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(Großer Thronsaal mit versammeltem Divan. Harun auf dem Throne. Gerichtshof, glänzender Hofstaat, darunter fremde Gesandtschaften, auch Abendländer, Krieger, persische und arabische Schergen mit gefesselten Verbrechern, die eben abgeurteilt werden; hinter ihnen Ali und Ibrahim.)
Harun. Und nun hinweg, die Sache ist entschieden:
Den Knaben gebt in eine Schule; diese
Steckt in das Heer, in ehrenvollem Dienst
Die jugendlichen Frevel zu versöhnen;
Die Galgenvögel hier dem Strick; doch
den da
Vierteilt! und pflanzt auf jeden Markt ein Stück
Und viertelstündlich soll ein Herold rufen:
So straft Harun den ungetreuen Richter!
Hinweg! – Und nun was weiter? –
(Man bricht mit den Verurteilten auf)
Der Richter und ein Verbrecher. Gnade! – Gnade!
Harun
(donnernd). Ha! gottverdammtes Wort! Hast du vielleicht
Sie dem Gefolterten gewährt, und du, Verruchter,
Dem wüst Gemeuchelten? – O Ekel! Ekel!
290
Ein Richter. Er war das Scheusal, das den Anschlag machte!
Harun. Hinweg! und prügelt sie zum Rad und Galgen!
O Ekel! – Menschen dies – wie ich! – und Richter!
(Beschattet sich in einiger Angegriffenheit die Augen, indes Jene abgeführt werden; nach einer Pause)
Was weiter? –
(Sein Auge trifft Ali und Ibrahim, die gerade vorgestoßen werden, murmelnd)
Ah! das Schwerste noch! O Gott!
Wie rett ich ihn, wenn ich ihn retten muß?
Und
muß ich das? – Frag nicht! –
(Entschlossen) Nun – zum Gericht!
Masrur. O Herr! wir lasen hier zwei trunkne Schweine
In deinem Kleinod auf!
Harun
(sie musternd). Wie? du? was hör ich?
Den Hüter, dich, den heiligen Ibrahim?
Ein saubrer Hüter du, und saubrer Heiliger!
Man gibt ein Heiligtum in deine Hut,
Und liest betrunken dich darinnen auf,
In würdiger Gesellschaft – wie? – wer ist das,
Der Bursch in Lumpen da –
(Sieht Ali an, der seinen Blick ruhig erwidert, stockt)
291
Ibrahim (schnell und leise). Er will dich nicht erkennen! Mut! mein Junge!
Harun
(sich wieder zu Ibrahim zurückziehend).
He! Antwort gieb:
Wie stimmt das alles mit der Heiligkeit?
Ibrahim
(sich ein wenig windend).
Hm! Heiligkeit? – O Fürst der Gläubigen:
Man kann sehr heilig sein
und doch sehr lustig!
(Unterdrückte Heiterkeit. Harun fährt in ungewisser Überraschtheit aus. Ibrahim rasch einsetzend)
Wenn etwas Gottes ist, ist's Heiterkeit!
Sie ist, wie blauer Himmel, sein Gezelt!
Wo du was trüb siehst, grämlich, muffig, scheel,
Vergällt und giftig – sei gewiß, o Herr!
Ist Gott weit weg! Er liebt die Heiterkeit!
Sie ist sein Element –
Harun
(gelaunt). Gemach, mein Fuchs!
Ich kenne deine Schliche! – Aber sag:
Muß das gerad in meinem Kleinod sein?
Ibrahim
(nachdem er kurz besinnend den Mund etwas aufgerissen hat, wieder losschnellend).
O Fürst – arabisch Blut! – das spannt sein Zelt
Am Wege auf, und schürt sein Feuer drin,
292
Wie Gott das seine über dieser Runde!
Nehmt hin! sagt er, seid lustig drin! – Und so –
Harun
(sich die Lippen beißend).
Und fügt hinzu: betrinkt euch wie die Christen?
Erklär mir nun auch das so schön und – wahr!
Ibrahim
(sich ein wenig wiegend, das Besinnen zu maskieren)
O Fürst! Wie Feuer scheut der Weise Übertreibung!
Zu scharf macht schartig, allzu süß wird süßlich,
Zu lang und groß, das gibt was Wackliges,
Und – allzuheilig nähert sich dem Sturz!
So spritzt die Biene jedem Honigtropfen,
Bevor sie ihn bedeckelt, etwas Säure –
Ein Spritzchen Bosheit spritzt sie ihm hinein,
Das Süße zu erhalten und – erhöhn!
So griff auch ich zum Becher
(Lachen und Murren) und vielleicht
War auch Gelegenheit noch schuld und Zufall,
Und sehr vielleicht – du selbst!
Harun (belustigt und empört). Wie – ich? – o Frechheit!
Ibrahim. Erlaub! es war dein Abend, wo du sonst
Zu heiligen Gesprächen zu mir kommst,
Und – weißt du doch: Abwesenheit des Edeln
Verdirbt die besten Sitten – – –
293
Harun. Alter Fuchs!
Vergebens ölst du dich und seifst du dich –
Noch immer laß ich dich nicht aus dem Eisen!
Sag an: du gabst mein Haus für deines aus?
Ibrahim
(sich tief bückend).
Mit gnädigem Verlaub!
Harun. So hinterdrein!
Ibrahim. Verzeih! ich mußt es ja vorweg dir nehmen –
Wie hätten wir uns sonst so wohl gefühlt?
So war ich Wirt für dich!
Harun
(fein bohrend). Mit einer
Lüge!
Wer eifert sonst wie du vor diesem Gifte?
Ibrahim. Nun – Lügen – Lügen? – 's gibt gewisse Lügen – –
Harun (schneidender) Wer weigert selbst der höchsten Not das Recht –
Ibrahim. Wohl, Fürst, der Not, der höchsten –
Harun. Selbst ums Leben? 294
Ibrahim. Wohl Fürst, ums Leben selbst, und grad um es!
Denn Lüg ist Ohnmacht, die nicht leben kann,
Der schäbige Verzicht auf eignes Leben:
Sie beugt sich feige, und verwest nach innen.
Drum wer von Lüge lebt, der lebt auch nicht,
Und wäre Lüge
nötig, um zu leben,
So sagt ich jedem Ringenden: pack ein!
Pack ein! fahr ab! Fahr ab mit Extrapost
Und zahl dem Schwager Tod ein gutes Trinkgeld!
Dies, Fürst der Gläubigen, meint
aus Not die Lüge!
Nun aber gibt's noch eine, die selbst Gott,
Wenn er das Lachen kennt, passieren läßt –
Harun. Nun hört, ihr Weisen! (Bewegung und Gemurmel)
Ibrahim. Ja: die Lüge aus Lust!
Harun. Bei Gott, das schmeckt nach offener Ketzerei!
Gelehrter. Im ganzen Koran steht hiervon kein Wort!
Ibrahim
(sich nach ihm hinwendend, vorsichtig).
Sein guter
Geist wird es ja wohl enthalten,
Auch wenn es nicht in einem
Worte klingt!
O Fürst, leih mir ein offen Ohr und – Herz!
295
Harun. Es ist gefährlich, dir ein Ohr zu leihen –
So sei es dir gewährt – eh du verstummst!
Die Tafel ist gedeckt, der Truchseß wartet
(Ein stocktragender Neger macht eine Vorwärtsbewegung)
Die Portion kennst du auch? nicht wahr?
Ibrahim
(sich hinten reibend, gedehnt). Nun ja!
Ein bißchen viel für schwachen Appetit!
(Grinsen und unterdrücktes Lachen in der Runde)
Doch wie du willst! Ich küsse deine Hand!
Sie ist nicht hart, nur – fromm! drum höre mich:
Du sollst nicht meinen, daß ich lügen lehre,
Wenn ich der Lüg aus Lust den Fürsprech mache!
Der Lüg aus Lust – fühl es bis tief hinein:
Aus
Lust! O Fürst! in unentweihter Höhe
Rein über allem Sündenschmutze schwebend,
Nichts wollend, nur dem Schicksal hingegeben,
Nichts suchend, aber froh bereit zum Finden,
Dem Rätsel, das dich aufsucht, launig dienend,
Giebst du dich Zoll um Zoll dem Leben preis,
Und sieh, auf einmal fordert's eine Lüge –
Was Lüge! eine Täuschung nur!
kunstvolle
Verzögerung der Wahrheit, die du
liebst,
Auf daß sie ganz und
schön sich dir entschleire –:
Sieh, Fürst, so log ich, rein aus Wahrheit log ich –
296
Ich kann es mir erlauben: Wie mein Bruder,
Der nicht ertrinken kann vor lauter Fett,
So kann auch ich nicht in die Lüge tauchen
Vor lauter Wahrheit! –
Harun (launig). Hört den heiligen Schelm! (Bewegung)
Ibrahim. Im Ernst mein Fürst, und sieh es ist auch so:
Der Starke darf mit lindem Griffe greifen,
Der Schwächling nur bekommt den Krampf der Stärke!
Des Lebens sicher, magst du mit ihm spielen,
Dem Kranken ist es immer ernst darum!
Im Überfluß kannst schäumend du verschwenden
(Schneller) Die Armut muß nach jeder Krume gieren
Und bin ich weiß und süß bis tief hinein
So darf ich außen braun und rostig sein,
Ganz wie ein edler Apfel! Tiefer nicht
Gehn meine Lügen mir als ihm die Warzen!
Doch du gib acht: Wie mancher deiner Bonzen
Prunkt hier im allersteifsten Ehrenkleid –
Es stiebt von Glanz und rauscht und knirscht wie Seide
Ja rasselt wie 'ne Rüstung um ihn her –
Doch meint er wohl: am Tage des Gerichts,
Der Schöpfer schleck ihn ungeschält hinunter?
Weh, wenn er ihm die Pracht vom Leibe schält
297
Das laute Tugendrot und Ehrenweiß!
Weh, wenn er ihn
anbeißt, und unterm Prunke
Die Bitternis und Fäulnis sich enthüllt!
(Beweglicher, mit Hintergedanken, die Harun sofort versteht)
Und du, mein Fürst, wenn du das Wort vergönnst:
Der Purpurmantel des Gerechten fällt
Zu lauter Ehrung von der Schulter dir
Und wallt um deine Füße – gebe Gott
Daß dir ein mutig Herz darunter schlägt,
Voll, hoch und stark, und ganz, gesund, lebendig,
Und nicht zerrissen, mit der Hand zerfallen;
Daß du der Richtertugend als ihr
Herr
Ins Auge schaust, bis tief hinein ihr Herr,
Daß du sie liebst und sie dich ganz durchsüßt,
Wie eine Tugend soll! Denn süßt sie nicht –
Ob auch in herber Kraft – so taugt sie nicht!
Froh mach sie dich und stark! Weh, wenn die Hand
Unwillig ihren Dienst tut, Hirn und Herz
In brüderlicher Mordsucht sich zerreißen,
Und dir es
weh wird – vor Gerechtigkeit!
Süß muß dir sein, süß
werden dir von ihr,
Wie von der
Wahrheit mir – der Wahrheit, Fürst,
Die, merk, so
wahr ist, daß sie
lügen kann,
Und doch nicht bittrer davon wird, nur süßer!
(Eindringlicher) Fürst! hör mich:
fruchtbar muß die Tugend sein!
298
Bereichernd, segnend! Und nicht ärmer machen
Den Armen, der mit ihr behaftet ist!
Und da ich manches mit dir weiß, so sage:
(Bohrend) War meine Lüge fruchtbar oder nicht?
Harun
(erst unruhig rückend, dann sich bestimmend).
So war es wohl, und dieses ist dein Glück!
Was du an mir gefehlt, sei dir verziehn,
Und meinen Dank noch – für die schwere Frucht!
Ibrahim. Schwer? laß sie dich nicht drücken! Fürst, gib acht:
Wenn Flügel noch dem irdischen Staube sprossen,
Ist unsrer Seele Wesen ganz von Blei?
O Fürst, hab acht: du fliegst noch
durch das Schwere –
Doch frag ich nun: was ist mit – unserm Gast?
(Blickt auf Ali, ebenso jedes andre Auge)
Harun
(zuckt, blickt Ali scheu an, der in seinen Fetzen hochaufgerichtet furchtlos sein Auge aushält und sucht, schweigt und sucht dann Worte, stockend).
Du bist des gleichen Frevels angeklagt –
So treffen dich die gleichen achtzig Streiche!
Sonst – hast du – keine – Schuld – an mich,
(Schneller) Da dieser für des Hauses Mißbrauch haftet –
(Wieder unsicher werdend)
So –
(Er verstummt und sie sehen sich wieder an, lange, durchdringend; er wird scheu und wendet sich ab, für sich) 299
Himmel! sag mir, was ich soll tun? Du schweigst?
Wird jede Schlacht denn nur in uns entschieden?
Ich kann versuchen nur – den Weg nur tasten –
Versuch ich's denn! –
(Zu Ali) So kannst – du – gehn!
(Leise Bewegung wie zum Schlusse einer Sitzung unter allen Nichtwissenden. Höchste Spannung bei Ibrahim und Djaffar, jener bereit zum Miteinspringen, dieser als Gegenanwalt, Verwirrung bei Masrur)
Ali
(etwas vortretend, sein Auge sucht das des Kalifen, ihm Ehrfurcht und Dank bringend; fest).
Nein, Fürst!
Ich hab noch eine Rechnung abzuschließen,
Und wenn du mir erlaubst, so will ich jetzt –
Harun
(erhebt sich unruhig).
Der Divan ist entlassen!
(Aufbruch)
Ali
(ihn verstehend, abwehrend). Herr! – erlaube!
Ich fordre dich in offenem Gericht
Als Richter gegen mich!
(Es wird wieder stille)
So seht mich an! ein tiefverlorenes Leben,
Zerrissen wie kein Abgrund dieser Welt,
Will heut genesen und darum vergehn!
Zum Bade treibt's mich her – zum Bad in – was?
Ich kann's nicht nennen – nehmt es so – zum Bad!
Und sonst was noch? der Atem einer Brust –
Und hätt sie Raum und Kraft und eine Fülle
300
Um euch
Passate mondelang zu nähren –
Er stieß euch nicht die Hälfte meiner Schmerzen
In
einem Hauche her! – So wähl ich nur
Was euch das Schärfste ist: als Haremsschänder –
Des väterlichen und des deinen, Fürst! –
Floh ich zu Babek in die blauen Berge.
(Bewegung im Saale)
Und Jahre lebt ich als Kuremmi dort,
Ein Blutsfreund Babeks
(Stärkere Bewegung) Und – ich war sein Feldherr!
Am zweiten Tag der Schlacht der sieben Berge!
(Gleich einer Explosion rauscht eine furchtbare Bewegung durch den Saal. Getümmel, Aufschrei, Waffenzucken und Eindringen auf den unbewegt haltenden Ali. Mit geschwungenem Speer und dem Rufe: »Rache für Obeidollah!« wirft sich ein Araber gegen ihn, dem ein Besonnener in den Arm fallen und mit anderer Hilfe bändigen muß)
Harun (steht aufgerichtet in voller Herrscherwürde über dem eine Weile kochenden Sturm. Dann fängt er an, ihn durch Armbewegung zu beschwichtigen; es wird wieder still.)
Eine gellende Stimme: Der Greuel steht und lebt noch!
Harun
(in der Richtung nach der Stimme).
Mein Volk! noch mehr:
Seit zwanzig Stunden weiß ich's, und er lebt noch! –
Er lebt und lebt doch nicht! In dieser Hand
301
Schwankt seines Lebens dürftiges Licht! Ich suche
Und suche eine Nacht, wie ich es lösche,
So lösche, wie der Greuel es verdient!
Doch schwanke ich, mein Volk, so schwankst du selbst!
In dieser Brust hier glüht
dein Schmerz um Rache,
In diesem Haupte wägt
dein Geist sein Recht,
Im Fieber dieser Hand ringst
du um Heilung!
Kein Murren drum, und was auch hier geschehe –
Sein Recht sucht hier der greuliche Empörer –
Nun wohl, er find es! er – und ich – und ihr!
Eins saht ihr schon, was vom gemeinen Schurken
Ihn scheidet, einen Zug: er stellt sich selbst
Dem göttlichen Gericht; kein Büttel schleppt ihn
Am eisernen Strick aus schmählichem Versteck –
Ein edles Blut treibt nicht gemeine Schuld
Hier selbst zur Sühne! Tiefe Scham und Reue
Laßt flüchten ihn zu dem, vor dem Gemeines –
Ali. Halt ein, mein Fürst und Herr! Du malst mich schlecht:
Nicht Reue ist's und Scham, die her mich liefert!
Ich hab nichts zu bereun –
(Bewegung)
Harun. Nichts zu be – – –?
Ali. Nein! 302
Harun
(Stimme des Aufruhrs).
Ha! Stirn –
Ali. Ja Stirn! – Ich biet sie – wie die Brust,
Die dieses Leben hegt!
Wilde Stimmen. Zum Brand! – Zum Pfahl! (Tobender Aufruhr)
Harun. Verruchter du, soll ich das trotzige Haupt
Dir auf die Matte beugen?
(Wink. Ein Henkerssklave rollt die Blutmatte vor dem Thron auf)
Ali. Wenn mein Stolz
Dich quält, so tu's, und – herrsche über Hunde!
(Neues Rasen)
Harun
(Blick nach oben).
Wo nehm ich weiter die Geduld für den?
Es reut dich nicht? Doch aber führt's dich her?
Ali. Es
reut mich nicht, es
schmerzt mich! Diesen Schmerz
Nur möcht ich heilen –
Harun. Also Reue doch! 303
Ali. Nein Fürst, es
schmerzt nur, aber
reut mich nicht!
Ich tät es wieder –
(Neues Rasen)
Harun
(schäumend). Ha! Genug! Zur Matte –
(Schergen stoßen Ali auf die Blutmatte und reißen ihn nieder)
Hund du, verruchter! tätst es noch einmal!
Ali
(kühl). Ich sag nicht »noch einmal« – nur »wieder!«
Führ mich noch einmal meine Bahn zurück,
Und stell mich wieder vor die gleiche Tat,
Und zeige mir dazu das gleiche Weh,
Das sie entfachen wird, für mich und euch –
Doch was ist euer Brand vor meinem Brand? –
Ich tät sie wieder – wieder – – tausendmal –
Bis –
(Knirschend) bis sie nicht mehr schmerzte!
(Neues Rasen; die Knechte drücken ihn wieder nieder, Masrur steht neben ihm und harrt gespannt des Winkes Haruns, dieser aber stutzt, als alleinig ruhige Person, zurück und findet dann, nachdem er den Aufruhr gestillt, die Frage:)
Harun (sinnig). Und dann?
Ali
(den Kopf aufrichtend, den die Schergen ihm freiließen, stutzend). Dann?
(Richtet sich noch ein wenig höher und senkt sich wieder ein wenig)
304
Dann?
(Irrend, suchend und findend)
Dann – tät ich – es vielleicht nicht mehr!
(Bricht kurz nach dem letzten Wort aus der aufgerichteten Kniestellung in die hockende zusammen und in ein erschüttertes – und erschütterndes Schluchzen aus. Es wird totenstill in der Runde, die in der lebendigen Gebärde des Aufruhrs erstarrt. Selbst die Henker werden scheu. Masrur läßt langsam das zum Ausholen gezückte Richtschwert sinken. Große Pause, in der man den Empörer ausweinen läßt, dann)
Harun
(der groß und rein geworden ist und viel gelernt hat, leise).
Ist dies nicht
mehr als Reue! – Köstlicher
Fruchtbarer Tau auf ein gesegnet Feld! –
(Sich zu ihm kehrend; aber)
Ali
(zugleich mit dieser Bewegung sich aufrichtend und wie von Verwirrung und Verirrung zurückkehrend, sich schüttelnd und von selbst erhebend).
Was tat ich? Hab ich dich verleugnet – ha!
So will ich denn zu dir zurückekehren
Du meine Tat, geliebte, heilige,
Verzeih mir, wenn ich dich verriet!
(Richtet sich ganz auf; zu Harun)
Hörst du?
Leih diesen Tränen nicht zu viel Gewicht!
Es hat mich übermannt, ich weiß nicht was!
Ich habe diese Tage viel verbraucht,
Und bin gereizt und etwas schwach davon –
305
Doch soll der Stahl an mir die letzte Stunde
Noch reichen! Nimm die Kinderei zurück!
Mich reut nicht meiner Tat! Genügt es dir?
(Harun hat den Kopf geschüttelt, zum Lächeln über diese Verteidigung geneigt, und sie macht auch merklich auf das Volk keinen aufreizenden Eindruck. Man wird nur wieder unruhiger)
(Ali, in der kurzen Pause diese Nichtwirkung bemerkend, wird unruhig)
Du glaubst mir nicht? – Hab ich sie denn entehrt?
Wie
könnt ich sie denn schmähn? Ich bin ihr dankbar
Wie man der Mutter dankbar ist – für's Leben!
Sie ist's – und wenn auch meines Lebens nicht,
So doch der heutigen Stunde! – Fürst, du weißt – –
Nein, lieber frag ich: weißt du es? als Mensch?
Wie man der Mutter dankt – –? Mit langem Hader!
Bis man ihr dankbar ist, um dieses Leben! –
So hat sie mich gebeugt, zerwühlt, zerknirscht,
Und mich im Kampf mit ihr gestärkt, gestählt,
Und mich herangeführt an diese Klippe,
Um deren Fuß nun die Erlösung brandet –
Und ich soll
rück mich,
hinter meine Tat,
Und mir ein minder heißes Leben wünschen,
Das ohne Schuld im flachen Sumpf verliefe?
Nie, nie und nimmer! Fürst, ich liebe sie!
Ganz zärtlich lieb ich sie! Fürst, meine Tat!
Und heute mehr denn je, ganz zärtlich, sie –
Die
(Geschüttelt) furchtbar harte Mutter dieser Stunde!
306
(Noch einmal sich aufstachelnd)
Und schuf es mir den greulichsten der Tode:
Vom Pfahl noch, aus dem Feuer, unterm Schinder,
Zerhackt in so viel Stücke als du willst,
Nur so noch lebend, so noch, daß ich's sagen,
Und wenn nicht sagen, daß ich's lachen kann –
So sag ich's noch: Ganz zärtlich lieb ich sie!
Der letzte Muskel, der noch dampft und zuckt,
Er soll dir noch in Dampf und Zuckung lachen.
»Ich liebe sie« – ich leb durch sie – doch heut –
Und hier – und so – in meiner größten Stunde –!
(Die Arme in übermächtiger Erregung reckend und schüttelnd, dann ein Ruck, und er wirft sich auf die Matte nieder)
Hinweg mit mir! Ich hab gelebt!
(Ibrahim hat ihn seither mit immer steigender Verzückung begleitet; hier will er sich mit ausgebreiteten Armen neben ihn stürzen und rufen: »Herr, laß mich sterben!«, wird aber durch eine ihm zuvorkommende einfallende Bewegung des Kalifen auf halbem Wege innegehalten, so daß er nur »Herr!« rufen und gegen Ali auf die Kniee sinken kann, wo er mit offenen Armen das weitere verfolgt, bis zu seinem nachherigen Einfall. Er bildet nur eine Bewegung in der Szene)
Ibrahim. Herr – –
Harun
(die gleiche Armbewegung, mit der er Ibrahim hemmt, gegen Ali vollendend, nach kleiner Pause mit tief gefärbter Stimme).
Du hast gelebt?
307
Ali. Ich hab!
Und schön hab ich gelebt! Auf jeder Höhe
Stand ich – ob auch in Schmerzen – was ist Schmerz?
Er höht das Hohe nur, verschönt das Schöne! –
Der Erde bestes hab ich so geschöpft!
Was sie den Sinnen bietet, trank ich aus:
Ich kenne ihre Wüsten, ihre Meere,
Und ihrer Berge weite Herrlichkeiten,
Des Frühlings Schimmer, ihres Sommers Brand,
Des Herbstes Sattheit, Winters hellen Frost,
In jeder Farbe hab ich es genossen!
Und was der Mensch je Großes schuf, war mein!
In meinem Hirne brausen seine Siege,
Wie er den Ton, das Wort, den Stein, die Farbe zwang!
Und den Gedanken, der ihm nie ermüdet,
Vor nichts erschreckt und jedem Abgrund trotzt!
Mein ist ein Freund, des Aug nicht meinem weicht,
Mein ist – mein war das schönste, beste Weib,
Ein Feuertrunk, der jeden vor ihm löscht! –
Und eine Tat ist mein, vor der die Welt
Vor Schreck erklang und in den Felsen bebte –
Was will ich mehr! Im Angesicht des Tods,
Des tausendfachen, den du schaffen kannst,
Ruf ich es, jauchz ich es: ich hab gelebt!
Ich liebe dich, o Welt! ich lieb das Leben!
308
Mit meinem letzten Hauch: Ich liebe dich!
Und nun – hinweg mit mir!
(Wirft sich wieder hin; Pause)
Harun
(mit tiefer Stimme).
Und es?
Ali
(das Haupt erhebend, betreten, dann genötigt, sein Auge vom Kalifen wegzuwenden, der ihn durchbohrend ansieht).
Und es?
Harun. Ja! – das Geliebte?
Ali (stammelnd). Das Geliebte?
Harun. Ja!
Wie sieht es wohl dir nach?
Ali (mit einem Versuch von Trotz). Das ist mir – (Verstummt)
Harun
(bohrend). Gleich?
(Erhebt sich langsam, mit ihm erhebt sich auch, was noch sitzt)
Du liebst die Welt – das Leben – deine Tat,
Und doch ist
gleich dir, wie
sie nach dir sehn?
Mit welchem Auge, ob in Lieb, in Haß,
In Ehrfurcht, in Verachtung oder – Mitleid?
Und liebst sie doch? –
(Ali wendet sich vor der Niederlage)
Du liebst sie? Aber sage:
309
Wie lieben
sie dich? – Ja – wie liebst
du sie?
So sag doch: Frei – und schön – und ganz!
Sie tragen mich wie eine starke Schwinge
Zu jedem Hoch – und Tief – und Vollgefühl,
Und Glanzgefühl des Glücks! – Du windest dich?
Was siehst du mir nicht voll und frei ins Auge?
Ali (keuchend). Ich – kam, so hoch ich kam!
Harun. Und hast genug?
Siehst Höhen vor dir, die du nicht erreicht,
Und bist zufrieden? – Schäme dich –
Ali (seine Erwiderung suchend). Ich – ich –
Harun. Wo stockt das Wort, wo knackt der Trotz?
An welchem Stachel krankt der wilde Stolz?
Tief innen sitzt die folternde Gewißheit,
Das Durchgefühl von einem reinern Sein,
Mit einem Tun, so hoch und heiß wie deins,
Doch
ohne diesen dumpfen Druck und Schmerz!
Ein Sein und Tun mit seligem Besitze
Des froh und rein Getanen! – Und – Ali!
Sieh mir ins Auge, wann du es vermagst –
310
Ali
(sich windend).
Der Blick! – Der Blick!
Harun. Daß du zum Tode hängst,
Zu
jedem Tod: ich glaub es dir, o gern!
Doch frag ich dich: war dies – ist dies dein Leben,
Aus dem du gellen Schreis hinüberflüchtest?
Mit einem Fluche mehr, denn einem Jubel?
Was sind die Wüsten, Berge, Meere heut,
Was aller Reiz in der Gezeiten Flucht,
Was deiner Menschheit hirnberauschend Tun
In Tönen, Farben, Marmor, und Gedanken
In dieser Stunde? Welches
Glück für dich?
Wo ist der Freund, der dir das Auge schließt,
Wo ist das Weib, mit dem du dich gebrüstet,
Die blühende Genossin deiner Kraft?
Wo ist dein Kind, der Zeuge deines Lebens?
Wo ist dein Werk – aha! du rühmst ja eins!
Nun sag: Wo ist die Frucht, das Glück der Tat?
Wo ist das Gegenwesen deines Willens:
Die
Liebe, die ihn heißen Augs empfängt?
Wo ist die Gegenliebe deiner Liebe?
Das Gegenleben deines Lebens –
wo?
Was bleibt von dir, wenn ich dich heute lösche,
So lösche, wie ein einziger Strahl des Schwerts,
Wie eines Strickes Faser schon dich löscht!
311
Ich brauch dich nicht zerstücken und zerreißen –
Ein Wink der Hand –
(Masrur tut einen Schritt)
Ein Streich –
(Masrur winkt den Schergen und zückt sein Schwert; Harun stoppt ihn)
und du bist – Nichts!
Ein Seufzer noch nach dir, getäuschten Lebens,
Und tausend Flüche, die sich rasch verkürzen –
In dreißig Jahren, Menschlein, warst du –
nie!
(Setzt sich wieder zurück)
Nun prahle weiter!
Ali
(sich in Vernichtung windend, bis zum Schreien ansteigend).
Ha – das – Ungelöste!
(Birgt verzweifelt das Antlitz; rafft sich wieder los)
Wie lös ich's? – ha – ich muß – ich
bin ja noch!
Ich muß es lösen! – Gott! so kann ich nicht –
(Schleppt sich auf den Knien einige Schritte nach dem Thron und schreit – gleichzeitig mit Ibrahim, der vorwärts stürzt und sich neben ihn hinwirft)
Vater! laß mich – leben!
Ibrahim (gleichzeitig). Herr – laß mich – sterben!
Ali (fortfahrend). Laß mich nicht sterben so – Vater! nicht so!
(Sie strecken stehend die Hände nach Harun aus, der eine Weile ernst zu ihnen herniedersieht; dann erhebt er sich) 312
Harun
(gegen sein Volk).
Ich lasse hier den Thron dem Allerbarmer!
(Gegen Ali)
Und will versuchen, Menschenkind, an dir,
Ob ich das heiße Zucken in der Brust
Nach seiner Quelle deute–
(Zum Himmel) sei mein Zeuge,
Daß keine irdische Verführung mir
Des Schwertes Strenge schmilzt! –
(Er steigt die Stufen herab, stutzt aber auf der mittleren)
Ich höre Murren!
Ha! – drohende Blicke – die sich noch nicht senken?
Und – ha! – ich seh – es sind die Barmekiden?
Djaffar. Mein Fürst! das ungeheuere Verbrechen,
Von dem das Reich noch bis zur Stunde lahmt –
Harun. Dies Ungeheuere ist eine Wunde,
Die rasch und scharf die Unbedachtheit schlug,
Die
Unschuld fast! – die Hand, die sie uns schuf,
Sie mag sie wieder heilen! – Aber du,
Wie viel lähmst du, wie viel verdirbst du uns,
Ein zehrendes Geschwür an unsrer Kraft!
Ha! Barmaks Sohn! nun naht sich
dein Gericht!
Masrur! Dreifache Wachen um das Schloß –
Du haftest mir für jeden! – Bis nachher!
(Offiziere der Leibwache gehen auf befehlende Winke Masrurs ab. Große Unruhe und Bestürzung; Pause, in der es wieder 313 ruhig wird. Harun steigt weiter herunter, tritt zu Ali heran, winkt Masrur, der sich neben ihn stellt, mit tiefruhiger Stimme)
Dein erstes Leben, Mensch – es ist verfallen!
So nehm ich es an mich!
(Berührt den Arm Masrurs, der das Richtschwert auf Alis Kopf legt; er berührt seinen Arm wieder und Masrur zieht es zurück)
– Und so, o Mensch,
Geb ich es dir zurück! Zum
zweitenmal
Leb du es mir, dem Vater und dem Ganzen!
Dem
Vater, Ali! – O, wohl tausendmal
Hab ich sein Leben einem Wicht gelassen –
Gelassen! – Ali, aus der eignen Brust
Grab ich es hier und pflanz es in die deine –
Und –
wohl wird mir davon! – Komm – an mein Herz!
(Zieht den völlig Zerschmetterten in seine Arme, wo er in sprachlosem Schluchzen lange liegen bleibt, und streichelt ihn zärtlich und küßt ihm das Haar, selber zitternd. Dann erhebt er das Auge, sieht um sich, und gibt einem Eunuchen ein Zeichen, der durch eine Seitentür abgeht und nach einer kleinen Weile mit Suleika (verschleiert) zurückkehrt. Ibrahim liegt immer noch am selben Flecke, das Gesicht wie betend auf die Arme gedrückt. Nach entsprechender Pause:)
Harun. Komm jetzt! wir haben manches noch zu schlichten!
Du wirst vorerst zurück nach Basra gehn,
Um dich ganz zu erholen, Hof und Heim
Von Grund aus neu bestellen, daß dein Fuß
314
Die Stätte weiß, das Mark sich neu zu holen,
Das
ich dir brauche, und dein neues Leben!
(Zu seiner Umgebung)
Man schaff ihm ein Geleite,
(Leute derselben neigen sich dem Befehle, Suleika tritt ein)
Auch die Blöße
Soll man dir decken –
(Wink; Diener gehen und kommen mit Mantel, Turban usw.)
Die der Manneshüfte
Will ich als neuer Vater dir bekleiden!
(Löst sein Schwert)
Hier dieser Stahl – trag ihn – es ist mein bester!
Und nun –
(Sieht sich um, gewahrt Suleika und winkt sie mit dem Haupte heran; sie nähert sich in angemessenem Zögern, zugleich schlägt sie den Schleier zurück; er löst Ali aus seinen Armen, der immer noch betäubt an ihm hängt)
– Auch hier ist noch ein Band zu knüpfen!
(Zu ihr) Hier pflanz ich einen Mann in neues Leben,
Soweit
ich kann! doch wird es leer ihm sein
Und halb nur dünken!
du vollend es ihm!
Doch nicht zu willig! Er verdiene dich!
Die er geraubt sich in ein grundlos Leben,
Erwerb er zur Genossin eines festern!
Doch dann umhauche ihn, umglänz, umleb ihn!
Sei ihm sein Herd, der Hort ihm seiner Kraft!
Im schönsten Joche diene er dem Leben!
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So geb ich euch und lasse doch euch nicht:
Denn mein seid ihr, ein Stück von meinem Leben!
Ein Zeuge meiner Herrschaft! – Habet Dank,
Daß ich euch wohltun durfte! dir vor allem!
Suleika
(hat seine Worte mit schönem Spiel der Bewegtheit begleitet, nähert sich ihm; hauchend).
Mir Dank? – Verzeihung!
Harun. Nein, wohl einen Teil –
Und den geringsten nicht des Glücks der Stunde
Verdank ich dir: dein –
Bad hat mich erfrischt!
(Neigt sich ritterlich und löst sich nun ganz von Ali, der jetzt taumelnd freisteht; er bedeutet sie aufeinander und tritt zum Thron zurück. Suleika hat ihm leuchtenden Auges gedankt, mit einer Vorwärtsbewegung und Geste, die zeigte, daß sie den Schlag mit irgend einer Zärtlichkeit sühnen möchte. Dann steht sie hilflos ihrem neuen Glück gegenüber. Ali wird nun von den Dienern nmringt, die ihn bekleiden. Während dies geschieht:)
Harun
(auf dem Wege nach dem Thron auf Ibrahim stoßend).
Was ist mit dem?
(Winkt, man hebt ihn auf)
Ibrahim
(mürrisch). Wie, kann man denn nicht sterben
Im besten Sud? – Nun bleibt mir nur die Aussicht
Auf meine achtzig Tröster – ha!
(Es fällt ihm was ein, zum Kalifen plötzlich)
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O Fürst!
Sei doch barmherzig! schenk mir
seine noch!
Harun
(zwischen Laune zur Rührung und Mißtrauen).
Was ist das? Wieder eine Fuchserei?
Ibrahim
(flehentlich und doch drollig).
Fürst! diesmal nicht!
Harun. Schelm! ist dir wirklich ernst?
(Ibrahim zieht seine flehende Geste weiter)
(Zu sich) So sei denn einmal ungerecht – aus Lust!
Fuchs! höre: wenn es wirklich ernst dir ist,
So sei'n sie dir geschenkt –
zu deinen!
Ibrahim
(aufhorchend). Wie?
Zu meinen? – Ja nun wie?
Harun
(lächelnd). Ganz ohne Strafe
Sollst du nicht ausgehn mir: so rechn' es aus!
(Wendet sich und steigt den Thron hinan, wo er sich wieder setzt)
Ibrahim
(gegen das Haus).
Wie? – ich? – ja wie? das überläßt er mir!
Und wie soll deuten ich? –
Schenkt er sie mir
Oder schenkt er sie
mir? das heißt genauer:
Faß ich nun hundertsechzig oder keine?
Und dann: wenn es mir
ernst ist!
wirklich ernst:
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Das ist noch teuflischer: denn mach ich ernst,
So
schenkt er mir sie – wo bleibt dann der Ernst!
Dann wird's ja Spaß! Doch mach ich Spaß, wird's ernst!
Wird's ernst, wird's wieder Spaß! O Gott, ein Licht!
Ich faß es heute nicht! Es ist das Beste –
Des Weisen Weg für alle schweren Dinge:
Ich laß es schweben – und – seh diesen zu!
O Tag der Seligkeit, verdünnt mit Kopfweh!
Da – seht die Kinder an! denn Kinder sind's
Vom Land von Morgen! Seele! trink dies Glück!
(Inzwischen ist Ali in der Gruppe bekleidet und wieder frei gegeben worden. Er steht in neuem prächtigem Gewande da, noch taumelnd und ohne auf Suleika zu achten, deren Auge ihn halb abgewendet sucht; endlich hat er sich zusammengerafft und bricht mit emporgeworfenen Armen nach Ibrahims letzten Worten aus:)
Ali. Leben! – ah – Leben! noch ein – noch einmal!
So strömst du wieder mir in heißen Bächen
In diese Form zurück, zur letzten Faser
Sie brausend füllend mit der Kraft des Glücks,
Und – faß es Selige! – mit dem Glück der Kraft!
(Jubelnd und die Arme hoch)
Es
gibt ein Leben,
über aller Not!
Heran denn, was du bringst, an Lust und Schmerz,
An Kampf und Arbeit, Schönheit und Gefahr!
Vor allem Arbeit – ungeheure – schaff:
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Hier sind die mächtigen Schultern! laß sie krachen!
Häuf ihnen was du willst – ich bin ganz dein!
(Zuckt und greift an die Hüfte)
Was ist das? – Schmerz? ein neuer? – Und was will er?
(Suchend)
Ich fühl es leer an dieser Seite hier!
(Dreht sich und erblickt Suleika)
Ha – du! –
(Sie sieht scheu herüber)
blick nicht – daher – nicht so – o Bild!
Ich hatte einen Traum, der ganz dir glich –
Und weiß nicht, träum ich wieder oder noch!
Sieh mich nicht an! ich – schäme mich so sehr!
Und nur ein Wort, ein einziges, nimm an:
Das Leben schloß mir neu die Pforten auf –
Laß mich in ihm die steilsten Wege gehn,
Die
Luft noch zu verdienen, die ich atme!
Und mit der herbsten meiner Arbeit –
still!
Ich wag es nicht zu sagen – nein, o Mädchen!
Zu
hauchen wag ich nicht davon, daß ich –
Noch – an dich – denke – – zucke nicht –
Ich will so laut nicht denken, daß du's spürst!
Laß mich erst leben, schaffen, handeln, kämpfen –
Laß
leben mich, und mich vielleicht erst
sterben,
Bis daß du fandst, daß doch kein Besserer
Den Platz an deiner Brust umwarb, als ich,
Der rasende Tor – der, alle Schwüre brechend,
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Im letzten Elend dich verließ – Suleika,
Im
Elend nur, vor Elend ließ ich dich!
Nun laß mich gehn! Nur wissen laß mich immer
Wo mein Gedanke, aus dem Leeren flüchtend,
Dich, seine süße Heimat, doch ereilt!
Und bin ich Etwas, kann ich Taten zeigen,
Die glühend dir die Wangen heizen, und
Im
Leben nun den Helden unsrer Träume –
Denkst du daran, o Mädchen? – zeigen mögen –
So – sende mir – ich bitte dich – ein Zeichen
Und ich will fliegen – –
(Sie lächelt, er erglüht)
Ha, was ist – du lächelst! –
O Fürst! – gib Urlaub! send mich meinen Weg!
Nur weit – nur weit – daß ich – mich nicht – vergesse!
Suleika
(bannt ihn mit einer Bewegung zu sich zurück; er windet sich der neuen Seligkeit entgegen).
Ali!
Ali. O Klang – Nicht noch einmal!
Suleika
(hinreißend). Du Tor!
Sind wir so schwach – und lernen wir so schlecht,
Daß wir noch weiter auseinander müssen,
Als diese Nacht wir waren, Freund, seit gestern?
Und sind so groben Stoffes wir, daß du
Erst viel noch
tun mußt, um
mir du zu sein?
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Und wenn das Elend uns zerrissen hat
Hält uns das neue
Leben auch geschieden?
Sind wir am jungen Tag noch lahm von gestern,
Und kriechen noch als Falter wie die Raupe?
Wie gestern, Freund?
(Schelmisch) Sag doch: »Was ist dies gestern
Vor einem heut wie heut?«
(Nähert sich ihm, die Arme lüftend; Ali leuchtete bei ihren Versen Ruck um Ruck auf; jetzt in völligem prasselndem Aufflammen.)
Ali. Ha! – das bist du! – Ha! – Herrliche! – Ist's Traum?
Ist's Rausch? Ist's mehr als Rausch! – Ist's – Leben? –
Suleika (die Arme breitend, selig). Fühle!
Ali
(ihr entgegen).
Du bist's! hier bin ich! – Weib!
Suleika (ihm entgegen). Mann!
Ali (lacht erlöst auf, von ihrem jauchzenden Hauche begleitet, sie stehen sich einen Augenblick mit gebreiteten Armen gegenüber; dann schlagen sie zusammen).
Harun
und
Ibrahim
(gleichzeitig und in starker Betonung)
Mensch!
Der Vorhang fällt.