Johann Wolfgang von Goethe
Briefwechsel mit seiner Frau. Band 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1815

576. Goethe

Nur mit einigen Worten will ich melden, daß es mir ganz wohl gehet, und ich mein Zeit theils allein, theils mit August, Riemer und Meyer zubringe; überall wird Ordnung möglichst hergestellt. Habe Dank für die gegebenen Nachrichten. Mein größter Wunsch ist, daß Du Dich glücklich wieder herstellen mögest. Grüße alle Freunde und entschuldige mich, daß ich nicht schreibe; es gibt diesen Morgen gar zu viel zu thun.

Alles Gute und Vergnügliche wünschend.

Weimar, den 4. März 1815.G.

G.

 

577. Christiane

[Jena, 5. (oder 6.) März 1815.]

Ich befinde mich jetzt ganz leidlich hier. Gesehn habe ich noch niemand als Kieser und Stark, die Frau von Knebel, Marezolls, die Seidler, und alles freut sich, mich wiederzusehen. Knebel wird geschrieben haben, was Stark über meine Diät gesagt hat. Jetzt fehlt nur weiter nichts, als daß ich meinen Magen noch in Ordnung bringen muß; und dieses wird hoffentlich auch bald geschehn. Heute sind wir bis Winzerle gefahren, und nach Tische sind wir bei dem schönen Sonnenschein bis an das Geleits-Haus spazieren gegangen und zurück um den ganzen Graben, welches mir bis jetzt wohl bekommen. Und nachdem ich ein Whistchenwüstgen gemacht habe, hoffe ich auch gut zu schlafen.

Weiter weiß ich nichts, als daß ich Dich von ganzem Herzen liebe und mich recht freue, Dich wiederzusehen. Grüße August. Die Kirsch empfiehlt sich zu Genaden.

C. v. Goethe.

 

578. Christiane

[Jena, 8. März 1815.]

Mit mir gehet es alle Tage besser, und ich hoffe recht bald wieder hergestellt zu sein. Stark wird Dir schon geschrieben haben. Sonnabend war der Tag wie gewöhnlich, früh gefahren und dann den Nachmittag gegangen. Das Gehen wird mir doch nicht mehr so sauer wie im Anfang. Die Seidler habe ich seit Sonnabend nicht wieder gesehen; sie ist nach Saalfeld gereist. Sonntag früh war ich bei Voigts, wo mir die Frau von Löwenich besonders gefallen hat. Die Voigten gefällt mir noch besser als die andre Schwester. Morgen ziehen die Mutter und Schwester zur Griesbach. Auch ging ich zu Frommanns, traf sie aber nicht zu Hause. Den Nachmittag fuhren wir mit der Knebeln spazieren, und bei der Zurückkunft wurde Whistwüst gespielt. Auch besuchte mich die Marezoll. Bachmann ist fast jeden Abend da. Wagner hat mir recht schöne Blumen geschickt, worüber ich mich recht gefreut habe. Montag ließen mir Knebels keine Ruhe, ich müßte Mittag da essen; sie hatten auch lauter zarte Speisen gekocht, die mir auch bis jetzt wohl bekommen sind. Früh hatte ich einige Besuche, dann fuhren wir aus bis 1 Uhr, wo wir gleich bei Knebels abstiegen, und um 6 Uhr holte uns der Kutscher wieder ab.

Knebeln habe ich sehr munter gefunden. Er sehnet sich sehr nach Dir; sollte es nicht möglich sein, daß Du auf einen oder ein paar Tage rüberkommen könntest? Du sollst Deine Stube und Dein Schlafzimmer ganz vor Dich allein haben. Schreib mir darüber Deinen Willen. Auch wünscht es der Berg-Rath Voigt sehr, Dich einmal hier zu sehen. Heute, den 8., machte ich des Morgens einige Besuche, bei der Voigten, der alten, und Mamsell Seidler, Gruner, und der Steinen, und bei mir war die Klimschen, Madame Frommann und Schemann; gleich nach dem Essen sind wir bis Winzerle gefahren und haben uns sehr über das schöne Wetter gefreut. Diesen Abend besuchen mich Marezolls und der Graf Reuß auf ein BostonFolgt zu mir (im Vorhergehenden kommen statt besuchen mich voraus setzend). Und so wäre denn der heutige Tag beschlossen. Der Himmel wird helfen, daß die übrigen auch gut und gesund beschlossen werden.

Lebe wohl und behalte mich so lieb, als ich es schon von Dir überzeugt bin.

Dein Dich ewig liebender Schatz

C. v. Goethe.

 

579. Goethe

Aus Deinem Briefe habe ich mit Vergnügen gesehen, daß es gut geht, und wünsche nichts weiter als glückliche Folge. Grüße mir alle Freunde und entschuldige mich, wenn ich nicht schreibe. Mein Katarrh hat soDavor gestrichen mir überhandgenommen, daß mir selbst das Dictiren beschwerlich wird, wodurch ich denn, wenigstens für den Augenblick, verhindert bin, euch zu besuchen. Übrigens scheint sich allerlei Angenehmes ereignen zu wollen. Die Berliner schreiben, daß sie den ›Epimenides‹ den 30. März aufführen werden, zu Ehren der Einnahme von Paris; dieser Gedanke wäre denn ganz gut, wenn nicht wieder etwas Albernes dazwischen kommt. Da ich nicht an Hof gehen konnte, als der Herzog von Gotha hier war, so hat er mir die Ehre erzeigterzeugt mich zu besuchen. Er war sehr gnädig und in seinen Äußerungen mäßig und wohlwollend. Diesen Charakter hat er auch dießmal nicht überall behauptet.

August steht mir in allen Dingen bei, Meyer und Riemer besuchen mich oft, auch wird viel geschrieben, und es geht in allem vorwärts. Auch sind die Kupfer und Zeichnungen unterdessen geordnet worden.

Ich lege ein Packetchen für Harras bei, es ist veronesischer Broccoli-Samen, zugleich 4 Körner von Pinien. Wenn der Broccoli gut geräth, so soll er uns auf den Herbst von Zeit zu Zeit etwas herüberschicken. Unser Gärtner mag sich nicht weiter damit abgeben, und mag auch wohl Recht haben.

Grüße alle Freunde, gedenke meiner und laß mich mit jedem Botentage etwas von Dir wissen.

Weimar, den 8. März 1815.

G.

 

580. Christiane

Jena, den [8. bis] 10. März 1815.

Daß Du Dich nicht wohl befindest, hat mir viele Sorge gemacht; meine Sehnsucht, Dich wiederzusehen, ist groß, daß ich mir fest vorgenommen habe, Montag früh von hier abzureisen, um den Mittag einzutreffen. Auch, hoffe ich, wirst Du Dich gewiß über mich freuen, wie viel froher und heitrer ich jetzt bin, als ich war, da ich abreiste. Es wäre auch ein Wunder, wenn ich es nicht wäre, da die Menschen hier sich alle Mühe geben, meinen Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Bis Dienstag weißt Du, wie es mir ergangen. Heute, als den Mittwoch, war ich zu Voigts zum Thee gebeten, wo ich es wagte hin zu gehen. Und es ist mir recht wohl bekommen; ich nehme mich allenthalben sehr in Acht. Donnerstag waren wir bei die Frau Professor Köthen, auch zum Thee und recht vergnügt, denn sie waren alle sehr artig gegen mich. Man macht mir allenthalben einen Spiel-Tisch, und so vergehet die Zeit, ich weiß nicht wie. Das schöne Wetter hat uns den Rücken gewandt, und wir haben hier den völligen April. Wenn es doch noch bis Montag gehalten hätte! so aber werden wir unsre Spazier-Fahrten einstellen müssen. Soeben bin ich wieder heute Nachmittag bei Knebels eingeladen, und morgen zu Gruners.

Auch habe ich noch eine Bitte um einige      nicht entziffert: Spetschs (Speziesthaler?). Ich hätte recht gut auskommen können, wenn ich nicht so viel Holz hätte kaufen müssen; ich habe schon vor 8 Thaler 12 Groschen gebraucht. Auch muß ich noch die Apotheke bezahlen. Nun kommt auch etwas Erfreuliches, welches mich sehr überraschte. Gestern früh kam der Berg-Rath Lenz zu mir; so heiter und vergnügt habe ich ihn noch nicht gesehen. Auf einmal brachte er mir, mit einem geheimnißvollen Lächlen, das Diplom als Ehrenmitglied der Mineralischen Gesellschaft aus der Tasche. Ich freute mich sehr, setzte ihm eine Bouteille Wein vor, da haben wir Deine Gesundheit getrunken und Dich recht hoch leben lassen. So vergnügt habe ich Lenzen noch niemals gesehen.

Soeben fällt mir bei, daß ich vergessen habe, Karln zu sagen, daß es nach meinen Öfen gesehen werden muß, weil es ein wenig rauchte. Dürfte ich Dich daher bitten, es ihm zu sagen.

Es ist itzo mein einziger Gedanke, Dich wiederzusehen und Dir zu sagen, wie lieb ich Dich habe. Und wie freue ich mich, wenn ich jeden Morgen, wie ich aufwache, Dir danken kann, wie meine Kräfte wieder zugenommen haben. Ich danke auch alle Morgen Gott dafür. Nun lebe wohl und denke mein.

C. v. Goethe.

Die alte Lorsbach ist auch eine liebe Frau, und die Tochter ein liebes Kind.

 

581. Goethe

Nichts könnte mir angenehmer zu hören sein, als daß Du Dich wohlbefindest und Dich nach und nach erholst; aber eben deßwegen wünsche ich, daß Du Dich einrichtest, noch einige Zeit drüben zu bleiben. Meinen Katarrh muß ich abwarten, dabei kann mir niemand helfen; aber wer gegenwärtig sein muß, dem wird grade ein solches Übel lästig und langweilig. Ich führe mein Leben wie immer durch, es geschieht alle Tage etwas. August macht seine Sachen ganz ordentlich, Meyer und Riemer kommen meistens die Abende.

Da Du nun drüben gute Unterhaltung hast und nach dem stürmischen Wetter der letzten Tage guter Zeit entgegen siehst, so seh ich nicht ein, warum Du den Ort verändern willst. Richte Dich ein, daß Du den Montag nach Palmarum wieder hier bist, da läßt sich mancherlei vorarbeiten und verabreden, ehe die Höchsten Herrschaften kommen. Das wird wieder einen gewaltigen Sturm geben, möge er der letzte dieser Art sein.

Rath Völkel wird heute erwartet, von der Ankunft der Hoheit weiß man noch nichts Gewisses. Durchlaucht Herzog sind auf den 29. hujus angekündigt.

Nun habe ich auch einen Brief von dem Graf Brühl als Königlichem Theater-Intendanten, worin er mir meldet, daß ›Epimenides‹ zur Feier des Jahrestags der Einnahme von Paris gegeben werden solle. Ich habe ihm zu diesem Zweck noch einiges hinzureimen müssen, und so kommt denn dieses langbearbeitete und -verschobene Werk auch endlich zu Stande.

Beiliegenden Brief gib Lenzen mit meinem Dank zurück. Dieser Biedermann findet doch noch immer Gelegenheit, sich einen Spaß zu machen. Die ›Proserpina‹ gib Knebeln: es ist zwar immer noch die alte, die er kennt, und die neue Musik, so wie die Gebärden können wir mit Worten nicht überliefern.

An Voigt schreibe ich ein Blättchen, das Du ihm übergeben wirst. Sonst wüßte ich nicht viel zu sagen bei dem einfachen Lebenslauf, den wir führen. Der Orient gibt noch immer die meiste Beschäftigung.

Und somit lebe wohl, grüße Madame Kirsch und alle Freunde, vor allen Dingen aber sorge für Erheitrung und Erneurung alter angenehmer Bilder. Danke Herrn Hofrath Stark für seine umständliche und gute Relation. Und so nochmals das beste Lebewohl!

Herzlich theilnehmend und das Beste wünschend

Weimar, den 11. März 1815.

G.

Auch ist das Nothwendigste nicht vergessen.

*

 

 

 

*

582. Christiane

Jena, den 11. April 1815.

Es wird Dich freuen, wenn ich Dir schreibe, daß wir noch vor 11 Uhr gut und glücklich hier angekommen sind. Wir würden den Weg noch eher zurückgelegt haben, wenn wir nicht durch viele Preußen, welche in Hohlstedt frühstückten, aufgehalten worden wären; denn es machte doch einige Schwierigkeiten, ehe die Menge Wagens uns Platz machen konnten.

Zimmer und Wirth waren beide sehr freundlich bei unserer Ankunft, und das Wetter ist hier sehr schön und um einen guten Theil wärmer als in Weimar.

Da mich die Reise gar nicht ermüdet hat, werde ich diesen Nachmittag noch einen kleinen Spaziergang machen und dann zu Knebels und noch zu einigen von meinen Bekannten gehen.

Nun lebe wohl und denke mein. Ich liebe Dich sehr. Hier bin ich aber wie ein Vogel so vergnügt. Dein treuer Schatz

C. v. Goethe.

 

583. Goethe

Ich freue mich gar sehr, daß Dein Hauptwunsch und Zweck erfüllt ist; so können wir denn wieder eine Weile ohne Sorgen leben.

Mein Tag geht sehr angenehm hin. Ich bin fleißig. Mittags leistet August Gesellschaft, die Köchin ist lobenswerth. Abends kommt Hofrath Meyer, und so geht es früh wieder von vornen an. Aus dem Hause sehn ich mich nicht. Wie es in Jena aussieht, kann ich mir denken. Der Menge kann man nicht übelnehmen, wenn sie bei so großen, drohenden Übeln Verrath fürchtet. Nur mag ich nicht Zeuge ihrer Verwirrungen sein. Bleibe, solange Dirs behagt. Auch uns bist Du immer willkommen!

Weimar, den 15. April 1815.

G.

Dank für die Spargel!

*

 

 

 

*

584. Goethe

Kund und zu wissen jedermann, den es zu wissen freut, daß ich

in  Erfurt 7 ½  Uhr.
in  Gotha 11
Eisenach  3

eingetroffen. Daß mich unterwegs sogleich die guten Geister des Orients besucht und mancherlei Gutes eingegeben, wovon vieles auf das Papier gebracht wurde. Nun lebet wohl und gedenkt mein.

Eisenach, den 24. Mai 1815.

G.

Nahe bei Gotha, gegen Eisenach, finden sich auf den Chausseehaufen viele Ammonshörner und Pektiniten, ausDavor gestrichen in einem schwachen Steinlager. Wie der Kalkstein stärker und fester wird, hören sie auf.

 

585. Goethe

Wiesbaden. Sonnabend, den 27. Mai 1815.

Vor allen Dingen also die Fortsetzung der Stationen.

Den 25. Mai  |  Den 26. Mai  |  Den 27. Mai
von  Eisenach  ab  6   Uhr  |  von Fuld  5 ¼  |  von Frankfurt  8 ¾
von  Berka  —  8 ¼   |  Neuhof  7  |  HattersheimHadersheim  11
VachFach  —  11  |  Schlüchtern  10  |  Wiesbaden  1 ½
Buttlar  —  1 ½  |  Salmünster  11 ½  | 
Hünefeld  —  3 ¾  |  Gelnhausen  1  | 
in Fulda angekommen 6 ½  |  Hanau  6  | 
 |  Frankfurt  8  | 

Durchaus ist alles gut gegangen. Hier hab ich gerade das gewünschte Zimmer getroffen. Ich richte mich ein. Die Reise war nicht unfruchtbar. Mein ›Divan‹ ist mitmich 18 Assessoren vermehrt worden. In Frankfurt hab ich niemand gesehen. Wenn man von der Höhe vor Wiesbaden den Rhein sieht, von Oppenheim herab, bei Mainz vorbeifließen, und wie er dann, gegen Elfeld, die große Aue in sich faßt, und weiter hinab die Reihe von Ortschaften, der Johannisberg und bis Bingen die Landschaft erscheint, so weiß man doch, warum man Augen hat. Dieß zu erfahren, war mir sehr nöthig. Nun lebet wohl und liebet.

G.

 

586. Christiane

[Weimar, 31. Mai 1815.]

Deinen lieben Brief von Eisenach hab ich mit Freuden gelesen, denn ich sah auch daraus, daß Du sehr schnell reisen kannst, und so bin ich Dir in Gedanken gefolgt. Augusten bekomm ich Tage lang nicht zu sehen; von früh an geht es auf die Rabenjagd, wo er heute schon zum dritten Male ist, und gewöhnlich vor Nachmittags 3 Uhr nicht zurückkommt. Durch die Feier des Jubiläums hat er sich großen Ruhm erworben: der Legations-Rath Kirms hat ihn gestern besucht und selbst gedankt. Die Soupés beim Erbgroßherzog hören nicht auf. Ich besorge unterdessen meine Wirthschaft, Krautländer und den Garten, und befinde mich leidlich, und so kommt denn die Zeit immer näher herbei, wo wir abzureisen gedenken; es bleibt beim 4. Juni.

Nun kommt aber etwas, warum ich Dich bitten wollte, nämlich: die Treutern ist sehr krank, und ich vermuthe, daß ich sie nicht wieder lebend antreffen werde. Wenn Du daher Augusten erinnern wolltest, daß er die Sache nicht in der Dämmrung ließe, oder gäbst geradezu Genasten den Auftrag, wie Du es fürs zweckmäßigste hältst; denn es sind schon einige Liebhaber da, und meinen Gedanken nach dürfte es uns hier auf einige hundert Thaler nicht ankommen.

Nun lebe wohl und denke mein. Von Karlsbad ein Mehres. Behalte mich nur so lieb, wie ich Dich habe.

C. v. Goethe.

 

587. Goethe

Wiesbaden [31. Mai 1815]

Nun bin ich so ziemlich eingerichtet, ich wohne allerliebst, aber theuer, esse gut und wohlfeil; Wein habe ich von Frankfurt verschrieben und werde mich also in diesen Hauptpuncten bald wohl versorgt finden. Morgens, nach köstlichem Schwalbacher Wasser, bade ich in dem heilsamen Wiesbade; das alles bekommt mir recht gut, und ich kann dabei thätig sein. Neapel rückt vor, so wie Sicilien; diese lustigen Erinnerungen unterhalten mich, ohne die mindeste Anstrengung. Ich habe sie so oft erzählt, daß es Zeit ist, sie auf dem Papier zu befestigen. Oberbergrath Cramer und Bibliothekar Hundeshagen sind freundlich, theilnehmend, hülfreich, wie voriges Jahr. Major von Luck aus Mainz hat mich schon besucht, von niemand weiter habe ich gehört und lebe also in der erwünschtesten Einsamkeit. Des Tages gehe ich zweimal spazieren, die Gegend erscheint herrlicher, je mehr man sie sieht und schätzt.

Es ist das heiterste Wetter, freilich zum Schaden des Land- und Gartenbaues, sie haben in zehn Wochen keinen anhaltenden Regen gehabt. Indessen genießt man schon hier Schotenerbsen, auch ausgelieferte; was aber besonders erfreulich ist, wird doch immer der Salmen bleiben, dessen Portion mit trefflicher Gelée man, zu jeder Stunde, für 30 Kreuzer im Cursaal haben kann. Es ist jetzt grade seine rechte Zeit; ich muß mich nur in Acht nehmen, daß ich mich nicht daran überesse, Herzkirschen stehen schon, in großen Körben, an allen Ecken.

Unter den Pflanzen ist mir eine gefüllte Lychnis vorgekommen, als Gartenschmuck das Schönste, was man sehen kann; auf den Herbst, hoffe ich, soll man uns Pflanzen schicken. Die Rosen blühen vollkommen, die Nachtigallen singen, wie man nur wünscht, und so ist es keine Kunst, sich nach Schiras zu versetzen. Auch sind die neuen Glieder des ›Divans reinlich eingeschaltet und ein frischer Adreßcalender der ganzen Versammlung geschrieben, die sich nunmehr auf hundert beläuft, die Beigänger und kleine Dienerschaft nicht gerechnet.

Und so sind denn die Tage der Reise und des hiesigen Aufenthalts froh und nützlich zugebracht. Die Fortsetzung nächstens.

 

Sonntag, den 4. Juni.

Nun bin ich volle acht Tage hier, und alles läßt sich sehr gut an. Ich trinke das Weilbacher Schwefelwasser mit Milch, bade täglich und dictire dabei immer fort. Nach der Badeliste sind schon vierhundert Gäste hier, die ich nicht bemerke: der Ort ist groß, sie sind alle wahrhaft krank, und dann komme ich auch weder an öffentliche Tische, noch Orte. Bergrath Cramers bedeutendes Cabinet unterhält mich wie voriges Jahr; schon weiß ich mir die metallreichen Gegenden, bis nach der Grafschaft Mark hin, besser zu vergegenwärtigen, und der Umgang mit diesem biedern, verständigen, unterrichteten Mann ist mir belehrend und erheiternd.

Die hiesige Bibliothek, alle Zeitungen, Staatsblätter und Journale anschaffend, sie in der schönsten Ordnung mittheilend, bewirkt gleichfalls eine für den Fremden sehr günstige Unterhaltung.

 

Mittwoch, den 7. Juni 1815.

Und nun zum Schlusse einiges! Deinen lieben Brief habe erhalten. Du wirst nun in Karlsbad sein. An Genast schreibe ich. August lassen wir gewähren. Brentanos haben mich freundlichst besucht, Wein zurückgelassen und mich liebevoll eingeladen. Auch hier wird mir das Beste erwiesen. Beuthers Decorationen läßt mich Geh. [Rath] Pfeiffer nach und nach sehen, wenn das Schauspiel vorbei ist. Von denen Sachen, die Du kennst, sehr schöne. Eingerichtet bin ich zum Besten. Das hoffe ich nun von Dir auch zu hören. Heut über 14 Tage schreib ich wieder. Melde mir, wenn dieser Brief ankommt. Grüße die Geleitende.

G.

Karl macht seine Sachen sehr gut. Heute war Gewitter und Platzregen.

Die Liebe das Beste!

 

588. Christiane

Karlsbad, den 9. Juni 1815.

Deinen lieben Brief aus Wiesbaden habe ich noch in Weimar erhalten und mich sehr gefreut über die schnelle Reise. Sonntag, als den 4. d. M., reisten wir früh 6 Uhr von Weimar ab und kamen bei guter Zeit in Kahle an, von da wir den folgenden Morgen früh 5 Uhr wieder abreisten. Der Kutscher führte die Schimmel, und ein freundlicher Kutscher saß auf dem Bock. Um 3 Uhr kamen wir in Schleiz an, aßen schnell, um uns bald zu Bette zu legen. Bis Hof, den 6., ist uns nichts Merkwürdiges begegnet. Es ging wie immer, wir waren müde und legeten uns bald nieder. Allein, wie wir von Hof weg waren und kamen in den RehauerRiegauer Wald, so wurden wir sehr angenehm überrascht: es begegneten uns 2 TrotschkenTrockten, die wir von weitem vor Russen hielten und schon ziemlich verlegen waren; aber wie groß war unser Erstaunen, als es näher kam und wir sahen, daß es unser Groß-Herzog war. Er grüßte uns sehr freundlich; wie er einige Schritte vorbei war, fragte er seine Leute, wer wir wären. Er ließ sogleich halten und stieg aus, um zu meinem Wagen zu kommen. Wie ich es sahe, so stieg ich geschwind aus, um ihm entgegen zu gehen. Er war sehr genädig und fragte gleich nach Dir, erkundigte sich nach meinem Befinden und wünschte mir Glück zu meiner Cur. Es war ein wunderschöner Russe bei ihm, es mußte ein Fürst sein, er hatte eine Menge Orden, war noch jung und war, was man einen schönen Mann nennen kann. Wir haben ihn den ganzen Weg nicht vergessen können.

Den 7. kamen wir auch glücklich in Franzen-Brunnen an, wo wir nur so viel Zeit hatten, eher es regnete, an den Brunnen zu gehen. Überhaupt haben wir bis hieher viel Glück gehabt, wir haben auf der ganzen Reise auch nicht den geringsten Anstoß gehabt. Den 8., Nachmittag, kamen wir glücklich und wohlbehalten hier an; und der Herr Graf, den wir gleich nach einem Logis fragten, sagte uns, daß bei dem Burgemeister auf der Wiese, in der ›Schönen Königin‹ noch das oberste zu haben sei. Wir schickten danach, wurden des Handels einig, die Woche 5 Gulden Sächsisch. Es ist zwarzwahrt hoch, allein sehr freundlich und hat eine sehr schöne Aussicht. Gestern waren wir sehr mit auspacken beschäftigt. Die Kirschen ist von allem, was sie gesehen hat, sehr bezaubert; besonders hat sie der Sprudel sehr überrascht. Und sie hat noch nicht alles gesehen, die Zeit war zu kurz; sie hat nur ein Stückchen Spazierengang und den Neubrunnen und den Sprudel [gesehen]. Heute früh haben wir Salz genommen und sind beide sehr matt, und wollen sehen, wie uns morgen der Brunnen bekommen wird.

Mir gehet es ganz leidlich. Ich bin heute sehr zufrieden, daß es mir die Reise so gut gegangen hat, und ich glaube, daß es mir sehr nöthig wäre, einmal wieder was zu brauchen. Die Frau von Reck und auch die Herzogin von Curland ist wieder hier. Nun lebe wohl und liebe mich, wie ich Dich liebe, und gedenke mein.

C. v. Goethe.

Bade-Gäste sind 180 hier.

 

589. Goethe

Dein Brief war nur zehn Tage unterwegs, deßhalb schreibe ich sogleich wieder. Meinen umständlichen Brief, der den achten von hier abging, wirst Du erhalten haben. Da es im Karlsbad denn doch einmal aufs steigen angesehen ist, so habt ihr wohlgethan, in die Höhe zu ziehn. Die Aussicht ist immer höchst angenehm und auch bei Regenwetter tröstlich.

Ich lebe hier ganz einfach fort; man kann auch nicht viel Sprünge machen, denn das Bad ist auf die Länge doch angreifend und regt die Übel auf, die man gerne los sein möchte. Die Ärzte verweisen uns zur Geduld und Ordnung. Übrigens ist es hier so stille wie im tiefsten Frieden. Sähe ich Sonntags in Biebrich nicht Östreicher und Preußen, so wüßte ich gar nicht, daß Krieg bevorsteht, und glaubte den Zeitungen kaum, deren mir täglich eine große Menge mitgetheilt wird.

In Biebrich habe ich den Erzherzog Karl gesprochen, der sich sehr freundlich und gnädig erwies. Sonst ist niemand Bekanntes unter den Curgästen.

Mein Speisewirth nährt mich zwar nicht köstlich, dabei ist aber angenehm, daß sie einem zubereiten, was man ihnen schickt. Brentanos haben mich von Frankfurt mit Artischocken versehen; heute sind große Krebse gekauft worden, von welchen das Stück etwas über 3 Kreuzer kostet. An Confect und getrockneten Früchten zum Nachtisch, nicht weniger an Chocolade lassen es die Freunde auch nicht fehlen. Rothen und weißen Wein ließen sie mir gleichfalls zurück. Ferner habe ich einen Petit Burgunder verschrieben, die Bouteille einen leichten Gulden hier auf der Stelle, ein sehr angenehmer und trinkbarer Wein. Auf einem nahen Lustorte, der Geisberg genannt, findet sich treffliches Pöckelfleisch, von welchem mir der freundliche Wirth manchmal ein Stück herein sendet. Denkt ihr nun noch gutes Brot und Bretzeln darzu, so seht ihr ein, daß mir von dieser Seite nichts abgeht.

August hat mir den Verlauf jener Feierlichkeit umständlich beschrieben, es war alles recht schicklich und ordentlich; später habe ich noch ein Gedicht gesandt und dadurch meine Theilnahme aus der Ferne bewiesen.

Von Landsleuten hat mich Riese schon besucht und ein alter achtzigjähriger Forstmann. Sodann kann ich vermelden, daß der Magnetismus in Frankfurt und überhaupt in dieser ganzen Gegend, besonders unter jungen Ärzten, im Schwange ist.


Und hier, im Gegensatz von so hohen Dingen, das Maß der Krebse, die ich heute gespeist. Schwarz von Schalen, auf dem Puncte des Übergangs, die alte Hülle abzuwerfen.

Skala

Weimarisch Maß über 7 ZollDa das Maß mit Rücksicht auf die Größe des Buches um die Hälfte verkürzt werden mußte, erhält man die Länge der Krebse, wie Goethe sie in seinem Briefe (einem Quartbogen) angibt, wenn man die obige Länge doppelt nimmt.

Um die Seite noch anzufüllen, will ich noch allerlei, wie es mir einfällt, hinzufügen. Abermals haben sich schöne Mineralien bei mir eingefunden; von Zeit zu Zeit wird ein Spaziergang in die Steinbrüche und auf die Bauplätze unternommen, wo allerlei Merkwürdiges zusammengepocht wird. Für Jena wird auch ein interessanter Kasten zusammengepackt. Herr Oberbergrath Cramer, als Gevatter von Lenz, wird sich dabei hervorthun.

Gebaut wird hier sehr viel; die Anlagen dazu sind höchst verständig und lobenswürdig, die Linien, wornach gebaut werden muß, wohl überlegt. Es gibt Straßen, die der größten Stadt Ehre machen würden. Alles greift eins ins andere; was aus den Kellern ausgegraben wird, schafft man in Vertiefungen, die ein kleiner Bach verursachte und durchfloß, dadurch entstehen sehr schöne Gärten. Aufgeregt zu diesem Bauen werden die Einwohner durch die günstigsten Umstände. Die Plätze erhalten sie von der Herrschaft, ein ansehnliches, verhältnißmäßiges Baudouceur dazu, dagegen sie vorschriftmäßig bauen müssen. Ein unerschöpflicher Steinbruch von talkartigem Thonschiefer in der Nähe liefert das Material.

Und so lebe recht wohl. Versäume nicht, mir wenigstens drei complete Kreuzkrystalle von Müllern mitzubringen. Grüße ihn schönstens. Die Briefe an mich werden immer an Schlosser adressirt.

Wiesbaden, den 17. Juni 1815.

G.

 

590. Christiane

Karlsbad, den 19. Juni 1815.

Deinen lieben Brief habe ich den 15. erhalten, und gleich nach meiner Ankunft habe ich Dir geschrieben; den wirst Du schon erhalten haben. Schreib mir doch auch, wenn Du ihn erhalten hast. Aus Deinem Brief sehe ich, daß es mit den Gewittern ziemlich übereintrifft. Den 7., Abend, als wir in Franzen-Brunnen waren, sahen wir ein schreckliches Gewitter nach Karls-Bad zu ziehen, und [als] wir den 8. hier ankamen, sahen wir schreckliche Verwüstung, denn es war den Abend zuvor ein Wolkenbruch hier niedergegangen, und seit der Zeit hatAus ist es alle Tage geregnet, einen mehr, einen weniger. Man muß jeden Augenblick stehlen, wenn man spazieren gehen will; und das ist die Schuld, daß wir bis jetzt noch nicht viel gesehen haben. Bekanntschaften habe ich gar keine, außer Riquets, welche aber schon den Sonntag wieder weggehen, und Madame BredeBröthe welche von Wien kömmt und in Stuttgart engagirt ist. Sie erkannte mich am Brunnen gleich wieder, ich aber mußte mich besinnen, denn es sind 7 Jahr, daß ich sie in Lauchstädt gesehen habe. Da sahe ich doch, daß mein Gedächtniß gelitten hat. Es sind nun beinahe 14 Tage, daß wir hier sind, und 4 Wochen werde ich wohl noch hier bleiben müssen; denn seit ich hier bin, habe ich einen starken Schnupfen, welches aber Mitterbacher gutheißt. Ich befinde mich doch schon um vieles besser als zu Hause. Die Kirschen macht jede neue Entdeckung glücklich, und in einer solchen Stimmung empfiehlt sie sich Dir. Das Capellchen wird fast jeden Tag besucht; es führt ein schöner Weg auf die Höhe. Wir stiegen hinauf, fanden wieder ein kleines Capellchen; von da kamen wir zu einem Tempel, der mit Gesellschaft angefüllt war. Wir wußten nicht, wo der Weg hin ging, es fing an abwärts zu gehen; wir schritten zu in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden. Als wir am Ausweg kamen, stritten wir uns, wo wir waren, bis uns ein Mann den rechten Weg zeigte; es war weit über den Posthof. Auf diese Motion hat uns unser Mittags-Brod vortrefflich geschmeckt. Auch läßt Dichsich die Frau von Recke, die Herzogin von Curland freundlich grüßen; auch TiedgeDütge empfiehlt sich Dir, auch die starke Hofdame aus Prag, deren Name ich vergessen habe.

Madame Mayer habe ich auch besucht; der alte Müller hat mich besucht. Überhaupt alles, was Dich hier kennt, fragt nach Dir und bittet um Empfehlung.

Vergangnen Sonnabend Abend waren wir zu einem Picknick im Posthofe eingeladen, es war Ball; alle Equipagen fuhren hinaus. Es sind einige Prinzen hier, doch keine bekannten. Von Wien ist niemand da, auch nicht Ein Bekannter. Im Ganzen ist alles theurer als sonst hier. Wir essen vom Grafen, weil es da am wohlfeilsten ist. Im ›Hecht‹ ist es sehr theuer. Doch daß wir die Gulden eingekauft haben, haben wir wohlgethan, denn je mehr Fremde kommen, je mehr steigt das Papier.

Auch sind wir im Theater gewesen. Es wurde ›Der Rehbock‹ gegeben; das Stück reizte uns nicht sowohl, als die mimischen Vorstellungen, die uns sehr gelobt worden waren, und sie haben uns auch sehr wohl gefallen. Überhaupt finde ich, daß die Gesellschaft [sich] recht gebessert hat, denn Lortzings beide Rollen waren ganz artig besetzt. Man hat mir auch einen Zettel geschickt, den ein Schauspieler selbst brachte.

Daß Dir alles so gut gehet, [ist] die Hauptsache, und ich denke, wir wollen recht frohe Dir alles erzählen. Alle Tage wird, wie wir zu Tische kommen, das erste Glas Wein trinken, Deine Gesundheit getrunken. Wasser und Wein sind unser Bestes, denn das Essen ist mir wieder schlechter vorgekommen. Wenn nur erst das Wetter besser wird, alsdann ist alles gut. Ich bin schon ganz anders als zu Hause, sehe aber ein, daß ich sehr krank war. Ich bin aber auch nur glücklich durch Dich und Deine Liebe, und mir ist nur betrübtbedrbült, daß es Dir so viel kostet. Doch Du gibst es mir gerne. Nun lebe wohl.

C. v. Goethe.

 

591. Goethe

Deinen lieben Brief vom 19. Juni habe zu rechter Zeit erhalten, den meinigen vom 17. wirst Du auch empfangen haben. Möge Dir es recht wohl gegangen sein! Persönlich habe mich auch recht gut befunden; leider ist mir aber Karl krank geworden, wodurch denn freilich manche Unbequemlichkeit entsprang. Da wir aber einen sehr geschickten Arzt haben, so war die Sorge geringer; ich suchte meine Zeit möglichst zu nutzen, und nun geht alles wieder ganz leidlich und wird nächstens im alten Wege sein. Besuche von Frankfurt hab ich mehrere gehabt. Jetzt ist Christian Schlosser bei mir zu sehr angenehmer und nützlicher Unterhaltung, die, bei immer trübem und kalten Wetter, um so erwünschter ist. Einige schöne Tage habe auf dem Lande zugebracht. Sonntags fahre nach BiebrichBiberich. Gestern war ich mit Frau von Linker dort. Durch diese habe ich Briefe und Nachrichten von Weimar erhalten, auch ein sehr artiges Täßchen von Granit mit Stahlarbeit, von der Erbprinzeß Hohheit.

Wegen des Treuterischen Hauses ist Vorsehung getroffen. Daß August zum Kammerjunker erhoben worden, weiß ich zu schätzen. Er aber genösse der Ehre noch lieber, wenn auch was Klingendes dabei gewesen wäre. Das wird auch kommen.

Kräuter, höre ich, benimmt sich sehr gut, August lobt ihn. Es war nicht anders zu vermuthen. Solch ein Wesen ist mir höchst nöthig.

Ehe Karl krank wurde, habe ich ihm viel dictirt und das Corrigirte abschreiben lassen, daß ich also doch nicht ganz leer nach Hause komme. Wenn wir nur erst wieder zusammen sind, wird sich manches schicken und richten.

Vielleicht ist ein Brief von Dir unterwegs. Wenn Du diesen erhältst, schreibe mir noch einmal, was Du zu thun gedenkst, und dann nicht weiter. Ich denke, noch ein Stückchen Badecur mitzunehmen, in Frankfurt wenige Tage mich herumzucomplimentiren und dann nach Hause zu eilen. Die Menschen sind alle so erstaunend in Agitation, daß ich mich recht wieder zum Koppenfelsischen Giebel sehne.

Brentanos fahren fort, sehr freundlich zu sein, sie haben mir Wein und alles Erfreuliche gesendet und gebracht. Georg hat seine schöne Frau verloren. Er ist nach Ems und wollte mich aufs freundlichste mit sich. Franz und Frau waren schon zweimal hier.

Eine große, stille und laute Freude ist in dieser Gegend wegen des errungenen Siegs. Wäre die Schlacht verloren gegangen, so hätte man die unruhige, unglückliche Nachbarschaft schon wieder auf dem Hasle[Halse]. Unterdessen bedauert jede Familie einen Todten, Verwundeten, Vermißten, Verstummten. Und dieß gibt bei so großem Glück dem Aufenthalt eine traurige Stimmung; auch Blessirte kommen nach und nach. Charpie und Bandagen werden in Massen über den Rhein gesendet. Die vorjährigen Vereine sind wieder in voller Thätigkeit. Und doch ist alles froh, weil man bedenkt, daß diese Übel von dem allergrößten hätten verschlungen werden können.

Nun lebe recht wohl an Deinen böhmischen Felsen. Grüße alles zum schönsten. Namentlich die Herzogin von Curland Durchlaucht, Frau von Recke und Tiedge. Schützens auch, die wohl noch da sind. Deine Gesellschaft zum besten. Schöbe sich nicht so manches dazwischen, was ich nicht wegräumen kann, so wäre ich Anfangs August in Weimar. Schreibe mir, wann Du dort zu sein gedenkst.

Wiesbaden, den 11. Juli 1815.

G.

 

592. Christiane

Karls-Bad, den 19. Juli 1815.

Deinen lieben Brief vom 11. Juli habe ich den 18. erhalten und mich sehr gefreut. Daß Karl krank geworden, betrübt mich, da Du wahrscheinlich manche Bequemlichkeit hast entbehren müssen. Mit mir gehet [es] nun auch alle Tage besser. Getrunken habe ich gestern zum letzten Mal; gebadet habe ich nur einmal, weil es mir nicht bekam. Nun soll ich noch 14 Tage nach Eger gehen und [versuchen,] ob mir das Baden dort bekömmt. Freitag, den 21., früh werde ich hingehen und denke also den 8. oder 9. August in Weimar zu sein. Solltest Du auch ein paar Tage früher kommen, so will ich schon anordnen, daß Du alles in Ordnung finden sollst. Ich freue mich sehr, wieder nach Hause zu kommen, denn es fehlt einem doch an mancherlei im Auslande. Wenn wir erst wieder gesund zusammen sind, dann ist alles gut, Und ich denke, daß wir so ziemlich zusammen kommen.

Weimaraner sind viel hier. Dich grüßt die Heygendorf und Schopenhauer, und viele Karlsbader, welche sich Deiner erinnern. Wegen des schlechten Wetters haben wir wenig Veränderung gehabt, wir haben die Momente stehlen müssen; aber das Nöthigste haben wir doch gesehen. Der Kutscher hat sich musterhaft betragen. Aber ohne Equipage wäre es nicht möglich hier zu sein. Auch die Schimmelchen befinden sich wohl; sie fahren die Frau von Heygendorf alle Morgen ins Bad.

Der gestrige Tag war mir ein sehr erfreulicher Tag. Kurz nachher als ich Deinen lieben Brief erhalten, ging ich mit der Kirschen nach dem Choteckschen Weg und wollte noch einmal Madame Mayer besuchen, wo sie mir sagte, daß Du einen Orden vom Kaiser erhalten hättest oder würdest. Damit Du mir glaubst, so überschicke ich es Dir gedruckt; ich schmeichelte mir, ich würde die Erste sein, von der Du es erfährst, aber Du wirst es wohl schon wissen.

Daß August Kammer-Junker worden ist, hat er mir auch durch die Heygendorf gemeldet. Daß Kräuter sich gut benehmen würde, habe ich gleich geglaubt, denn er hat mir auch viel Freundliches erzeigt.

Die Herzogin von Curland ist fort und grüßt herzlich. Bei Frau von Recke war ich am Montag zu Tische, sie bleibt immer so herzlich und gut gegen mich; das Nähere stehet im Tagebuche. Sie gehet morgen nach Franzen-Brunnen. Und ich übermorgen; dann wollen wir sehen, was das vor Würkung thun wird. Die Gulden steigen alle Tage, der Gulden stehet jetzt auf ein Kopfstück. Ich muß mir doch noch etwas einwechseln, eher ich nach Franzen-Brunnen gehe. Ich hoffe, Du wirst im Ganzen mit unsrer Wirtschaft zufrieden sein; denn ich habe verschiednes gekauft, was man nicht wieder so wohlfeil bekömmt. Auch bringe ich Dir Chocolade mit, weil es die Mayern nicht anders that. Nun denke Dir einmal, ich habe einen unverhofften Besuch gehabt. Ehlers ist hier; er freute sich sehr, mich noch zu treffen. Er gibt heute ein Concert, ich freue mich, ihn wieder einmal zu hören. Den Zettel bringe ich mit. Wenn Du nach Frankfurt kommst, [grüße]Lücke durch Ausschneiden des Siegels alles von mir, besonders Christian; bringe mir      Lücke durch Ausschneiden des Siegels etwas zu einem Überrock mit, denn wegen dem ü[blen]Lücke durch Ausschneiden des Siegels Wetter habe ich meinen immer anziehen müssen, und da ist er ziemlich hin; nur keinen      Unleserlich die Schlosser weiß es schon, so etwas von      Unleserlich.

Die Freude des Wiedersehen kann ich mir gar nicht oft genug denken. Ich habe Dir vielerlei zu sagen und freu mich sehr, wenn wir zusammenkommen. Lebe recht wohl bis auf Wiedersehen. Die Kirschen empfiehlt sich.

C. v. Goethe.

 

593. Goethe

Endlich muß ich denn doch die Stockung unterbrechen, die in unsern Briefwechsel gekommen ist. Täglich hoffte auf Briefe von Dir, da mir August unter dem 7. August Deine Ankunft und Geburtstagsfeier gemeldet hatte. Wahrscheinlich habt ihr mir nicht mehr geschrieben, weil ich die Absicht äußerte, früher zu kommen. Folgendes zum Ersatz des bisherigen Schweigens.

Am 11. August fuhr ich von Wiesbaden ab, mit Boisserée nach Mainz; am 12. durch Frankfurt auf die Gerbermühle, wo ich freundlichst empfangen wurde. Die ersten Tage ungünstige Witterung, doch wurde die Stadt besucht, Freunde und Sammlungen. Am 16. überraschten mich Abends Herzog und Herzogin von Cumberland. Am 17. fand den Erbgroßherzog von Mecklenburg-Strelitz und Frau von Berg noch im ›Römischen Kaiser‹. Jenes hohe Paar war schon abgereist.

Von da bis zum 21. Täglich Besuch, Mittagsgäste, Abendspazierfahrt. Nun holte Herr Nikolaus Schmidt mich ab aufs Forsthaus, zum Hochzeitfeste einer Enkelin der Tante Melber.

Den 22. In der Stadt. Grambs' Cabinet. Bei Schlossers zu Tische. Gemälde bei Städel.

Den 24. Kam Dr. Seebeck. Mit ihm nach der Stadt. Bei Herrn von Hügel gespeist. Bis zum 27. Beschäftigung mit Seebeck, Boisserée, Schlosser. Ersterer zog auf die Mühle. Die andern gingen ab und zu. Wie mehrere Freunde.

Den 28. Früh Musik auf dem Wasser. Allerlei artige und lustige Geschenke. Gesellschaft zu Tische. Wobei Riese und die Obbenannten. Nach Tische mehrere. Sehr schöner Tag. Die Gegend herrlich. Und so sind wir denn bis hierher gelangt. Schreibe mir weniges. Von Deinem Befinden vorzüglich. Bei Schlossers findet mich der Brief. Von mir hört ihr noch. Seidenmuster lege ich bei. Sende das gewählte gleich zurück. Die Messe ist noch nicht angegangen, und schon wird wüthend gekauft und verkauft. Nun Adieu. Grüße und liebe.

[Frankfurt,] den 30. August 1815.

G.

Die Muster schicke nicht. Ich will das gefälligste wählen, damit es nicht weggekauft werde.

 

594. Christiane

Weimar, den 5. September 1815.

Da ich von Deiner Güte und Liebe so überzeugt bin und in Karlsbad den letzten Brief vom 11. Juli erhalten habe, wo Du meintest, Du wolltest Anfangs Augusts in Weimar sein, so habe ich seit der Zeit von Tag zu Tag auf einen Brief von Dir gehofft, und so verging mir hier ein Tag still nach dem andern. Den 29. August war Vogelschießen hier, welches ich auch auf einige Stunden besuchte: die Großherzogin, der Erbgroßherzog und alles erkundigte sich, wenn Du kämest; ich konnte ihnen aber keine genügende Antwort geben, da ich es selbst nicht wußte. Und den Zeitungen nach warst Du im Begriff, um dem Verlangen des Großherzogs zu willfahren, nach Baden zu gehen und dann noch der Belagerung von Hüningen beizuwohnen. Daher kommt unser Schweigen.

Ich habe allen Damen meine Visite gemacht, sie waren sehr artig und haben mir alle sehr viele Grüße an Dich aufgetragen; besonders die Frau von Linker, welche sich mit sehr viel Feuer der schönen, angenehmen Stunden in Wiesbaden erinnerte. Die Gräfin Fritsch, Frau von Egloffstein, Fräulein von Baumbach u. a. m. haben mir Gegenvisiten gemacht; auch Frau von Stein ist einigemal hier gewesen. Und alles lobt unsern August in seinem neuen Stande bei Hof; und es kommt mir selbst vor, als wenn er sich auch recht gut darein fände. Zum Geburtstag des Großherzogs, als den 3. September, hat sich alles in den neuen Uniformen gezeigt, und sie soll Augusten recht gut gestanden haben. Ich habe ihn nicht darin gesehen, denn ich war in Berka, wo es auch recht schön ist und Dich alles herwünscht. So ein Herbsttag, wie wir sie jetzt haben, kann doppelt schön in Berka genossen werden. Doch in Frankfurt mag es nicht minder schön sein. Ich wünsche mich vielmal im Stillen hin; denn da wir uns so lange nicht gesehen haben, ist das Verlangen nach Deiner Nähe um so stärker. Mit meiner Gesundheit geht es leidlich, und daß es noch besser wird, hoffe ich zuversichtlich. Nur sollte man hier mehr Zerstreuung haben; denn meine Anwesenheit in Karlsbad selbst hatte wenig Erfreuliches und Erheiterndes für mich wegen der übeln Witterung; man mußte so ängstlich nach jedem guten Moment haschen. Hier gehe ich alle Tage aus, fahre aus, und so verrinnt die Zeit. Abends habe ich gewöhnlich eine kleine Spielgesellschaft bei mir, oder ich bin zu einer solchen anderswo eingeladen. Nun denk Dir aber auch mein Erstaunen: ich saß ruhig am Fenster und sah von weiten jemand kommen, der Fritz Stein ähnlich sah; es kam aber jemand unterdessen zur Thür herein; und ich ward verhindert, mich von der Wahrheit meiner Muthmaßung zu überzeugen. Ich setzte mich wieder ruhig hin; es klopfte an meine Kammerthür, ich machte auf, und Fritz Stein trat mir entgegen mit den Worten: »Ich bin wie vor alten Zeiten da.« Wir lachten zusammen, und er blieb sehr lang bei mir. Augusten, sagte er, wolle er unter den Cavaliers am Hofe zu erkennen suchen; es war grade, wie August Dienst hatte. Er schickte mir diesen Brief, der hier folgt, und bat mich sehr, ihn Dir bald zuzustellen. Weiter ist mir nichts Neues, noch Angenehmes hier begegnet. Die Erkennungsscene zwischen August und Stein ist sehr lustig bei Hofe erfolgt.

Nun lebe wohl bis auf Wiedersehen, und grüße alles in Frankfurt, besonders die Schlossers und Willemers. Auf das seidene Zeug freu [ich] mich.

Deine C. v. Goethe.

 

595. Goethe

Von Dir wieder ein Wort zu vernehmen, war mir sehr erfreulich. Wohl hat uns beide der Sommer übel behandelt, und darin hast Du vollkommen recht, daß man sich durch äußere Gegenstände von der Betrachtung seines innern Zustandes zerstreuen müsse. Die angenehmsten Tage, die ich zubrachte, waren immer die, wo alles so schnell zuging, daß ich nicht an mich denken konnte. Deßhalb mache Dir so viel Bewegung und Veränderung, als Du kannst, in diesen schönen Tagen und denke darauf, wie wir diesen Winter abwechselnd die Tage zubringen. Etwas Musik wäre sehr wünschenswerth, es ist das unschuldigste und angenehmste Bindungsmittel der Gesellschaft. Gegenwärtig bin ich in der Stadt, allein, in Willemers Wohnung, deren unschätzbare Aussicht Du kennst. Von Morgens bis Abends ists unter meinen Fenstern lebendig; Tags laufe in der Stadt herum, Menschen und Sammlungen zu sehen. Frankfurt stickt voll Merkwürdigkeiten.

Seebeck war hier und wohnte mit auf der Mühle, Boisserée ist noch hier, Schlossers sind förderlich und liebreich. Wie gerne gönnt ich Dir nur vierzehn Tage in dieser unendlich schönen Gegend! Mittags esse ich manchmal im ›Schwanen‹ an Wirths-Tafel, das ist auch in der Messe unterhaltend. Riese ist noch unverändert. Alle suche ich auch zu fördern, und alle sind froh und freundlich. Das seiden Zeug ist gekauft, es gefällt jedermann. Manche Kleinigkeit bring ich mit; denke, wem man eine Artigkeit erzeigt? Riemers, Madame Kirsch, Kräuter, und wem sonst?

Fritz Stein versäumt zu haben thut mir leid. Sein Brief ist gar liebreich und verständig. Suche die Mutter und übrige Frauen im Guten zu erhalten. In kleinen und großen Städten, an Hof, wie im Freistaat ist Ruhe und nachgiebige Beharrlichkeit das Einzige, was leidlich durchs Leben bringt. Daß wir in Weimar sind, daß August sich in das Hofwesen so gut findet, ist unschätzbar. Wie sich das alles in diesen Paradies-Gegenden treibt und reibt, ist höchst unerquicklich. Wie sehr wünsche ich, über alles das mit Dir zu sprechen und wenigstens für die nächste Zeit hierüber Maßregeln zu nehmen. Herr und Frau von Mettingh sind hier, ich habe sie aber noch nicht finden können. Hofrath Schweitzer besucht ich. Szen grüßt Augusten vielmal. Wegen meiner Rückkehr sag ich Folgendes: Da es in vielem Betracht so schicklich als räthlich ist, daß ich dem Großherzog unterwegs begegne, so halte ich mich hier so lange auf, bis er zurückkehrt, und sehe ihn wahrscheinlich in Heidelberg und kehre über Würzburg zurück. Das Nähere erfährst Du. Möge ich euch froh und gesund antreffen! Zu einiger Unterhaltung sende ein Kästchen ab mit dem Postwagen, darin ihr euch vergnüglich theilen werdet.

Gar mancherlei habe ich vorgearbeitet, welches diesen Winter fertig werden soll. Grüße August, Kräuter und die Freunde in der Stadt. Hofrath Meyer sage: daß ich ihn oft vermisse, indem ich Kunstwerke aller Art beschaue. August möge mich den Herrschaften empfehlen! Und nun lebe wohl, meine herzlich Geliebte, und denke auf Unterhaltung für den Winter.

Frankfurt, den 12. September 1815.

G.

 

596. Christiane

Das Liebste zu hören ist, daß Du so vergnügt und wohl bist, und ich will mich nun gern wegen Deiner so verspäteten Zurückkunft zu trösten suchen. Ich gehe viel zu Riemers und sehe überhaupt alle Menschen; und die Desportsche Auction verschafft mir jetzo des Nachmittags eine artige Unterhaltung, nur muß man sich selbst bewachen, daß man ihr nicht so viel Geld zuwendet.

Da Du in Frankfurt so herumgehst, so wirst Du auch die Frau Stock sehen, grüße sie herzlich von mir. Ich wünsche mich freilich sehr oft in die schöne Gegend zu Dir; wir wollen sehn, was sich übers Jahr thun läßt.

Soeben fuhr Frau von Heygendorf mit 4 Pferden bei mir vorbei, und ich kann nicht läugnen, daß in mir der geheime Wunsch, mitreisen zu können, lebhaft wurde, denn die Schweiz und Mailand mag gewiß sehenswerth genug sein. Wäre ich doch nur erst ganz wieder hergestellt und wohl, dann würde ich die Erfüllung des Wunsches, auch noch einmal mit Dir solch eine Reise zu machen, für viel ausführbarer halten; doch für jetzt will ich erst sehen, ob ich noch ein paar Tage nach Jena gehen kann. Die Adelheid ist aber in Eisenach; vielleicht kommt sie bald zurück.

Der Geheime Regierungsrath Müller ist vor ein paar Tagen bei mir gewesen; auch habe ich diese Woche meine Karlsbader Bekannten zu Tische gehabt, diese waren: der Dr. Köhler, Collaborator Vent und der Regierungsbotenmeister Schwabe. Und so schleicht mir ein Tag nach dem andern hin.

Nun etwas von Häuslichkeiten: ich habe für den Winter sehr viele Gurken und Bohnen und dergleichen eingemacht, von den Odysseeischen, langnäsigen Völkern habe ich vier Stück im Hause; und so ist im Ganzen meine Wirtschaft ziemlich gut bestellt. Nur fehlt bei uns das Obst; wenn Du nur GelegenheitNach gestrichenem für solches zu sorgen fändest, für etwas getrocknetes Obst zu sorgen. Auf den ankommenden Kasten freut man sich, wie sonst auf die Judenkrämchen. August sagt mir, er würde Dir selbst schreiben.

Nun lebe wohl und glücklich, da bin ich zufrieden.

DeineDein [doch ist kaum anzunehmen, daß als Vorname Christel gedacht ist] C. v. Goethe.

Weimar, den 14. September 1815.

 

597. Goethe

Mit den schönsten Grüßen, im Begriff, nach Heidelberg zu fahren. [Frankfurt,] den 18. September 1815.

G.

 

598. Goethe

[Heidelberg, 26. und 27. September 1815.]

Dein lieber Brief vom 14. ist mir heute, den 26., in Heidelberg geworden. Ich begrüße Dich von Herzen und fahre fort, zu erzählen. Seit meinem Letzten ist mirs durchaus wohl gegangen. Ich blieb in Frankfurt bis den 15. Durchkroch die Stadt und habe viel gesehn und erfahren. Nun zog ich mit Boisserée auf die Mühle, nachdem ich das Krämchen an Dich abgesendet hatte. Nach zwei muntern Tagen zogen wir beide auf Darmstadt, wo ich mich am Museum sehr ergötzte und meinen gnädigsten Herrschaften aufwartete, auch Künstler und gute Leute sah. Am 20. trafen wir zu Mittag in Heidelberg ein. Die Bergstraße war über alle Begriffe schön und herrlich. Die Freunde wurden besucht, das Schloß bestiegen, allerlei vorgenommen, bei Paulus arabisch geschrieben.

Am 22. kamen Willemers und Frau Städel. Voll Wohlwollen und Theilnahme. Sie blieben bis den 26. früh, sahen und besahen sich alles. Die guten Frauen grüßen Dich schönstens, auch Willemer den August. Indessen war ein Brief von Frau von Heygendorf gekommen, die in Mannheim den Großherzog erwartet. Er wäre schon längst hier, aber er macht den Weg jagend. Der Großherzog von Baden ist auch ein großer Jäger, Prinz Christian von Darmstadt ist auch dabei. Wir wollen es ihnen gönnen nach so viel Noth und Leiden. Die Russen gehen in drei Colonnen durch Franken, täglich ziehen sie hier eilig durch. Da sie so geschwind gehen, werden sie bald vorüber sein, worauf ich hoffe, um den Rückweg über Würzburg zu machen. Nach Frankfurt möcht ich nicht wieder. Es ist schwer, sich von so viel Verwandten, Bekannten und Freunden loszumachen; dazu kommen noch so viele Fremde, die man nicht umgehen kann, noch will.

Erinnerst Du Dich des schönen Russen mit Einem Arm! Er begegnete mir gestern, auf dem Schloß, wir freuten uns beiderseits des Wiedersehns. Er wird durch Weimar kommen. Sodann besuchte mich ein gleichfalls hübscher Junge, der auch schon auf euch guten Eindruck machte: von Bülow. Er kommt von Paris, erzählt die seltsamsten Verworrenheiten von dort. Er fragte teilnehmend nach Dir; ich gab ihm Gelegenheit, von Ulinen zu reden, welches ihm sehr wohl that. Kieser ist in Paris, hat die Aufsicht über alle preußische Hospitäler und noch andre! Bülow erzählte dieß scherzend. Jener thue doch solche große Thaten nur aus Verzweiflung, meinte er. Bülow ist würklich recht hübsch und angenehm.

So wie auf die Gerbermühle, bei schönen Tagen, so zu den köstlichen Bildern wirst Du hergewünscht. Ich arbeite einen Aufsatz aus über meine Reise, Herr von Stein forderte mich auf. Überall find ich nur Gutes und Liebes; bin überall willkommen, weil ich die Menschen lasse, wie sie sind, niemanden etwas nehme, sondern nur empfange und gebe. Wenn man zu Hause den Menschen so vieles nachsähe, als man auswärts thut, man könnte einen Himmel um sich verbreiten; freilich ist auf der Reise alles vorübergehend, und das Druckende läßt sich ausweichen.

Deßhalb freu ich mich sehr, daß Du mit Riemers gut stehst; ich wünsche diesen Winter mit ihm das nähere Verhältniß, denn ich bringe viel zu thun mit, bedarf seiner Hülfe und kann ihm helfen. Kräuter kriegt auch vollauf zu thun; diesen grüße.

Zwei Kisten werden ankommen, auch ein Coffre; laßt sie stehn, bis ich komme. Das Kästchen habt ihr längst, ich hoffe, zur Freude. Getrocknetes Obst schickt Frau Schöff Schlosser.

Sage August: Herr von Gerning habe die berühmte Vase, aus orientalischem Alabaster, welche im Kloster Eibingen, als Gefäß von Cana in Galiläa, aufbewahrt wurde, großmüthig spendirt; grüß Hofrath Meyer und sag ihm dasselbe. Übrigens habe noch gar hübsche Alter- und Neuthümer verehrt erhalten.

Nun wüßte nur noch das Wichtigste hinzuzufügen, den Wunsch, daß Du Dich immer mehr herstellen mögest. Dich zu zerstreuen, ist die Hauptsache; sieh immer Leute, und leite Dir und mir manches gute Verhältniß ein. Sobald der Großherzog da war, schreibe ich wieder. Vielleicht folg ich ihm nach Mannheim. Lebe recht wohl und liebe mich. Verlangend, Dich wiederzusehen, die besten Wünsche.

Heidelberg, den 27. September 1815.

G.

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