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Indem der bildende Künstler ein Werk hervorzubringen gedenkt, hat er bei der Wahl des Gegenstandes besonders vorsichtig zu sein, indem sowohl der Fortgang seiner Arbeit als das Glück seines vollendeten Werks von derselben abhängt. Ein guter und vorteilhafter Gegenstand hebt und trägt den Genius, befördert, gibt Mut und Kräfte das Angefangne mit Lust zu vollenden, hingegen legt der schlechte oder widerstrebende Gegenstand immerfort neue Hindernisse in den Weg, ermüdet und schlägt nieder; es wird weder der Künstler seines Werkes froh, noch der Beschauer desselben vollkommen befriedigt werden können. Indem wir nun in dieser wichtigen Angelegenheit unsern Kunstgenossen, nach bester Einsicht und Überzeugung, einigen Rat zu geben wünschen, halten wir uns nicht im allgemeinen auf, welches an einem andern Orte seinen Platz finden wird, sondern wenden uns unmittelbar zu der Materie, welche wir diesmal zu behandeln, uns vorgenommen haben.
Man fordert von einem jeden Kunstwerke, daß es ein Ganzes für sich ausmache, und von einem Werke der bildenden Kunst besonders, daß es sich selbst ganz ausspreche. Es muß unabhängig sein, die vorgestellte Handlung, der Gegenstand muß, im Wesentlichen, ohne äußere Beihülfe, ohne Nebenerklärung, die man aus einem Dichter oder Geschichtschreiber schöpfen müßte, gefaßt und verstanden werden. So wie wir ein Gedicht tadeln würden, dessen Fabel und Motive nur aus angehängten Noten verständlich werden könnten, so haben wir Ursache mit Gemälden oder Statuen unzufrieden zu sein, deren Bedeutung nicht vor unserm Auge liegt, sondern erst nachgelesen oder erzählt werden müßte.
Sondern wir von Werken der bildenden Kunst aller Art dasjenige ab, was ihnen durch Form und Farben, durch geistige und mechanische Behandlung geliehen wird, so bleiben nur noch die Stoffe, die Gegenstände, zur Betrachtung übrig; wir unterscheiden dreierlei Arten:
Die ersten sind die vorteilhaften, der Kunst angemessen und bequem. Das Werk liegt gleichsam schon im Keime darin, und wächst unter der pflegenden Hand des Künstlers schnell hervor.
Die andern, welche man gleichgültige oder untätige Gegenstände nennen möchte, hängen ganz von der Behandlung ab, sie sind unbedeutend, wenn nicht das Genie des Künstlers Gehalt hineinlegt.
Die dritte Art sind die widerstrebenden, welche, den ersten Forderungen zuwider, sich nicht selbst aussprechen. An ihnen ist alle Mühe verloren, weil sie dem Beschauenden nicht deutlich werden können. Geschmack und Kunst erschöpfen ihre Kräfte umsonst daran, und werden zwar endlich ein angenehmes, wohl in die Augen fallendes Bild zuwege bringen, aber bedeutend, allgemein wirkend kann es nicht werden.
Die einfache Darstellung rein menschlicher Handlungen scheint der Kunst und durch sie uns selbst wieder am nächsten zu liegen; es bedarf bei ihnen keiner Erklärung, sie wirken unmittelbar. Wir gehen deswegen von ihnen aus, und denken sie uns auf einer gewissen Stufe. Höher hinauf setzen wir die historischen Darstellungen, einzeln oder im Zyklus, dann folgen die Charakterbilder, ferner die erfundnen (poetischen) mythischen und allegorischen Bilder, ganz zu oberst setzen wir die symbolisch bedeutenden, ebenfalls einzeln oder im Zyklus.
Haben wir nun auf diese Weise die höchste Höhe erreicht, so finden wir tiefer als die reinmenschlichen, die Szenen des gemeinen Lebens; auch gebührt den Tierstücken und den Landschaften ein Platz unter den Gegenständen, welche für die Darstellung tauglich sind, weil sie nach ihrer Art wirksam und bedeutend sein können, ob sie gleich immer ein geringeres Interesse einflößen, als diejenigen, welche menschliche Handlungen und Figuren zum Grunde haben.
Unter rein menschliche Darstellungen sind vornehmlich zu zählen alle diejenigen sogenannten Madonnenbilder und heiligen Familien, deren Figuren, in Gestalt und Zügen, nicht über schöne Natur und Menschheit erhoben sind, wenn wir einige konventionelle Zeichen, z. B. den goldenen Schein um die Köpfe, und allenfalls episodische Nebenfiguren von Engeln, oder dem weissagenden kleinen Johannes dabei übersehen wollen, so können beinahe alle insgesamt unter diese Klasse gerechnet werden; denn die neuere Kunst erhob sich in wenigen von diesen Bildern bis zur höhern symbolischen Bedeutung, und was sind die übrigen anders als Mütter, welche ihre Kinder pflegen, tränken, ankleiden, zart und liebend in die Arme schließen? Selbst die Madonna della SeggiolaMeisterstück von Rafael, im Palast Pitti, zu Florenz. z. B. ist nicht mehr, als vielleicht nur das fürtrefflichste Bild dieser Art. Wahrscheinlich ist sie ein Bildnis, oder sie könnte es doch sein, denn es leben gewiß zu allen Zeiten, und in jedem Lande eben so schöne Frauen, und vielleicht mehrere als man denken möchte. Gedachtes Bild hat nichts von dem Hohen, Heiligen, Himmlischen, was wir mit der Idee von der Mutter Gottes zu verbinden pflegen, oder verbinden müßten, sondern es ist bloß reine, treue Darstellung der reinsten Menschlichkeit, und gerade daher fließt der unendlich unwiderstehliche Reiz, daher liegt es allen Wünschen und Hoffnungen eines jeden Herzens so nahe, und bedarf keines fernern Zwecks, keiner andern Bedeutung. Der kleine Johannes ist eine Episode, ein Attribut, welches das Kunstwerk mehr rundet, und die Anordnung desselben vollkommen macht, aber deswegen die Darstellung in ihrem innern Charakter nicht ändern kann. Es darf kaum noch angemerkt werden, daß dieses Fach nicht nur das Ruhige und Reizende, sondern auch das Rührende und Pathetische, und alles, was zwischen diesen beiden Extremen liegt, umfassen kann. Ein sehr schönes Beispiel von der letzten Art ist das Incendio di Borgo,Eins der großen Wandgemälde im Vatikan. in welchem Rafael, mit weiser Überlegung, das Historischbedingte, Dunkle und Mystische dem Rein-menschlichen aufgeopfert hat. Es ist die allgemeine Vorstellung von einer bei Nacht ausbrechenden Feuersbrunst. Aus Verwirrung, Not, Schrecken und Gefahr, welche in solchem Falle zu entstehen pflegen, sind die rührenden Motive gezogen, wodurch das Werk einem jeden Beschauer so wert und so interessant wird. Der Papst, welcher den Segen spricht, und damit dem Feuer Einhalt tut, ist weit zurück, als entfernter Zuschauer, in den Hintergrund verwiesen, wo er auf die Wirkung und den ersten Eindruck des Ganzen keinen entschiedenen Einfluß haben kann. Die Vergleichung dieses Bildes mit der Anlandung der Sarazenen zu Ostia,Ebendaselbst, und eigentlich das Nebenstück vom Incendio di Borgo. ist besonders lehrreich, weil derselbe große Meister darinnen eine fast ähnliche Aufgabe, ganz im entgegengesetzten Sinne, aber auch mit sehr verschiedenem Erfolg behandelt hat. Hier thront der Papst im Vordergrunde und betet, Gefangene werden vor ihn gebracht, in der Ferne ist der Streit vorgestellt. Es fehlt gewiß auch diesem Stück nicht an Verdiensten des Styls, der Zeichnung und Ausführung, aber wenn von Rafaels Bildern im Vatikan die Rede ist, so erwähnt man doch immer desselben kaum oder nur beiläufig, denn es interessiert nicht und ist undeutlich, der Gegenstand ward jetzt durch die Umwendung mystisch, und für die Darstellung widerstrebend, man muß das Vergnügen, welches die Anschauung gewährt, mit der Mühe erkaufen, die Bedeutung zu entziffern, da hingegen das Incendio di Borgo auf einmal, mit allem was es ist und vermag, vor unsern Augen, vor unserer Seele steht, ganz überschaut und begriffen wird.
Historische Darstellungen, wenn sie auf der Basis des Reinmenschlichen der Handlung ruhen, und sich selbst aussprechen, also die Bedingungen eines Kunstwerks als Gegenstand erfüllen, haben darum ein größeres Interesse, weil überdem, daß sie das Gemüt ansprechen, der Verstand noch einen andern Bezug an ihnen ausfindig macht. Sie versetzen uns in andere Zeiten, und machen uns mit merkwürdigen Menschen und Taten bekannt, es treten Weise und Helden, ja zuweilen selbst Götter darinnen auf. Wir machen hier absichtlich keinen Unterschied zwischen Gegenständen, die aus der wahrhaften Geschichte und denen, die aus der Fabel genommen sind, denn obschon sie verschiedene Gattungen auszumachen scheinen, und die letztern besonders sich nahe an das poetische, oder mythische Fach anschmiegen, so würde durch solche Trennung das Ganze vielleicht zu sehr vereinzelt, und doch für die Entwicklung der Regeln, um welche es hier zu tun ist und die sich über das Ganze erstrecken, nichts gewonnen werden. Die historische Darstellung kann zwar jeden Charakter annehmen, sie findet gute Gegenstände von der sanften und gefälligen Art, doch am liebsten wählt sie rührende, erschütternde Gegenstände.
Laokoon, Niobe, der Kindermord, die Pest unter den Philistern und die Schlacht Constantins gegen den Maxentius,Laokoon, Niobe, bekannte Antiken. Schlacht des Constantin, großes Wandgemälde im Vatikan, von Rafael erfunden, von Julius Roman ausgeführt. Pest unter den Philistern, ein seltener Kupferstich des Marc Anton nach Rafaels Zeichnung. als die größten Meisterstücke der Kunst in dieser Art, sind außer den Kunstzwecken noch auf große Wirkung berechnet, und dem zufolge wären Gegenstände, wo Ernst, Traurigkeit, und Schmerz, wo das Pathetische und Tragische herrscht, für historische Darstellungen vor allen andern passend und bequem. Es gereicht dabei dem Künstler zum Vorteil, daß die wilden Leidenschaften, die Grausamkeit, Elend und Not, welche er bildet, durch die Autorität der Geschichte von ihm selbst abgelehnt werden. Vielleicht würde man ihm verargen, wenn er den Mord unschuldiger Kinder, die Angst und das Leiden der Familie Laokoons selbst erfunden hätte; so aber stellt er seinen Gewährsmann dafür, und gegen eine Tatsache läßt sich weiter nichts einwenden.
Indessen sei hier den Vorstellungen grauser und ekelhafter Märtyrerszenen das Wort nicht geredet: die meisten dürften, bei der Untersuchung, als unbequeme Gegenstände für die bildende Kunst erfunden werden, wenn gleich ein geschmackvoller Künstler vielleicht einige dergestalt behandeln könnte, daß weder Auge noch Gefühl beleidigt würde.
Die Bedingung, daß ein Werk der bildenden Kunst sich selbst ganz aussprechen müsse, verengt freilich den Kreis historischer Darstellungen, besonders für einzelne Bilder, deswegen ist es ratsam aus mehrern zusammen einen Zyklus zu formieren, eine Geschichte in ihren Folgen darzustellen, und dergestalt das Kunstgebiet, das Reich der Gegenstände wieder zu erweitern. Denn es sind viele für sich selbst zwar nicht deutlich und also zur Darstellung untauglich, können aber in der Verbindung mit andern brauchbar werden, durch ein vorhergehendes oder nachfolgendes Bild Licht erhalten, und auch wieder zu ihrer Erklärung beitragen.
Der Künstler, welcher es übernimmt, eine Geschichte als Zyklus zu behandeln, oder, um so zu sagen, uns eine Erzählung vor Augen zu stellen, muß zu seinen Bildern die bedeutendsten und für die Darstellung bequemsten Punkte derselben auszusuchen wissen. Die Natur seiner Kunst, welche auf Darstellung einzelner Momente eingeschränkt ist, zwingt ihn Sprünge zu machen, darum muß er acht geben, daß die Zwischenräume sich unvermerkt ausfüllen, er muß alles Weitläufige vermeiden und sich sorgfältig hüten, die eigentliche Folge, oder den durchgehenden Faden der Geschichte zu unterbrechen, der Held sei in jedem Bilde die Hauptfigur, oder wo das nicht angeht, doch eine der Hauptfiguren, und werde überall leicht wieder erkannt. Von der Beobachtung dieser Regeln hängt die Deutlichkeit, das Interesse, und somit der ganze Gewinn ab, welcher der darstellenden Kunst aus dem Zyklus zuwächst. Der berühmteste ausgeführte Zyklus ist in den Logen des Vatikans, wo Rafael die Geschichte des alten Testaments, von der Schöpfung an bis auf Christum, in zwei und fünfzig Bildern, durch seine Schüler malen lassen, auch einige davon selbst ausgeführt, andere retuschiert, zu allen aber die Zeichnungen hergegeben hat. In jeden von den dreizehen Bogen dieser Logen sind am Gewölbe jedesmal vier Bilder gemalt, die im nächsten Bezug mit einander stehen und ein abgesondertes Ganze unter sich ausmachen. Die Geschichte Mosis allein ist in acht Gemälden, durch zwei Bogen fortgesetzt, und der Auszug Loths aus Sodom hat drei Stücke zu Nachbarn, welche den Abraham betreffen.
In Rücksicht auf die Wahl der Gegenstände zum Zyklus sind zwar diese Gemälde keine vollkommenen Muster, und es ist sehr wahrscheinlich, daß Rafael darin nicht seinem eigenen Gutdünken gemäß handeln konnte, sondern eine gegebene Vorschrift zu befolgen hatte; wir bedienen uns ihrer indessen doch als Beispiele, weil sie verschiedene notwendige Bemerkungen herbeileiten, und wir voraussetzen dürfen, daß wenigstens die Kupferstiche davon fast allen unsern Lesern wohl bekannt sind.
In den Bildern, welche die Geschichten Mosis enthalten, scheinen uns die Gegenstände am besten angegeben. Zuerst die Errettung des Kindes aus dem Flusse, hernach seine Berufung zum Führer des Israelitischen Volks, da ihm der Herr im feurigen Busch erscheint, wodurch die beiden Wunder von dem Durchgang durchs rote Meer, und wie, bei Berührung mit dem Stabe, Wasser aus dem Felsen springt, schön vorbereitet werden. Darauf folgt der Empfang der Gesetztafeln auf dem Berge Sinai, und endlich wie Moses solche dem Volk vorhält. So weit könnte das Ganze wirklich für ein Muster zyklischer Darstellung gelten, die Geschichte wäre summarisch, deutlich und in ihren Hauptmomenten vorgetragen; aber zwischen die beiden letzten Stücke ist der Tanz ums goldne Kalb und die Anbetung der Wolkensäule nicht glücklich eingeschoben, sie stehen so müßig als überflüssig da, und sind, für sich allein betrachtet, zwar treffliche, verdienstvolle Bilder, aber aus dem Gesichtspunkte, unter welchem wir hier die Sache ansehen müssen, bloß Lückenbüßer, die dem Hauptzwecke der Deutlichkeit mehr schaden als nutzen; denn im ersten ist Moses eine sehr entfernte Nebenfigur, und das andre gehört eigentlich nicht zur Geschichte und unterbricht die Folge derselben.
Im ersten von den vier Bildern, welche sich auf David beziehen, wird seine Salbung vorgestellt, im andern erlegt er den Riesen Goliath, im dritten sieht man die Batseba sich baden; dadurch aber entsteht eine so große Lücke in der Reihe, daß kein Zusammenhang mehr zwischen diesem und dem vorigen Bilde wahrgenommen werden kann, auch bereitet es den folgenden Triumph nicht vor, und derselbe bleibt also wieder ohne anschauliche Ursache.
Den vier Geschichten von Noah, oder eigentlich der Sündflut, mangelt, um ein vollkommner Zyklus zu sein, der Anfang. Ihnen müßte ein Bild vorangehen, welches den verderbten irdischen Wandel der Menschen darstellte, und hingegen den Noah mit den Seinen als frommer, besser, der Errettung wert zeigte; erst dadurch würde die Erbauung der Arche und die Sündflut vorbereitet werden, denn diese letztere, oder eine jede Überschwemmung und Wassersnot, ist, als allgemein menschliche Darstellung, ein vortrefflicher Gegenstand für die bildende Kunst; soll sie aber historisch bedeutend werden, so muß man notwendig die Arche darin sehen, und um zu wissen, was und warum diese da ist, muß ihre Erbauung, und früher die Ursache der Erbauung vorangehen; nur alsdann, wenn die Sündflut historischbedeutend worden ist, kann sich der Ausgang aus der Arche an dieselbe anreihen und verstanden werden. Endlich macht das Opfer gleichsam den Schlußstein des Ganzen aus, der Zyklus ist dadurch rund und fertig. Man mache den Versuch und nehme dieses Bild von den andern weg, so wird das Ganze nicht mehr vollendet erscheinen; man setze im Gegenteil noch ein Bild hinzu, so wird dieses wieder andere fordern, weil damit ein neuer Zyklus anfängt, es wird nicht recht zurückgreifen, weil der erste geendigt war. Als ein einzelnes Bild wäre das Opfer Noah, wie Rafael solches hier vorgestellt hat, ein unbedeutender Gegenstand, näher bedingt aber, wie in einem Bilde des Nicolaus Poussin im Palast Corsini zu Rom, völlig widerstrebend.
Nun bemerken wir noch unter diesen Rafaelischen Arbeiten Gegenstände von einer ganz andern Natur, welche zwar für einzelne Bilder, wenn auch nicht vorteilhaft, doch mehr oder weniger brauchbar sind, hingegen in den Zyklus nicht passen. Von dieser Art wären die Geschichten Jacobs, die Himmelsleiter, die Töchter Labans beim Brunnen, und der Zug nach Kanaan, keines fordert das andre, keines weist auf das andre zurück, sie sind sich alle ganz fremd. Da wo Jacob mit dem Laban wegen der verwechselten Braut zürnt, hat Rafael in der Bearbeitung eines widerstrebenden Gegenstandes das Möglichste, ja wir möchten wohl sagen, ein Wunder getan.
Hier brechen wir ab, um den Artikel von den vatikanischen Logen nicht über die Gebühr auszudehnen, denkende Künstler werden auf die angegebene Weise nun leicht die übrigen Stücke, nebst allem, was ihnen sonst in diesem Fache noch vorkommen kann, zu beurteilen wissen, sie werden von dem Guten lernen und auch das Fehlerhafte oftmals als Warnung benutzen.
Aus dem Altertum haben sich auf verschiedenen Graburnen zyklische Darstellungen erhalten. Eine der schönsten ist in der Villa Borghese, wo, in vier gesonderten Bildern, die Geschichte des Actäon, mit trefflicher Kunst, in flach erhobener Arbeit, vorgestellt ist. Im ersten Stück, zur Seite rechts, sieht man ihn als Jäger mit Hunden beschäftigt, im andern belauscht er die badende Diana, im dritten erscheint er mit dem Hirschhaupte und wird von seinen Hunden angefallen (diese beiden letzten Stücke sind auf der Vorderseite) im vierten zur Seite links, ist er wieder in völlig menschlicher Gestalt als Leiche zu sehen, ein Mädchen beweint ihn und eine Alte hebt seine Füße auf. Die Hauptmomente der vorgestellten Geschichte sind in diesem Werk mit Verstand gewählt und man wird dadurch vollkommen von Actäons Stand, Beschäftigung, Abenteuer und tragischem Ende unterrichtet.
Auf einer andern großen Urne, in der florentinischen Galerie,Abgebildet in den Monumenti inediti des Guattani, 1784. pag. 43. ist der ganze Lebenslauf eines vornehmen Römers, seine Beschäftigungen, seine Würden im Krieg und Frieden vorgestellt, nicht, wie im vorigen Werk, in besondere Bilder geteilt, sondern alles hängt zusammen und macht ein Ganzes aus. Auf der rechten Seite empfangen die Parzen das Kind von der Mutter, und schreiben sein Schicksal auf eine Kugel, dann wird der Knabe von seinem Lehrer in den Wissenschaften und Künsten unterrichtet, zum Manne gereift vermählt er sich, bringt Opfer, stehet auf einem erhöhten Postament, der Friede hinter ihm, eine Frau und ein kleines Mädchen scheinen um Schutz zu bitten. Er jagt wilde Tiere, sitzt endlich und ruht aus, in der Hand einen Zepter haltend, die Rüstung wird ihm abgenommen. Ein Triumphbogen zeigt seine Siege an.
Das Charakterbild unterscheidet und erhebt sich als Gegenstand über die historische Darstellung dadurch, daß alle Figuren desselben für sich interessieren müssen und die Handlung ihnen nur zur nähern Bezeichnung, oder Versinnlichung des Charakters beigelegt, anerfunden und um deswillen untergeordnet ist. Im historischen Bilde hingegen sind die Figuren um der Handlung willen da, sie stellen solche dar, jene aber werden durch die Handlung dargestellt, dort ist sie das Mittel, hier der Zweck.
Das reinste und vollkommenste Beispiel in dieser Gattung von Kunstwerken, wäre nach unserer Meinung die Schule von Athen, von welcher auch die obigen Bestimmungen hergenommen sind, neben derselben wird der Parnaß seinen Platz behaupten können. Auch des Guido herrliches Bild von S. Peter und PaulIm Palast Zampieri, zu Bologna. muß unter den vorzüglichsten genannt werden, wiewohl es von kleinerm Umfange ist. Der Disputa über das Sakrament wird alsdann gedacht werden, wenn von mystischen Gegenständen die Rede sein wird, wiewohl sie von Rafael als Charakterbild, um der Schule von Athen entgegen zu stehen, behandelt worden.
Sonder Zweifel hat auch die alte Kunst in diesem Fache viel vortreffliches geleistet und man kann die vom Pausanias beschriebenen Gemälde des Polygnotus, in der Lesche zu Delph, füglich hieher rechnen. Auch ist uns in dem Basrelief auf der berühmten Medicäischen VaseIn der Florentinischen Galerie. ein eigentliches Charakterbild übrig geblieben, denn der Künstler hat, wie es scheint, keinesweges eine Opferung der Iphigenia vorstellen wollen, die Figuren stünden wohl sonst nicht so gesondert um das Gefäß her, und wären durch Handlung mit einander verbunden, auch nehmen sich weder Agamemnon noch Iphigenia, als Hauptfiguren, über die andern besonders aus, und der Altar mit der Bildsäule der Diana, an welchem diese letztere sitzt, kann für nichts anders als für ein beigelegtes Zeichen, oder Attribut gelten, wodurch die Figur kenntlich gemacht wird. Dieses Werk wäre also, nach allen Abzeichen, ein Charakterbild der vornehmsten griechischen Heroen, die in der Geschichte des Trojanischen Kriegs berühmt sind.
Zu dem Rang des Charakterbildes erheben sich auch Bildnisse von der Art wie Leo X. zwischen zwei Kardinälen, die Halbfigur von Kardinal Faedra, und das Kniestück von Julius II, alle zu Florenz von Rafael; der sogenannte Schulmeister, Machiavel und Cäsar Borgia in der Gal: Borghese und das nicht ausgemalte Bildnis von Paul III mit ein paar andern Figuren, zu Capo di Monte in Neapel, von Tizian. Die Handlung der vorgestellten Personen zeigt den Charakter an, alles ist bedeutend, wahrhaft lebendig. Alles stimmt in sich selbst überein. Es sind Abbildungen vom Menschen selbst, von seinem Wesen, seinem Innern, nicht nur eine unbedeutende Ähnlichkeit mit der äußern Gestalt desselben.
Poetische Bilder im engern Sinn, welche erfundene Gegenstände darstellen, mythische und allegorische Bilder scheinen in der bildenden Kunst noch höher als das Charakterbild zu stehen, weil sie meistens aus symbolischen, bedeutenden Figuren zusammengesetzt sind. Hier ist das Wunderbare eigentlich am Platz, es sind großenteils Szenen aus dem goldnen Zeitalter, oder Erscheinungen, die im Äther schweben. In ihrer ganzen Darstellung muß mehr Schwung und Glanz herrschen als bei historischen Gegenständen, und sie sollten immer durch etwas Außerordentliches, Überraschendes, Unerwartetes den Zuschauer in ein angenehmes Erstaunen setzen. Es ist schwer die Grenze auszumachen, wo die erfundenen Gegenstände in der bildenden Kunst gegen die historischen und allegorischen aufhören. Vielleicht löst sich der Knoten am leichtesten dadurch, wenn man alles Wunderbare, Übernatürliche poetischen Gegenständen beizählt. Rein allegorische Gegenstände würden wir aber diejenigen nennen, welche, unter der Außenseite des poetischen, historischen oder symbolischen Bildes, eine wichtige, tiefe Wahrheit verbergen, die der Verstand erst dann entdeckt, nachdem der befriedigte Sinn nichts mehr zu erwarten hat. Allegorien überschreiten daher gewissermaßen, schon als solche, die Grenzen der Kunst, und sind nur in dem Falle zu dulden, wenn sie richtig und treffend sind; und nur wenn sie es in außerordentlichem Grade sind, können sie auf Lob und Bewunderung Anspruch machen, um des außerordentlichen Aufwands willen von Geist und von Genie, welcher dazu erforderlich ist.
Künstler, die dergleichen Gegenstände behandeln wollen, dürfen darum das Gewagte ihres Unternehmens nie vergessen, und sollten sich, um der fernern Beziehung willen, auf welche ihr Bild angelegt ist, keine einzige von den Bedingungen und Forderungen, die man sonst an ein Kunstwerk machen kann, erlassen glauben. Überdem mögen sie sich ja hüten, die Allegorie zu verstecken. Sie muß klar, faßlich, reich an Gehalt sein, und keine falsche Auslegung, oder Zweideutigkeit zulassen, nur dem Scheine nach verborgen, aber wirklich so nahe liegend, daß auch selbst der beschränkte Verstand sie entdecken kann.
Die poetische Form der Kunstwerke erscheint uns, bei den neuern, nirgends reiner und eleganter als in der Aurora des Guido Rheni, im Palast Rospigliosi zu Rom. Den zweiten Platz behauptet die schlafende Venus mit Amorinen umgeben, ein Meisterstück des Hannibal Carracci, in der Galerie zu Capo di Monte in Neapel, und auf diese folgt Rafaels Galathea, in der Farnesina. Die Aurora des Guercino in der Villa Ludovisi, weniger edel im Styl, ist darum nicht weniger naiv und gefällig.Beide letztern gleichfalls zu Rom. Albano hat sich in der Galerie Verospi und vielen andern Werken sehr zierlich und elegant, oft sogar fein gezeigt, weswegen er auch mit Recht in poetischen Darstellungen unter die ersten Meister gezählt zu werden verdient, doch haben seine Gedanken meistenteils mehr Schein und Glanz als Tiefe und Gewicht. Wir möchten daher den Julius Romanus ihm vorziehen, welcher zwar überhaupt nicht so lieblich und anmutig, aber groß und weit kräftiger ist, und den Beschauer durch das Unerwartete zu überraschen weiß. Seine poetische Ader strömt freilich nicht immer ganz rein, aber immer voll, und wird bisweilen ein mächtiger reißender Strom. Der Palast del T. zu Mantua enthält mehrere Beispiele poetischer Erfindungen, die diesem Meister Ehre machen, und vorzüglich sind die Eilf Bilder am Gewölbe des kleinen Portikus im Gartengebäude ein schönes zyklisches Ganze dieser Art. Das Bildchen, im Palast Pitti zu Florenz, welches den Apollo mit den Musen tanzend vorstellt, verdient ebenfalls als vorzüglich angemerkt zu werden.
Unter den Werken der alten Kunst ist uns kein Hauptstück von der poetischen Gattung übrig geblieben, und hierüber müssen wir uns an den Nachrichten des Philostratus und anderer genügen lassen. Indessen sind wir doch nicht ganz leer ausgegangen. Die Bachantin, welche den Centaur mit dem Tyrsus antreibt, unter den herculanischen Gemälden, ist ein kleines doch vortreffliches Werk, und es wären noch andere aus eben der Sammlung zu erwähnen. Wir erinnern uns eines Basreliefs, wo Cybele auf dem Löwen reitet, und die Jahrszeiten ihr folgen. Ferner ist der Onix im florentinischen Cabinet, wo man in der Mitte auf einem hellen runden Fleck den Sonnenwagen und am Rande des Steins rund umher den Zodiakus eingeschnitten sieht, schön erfunden.
In den Allegorien sind die Alten sehr glücklich gewesen. Die bekannte Gruppe von Amor und PsycheDie bekannteste war im capitolinischen Museum; eine noch besser gearbeitete ist zu Dresden, von dem Restaurateur zu Kaunus und Biblis umgeschaffen; eine befindet sich in der florentinischen Galerie und andre anderswo. Auch kommt die Vorstellung auf Basreliefen und sonst häufig vor. ist Allegorie und Symbol zugleich. Schwerlich ist jemals in eines Menschen Geist etwas lieblicheres und zarteres aufgestiegen, der Verstand ist befriedigt, das Gemüt erfreut, das Herz ist entzückt, und schlägt dem Werk froh entgegen, welches reizt, ergreift und unsere schönsten Empfindungen aufregt, die Kunst überschüttet uns darin mit allen ihren Wohltaten.
Eine fast eben so vollkommene Allegorie ist der Amor mit der Beute des Herkules,Eine Vorstellung, die sehr oft sowohl auf Gemmen als in Statuen vorkömmt, die schönste von diesen ist in der Villa Pamphili. die liebliche Verkappung des Knaben, seine harmlose kindische Freude darüber! Das ganze ist so natürlich, so innig den Neigungen und Scherzen der Kinder angepaßt. Haben wir uns nun an der Natur, der Naivität des Bildes erfreut, so bemerken wir endlich, daß der Knabe Flügel hat, es ist Amor, der sich nicht kindisch freut, in der Löwenhaut zu stecken, die Keule zu tragen, er freut sich und triumphiert, daß er den Herkules bezwungen hat. Der Verstand entdeckt nun des Künstlers Absicht, der da sagen will: Die Liebe besiegt auch die Stärksten. In der Tat es war ohnmöglich, diese Wahrheit deutlicher auszusprechen, und lieblicher einzukleiden.
Überhaupt war die Liebe, dieses große Triebrad der Welt und des menschlichen Lebens, für die Kunst, besonders bei den Alten ein sehr fruchtbarer Stoff zu Allegorien, wir sehen daher den Eros und Anteros, auf einer Gemme in der florentinischen Sammlung, das Weltall halten. Bald ist Amor ein Bildner, bald mißhandelt er Psychen, und schleppt sie bei den Haaren hinter sich her, ferner errichtet er ein Siegeszeichen, er zerbricht Jupiters Donnerkeil. Ein Basrelief im capitolinischen Museum hat Amorinen, welche die Attribute aller Götter im Triumph aufführen.
Wenn Hercules oder Pallas eine Victoria in der Hand tragen, wie man jenen auf einem Basrelief am Bogen des Constantin, und diese auf geschnittenen Steinen vorgestellt sieht, so ist zwar der Begriff, daß durch Stärke oder durch Weisheit der Sieg erlangt wird, leicht faßlich, und die Allegorie gut, aber doch schon nicht mehr so vollkommen, wie Amor und Psyche, oder der Amor mit der Beute des Hercules, diese erfreuen uns als Abbildungen der schönsten Natur, ungeteilt, und scheinen nichts weiter hinter sich zu verbergen, man bewundert sie nachher, indem man ihre zweite Seite betrachtet, wo sie bloß als Gedanke erscheinen, und als solcher nun nicht weniger vollkommen sind. Alle die andern, welche wir angeführt haben, sind schon mehr Zeichen, sie verraten sich schon dem ersten Anblick als Rätsel, die einen weitern Sinn haben, und täuschen nicht so durch das Natürliche, wie die ersten, in doppelter Rücksicht vollkommenen Werke.
Bei den neuern findet sich zwar kein Beispiel von dieser höchsten Vollkommenheit, doch mehrere die wohlgeraten und löblich sind, wo der Künstler dem Ziele wenigstens nahe gekommen, wenn er dasselbe auch nicht vollends zu erreichen vermochte.
Die Liebes Götter, welche die Vögel wecken, in der Aurora des Guercino,Villa Ludovisi zu Rom. sind in der Tat eine Allegorie voll Anmut und Naivität. Es ist so natürlich, daß Kinder hinter Vögeln her sind, dieselben necken und jagen, es ist so wahr, daß alle Kreaturen von der Liebe beunruhigt werden. Man möchte vielleicht nur bloß überhaupt dagegen einwenden, daß der ernste Sinn in ein zu scherzhaftes Bild eingehüllt sei, und auch nicht unzweideutig, klar und faßlich genug in demselben liege, um für eine ganz vollkommene Allegorie gelten zu können; nichts desto weniger bleibt sie eine der glücklichsten, welche die neuere Kunst hervorgebracht hat.
Ein anderes treffliches Werk ist die Fortuna des Guido Rheni.Ehemals in der capitolinischen Galerie, jetzt in Frankreich. Sie ist in der Scola Italica in Kupfer gestochen. Sie ist aber schon mehr Zeichen; Zepter, Krone und Palme, die sie hält; der Erdball, über welchem sie schwebt, lassen sogleich einen allegorischen Sinn vermuten, und wir haben vorhin gezeigt, daß dieser den Genuß und Eindruck des ersten Anblicks nicht stören soll. Der Genius hingegen, der die flüchtige Fortuna bei den Haaren faßt, und zurückhält, ist vollkommen glücklich gedacht, es ist so naiv und natürlich, daß der kleine, mutwillige Knabe mit den flatternden Haaren des Mädchens spielt, sie zupft und faßt und nicht lassen will, und, wenn der Gedanke an den Unbestand, an die Flüchtigkeit des Glücks für sich selbst etwas trauriges hat, so wird er hier, durch eine gefällige Umwendung tröstlich und ermunternd. Der Genius hält das Glück fest! und wer ist nicht mit diesem Ausspruch zufrieden?
Genau erwogen, wäre die Außenseite oder die Form an dem vorgedachten Beispiele von Guercino allerdings günstiger, weil die Allegorie mehr bedeckt ist, aber an Guidos Bild ist das Innere oder der Bezug mehr wert. Der Unterschied zwischen beiden ist nur, daß jenes, wenn es auch nicht verstanden wird, nichts zu verlieren scheint, und allemal noch ein anmutiges vollendetes Bild bleibt, dieses aber muß schon verstanden werden, sonst geht das beste davon verloren.
Wir würden zwar noch mehrere Beispiele von guten und trefflichen Allegorien aufstellen können, allein die Resultate, welche aus den angeführten herzuleiten sind, möchten hinlänglich sein, zur Bestimmung der Erfordernisse dieser Art von Gegenständen an Kunstwerken.
Eine untergeordnete Art der Allegorie möchten wir die Anspielung nennen,Sie gehört eigentlich in die Lehre von den Spezial-Motiven. und dem Künstler darum bestens empfehlen, weil sie sich in jedem Bilde anwenden läßt. Es kann nämlich in Benehmen und Handlung der Figuren etwas bedeutendes liegen, welches noch mehr erraten läßt, als wirklich dargestellt ist; der Beschauer wird alsdann von dem Künstler und dem Kunstwerk bis über die Grenzen der Kunst hinausgeführt, und in dieser Art war Rafael der größte Meister, dem auch seine Charakterbilder häufig Gelegenheit darboten, sein Talent zu zeigen. So ist z. B. an der Figur des Abraham, im Gemälde von der Disputation über das Sakrament, der innere Schmerz, welchen er zurückhalten will, und die stürzenden Tränen eine schöne Anspielung auf die Aufopferung Isaaks. Es wird auf diese Art der Gehorsam, die Unterwerfung des Patriarchen in den Willen Gottes, ohne Zweifel, edler bedeutet, als durch den widerstrebenden Gegenstand des Opfers selbst hätte geschehen können.
Im Parnaß betrachtet und bewundert Horaz den Pindar, Petrarch schaut mit Liebe auf seine Laura, Socrates unterrichtet, Diogenes sitzt allein und abgesondert in der Schule von Athen, dieses läßt uns ihre Neigungen, Gesinnungen, Lebensweise sehen. Dergleichen feine Züge, die einzeln in den Teilen eines Bildes zerstreut sind, erhöhen das Interesse desselben ungemein, sie sind nicht sowohl eine Forderung, die wir an den Künstler zu machen befugt sind, als vielmehr ein Zumaß, welches er uns aus der Fülle seines Vermögens zu geben im Stande war, und wofür er unsre Bewunderung in Anspruch nimmt.
Correggio hat zuweilen in Nebenwerken auf den Charakter seiner Figuren angespielt, wie mit dem weißen Hasen in der sogenannten Zingara und dem Stieglitz in der Vermählung der heiligen Catharina,Beide in der Galerie auf Capo di Monte in Neapel; das erste ist eine Mutter Gottes, mit dem schlafenden Kinde, in einer einsamen Gegend sitzend, und ruhend. Ihr Gewand und Kopfputz nach Orientalischer Art, ist an dem uneigentlichen Beinamen la Zingara (die Zigeunerin) schuld. die Nähe dieser scheuen Tiere, und daß sie ihrer Furcht vergessen, soll den Begriff der Unschuld und Reinigkeit der handelnden Personen erhöhen, die Ruhe und Stille der Szene bezeichnen. Wir sehen eben dieses auch auf einem Sarkophag im Capitol. Museum, wo die Genien des Schlafs und des Todes vorgestellt sind, und Hasen sitzen zu ihren Füßen, ebenfalls als Anspielung auf die Stille des Schlafs. Man kann aber bei dieser Manier die Vorsicht und Mäßigung nicht dringend genug empfehlen. Correggio selbst ist in seiner JoBerühmtes Gemälde, ehemals in der Sammlung der Königin Christina, aus deren Verlassenschaft es an den Herzog von Orleans kam. Aus frommem Eifer ward es verstümmelt, in der Folge aber wieder repariert, und soll jetzt im Palaste Sansouci aufbewahrt werden. Dü Change hat dasselbe schön in Kupfer gestochen. zu weit gegangen, daß er einen trinkenden Hirsch angebracht hat, um dadurch auf die Brunst des Jupiter anzuspielen. Wie sollte, durch ein so unbestimmtes Zeichen, der Ausdruck oder die Bedeutung vermehrt werden können? da das Bild die Umarmung, und also die Sache selbst, welche bedeutet werden soll, dem Beschauer vor Augen stellt.
In symbolischen Figuren der Gottheiten oder ihrer Eigenschaften, bearbeitet die bildende Kunst ihre höchsten Gegenstände, gebietet selbst Ideen und Begriffen uns sinnlich zu erscheinen, nötigt dieselben in den Raum zu treten, Gestalt anzunehmen, und den Augen anschaulich zu werden; ja wir würden diese Wunder schwerlich für möglich halten, wenn nicht die Alten solche wirklich geleistet und in ihren Werken aufgestellt hätten. Der große Zyklus der zwölf obersten Gottheiten, und die kleinere der Musen, der Grazien, Horen, Parzen u. s. w. greifen alle, wie Räder eines Uhrwerks, zum Zweck eines vollendeten Ganzen in einander; sie umfassen, füllen und begrenzen auch, wie es scheint, das ganze Gebiet der Kunst im Charakteristischen, im idealisch Erhabenen, im Gefälligen, Reizenden und Schönen.
Den Göttern, als Wesen, die über alle Not, Gebrechen und Dürftigkeit erhaben sind, kommen die Leidenschaften nicht zu, und die beste Kunst hat daher alle Bilder derselben in Ruhe dargestellt. Die Schönheit, das Große in den Formen, ihr Ernst, ihre majestätische Würde, zwingt Ehrfurcht ab, setzt in Erstaunen. Da wo sie sich näher zum Menschen hinneigen, und zärtliche Gefühle erregen, wo Huld, Freundlichkeit und Liebe eintritt, werden wir angezogen, und Venus, die schwesterlichen Grazien, Amor und Psyche herrschen nicht durch Hoheit, nicht durch Gewalt, sondern durch die Wahl unserer Herzen. Bei Gestalten, welche schrecken sollen, wie z. B. die Furien, nimmt sich die echte Kunst vor dem Scheußlichen und Verzerrten in acht, sie erreicht ihren Zweck edler durch Großheit, welche bis zum Strengen, zum Furchtbaren getrieben werden kann.
Obschon die alten großen Muster der neuern Kunst den Weg gebahnt, so hat dieselbe sich doch in ihren Symbolen nie zu gleicher Höhe empor schwingen können. Die besten Figuren von Gott Vater sind immer ernst und von sehr strengem Charakter, und kommen dem Jupiter der Alten nicht gleich, welcher sie nicht nur in schöner Form der Glieder übertrifft, sondern neben dem Erhabenen und Gewaltigen, auch noch väterlich, milde und gütig ist. Christus ist liebreich, sanft, fromm, duldend und gut, aber in unsern Bildern meistenteils auch schwach, und darf oft nicht anders vorgestellt werden, wenn das Bild mit sich selbst und der vorgestellten Handlung in Einheit bleiben soll, wie wir weiterhin ausführlicher dartun werden.
Hingegen gewährt keine von allen uns bekannten Mythen der bildenden Kunst als Gegenstand so viele Vorteile als die Madonna. Der sanfteste Reiz, das höchste Anziehende und Tröstende liegt in ihr, der Himmel knüpft sich gleichsam mit der Erde zusammen, in der allmähligen Steigerung ihres Charakters durch verschiedene Stufen vom Menschlichen zum Göttlichen. Wo sie menschlich handelt, mit ihrem Kinde beschäftigt ist, dasselbe pflegt, herzt, u. s. w. da ist sie uns das Symbol der Mutterliebe, des gemütlichsten, reinsten und zartesten Triebes im Menschen; sie verliert darum an Innigkeit, an dem Anziehenden und Rührenden für uns, wenn sie in ihrem menschlichen Zustande anders als eine liebende Mutter dargestellt erscheint, denn wir haben ja von der Mutterliebe keinen höhern, keinen schönern Begriff als die Mutterliebe selbst. Deswegen ist auch Michel Angelo zu tadeln, daß er seiner trefflichen Statue von der Madonna, in der Sakristei zu S. Lorenzo in Florenz, einen Junonischen großen Charakter beizulegen strebte, da sie doch das Christkind an ihrer Brust tränkt.
Wo sie menschlich handelt, auf Erden ist und lebt, da sei sie menschlich, sie werde unschuldig, zart, sanft, so edel und liebenswürdig als möglich gebildet, wie Raphael getan, von dessen Bildern mehrere auf dieser Seite wenig zu wünschen übrig lassen, und vielleicht hat er in der Madonna della Sedia die Vollkommenheit erreicht, und in Rücksicht des Zarten und Innigen gar über die Alten triumphiert. Wo sie aber verklärt oder als Erscheinung auftritt, schwebend von Engeln getragen, angebetet, wo sie Mutter Gottes, Himmelskönigin ist, da erhalte sie einen göttlichen hohen Charakter, nicht junonisch und stolz, auch nicht kalt und strenge, wie Pallas, darf sie sein, sondern dem Erhabenen sei Liebe und Güte beigemischt; der genannte große Meister hat diesfalls in seinem herrlichen Bilde zu Dresden gewiß schon vieles geleistet, aber es war freilich weder in seinem noch irgend eines andern neuern Künstlers Vermögen, alle Forderungen zu erfüllen, die an einem solchen Gegenstand gemacht werden können.
Wenige von den Symbolen, welche in dem Bezirk der christlichen Mythe liegen, und also der neuern Kunst ausschließlich angehören, sind von ihr nach Vermögen bearbeitet, und es ist hier ein weites ergiebiges Feld fast ganz unbenutzt liegen geblieben. Die Alten hatten für alle Symbole der höhern und niedern Gattung eine gemessene Form oder Typus, welchen die vortrefflichsten Meisterstücke angegeben, und wovon die Kunst, da sie ihn einmal als gut und unübertrefflich anerkannt hatte, nicht mehr abwich. Obschon der Styl sich änderte, so blieb doch die Form immer dieselbe, es gab zwar bessere und schlechtere Bilder, aber sie waren alle nach Einem Gesetz gemacht; die Neuern hingegen scheint die Liebe zum Neuen von der verbesserten Reproduktion schon vorhandener Gestalten und Charaktere abgehalten zu haben, und so konnte kein beständiger fester Typus entstehen, denn derselbe Charakter erheischt allemal auch eine Annäherung an eben dieselbe Form; sie entfernten sich aber geflissentlich von derselben, um dem Vorwurf der Nachahmung auszuweichen, und legten die Bedeutung ihrer Figuren in das Attribut. Also erkennen wir den S. Petrus nicht an seiner Gestalt, nicht aus seinen Zügen, sondern durch die Schlüssel, den Paulus nur an dem Schwerte u. s. w.
Die Figuren von Gott Vater, und besonders die von Christus verhalten sich in Gestalt und Zügen noch am meisten gleich und beständig, wiewohl das Ideal von beiden vielleicht glücklicher gedacht sein könnte. Aber warum hat beinahe ein jeder Maler seine eigne Form für Madonnen? und warum folgte man nicht allgemein, wenigstens in denen vom höhern Charakter dem oben angeführten Beispiele von Rafael nach? Eben dieser große Meister stellte Johannes den Täufer als Jüngling und als Mann fast unübertrefflich dar. Gleichwohl haben die Nachfolger sich diese Muster nicht wie sie gekonnt und gesollt hätten, zu nutze gemacht, und sind vielfältig davon abgewichen.
Einen Hauptirrtum gegen den Geschmack und das vorhin aufgestellte Prinzip der Kunst in symbolischen Gestalten, haben fast alle neuere Künstler darin begangen, daß sie die bösen Geister nicht gräßlich, nicht verwünscht und abscheulich genug darstellen zu können glaubten. Es war umsonst, daß die Furien, Medusen und andere Schreckgestalten der alten Kunst ihnen einen bessern Weg zeigten. Man beklagt sich so oft darüber, daß unsere Mythen dem Künstler den Vorteil nicht gewähren, welchen die Alten von den ihrigen ziehen konnten. Im Ganzen genommen ist dieses unstreitig wahr. Aber wir haben ja auch das nicht benutzt, was uns von den unsrigen angeboten wurde. Die Apostel hätten ein schöner Zyklus werden mögen, eben so die Evangelisten, Propheten und Sibillen. Nun ist freilich keine Zeit mehr, das Versäumte nachzuholen, und die Erkenntnis des Schadens muß uns genügen.
Nachdem wir die günstigen und bequemen Gegenstände, und zwar solche, welche sich über die rein menschlichen erheben, bis zu den symbolischen, durchgegangen, so ist es nun Zeit von andern zu sprechen, welche man zwar tiefer als die rein menschlichen setzen, jedoch, ob sie gleich niedrigere Kunstgattungen ausmachen, gleichfalls für die bildende Kunst statthaft und bequem erklären muß, sobald sie sich selbst nur deutlich aussprechen, welches sie gewöhnlich leisten, eben weil sie aus der wirklichen Natur genommen sind, und keine sehr hohen Ansprüche machen.
Hier hat besonders der äußere Sinn des Künstlers sich zu zeigen, sein Auge muß sich als zartfühlend für Farbe und Haltung legitimieren, sein Pinsel muß, in den meisten Fällen, fein und reinlich arbeiten. Der höchste Grad der Ausführung gereicht ihm zum Lobe, und, ob ihm gleich Ansprüche an höhere Wirkungen nicht versagt sind, so ist doch meistens sein Zweck nur heiter und sinnlich zu wirken. Dieses gilt besonders von
Die Welt, welche durch diese Art von Kunstwerken dargestellt wird, ist die wirkliche Welt, die wir anschauen, in der wir leben, deren Gegenstände uns bekannt und deutlich sind, wenn sie auch nicht immer bedeutend sein sollten.
Galante Unterhaltungen zwischen Männern und Frauen, Marktschreier, Obst- und Geflügelhändler, Tobacksgesellschaften, trinkende Bauern und andere dergleichen Vorstellungen, welche uns besonders die niederländische Maler hinterlassen haben, reizen durch Wahrheit und Natürlichkeit, oft durch eine wackre und markige, oft durch eine äußerst saubere Behandlung.
Doch erfreuen uns Bilder dieser Art am meisten, wenn der Künstler nicht bloß das gewöhnlich Natürliche darstellt, sondern solche Motive zu erhaschen weiß, die sich durch Naivität auszeichnen. Wir werden künftig Gelegenheit finden hiervon mehrere Beispiele anzuführen, gegenwärtig halten wir uns bei dieser Gattung nicht auf, weil viele unserer Leser sie gar wohl kennen, ja vor Augen haben, und die meisten wohl mit unserer kurzen Äußerung einstimmig sein werden.
Darstellungen aus dem Tierreiche haben zwar ihrer Natur nach ein geringeres Interesse als Darstellungen menschlicher Handlungen, die uns näher angehen. Unsere Teilnahme an solchen Gegenständen wird jedoch erregt durch den mannigfaltigen Ausdruck von Ruhe, Bewegung Begierden und Leidenschaften. Das Kraftvolle, das Pathetische, spricht uns auch hier an, und die Gestalten sind edler Formen fähig.
Da bei den Tieren überhaupt weniger Individualität als bei den Menschen gefunden wird, und ein jedes seine ganze Gattung repräsentiert, da ihnen die Sprache fehlt, der größte Teil ihrer Äußerungen sich auf den Ausdruck der Gebärde reduziert, so folgt notwendig daraus, daß fast alle mögliche Fälle ihrer gegenseitigen Verhältnisse, Handlungen und Neigungen zur Anschauung gebracht werden können, und als Gegenstände für die bildende Kunst zwar von mehrerm oder minderm Interesse sind; aber doch durchaus für statthaft gelten müssen. Wir erinnern uns auch nicht leicht eines Tierstücks, von alter oder neuer Kunst, dessen Gegenstand nicht vollkommen deutlich gefaßt werden könnte, und einer Auslegung benötigt wäre.
Jedoch ist nicht zu leugnen, daß auch in diesem Fach Gegenstände vorkommen können, die widerstreben, und ohnmöglich deutlich zu machen sind; wenn man nämlich von der allgemeinen Darstellung der tierischen Welt, auf besondere Begebenheiten, übergehen, wenn man Tiergeschichten, oder Dichtungen von Tieren vorstellen wollte, welche noch etwa gar einen moralischen oder politischen Sinn hätten, wie die Fabeln des Aesops, des la Fontaine und dergleichen.
Beispiele des höchsten Sinnes, in Darstellungen der Tiere müssen wir, wie in so mancher andern Kunstgattung, unter den Resten der alten Kunst suchen. Der Eber zu Florenz, der große Löwe vor dem Arsenal zu Venedig, der Löwe, welcher das Pferd zerreißt, im Capitol, der Justinianische Bock etc., sind in ihrer Art so vollkommen als irgend andere von den bewundertesten Kunstwerken.
Auf dem Wege des Großen und Mächtigen und Pathetischen folgte ihnen, in neuern Zeiten, Sneyders und einige seiner Schüler. Hingegen Bassano, Bergheim, Potter, Roos u. a. haben den stillen, ruhigen Zustand der Viehherden, treffend und sehr natürlich dargestellt.
Darstellungen, aus der belebten, sich bewegenden Natur üben ohne Zweifel mehr Macht über unsere Empfindungen aus und behaupten allerdings den Vorzug vor den Landschaften, die mit einer weit mäßigern Wirkung zufrieden sein müssen; sie sind aber dennoch gute, und brauchbare Gegenstände, für die bildende Kunst, oder vielmehr ausschließlich, nur für die Malerei. Sie ruhen auf sich selbst, sind klar, und keiner Zweideutigkeit unterworfen. Überdies können sie auf die verschiedenste Weise behandelt werden, und sind durch Mannigfaltigkeit ihres Charakters fähig, unser Gemüt angenehm zu beschäftigen, zur Fröhlichkeit, oder zum Ernst zu stimmen. Wem wird nicht wohl zu mute, wenn Claude Lorrain ihn unter heitern Himmel, in angenehme Gegenden führt, wo sanfte Lüfte in den Bäumen spielen, das Meer am Ufer plätschert, und Strahlen der sinkenden goldenen Sonne auf den Wellen tanzen? Caspar Poussin erhebt das Herz durch große einfache Naturszenen. H. Schwanefelds einsame und ruhige Gegenden laden zum stillen Genuß seiner selbst ein, und die Wildnisse des Salvator Rosa, wo über öden Klippen drohende Gewitter aufziehen, erregen ein schauerliches Gefühl in uns.
Wir nennen gleichgültige Gegenstände für die bildende Kunst diejenigen, welche an und für sich nichts Bedeutendes, Anziehendes oder Rührendes enthalten, welche uns in Ruhe und Untätigkeit lassen, wenn sie gleich darstellbar und faßlich sind. Hier tritt der Fall ein, daß der Künstler, im eigentlichsten Sinne, das Kunstwerk selbst erschafft, weil er notwendig dafür sorgen muß, durch Ausbildung des Ganzen, durch kluge Erfindungen im Einzelnen, welche nach den Umständen von seiner Willkür abhängen, dem Werk ein Interesse zu geben. Da der Stoff selbst keinen Wert hat, sondern bloß leidend ist, so kommt es ganz darauf an, was er aus demselben machen will und kann.
Die Künstler alter und neuer Zeiten haben, öfter als man vermuten sollte, sich mit dieser Art von Gegenständen beschäftigt, und sie vielleicht deswegen so reizend gefunden, weil sie dem Genie den weitesten Spielraum gestatten, da hingegen die Strengbestimmten, Gehaltreichen, auch eine ernste gemeßne Form verlangen, welche ausgefüllt werden muß, und nicht überschritten werden darf.
Gleichgültige Gegenstände sind uns also: mystische Bilder, pompöse Darstellungen, als Opferaufzüge, Triumphe, Mahlzeiten, sodann Bildnisse von der gewöhnlichen Art, landschaftliche Aussichten, Frucht- und Blumenstücke, totes Wild und dergleichen.
Mystische Bilder nennen wir diejenigen, in welchen Geheimnisse, Meinungen und Lehren, besonders der christlichen Religion vorgestellt sind.
Von wenig Gegenständen, welche man aus der christlichen Überlieferung wählen möchte, kann man sagen: die historische Seite derselben sei deutlich, sie könne durch Darstellung vollendet werden, und diese möchten allenfalls den Gegenständen ähnlich sein, die wir vorhin poetische oder mythische genannt haben, darunter ist die Geburt Christi, die Auferstehung und Himmelfahrt, nebst der Himmelfahrt der Madonna zu zählen.
Manche sind widerstrebend, von denen unten gehandelt werden soll, von den gleichgültigen aber sei hier die Rede.
Dahin gehört vornehmlich jene Menge von Bildern, worauf die Madonna, nebst heiligen Patronen von Städten, Familien, Kirchen und Klöstern, zusammen auf Eine Tafel bestellt worden. Nach der Einfalt der frühern Kunst sind dergleichen Figuren ganz ohne Verbindung, oder doch ohne interessantes Verhältnis neben einander hingestellt, hingegen pflegten die größten Meister der schönsten Zeit eine passende Handlung dazu zu erfinden, wodurch das Gleichgültige oder vielmehr Frostige des Gegenstandes bezwungen wurde.
Dieses Verfahren mag dieselbigen Schwierigkeiten haben, welche der Dichter findet, wenn er ein Gelegenheitsgedicht, oder ein Gedicht in obligaten Reimen zum Werke des Genies machen soll, und wir haben in der bildenden Kunst solche Wunderwerke z. B. die Madonna dell Impannato von Rafael und die Madonna di St. Girolamo von Coreggio, diesen sieht man den Zwang so wenig an, daß die Kunstrichter bisher die Schwierigkeiten, welche die großen Künstler zu bekämpfen hatten, gar nicht in Anschlag brachten, vielmehr noch Ursache zu haben glaubten, über Verletzung der Chronologie zu klagen. Eine nähere Anzeige dieser Bilder wird unsere Leser in den Stand setzen, näher von der Sache zu urteilen.
Die Madonna dell Impannato hängt in der Galerie des Palasts Pitti zu Florenz, und war ehemals das Altarblatt einer Hauskapelle der medicäischen Familie. Ihren Namen erhielt sie daher, weil Rafael, im Grunde des Bildes, ein mit Papier oder Leinwand überzogenes Fenster, nach alter Italiänischer Sitte, angebracht hat. Die Madonna steht, und ist im Begriff das Christkind der h. Elisabeth zuzureichen, diese sitzt und hält die Hände hin, dasselbe zu empfangen. Maria Magdalena steht hinter ihr, zeigt auf Johannes, und spricht freundlich zum Christkind, welches noch an der Mutter Hals hängt, und sich gegen die Maria Magdalena umwendet, lachend und scherzend, voll Freude und Liebe. Johannes sitzt im Winkel rechts zuvorderst im Bilde auf einem Tigerfelle, und scheint mit aufgehobener Hand von dem Erlöser zu prophezeien. Er ist als ein Knabe von ohngefähr acht oder neun Jahren vorgestellt, das Christkind hingegen nur als ohngefähr anderthalb oder zwei Jahre alt, und hierin liegt der getadelte Anachronismus, den der Maler mit gutem Vorsatz begangen zu haben scheint, damit Johannes, als Florentinischer Schutzheiliger eine Hauptfigur würde, und mannigfaltigere Gestalten im Bilde sich zeigten.
Man hat noch keinen recht guten Kupferstich von diesem fürtrefflichen Werk.
Das berühmte Gemälde des Correggio, la Madonna di St. Girolamo genannt, wurde sonst in der Pilota zu Parma aufbewahrt, und ist jetzt nach Frankreich gebracht worden. Die Madonna sitzt und hält das Christkind auf dem Schoß, vor ihr, zur rechten, kniet M. Magdalena und küßt dem Kinde den Fuß, dieses spielt mit ihren gelben Locken. Auf der entgegengesetzten Seite steht ein Engel, welcher mit ihm zu scherzen und zu sprechen scheint, er blättert in dem Buche des heiligen Hieronymus, nach welchem das Kind verlangt, der alte Kirchenvater steht ganz zu vorderst und schaut mit ernstem Nachdenken auf den kleinen Erlöser, unten im Bilde sitzt ein kleiner Engel mit dem Salbengefäß der Maria Magdalena, in Anspielung auf den Wohlgeruch der Salbe riecht er in dasselbe. Die Kritiker ärgern sich an dem h. Hieronymus, welcher hier schon als ein alter Mann auf dem Bilde erscheint, ob er gleich vierhundert Jahre später als Christus gelebt hat.
Es gibt zwei geschätzte Kupferstiche von diesem Bilde, der eine ist von Augustinus Carracci meisterhaft gearbeitet, der andere von Robert Strange, zart ausgeführt, übrigens aber nicht zum besten geraten.
Andere vortreffliche Bilder mystischen Inhalts, welche den Gegenständen nichts, sondern alle ihre Vorzüge der Behandlung verdanken, sind: die Verherrlichung des Sakraments, gewöhnlich Disputa genannt, von Rafael im Vatikan.
Es ist als Charaktergemälde behandelt, und den mystischen Ernst, die Düsternheit ausgenommen, welche im Ganzen herrschen, und von dem Gegenstand herkommen, ist es kein unwürdiges Gegenbild der Schule von Athen.
Hierher rechnen wir auch das Gesicht Ezechiels von eben dem Meister, Gott Vater der auf den Zeichen der Evangelisten herabschwebt, ein kleines fleißig ausgeführtes Ölgemälde im Palast Pitti zu Florenz. Ein höchst ehrwürdiges Kunstwerk von welchem künftig umständlicher die Rede sein wird.
Ferner eine Disputa über die Dreieinigkeit, ein Ölgemälde des Andrea del Sarto, von Figuren in Lebensgröße, ebendaselbst. In diesem Bild, welches nur aus sechs Figuren besteht, hat der Künstler auch ein Charakterstück liefern wollen, und die Dreieinigkeit, als Veranlassung des Bildes, bloß weit zurück in den Wolken sehen lassen.
Diese tragen vornehmlich den Charakter des Reichen, Prächtigen und Gleißenden an sich, der Künstler muß durch Reichtum und Schmuck uns zu blenden und in Verwunderung zu setzen wissen. Dergleichen Werke erfordern eine leichte, reiche Erfindung, es muß lauter Fülle, Überfluß, Bewegung und Tätigkeit darin herrschen.
Mahlzeiten, öffentliche Feste, oder Schauspiele, auf Plätzen, in Kirchen und Sälen, welche Tiefe und Höhe fordern, wo Figuren nahe beisammen in Haufen stehen, wollen gemalt sein, und es kommen ihnen helle abwechselnde, frische Farben zu. Die Meister der venetianischen Schule, vor allen Paul Veronese, haben das Vorzüglichste geliefert.
Feierliche Aufzüge, Märsche, Triumphe und dergleichen, die viele Breite erfordern, werden sich am besten für ein Fries in Basrelief gearbeitet, oder grau in grau gemalt, schicken. Es sind Beispiele dieser Art in vielen antiken, halberhobenen Arbeiten, aus den Zeiten der römischen Kaiser noch übrig. Das Raisonnierteste aber von allen wäre, nach unserm Bedünken, der Triumph, oder Zug, des Heers Kaiser Sigismunds, welchen Julius Romanus gezeichnet, und durch seinen Schüler Primaticcio, im Palast T. zu Mantua, in Stukkatur ausarbeiten lassen. Auch Polidor von Carravaggio hat viel fürtreffliche Sachen ähnlicher Art grau in grau gemalt.
Es sind hier die von der gewöhnlichen Art gemeint, denn von den andern ist schon bei Gelegenheit der Charakterstücke geredet worden. Man sieht hier Abbildungen einer menschlichen Gestalt, ohne Handlung, Ausdruck oder Bedeutung, Bilder, weder für den tiefen Sinn, weder für Herz noch Geist, selten für den Verstand, sondern bloß für die Erinnerung. Das Bestreben des Künstlers, und der Wunsch des Abgebildeten gehen beide nur auf äußere Ähnlichkeit der Gesichtszüge, der weitere, edlere Zweck des Kunstwerks, in Darstellung des Charakters, wird dabei weder gefordert, noch gekannt, dadurch bleibt der Gegenstand eines solchen Bildnisses, oder vielmehr Gleichnisses, völlig gleichgültig, das Bild hat kein allgemeines Interesse, wenn auch übrigens die mechanische Behandlung an demselben gut sein kann.
Gleiche Bewandtnis hat es auch mit diesen, wenn sie nur die Aufzählung der Berge, Häuser, Bäume, Büsche, Felder und Wiesen in einer Gegend enthalten, wenn dieser nicht das Charakteristische abgewonnen, und rein dargestellt ist, wenn nicht ein bedeutender Sinn durchgeht, darüber schwebt, so erklärt sie die bildende Kunst mit Recht für gleichgültig.
Totes Wild, Blumen, Fruchtstücke und dergleichen haben keinen geistigen Wert, der Gegenstand ist ohne höheren Ausdruck, er kann an sich keine Teilnahme erregen, nur eine treue, ja erhöhende Nachahmung kann uns an dergleichen Werken interessieren. Wir sehen die Kunst und den Künstler, nicht aber die vorgestellte Sache.
Widerstrebend und unstatthaft für die bildende Kunst sind alle diejenigen Gegenstände, welche nicht sich selbst aussprechen, nicht im ganzen Umfange, nicht in völliger Bedeutung, vor den Sinn des Auges gebracht werden können. In einem Kunstwerke, welches an die wissenschaftlichen Kenntnisse des Beschauers appellieren muß, ist eigentlich nur die geringere Hälfte in dem Bilde selbst enthalten, dasselbe liefert uns nur eine gewisse äußere Gestalt der Dinge, welche der Künstler eigentlich hat darstellen wollen; den bessern Teil, die Bedeutung aber muß der Beschauer selbst dazu beitragen, und gewissermaßen das Werk vollenden. Aber wenn er auch die Kenntnisse besitzt, und überdies den besten Willen dazu, so wird doch im ersten Moment das Gemüt gehemmt sein, der Eindruck geteilt und geschwächt werden, und dieser Moment ist der wichtigste, in welchem wir unwillkürlich entscheiden, entflammt oder abgekühlt werden; verstrich er umsonst, so ist der Zauber dahin und wir werden zwar die Kunst noch bewundern, aber niemals wieder lebhaften Anteil an dem Werk nehmen, nie uns von demselben angezogen oder hingerissen fühlen.
Man wende nur nicht ein, daß gangbare, allgemeine bekannte Sagen und Lehren hievon auszunehmen seien, und einen Gegenstand für die Darstellung geschickt machen könnten, wenn er es ohne dieses nicht wäre. Ein Bild rührt uns, als Kunstwerk betrachtet, nur durch das, was wirklich dargestellt ist. Was wir uns dabei denken, gehört nicht ihm, sondern gehört uns an. Der gläubige Haufe ergießt vor Puppen sein Herz, er sieht nicht, aber er ist angewiesen sich die Madonna, den Erlöser, ihre Frömmigkeit und Tugenden dabei zu denken. Wir sind aber beinahe im ähnlichen Falle, wenn ein Bild den Scipio, und das schöne spanische Weib mit ihrem Vater und Manne vorstellt, und uns zugemutet wird, die Mäßigung des Helden, seine Enthaltsamkeit und Großmut zu erkennen, und davon gerührt zu werden; oder wenn Brutus mit strengem Gesicht, das Urteil über ein paar Gefangene ausspricht, und wir uns dabei des eifrigen Patrioten erinnern sollen, welcher, unerbittlich strenge, das Blut seiner eignen Söhne, zum Wohl des Vaterlandes, vergießt.
Gegen diese Gesetze oder, wenn man will, diese Forderungen der Kunst, haben nicht nur geringe Künstler, sondern auch die großen Meister, ja die Alten selbst zuweilen gesündigt, es sei nun aus Notwendigkeit geschehen, oder manchmal auch aus Laune. Vielleicht haben sie sich in dieser Sache bloß dem Gefühl überlassen, und sind sich keines Grundsatzes deutlich bewußt gewesen. Alles dieses kann uns hier gleich viel gelten, da wir sie nicht zu tadeln und auch nicht zu verteidigen gedenken, sondern uns aus ihnen bloß belehren wollen.
Der Zustand, in welchem die Kunst gegenwärtig ist, der Hang zum Neuen, zur Abwechslung, ihr wirkliches Ausarten in manchen Teilen, scheint uns dringend zur Beobachtung der Regeln aufzufodern. Wir dürfen kein Haar breit vom geraden Wege abweichen. Denn je mächtiger und vollendeter die Kunst ist; desto weiter erstreckt sich auch ihre Gewalt, desto mehr kann sie unternehmen, desto kühner darf sie werden; je schwächer, je dürftiger sie sich aber befindet, desto mehr muß sie sich einschränken, und an sich halten.
Wir gehen jetzt zu Beispielen von widerstrebenden Gegenständen über.
Das gänzliche Mißverhältnis der Kunst zu dem Gegenstand, ihr Unvermögen, darüber Herr zu werden, zeigt sich am aller auffallendsten, wenn Bilder etwas vorstellen sollen, welches nicht vor den Sinn des Auges gebracht, noch durch denselben gefaßt werden kann; dem zu Folge sind musikalische Konzerte, oder historisch bestimmte Unterredungen, deren Ausdruck nicht in den Gebärden liegt, sondern in Worten und Sprüchen beruht, und andere dergleichen Dinge alle unzulässig. Domenichino, Guido und andere berühmte Künstler haben zwar, bei Gelegenheit musikalische Chöre gemalt, und diese Bilder sind, wegen der eminenten Kunst der Ausführung, sehr schätzbar; aber der Gegenstand läßt sich dadurch kaum entschuldigen, noch weniger rechtfertigen, und der Beschauer derselben gleicht einem Gast, welcher mit dem bloßen Geruch der Speisen bewirtet wird. Die Carracci stellten in einem Gemälde des farnesischen Cabinets den Ulysses vor, der bei den Syrenen vorüberschifft, und dieselbe Geschichte findet sich, wahrscheinlich von einem griechischen Kunstwerke entlehnt, zweimal auf etrurischen Graburnen zu Florenz. In der Tat man begreift nicht wie Künstler den Einfall haben konnten, einen so durchaus widerstrebenden Gegenstand zu wählen. Man hört den Zaubergesang der Syrenen nicht, und die verstopften Ohren der Gesellen des Ulysses lassen sich schwerlich anschaulich machen, es ist darum ganz unmöglich zu bedeuten, aus welcher Ursache der Held an den Mastbaum angebunden steht, warum er los zu werden trachtet, wornach er so heftig verlangt und warum hingegen seine Gesellen so ruhig bleiben?
Auf einem alten Basrelief, in der Villa Albani,Es ist in Winkelmanns Monumenti antichi inediti. Tab. 157. abgebildet. erkennt man den Ulysses an seiner Mütze, und eine andere alte sitzende Figur mit langem Gewand, großem Bart, den Stab in der Hand, wird für den Tiresias gehalten, welcher jenem sein künftiges Schicksal enthüllen soll. Wenn aber nun hier alles auf das ankommt, was Ulysses fragt, und Tiresias ihm antwortet, und man doch nichts davon erfährt, so ist die ganze Mühe der Kunst an diesem Werke verloren. Eben dieses gilt von einem andern Basrelief in derselben Villa,Ist auch in den Monum. ant. inediti T. 174. abgebildet. die Unterredung des Alexanders mit dem Diogenes vorstellend, und noch von einem andern, im Palast Matthei, wo Oedipus das Rätsel der Sphynx löset, welche Geschichte auch unter den Gemälden des Grabmals der Nasonen auf mehreren geschnittenen Steinen und auf einer Grablampe beim PaßeriTom. II. Tab. CIIII. vorkommt.
Bei dem Urteil, besonders über dergleichen Werke, deren übrige Verdienste in anderer Rücksicht Achtung fordern, hat man immer sorgfältig darauf zu achten, welcher Gattung ein jedes Kunstwerk eigentlich angehöre. Es kömmt viel und manchmal alles auf diesen Punkt an. Wir haben vorhin schon erwähnt, daß bei mythologischen oder historischen Gegenständen die Handlung Hauptsache und die Figuren um derselben willen da sind, daß aber umgekehrt im Charakterbild die Handlung der Figur nur als Nebensache zugelegt sei. Wenn deshalb die Künstler der zwei Basreliefe der V. Albani, welche wir so eben als Beispiele angeführt haben, allenfalls nicht, wie man gemeiniglich dafür hält, Geschichten haben liefern wollen, sondern, aus einer uns unbekannten Ursache, und zu einem besondern Zwecke notwendig fanden, den Ulysses mit dem Tiresias, den Alexander und Diogenes als Charaktere zusammen zu stellen, und diese ihre Absicht vielleicht ehemals unter Umständen deutlich war, so wäre ihnen nichts weiter vorzuwerfen, denn nur unter dem Titel eines Charakterstückes finden wir Ursache, jenes Basrelief der medicäischen VaseWar ehemals im farnesischen Palast zu Rom, und wurde nach Neapel gebracht wo er jetzt öffentlich aufgestellt ist. für gut behandelt gelten zu lassen, wollte man solches aber als die Geschichte von der Aufopferung der Iphigenia betrachten, so wäre es eine höchst fehlerhafte Darstellung.
Wenn bei tragischen und poetischen Gegenständen die Ursache des Todes verborgen ist, wie z. B. an der Niobe und ihren Kindern, der Pest unter den Philistern; oder von Tieren herkommt, wie beim Laokoon, der Geschichte von der ehernen Schlange u. s. w. so verbinden wir den Begriff von Unglück, von unvermeidlichem Schicksal leicht damit, und das Interesse wird allemal reiner und ungeteilter sein, als wenn Menschen dem Menschen entgegenstehen, wo wir gleichsam zwischen zwei Parteien wählen müssen. Besonders entsteht oft Zweideutigkeit und manchmal gar ein falscher Sinn bei Geschichten, wo die leidenden Personen für begangenes Unrecht büßen müssen, und bestraft werden, die handelnden und wirkenden aber sich an ihnen rächen. Deswegen kann die Fabel von der Bestrafung der Dirze, wenn sie schon in einem der vorzüglichsten Kunstwerke des Altertums, dem sogenannten farnesischen Stier, vorgestellt istWar ehemals im farnesischen Palast zu Rom, und wurde nach Neapel gebracht wo er jetzt öffentlich aufgestellt ist. nicht für einen guten tauglichen Gegenstand gelten, denn wie konnte es, selbst da das Werk noch unbeschädigt war, je anschaulich und deutlich werden, daß die Rache an der Dirze rechtmäßig sei? und wenn man dieses nicht sehen konnte, so ist die Szene brutal und grausam, erschreckt und empört, alsdann sind Zethus und Amphion nicht mehr Helden, sondern Mörder, und ihre Gestalt, der hohe schöne Charakter, welchen die Kunst ihnen gegeben, steht mit der Handlung in Widerspruch. Die meisten dieser Bemerkungen sind auch gegen die beiden Basreliefs anzuwenden, wo Orest und Pylades an der Clytemnestra und Aegist Rache ausüben.Das eine im Justinianischen Palaste, und von Bartholi admir. Rom. N. 52 in Kupfer gestochen, das andere im Clementinischen Museum? alle beide sind einander ähnlich und wahrscheinlich, Nachahmungen eben desselben Originals. Wie kann die Rechtmäßigkeit dieser Rache bedeutet werden? und ist es eine Heldentat, daß zwei junge rüstige Männer eine Frau und einen Alten umbringen? doch möchten uns die Furien einen Wink geben, und auf einen Zyklus hinweisen. Einzeln, wie es gegenwärtig steht, ist es lange Zeit, selbst Altertumsforschern, unerklärlich geblieben.
Die alte Kunst beschränkt sich fast immer auf den Kreis ihrer Mythologie, hingegen hat sich die neuere Kunst und vornehmlich die Malerei eigentlicher historischer Tatsachen angenommen. Die Geschichte fast aller Zeiten und Völker, hauptsächlich aber griechische, römische, und in religiösem Bezug, auch die jüdische, haben zu unzähligen Bildern Stoff gegeben, wo wir, selbst bei den größten Meistern, Beispiele von mißlungener Wahl des Gegenstandes entdecken; wir werden einige derselben anführen, bemerken aber zugleich, daß eben im historischen Fach vorteilhafte Gegenstände nicht so häufig vorkommen als man dafür zu halten pflegt; selbst von den brauchbaren sind die meisten noch enge bedingt, und fügen sich demnach lieber in die zyklische Form als zur Darstellung im einzelnen Bilde.
Selbst in den Stanzen des Vatikans, ist die Strafe des Marsyas von Rafael kein tauglicher Gegenstand für die Kunst, der Maler hatte zwar freilich so viel Geschmack den Marsyas nur angebunden vorzustellen, ehe die blutige Operation des Hautabziehens beginnt, wobei Apollo die Rolle eines bösen Tyrannen spielen würde, wenn er auch bloß befehlen und zusehen sollte; aber wofür leidet der arme Satyr?
An allen vier runden Bildern, welche Dominichino in der Kirche zu St. Silvester, auf Monte Cavallo gemalt hat,Sie sind von G. Audran, und ein andermal von Jac. Frey in Kupfer gestochen. ist der Gegenstand zu tadeln. Wie David vor der Bundeslade hertanzt, ist weder merkwürdig, noch bedeutend, eben so wenig die Bathseba, welche neben Salomo auf dem Throne sitzt; es könnte nur durch vorhergehende Bilder deutlich werden, daß sie des Königs Mutter ist, und hier von ihm geehrt wird. Auch das herrliche Bild von der Judith, welche des Holofernes Haupt dem Volke zeigt, wäre bloß im Zyklus statthaft, wenn andere Bilder das vorhergehende und das was nachfolgt darstellten; aber so einzeln hat es keine Bedeutung, man weiß nicht woher das Haupt kömmt? warum das Volk erfreut ist? u. s. w. In der Vergleichung zur Poesie ists ohngefähr als ob der vierte Akt eines Schauspiels, von Exposition und Auflösung getrennt, vorgetragen würde.
Die Ester vor dem Ahasverus ist ein vortreffliches Kunstwerk, wenn ihm die historische Bedingung erlassen wird, wenn man keine Ursache wissen und die Folge des Auftritts nicht erforschen will, sondern allein das Menschliche welches in der Handlung und Äußerung der Figuren liegt, betrachtet. Wie die schöne Königin in Ohnmacht sinkt, und ihr Gemahl, seiner Majestät vergessend, vom Throne herabeilt, der Geliebten beizustehen, so erfreuen wir uns innig daran die natürlichen Regungen des Herzens über Zwang und Formeln, triumphieren zu sehen; aber dieses ist auch die bessere Seite des Bildes, worin der Maler sich zeigt und durch sein zartes Gefühl, durch tiefe psychologische Kenntnisse unsere Achtung erwirbt. Betrachten wir hingegen das Werk unter der Ansicht eines historischen Gegenstandes, so sagt uns dasselbe nichts; denn es war unmöglich zu bedeuten, daß Haman die Juden vertilgt wissen wollte, daß die Esther gegen das Verbot vor den Ahasverus tritt, um das Unglück von ihrem Volk abzuwenden, daß der Minister gestürzt und bestraft wird u. s. w. Nic. Poussin hat eben diesen Gegenstand behandelt, und den König, mit ernstem Blicke, im Majestätsgefühl, auf dem Throne sitzend vorgestellt. Die anschauliche Bedeutung ist durch diese Wendung um nichts vermehrt worden, hingegen das Menschliche, Gemütliche welches Dominichino seinem Bilde erteilt, verloren gegangen. Poussins Werk hat kein anderes Interesse als dasjenige welches ihm die Ausführung geben konnte.
Es wurden oben einige Beispiele mystischer Gegenstände angeführt, welche zwar für sich selbst nicht vorteilhaft, doch dem Künstler die Freiheit lassen, etwas hinzu zu tun, den Figuren gefällige, oder bedeutende Handlungen und Verhältnisse beizulegen, also daß das Mystische darin nur als die zweite, weitere Bedeutung erscheint, wenn Auge und Gemüt, durch den ersten Anblick und Eindruck des Reinmenschlichen, von lieblichem oder ernstem Charakter, schon befriedigt sind. Es gibt aber auch im Gegenteil, manche andere welche für die Darstellung völlig untauglich, und widerstrebend zu sein scheinen.
Setze man z. B. die Kunst habe in einem Kruzifix ihr möglichstes geleistet, so werden wir schöne Formen der Glieder, edle, ja wir wollen zugeben, göttliche Züge und übermenschlichen Charakter, nebst einem leidenden, schmerzhaften Ausdruck sehen. Die Kunst kann Mitleiden erwecken, uns Teil zu nehmen nötigen, sie kann uns überreden, daß der Edle unschuldig leidet; daß er aber freiwillig zum Heil und Erlösung der Welt leide und sterbe, kann sie unmöglich darstellen; der göttliche Charakter wird, oder würde vielmehr (denn die neuern Künstler haben es nie so weit gebracht) zu einer anschaulichen Ungereimtheit. Wie kann die göttliche Natur unterliegen, bezwungen werden, leiden? Wir fragen einen jeden der die albanische oder die justinianische Minerva, die Juno oder den Apollo gesehen, ob er sich eine von diesen Figuren durch schlechte Menschen überwunden, geschmält, gegeißelt, ans Kreuz geheftet, denken könne? Wir glauben wenigstens, daß dieses unmöglich sei, wenn man nicht gerade zu abgeschmackt werden, und allem Gefühl fürs Schickliche rein absagen wollte.
Die Kunst hätte also, wenn sie sich auch wieder bis zur Vollkommenheit der Alten erheben könnte, dennoch immer die Unbequemlichkeit daß sie der Figur Christi zweierlei Charaktere beilegen müßte. Im leidenden Zustand, wo er gefangen, gegeißelt, verspottet, ausgeführt, gekreuzigt wird, müßte er menschlich, edel, gütig und duldend; hingegen groß, göttlich, mächtig dargestellt werden, wo Wunder geschehen, wo er auf dem Meere wandelt, aufersteht, verklärt, und in den Himmel aufgenommen wird.
Die Vorstellung von der Dreieinigkeit ist ebenfalls ein widerstrebender Gegenstand für die bildende Kunst. Wenn wir den ewigen Vater mit dem Leichnam Christi im Schoße, oder das Kruzifix haltend erblickten; so ist solches dem Begriff von göttlicher Allmacht entgegen, und sowohl bei dieser, als bei edlern Vorstellungen der Dreieinigkeit, z. B. in der Disputa über das Sakrament, von Rafael, und verschiedenen Gemälden von der Krönung der Maria, wo die Figuren des Vaters und Sohnes mit vieler Würde dargestellt sind, bleibt doch immer die Taube, nicht mehr, und nicht weniger als eine Hieroglyphe, ein bloß konventionelles Zeichen, eben so wie das Lamm Gottes, der Triangel und das Wort Jehova in einer Glorie. Die unbefleckte Empfängnis ist zwar oftermals von großen Meistern vortrefflich gemalt worden, dennoch bedarf es wohl keines weitern Beweises für unsern kunstverständigen Leser daß dieser supermystische Gegenstand weder anschaulich noch bedeutend darzustellen ist, und also zu den widerstrebenden gehört.
Eben so wenig vermag die Kunst im Abendmahl Christi den mystischen Sinn auszudrücken. Rafael und Leonardo da Vinci mögen dieses wohl empfunden haben, und daher suchten beide diesen Gegenstand als Geschichte zu behandeln.Rafael in den Logen des Vatikans L. d'Vinci im Kloster della Vittoria zu Mailand. Sie stellen in ihren Bildern das Erstaunen, die Bewegung vor, welche das Wort des Heilands »Einer aus euch wird mich verraten« unter den Aposteln hervorbringen mußte, und da Vinci hat in der Tat alles mögliche getan. Wir sehen in seinem Bilde die Bestürzung herrschen, die Jünger fahren alle zu Hauf, Christus allein bleibt ruhig und stille; es ist aber doch immer noch ein widerstrebender Gegenstand, und, trotz der Mühe, der Kunst und des tiefen Verstands, die der große Meister in alle Teile gelegt, ohne anschauliche Bedeutung. Woher entsteht die Bewegung? was rührt die Apostel so heftig? kann der Beschauer fragen, ohne sich die Frage aus dem Bilde selbst beantworten zu können. In so fern das Chor der Apostel in Charaktere geteilt worden, würde es sich zum Charakterbilde neigen, und also zwischen dieser, der mystischen und der historischen Art in der Mitte schweben.
Meistens erfährt auch die Kunst ihr Unvermögen bei Gegenständen, welche Sittensprüche oder Gesinnungen ausdrücken sollen, durch welche man moralisch auf den Menschen wirken will. Der Maler, welcher Potifars Weib malt, wird kein Lob verdienen, wenn er dieselbe nicht so reizend, lüstern und verführerisch darstellt, als in seinem Vermögen ist; alsdann nur kann sein Werk anziehend werden. Wenn dasselbe aber den Zweck haben soll, Keuschheit und Enthaltsamkeit zu predigen, so wird dieser schwerlich dadurch erreicht. Kinder, welche einen alten Mann mit Ruten streichen, sind ein empörender Anblick, und erst indem wir uns erinnern, oder belehrt werden, daß die Jugend von Falerii, auf Befehl des Römischen Feldherrn, ihren Schulmeister, der sie verraten hatte, also behandelt, söhnen wir uns mit dem Bilde aus.Diese Geschichte ist von Poussin gemalt worden. In dieser Art, wo Absicht und Wirkung einander ganz entgegengesetzt sind, könnten noch viele andere Beispiele angeführt werden. Diogenes, welcher mit der Laterne herumläuft, sieht wie ein Verrückter aus, denn das Wort, welches seiner Handlung Sinn gibt, und den Spott gegen die wendet, die ihn belachen, kann der bildende Künstler nicht darstellen, und so gibt er uns immer nur die schlechtere Hälfte der Geschichte, die anscheinende Narrheit des Diogenes, zum besten, da doch seine Absicht ist, uns denselben als einen Weisen zu zeigen. Eben so wird die Absicht verfehlt, wenn vorgestellt wird, wie Tomyris das Haupt des Cyrus in ein Gefäß mit Blut tauchen läßt, denn diese Handlung hat den Anschein einer verhöhnenden Grausamkeit, da der Sinn doch im Gegenteil gerechte Vergeltung des Blutdursts und unrechtmäßigen Angriffs sein soll. Zum wenigsten muß man sich bei solchen Bildern immer das Wesentliche hinzu denken, und der Künstler sollte doch hier, so wie bei allen andern Gegenständen, welche in die Klasse der Widerstrebenden gehören, die Demütigung fühlen, die ihm dadurch widerfährt, daß nicht sein Bild den Beschauer rührt, sondern allenfalls nur das, was derselbe mitbringt, und selbst hineinlegt.
Sentimentale Gegenstände sind darum nicht zur Darstellung geschickt, weil die schöne Schwärmerei des Sentimentalen, die sich in edelmütiger Gesinnung, in Aufopferung seiner selbst äußert, von der realistischen, sinnlichen Kunst, nicht bis zur deutlichen Anschauung gebracht werden kann. Daher ist sehr zu zweifeln, ob die Alceste, die für ihren Admet stirbt, ein tauglich Sujet zu einem Bilde abgeben könne. Das Rührende dieser Geschichte besteht ohne allen Zweifel darin: daß die Alceste, ihren Mann zu erhalten, sich in den Tod gibt; die Kunst aber kann nur die sterbende Alceste, nicht die Ursache ihres Todes, ihre Liebe, den Adel, die uneigennützige heroische Entschließung darstellen, um welcher willen sie stirbt.
Poussins berühmtes Bild vom Testament des Eudamidas ist ein bündiger Beweis, wie wenig ein solcher Gegenstand der Kunst angemessen sei, die Figuren sind edel, der Ausdruck gut, es ist schön geordnet, und es fehlt ihm an nichts, als daß gerade dasjenige nicht bedeutet werden konnte, was notwendig bedeutet sein sollte. Man sieht einen sterbenden alten Mann, sein betrübtes Weib und Tochter und Einen der auf ein Blatt schreibt, aber das sichere Vertrauen des Eudamidas auf seinen Freund, die seltene Tugend und Edelmut von diesem müssen wir wissen, und es muß uns belieben, solche dazu zu denken. Was auf dem Bilde wirklich vorgestellt ist, läßt sich auf einen jeden Mann der noch gestorben ist, und ein Weib und eine Tochter hinterlassen hat, eben so gut als auf den Eudamidas von Corinth anwenden.
Man könnte noch mehr andere Beispiele aus Poussins Werken anführen, in denen sich dieser Maler nach der Seite des Sentimentalen hin verirrt hat. Eins der tadelnswertesten ist abermals ein sehr berühmtes Bild von ihm, wo der neugeborne Moses in den Nil gesetzt wird. Da schiebt eine Frau das im Korbe liegende Knäbchen vom Ufer ab, der Mann geht in tiefster Betrübnis davon, und ein anderer kleiner Knabe folgt ihm. Ein Mädchen weist auf die im Hintergrund spazierende Prinzessin, und läßt uns die Errettung des Kindes im voraus ahnen. Eine Statue des Nilstroms und die Stadt mit ragenden Tempeln, Pyramiden und Obelisken bezeichnen den Ort der Szene, rauchende Ziegelhütten spielen noch weiter auf die Dienstbarkeit und Beschäftigungen der Israeliten in Egypten an. Aus allem erhellet genugsam des Malers Ernst und guter Wille, jeden Umstand zur Bedeutung zu benutzen, doch machte es ihm der widerstrebende Gegenstand vollkommen ohnmöglich, die Handlung selbst gehörig zu motivieren. Man begreift die Ursache nicht, welche diese Menschen nötigt, das Kind in den Fluß zu setzen, und dadurch wird die Rührung und Teilnahme aufgehalten, es ist nicht das Ganze, im Zusammenhange auch nicht die Gefahr des Kindes, was uns in dem Werk interessiert, und also nicht der Gegenstand, sondern die Kunst der Behandlung, der lebhafte Ausdruck in den einzelnen Köpfen und Figuren.
Die neuern Maler der sogenannten Gesellschaftstücke, Greuze an ihrer Spitze, und alle seine Nachahmer oder Zunftgenossen, ziehen in dieser Rücksicht unzähligemale den Tadel auf sich, obschon ihre Werke vielen gefallen, und fast überall Eingang gefunden haben.
Eins der berühmtesten Stücke in dieser Art ist der Abschied des Calas von seiner Familie, dasselbe kann uns als Beispiel für alle andere gelten. Es erhält zwar, durch die geistreiche Ausführung, einen unleugbaren Kunstwert; ist aber ein widerstrebender Gegenstand, welcher nicht so viel bedeutet, als der Künstler beabsichtigt hatte, wir sehen einen schwachen gutmütigen alten Mann in Ketten, und seine Familie weinend um ihn versammelt, allein das weitere, nämlich den unrecht verfolgten, den unschuldig getöteten Calas müssen wir uns hinzu denken, und also alles dasjenige, was der Geschichte ein höheres Interesse gibt. Es ist weder die Ursache noch die Folge der dargestellten Szene anschaulich.
Dergleichen Auftritte wären allenfalls nur im Zyklus zu dulden, wenn das vorhergehende und das nachfolgende Bild deutlich und klar sind. Doch ein Künstler der es wagt, solche in einzelnen Bildern ohne Verbindung darzustellen, fordert unstreitig zu viel vom Beschauer, und er müßte, wie zwar oft bei Kupferstichen, aber nicht immer bei Gemälden geschieht, billigermaßen uns durch eine Inschrift anzeigen, was in seinem Werke zu sehen, und was dabei zu empfinden sei.
Wahrlich man gerät oftmals in Versuchung, zu glauben, die Künstler von dieser Art hätten den Begriff von Freiheit und Selbstständigkeit ihrer Kunst gar nicht zu fassen vermocht, indem sie dieselbe so weit herabwürdigen, ihren Zweck verschieben, den Ausdruck schwächen, ihr die Ehre, durch sich selbst zu bedeuten und zu wirken, rauben, und sie gleichsam zu Bildern für Bänkelsänger mißbrauchen.
Die symbolischen Figuren der alten Kunst sind, wie schon gedacht worden, sinnliche Darstellungen abstrakter Begriffe, es scheint indessen als habe die Kunst, so zu sagen, nicht genug Breite und Raum für eine große Zahl derselben, und ihre Deutlichkeit nehme in eben dem Maße ab, als die Charaktere sich einander mehr nähern. Je weniger der darzustellende Begriff an sich einfach und von den andern unterschieden war, je mehr mußte er durch beigelegte Attribute bezeichnet werden, da sie aber ihre Bedeutung nun nicht mehr ganz sich selbst, oder ihrer Gestalt, sondern zum Teil diesen beigelegten Zeichen dankten, so waren sie auch nicht mehr vollkommene Gegenstände. Wenn die Beschreibungen von des Lysippus Statue der Gelegenheit, und von des Apelles Gemälde der Verleumdung wahrhaft sind, so war damals schon die Grenzlinie übertreten, und so wie die Kunst von ihrer Höhe herabstieg, wurden auch die beigelegten Zeichen immer wichtiger, und hingegen die Gestalten selbst unbedeutender. In neuern Zeiten aber ist alles gar übertrieben worden, man scheint zu glauben, es sei schon genug, wenn eine Gestalt nur dem Begriff, welcher vorgestellt werden soll, nicht grob widerspricht, und ist gewohnt, die Bedeutung aus den Attributen zu erraten, welche nicht einmal immer dieselben sind.
Rafael selbst hat die Gerechtigkeit einmal mit Schwert und Waage, und ein andermal ohne Schwert mit der Waage und dem Vogel Strauß, welcher ihr zur Seite steht, gemalt. Nach ihm scheinen die meisten Künstler gar nicht mehr auf den symbolischen Charakter der Gestalt gedacht zu haben, sie achteten es für hinreichend, jeder Figur ein Zeichen zu geben, und mit denselben, wie mit Zahlpfennigen zu spielen, sie hielten die Symbole zusammengenommen für eine Zeichensprache, die Figuren im Einzelnen für Buchstaben, und glaubten damit alles ohne Ausnahme vorstellen zu können. In dieser Rücksicht möchten wir es nicht gerne übernehmen, selbst die berühmten großen allegorischen Deckengemälde des Peter von Cortona in den Palästen Pitti und Barbarini zu rechtfertigen, und eben so wenig die noch berühmtere Galerie Luxemburg von Rubens; zwar sind die Erfindungen sinnreich, und mancher einzelne Gedanke verdient Lob; doch ist im Ganzen so weit ausgeholt, so viel poetischer Schwulst und Geräusch, die Entzifferung aller der Zeichen so mühsam und schwer, daß es scheint man habe uns gleichsam ein Geheimnis aus dem, was vorgestellt ist, machen wollen.
Selbst Dominichino, welcher die Kunst übrigens streng und bedächtlich geübt hat, mochte zuweilen wähnen, durch Zeichen sich hinreichend deutlich ausgedrückt zu haben, und vernachlässigte darüber ebenfalls den symbolischen Charakter seiner Figuren wie z. B. in den vier Tugenden, in den Winkeln unter der Kuppel zu St. Carlo Catinari in Rom, die ihren Zügen und Bildungen nach wenig von einander verschieden sind, und, die Stärke ausgenommen, füglich die Attribute und den Platz mit einander vertauschen könnten, ohne deswegen etwas mehr oder weniger zu bedeuten. Wie undankbar war eben dieses Meisters Mühe, und wie bedauernswert verschwendete er Verstand und Talente zu kümmerlichem Zwecke als er das boromäische Wappen, stückweise, in die Komposition dieser Bilder zu verweben unternahm. Guido Reni, dessen Kunst freilich nicht immer zureichen mochte, den symbolischen Charakter der Figuren in allegorischen Bildern auszudrücken, war doch in der Erfindung derselben oft glücklich, zierlich, fein, naiv und faßlich, wie wir an seiner Fortuna ein schönes Beispiel aufzustellen Gelegenheit fanden. Im Gegenteil kennen wir aber auch ein Bild dieses MeistersIm Palast Chigi zu Rom. von sehr dunklem und verstecktem Sinne, wo ein Genius die Pfeile des daneben angebunden stehenden Amors, nebst verschiedenen musikalischen Instrumenten, zu verbrennen beschäftigt ist. Man sagt, Guido habe hier die geistige Liebe vorstellen wollen, durch welche die sinnliche gebändigt werde. Was aber auch seine Absicht gewesen sein mag, er hat dieselbe nicht deutlich machen können, und das Bild ist uns ein Beispiel mißlungener Allegorie und eines schwer zu behandelnden Gegenstands.
Die Hochschnitte, welche man von Seiten der Kunst sowohl als von Seiten der Handarbeit eine Zeitlang, wo nicht vergessen, doch vernachlässigt hatte, und welche in Deutschland nur von wenigen Personen, und zwar noch selten genug gefertigt wurden, kommen jetzt lebhaft zur Sprache, da die Engländer in dieser Art zu arbeiten besonders auffallende und anziehende Werke geliefert haben. Hier stehe etwas weniges zur Übersicht, sowohl dessen, was geschehen ist, als dessen, was noch wahrscheinlich getan werden könnte.
Das Hochschneiden, (Holzschneiden, Formschneiden) aus dem die Buchdruckerkunst sich entwickelte, hielt sich eine Zeitlang an derselben fest, und subordinierte sich ihr. Es war nichts seltenes, daß Buchdrucker und Formschneider sich in Einer Person vereinigte.
Wie sich das mechanische Talent des Formschneiders vermehrte, wollte er sich auch in einem höhern Kreise zeigen, daher entstanden die vortrefflichen Arbeiten, welche im sechzehnten Jahrhundert, in Deutschland und in Italien, von verschiednen bekannten und unbekannten Meistern, verfertigt worden. Diese, so wie mehrere Blätter, die Albrecht Dürers Namen führen, haben den Gehalt geistreicher Zeichnungen mit der Feder. Eben so vortrefflich in ihrer Art sind die meisten Figuren in dem großen anatomischen Werke des Andreas Vesalius und man wird, besonders von Knochen, wenig andere eben so gute und charakteristische Abbildungen aufzuweisen haben. Ähnliches Lob verdienen auch verschiedne Vögel im großen Geßnerischen Tierbuche; allein das Schätzbarste und, in gewissem Sinne, auch Kunstgerechteste der ganzen Gattung sind wohl die, mit drei Stöcken gedruckten, Blätter, von italiänischen Künstlern, welche getuschte und weiß aufgehöhte Zeichnungen nachahmen. Von einigen sehr seltenen Stücken, nach Zeichnungen von Parmegianino, wird behauptet, daß er sie selbst geschnitten habe, welches man sich um so leichter überredet, als sie mit unvergleichlicher Kunst und Geist gearbeitet sind. Wir haben einst Gelegenheit gehabt, ein solches Blatt mit der wirklichen Originalzeichnung zu vergleichen, und wir fanden im Wesentlichen die Vorzüge des Originals nicht überwiegend. Auch war die übrige Ähnlichkeit so täuschend, daß dieser Holzschnitt, in der berühmten Sammlung, wo die Vergleichung angestellt worden, lange für eine Zeichnung gegolten hat.
Nehmen wir nun aber nach dem, was oben gesagt worden, im Allgemeinen an; daß die meisten Holzschnitte, von den Malern der damaligen Zeit, den Formschneidern vorgezeichnet worden, so könnte man darin schon den Keim zum Verderben, zum sukzessiven Absterben dieses Zweigs der Kunst vorbereitet finden. Denn die Maler dachten bloß daran, eine zierliche und geistreiche Zeichnung mit der Feder zu machen, kannten aber die Schwierigkeiten des Schnitts nicht, und wenn sie solche kannten, hatten sie wenigstens kein großes Interesse ihnen auszuweichen, oder auf andere Manieren zu denken, wodurch man die Hindernisse vermieden, und zugleich die Vorteile des Holzschnittes benutzt hätte; welches um so mehr zu wünschen gewesen wäre, weil man dadurch dieser Arbeit mehr Anmut gegeben, und ihre Ausübung fortgepflanzt hätte. Es kam aber bald dahin, daß die Kupferstiche und radierte Blätter einen großen Vorzug im Zierlichen und Gefälligen über die Holzschnitte erlangten, wodurch sich die Liebhaberei allmählig auf jene wendete, und den Fall dieser nach sich zog. Denn die ganze Arbeit und Behandlung hing von dem Kupferstecher ab, der auf seine Weise die zarteste schraffierte Zeichnung noch übertreffen konnte.
Die Formschneider, welche nicht zurückbleiben wollten, suchten sich mit ihrer Arbeit den Kupferstichen zu nähern, mußten aber notwendig auf diesem Wege, da ihnen Materie und Mechanismus widerstrebten, zurückbleiben. Anstatt auf eigenem Wege zu wetteifern, suchten sie vergebens den Kupferstecher auf dem seinigen zu erreichen, und müdeten sich an Schwierigkeiten ab, wodurch doch zuletzt keine proportionierte Wirkung hervorgebracht wurde. Man könnte sie einem Trompeter vergleichen, der auf seinem Instrumente den Flötenspieler nachahmen wollte.
Indessen lag in den Holzschnitten der frühern Zeit ein fruchtbarer Keim, der erst in unsern Tagen, und zwar von den Engländern, entwickelt wurde.
Der Zeichner, wenn er eine Federzeichnung für den Holzschneider arbeitete, kam, besonders wo es ihm um Kraft der Haltung, vollkommnen Schatten, dunkle Lokalfarben zu tun war, in den Fall, daß er wünschen mußte, ganz dunkle Räume anzulegen, um sie mit hellen Strichen wieder beleben zu können.
Unter den Dürerischen Holzschnitten findet sich der Fall selten. Nur die Augen des großen Ecce Homo und der Kaiserliche Adler, über Maximilians Bildnis, sind auf diese Weise behandelt. Was aber ganz hieher gehört sind diejenigen Blätter, wo auf runden, schwarzen Schilden eine helle geflochtene Drahtarbeit gezeichnet ist.
So findet man auch auf andern Holzschnitten, die nicht sowohl in schraffierter Manier, als umrißweise behandelt sind, die Lokaltinten der Hüte, Schuhe, Samtbänder und dergleichen, durch eine schwarze Fläche angedeutet; ja wir haben einen Hochschnitt vor uns, wo, auf der Schattenseite eines durchaus dunklen Meßgewandes, der Reflex eingeschnitten und also auf dem Abdruck durch weiße Striche hervorgebracht ist.
Ob nun die neuern Engländer auf diese ältern Beispiele aufmerksam geworden, (die Geßnerischen Vögel haben sie ohnstreitig im Auge gehabt,) oder ob die allgemeine Richtung ihrer Nation, welche nach Haltung und Helldunkel vorzüglich hinstrebt, sie auf die neue Art zu arbeiten geführt? wollen wir nicht entscheiden. Genug, wenn die ältere und bisherige deutsche Art sich ausschließlich der Nachahmung einer solchen Zeichnung nähert, die mit schwarzen Strichen auf weiß Papier gezogen ist, so gleicht die englische, wenigstens in den Schattenpartien, einer Zeichnung, da das Schwarze mit Weiß aufgehöht worden.
Die englischen Formschneider, von denen wir Arbeiten kennen, sind zwei Brüder Bewick, ein anderer heißt Anderson.
Der jüngere von den Bewicks, Thomas, gab eine History of quadrupeds heraus, wovon wir nur wenige Blätter gesehen haben. Die Pelze der Tiere sind außerordentlich fein und zart ausgeführt, wenige aber nach ihrem charakteristischen Zug und Schwung, den Gliedmaßen, über welche sie sich herlegen, gemäß dargestellt; auch scheint dieses sein Lehrlingswerk gewesen zu sein, denn in der History of british birds sind die Vögel sowohl als die Vignetten äußerst fein und zierlich geschnitten; doch ist die Arbeit, womit die prächtige Ausgabe von Sommervills Gedicht, the Case, geziert ist, noch vollkommner; die Titel nämlich, nebst Vignetten, zu Anfang und am Ende von jedem der vier Bücher. Sie sind von dem älteren Bewick, der vor Vollendung des Werkes starb sämtlich gezeichnet. Alles ist mit ungemeiner Sauberkeit gearbeitet, vorzüglich aber überraschen die Titel, und unter diesen wieder besonders die beiden zum dritten und vierten Buche, durch Glanz und Zierlichkeit der Striche, durch Kraft, harmonische Abstufung der Töne, und daher entstehende gute Wirkung, so daß sie die Vergleichung mit den saubersten Kupferstichen nicht zu scheuen brauchen. Gute Druckfarbe, schönes Papier, sorgfältiger Abdruck, tragen freilich das ihrige zu diesem Effekt bei.
Von Anderson kennen wir verschiedene Arbeiten, unter denen sich besonders eine Ankündigungskarte, mit einem einfachen ländlichen Gegenstande, auszeichnet, sie fällt durch Zierlichkeit des Schnittes, durch Kraft und Wirkung eben so gut in die Augen, als die Bewickischen Stöcke.
Allein um solche Arbeiten gehörig zu schätzen, muß man vor allen Dingen den Zeichner von dem Formschneider, und wenn sie auch in Einer Person zusammentreffen sollten, unterscheiden.
Das hohe Charakteristische, besonders in der Zeichnung, das die Alten, die wir oben gerühmt haben, vorzüglich zum Endzwecke hatten, wird man in den Bewickischen Arbeiten nicht suchen. Die Vögel haben ein gutes natürliches Ansehen, in Absicht aber auf die bedeutenden Züge können sie sich mit den bessern im Geßnerischen Werke nicht messen. Dagegen ist das Einzelne, die Lage der Federn, ihre verschiedene Lokaltinten, und was hierzu gehören mag, bei einigen im höchsten Grade zu loben.
Es läßt sich also leicht begreifen, daß diese neuern Holzschnitte mit jenen ältern soliden Arbeiten nicht verglichen werden können. Denn wenn man Anforderungen an Form, Geist, Gedanke, Ausdruck u. s. w. machen wollte, so würden sie dabei sehr zu kurz kommen. Sie sind Dinge von einer ganz andern Art, und man kann sagen auch wohl zu einem ganz andern Zweck.
Die alten Künstler bekümmerten sich wohl nicht um die Striche als Striche, wie glänzend und fein sie ausfallen, wie sie liegen, und welchen Effekt sie in diesem Sinne tun sollten; sie strebten vielmehr einzig darnach das hohe Ziel der darstellenden Kunst, in Bedeutung und Form zu erreichen. Ein gewisser Grad von Ordnung und Reinlichkeit folgte schon von selbst aus diesem Begriff.
Die neuern Engländer sind mehr als geschickte Handarbeiter zu betrachten, deren höchster Zweck ist saubere Arbeit zu machen. Neigt sich nicht aber die Kupferstecherei, ja wir möchten beinahe sagen, die Kunst überhaupt, um sich nach der Zeit zu bequemen, gegen diese Seite hin? der herrschende Geschmack fordert vom wahrhaft Guten, ja vom Schönen selbst, daß es im gleißenden Gewande auftrete, wenn es Eingang finden will. Was Wunder also daß die alte Art in Holz zu schneiden fast gänzlich abgekommen, woran aber nicht sowohl die Formschneider als die Zeichner Schuld sein mögen, und so ehrwürdig sie auch ist, doch jetzt wenig Liebhaber mehr findet; ja daß Holzschnitt und Holzschnittsmanier sogar zur Gleichnisrede dienen müssen, um eine rohe ungeglättete Arbeit anzudeuten.
Dagegen ist nichts natürlicher als daß die neuern englischen Holzschnitte mit Beifall aufgenommen werden, und eine sehr lebhafte Sensation erregen, da sie so ganz dem Bedürfnis der Zeit angemessen sind. Fein, niedlich, angenehm, ins Auge fallend und, was wahrscheinlich nicht die letzte Empfehlung sein wird, obendrein noch wohlfeil.
Nun aber bleibt uns noch die Frage zu untersuchen übrig: ob diese neuen englischen Holzschnitte, von Seiten der Behandlung, einigen Vorteil über die Alten haben und es scheint in der Tat als ob hier ein nicht unbeträchtlicher Gewinn erhalten worden, und noch mehr für die Zukunft zu hoffen sei.
Derjenige, der zuerst diese neue Manier in Holz zu schneiden aufgebracht, verdient Lob, daß er die Natur dieses Kunstzweiges wohl untersucht, erkannt und darauf die Verbesserung der Behandlungsmanier gegründet hat. Die Schwierigkeiten sind dabei nicht gesucht sondern vermieden und, was uns besonders zweckmäßig dünkt, der starke Schatten wird überhaupt als eine dunkle Masse angesehen, und nur auf verschiedne Weise mit den lichten Partien vereinigt; die Reflexe sind in denselben hinein gearbeitet, da hingegen der gewöhnliche Holzschnitt das Ganze als Licht betrachtet und seine Striche, wie, bei einer Zeichnung mit der Feder, auf weiß Papier, geschieht, vervielfacht oder verstärkt, je nachdem ein tieferer Schatten ausgedruckt werden soll. Weil nun jener Begriff der Malerei und der Lehre von den Massen weit näher liegt, als dieser, so ist man bei der neuen Art in Holz zu schneiden, des Effekts ohne Zweifel sicherer als selbst bei gewöhnlichen Kupferstichen, und genießt in diesem Stück ohngefähr die Vorteile einer eben so milden Wirkung des Schattens wie sie die schwarze Kunst gewährt.
Was die Abstufung der Töne, zur Andeutung der Lokalfarben und der Haltung betrifft, so zeigen die vor uns liegenden Versuche, daß der Holzschnitt auch von dieser Seite allen Forderungen der Kunst Genüge leisten kann.
Vorausgesetzt also, daß man Mittel fände große Stöcke in dieser neuen Art zu verfertigen, und welches vielleicht nicht die kleinste Schwierigkeit sein dürfte, sie gut abzudrucken; so läßt sich als wahrscheinlich vermuten, daß die Holzschnitte, da sie von guten Künstlern gearbeitet, aller der gefälligen Eigenschaften fähig sind, wodurch sich die gestochnen, geschabten und geätzten Blätter empfehlen, fortan auch in besserm Rufe stehen, und gleich diesem Ehre und Gunst beim Publikum genießen werden.
Ob wir nun gleich für die Kunst im höhern Sinne von beiden erwähnten Holzschnittsarten nichts zu erwarten haben, denn die Kunst kann wohl auf den Mechanismus, der Mechanismus aber umgekehrt nicht auf sie eine günstige Wirkung äußern; so werden wir doch, in Betracht daß jede Ausübung eines vorzüglichen Talents, welches in dem gegenwärtigen Falle noch besonders zu Verbreitung nützlicher Kenntnisse dienen kann, allemal schätzbar sein muß, gelegentlich wieder auf diesen Gegenstand zurückkehren.
Über die Behandlungsart des ältern bisher bekannten Holzschnittes könnte uns Herr Unger, als welcher darin vorzügliche Geschicklichkeit besitzt, am besten aufklären, vielleicht würden wir indes auch mit den englischen Handgriffen bekannt, um solche nach Deutschland über zu pflanzen.
Zeichnung Hände und Füße sind besonders gut.
Geistreich und wissenschaftlich genug für die Zeit. Wissenschaftl. wie Albrecht Dürer nur Magrer gezeichnet.
Ausdruck.
Charakter der Köpfe.
Durchgeführt, manigfaltig besonders das unmittelbar natürliche gut.
Sobald es ins Edle geht gelingts nicht.
Meistens schwach.
Gute Pharisäer
Judas.
Nachahmung
Ist sehr gut.br/> Der dem Pilatus einschenkt der edelste. Der am Grabe schläft der natürlichste.
still stehender st(...)
Styl
Ausführung äußerst sauber
Falten geknickt. Man sieht daß sie nach der Natur gemacht sind
ihre Lage ist gut sie zeigen aber die Glieder nicht.
Massen Licht und Schatten Haltung |
} | nicht daran gedacht |
Die auf Thron sitzenden gelingen ihm nicht sie sitzen kümmerlich und abgeschmackt.
Bei allem durchdacht