

»Weil ich mir noch bessere Erfolge von Kalifornien verspreche«, lachte Smith. »Für uns ist es ein kapitales Land. Wer es nicht benutzt und ausbeutet, ist ein Narr.«

»Sie wissen, daß Brown erschossen ist?«

»Brown? Unser würdiger, dicker Brown? Kein Wort!«

»Ein Franzose ertappte ihn beim Falschspiel und schoß ihm eine Kugel durch den Kopf.«

»Na ja, daneben schießen konnte er bei ihm nicht!« lachte Smith. »Es geschieht dem Tölpel recht, er war schon immer ungeschickt und täppisch. Desto besser, wir sind ihn los, und der Franzose hat uns beiden einen Gefallen getan. Apropos, Siftly, ich habe auch eine Neuigkeit für Sie, wenn Sie nicht sogar selbst mit ihnen angekommen sind. Ihr Freund aus San Francisco, der Anwalt, ist hier...«

»Wer? Hetson?«

»Ich glaube, so heißt er. Er ist heute mit seiner Frau angekommen, und wer ist noch bei ihm?«

»Keine Ahnung, was kümmert mich der Kerl!«

»Manuela mit dem Alten.«

»Die Spanierin? Donnerwetter! Was wollen die in den Minen?«

»Ich weiß nur, daß sie nicht Violine spielen will«, erwiderte Smith. »Ich habe nämlich schon unterderhand bei dem Alten anfragen lassen. Sie ist, glaube ich, so eine Art Gesellschafterin für Hetsons Frau. Ist dieser Hetson zu gebrauchen?«

»Ein schwacher Mensch, wie ich ihn kenne. Aber wozu?«

»Wir müßten einen amerikanischen Alkalden hier haben«, sagte Smith, »der zu uns Spielern steht. Die verdammten Fremden und auch einige Amerikaner werden mit jedem Tag unverschämter und drohen schon, uns aus der Stadt zu vertreiben. Wenn das allerdings in einer Mine geschieht, bekommen wir überall Schwierigkeiten. Die Leute werden hier sowieso schon viel zu klug!«

»Ich weiß aber nicht, ob Hetson hierbleiben will.«

»Seine Sachen sind hier abgeladen, und der Wagen ist schon wieder fort. Vielleicht ist aber die Aussicht auf die Wahl ein Anlaß für ihn, hierzubleiben.«

»Möglich«, sagte Siftly. »Jedenfalls wäre er der Mann dafür. Ich kenne ein Mittel, um ihn zu allem zu bringen, was ich erreichen will.«

»Um so besser, überlegen Sie sich die Sache. Sie finden hier übrigens manchen Bekannten, und da verschiedene Dinge passiert sind, die die Wahl eines Alkalden erfordern, ist es eine Kleinigkeit, die Stimmenmehrheit für ihn zu bekommen. Wenn er dann die Wahl nur annimmt!«

»Dafür will ich schon sorgen!« sagte Siftly.

»Um so besser – und nun gute Nacht, Siftly. Sie werden mir jetzt Ihre Hand nicht mehr verweigern.«

»Nein, wenn wir fertig miteinander sind.«

»Fertig ?«

»Ich meine, wenn unsere Geldangelegenheit erledigt ist.«

»Hier im Dunkeln?«

»Das wäre unbequem. Sie haben doch hoffentlich ein Zelt und Licht darin. Ich bin überhaupt noch nirgends einquartiert.«

»Trauen Sie mir nicht?«

»Nicht über den Weg, und ich denke, ich habe Anlaß dazu.«

Smith lachte wieder vor sich hin und schwieg einen Augenblick. Dann sagte er: »Meinetwegen. Es ist vielleicht wirklich am besten, wenn wir uns gleich klar gegenüberstehen. Das eigene Interesse wird uns dann fester zusammenbinden als alles andere.«

»Das ist das stärkste Bindemittel. Zeigen Sie mir, daß Ihr Interesse mit meinem übereinstimmt, und Sie sollen keinen treueren Freund haben als mich.«

»Aber ich habe in der Zeit mehr verdient, als ich von San Francisco mitgenommen habe«, sagte Smith. »In dem Kasten war nicht so viel, wie wir erwartet haben.«

»Das spielt keine Rolle. Das, was Sie verdient haben, geschah mit meinem, weiß der Teufel, gefährlich genug verdienten Geld. Sie sichern mir die Hälfte zu oder tragen die Folgen.«

»Und wenn ich nicht will?«

»Sie wollen, Smith, denn Sie wissen, daß Sie nicht anders können«, sagte Smith finster. »Und jetzt gehen Sie voran!« Er stand dabei auf, und als Smith sein Geld vom Boden genommen hatte, gingen die beiden schweigend in die kleine Zeltstadt zurück.


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