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Puppenspiel im Dorfkruge

Es war im Spätherbst, und die ganze Welt, mithin auch unser Dorf, voll Regen und Kot, und eine Finsternis durch Tag und Nacht. Da kam der schöne Sonntag heran, und mit ihm diesmal noch eine freundliche Sonne, den fabelhaften Dorfschmutz und die Greuel der Herbstwege zu beleuchten. Jedermann fühlte sich bei solcher himmlischen Freundlichkeit umgestimmt und in der Hoffnung auf baldigen Frost und trockenere Wege getröstet; aber ich nicht, denn ich war keinen Augenblick traurig gewesen, weil ich dem Gassenkot, nach echter Kinderart, die Poesie des Abenteuers abgewann und nach Herzenslust im tiefsten Schmutz die Dichtigkeit und Dauer meiner neuen Schächtstiefeln erprobte. Der gröbste Unrat ward nach vollbrachten Experimenten beim Bauern Langfeld mit Erbsenstroh abgerieben und der Überrest in der Küche durch die von mir bestochene alte Köchin vor dem Ofen- und Herdfeuer mit Scheuerlappen und Fettbürste vertuscht, so daß damals niemand Exzesse an meinem Fußwerk wahrgenommen hat.

Heute war nun vollends Sonntag, und an diesem himmlischen Tage, dem alle Kinderherzen jedesmal mit unverminderter Freudigkeit und Erwartung entgegenschlagen, da war auch der Dorfschmutz kein Alltags-, sondern ein Sonntagsschmutz. Als ich nun so diese Sonntagsseligkeit mit vollen Zügen in mich schlürfte, daß ich wie berauscht und der Überzeugung war, es könne nun gar nichts Schöneres in der Welt mehr geben, als eben den Sonntag und die Freiheit, mit ihm nach Herzenslust ohne Beaufsichtigung zu verkehren: da fing es mit einemmal an zu schnarren, wie wenn es Nacht und Feuerlärm wär'. Solche Töne vernehmen und ihnen wie unsinnig entgegenstürzen, war bei unsereinem das Werk desselben entzückten Augenblicks. Der tiefe Gassenkot vermehrte bei dieser poetischen Gelegenheit die Lebensfreude; denn rücksichtslos durchmessen, spritzte er seinem Geometer wie jedermann um die Ohren, der im nächsten Umkreise ebenfalls zu Fuß unterwegs war, dessen nicht zu gedenken, daß gleich zum Entree ein ganz kleiner Bauernjunge, der mit den zu großen Stiefeln seines älteren Bruders stecken blieb, von den in Masse nachstürzenden Knechten und Mägden ganz in den Morast niedergerannt und unter fürchterlichem Geschrei durch die herbeigekommenen Seinigen in unkenntlicher Gestalt ans Tageslicht hervorgeborgen ward.

Jetzt stand ich vor dem, der da geschnarrt hatte, und zwar in augenscheinlicher Verdutzung, denn es war weder der Nachtwächter, noch der Dorfschulze, also weder die Tages- noch die Nachtpolizei, sondern ein fabelhaft ins Kostüm gesetzter Kerl mit rotem Judenbart, kurz und gut, ein Jude, wie ich hinterdrein belehrt ward; denn im ersten Augenblick wollte ich lauter Wunder und keinen Juden sehen, da jede Woche Pindeljuden ins Dorf kamen. Dieser Abenteurer und Unbekannte in rotem Barte verkündete dem zusammengelaufenen Publiko, welches er wegen der Unmöglichkeit, in all dem Kote einen Umgang zu halten, und weil ihm seine Trompete im letzten Nachtquartier gestohlen worden sein sollte, mit des Nachtwächters Schnarre und mit hoher obrigkeitlicher Bewilligung zusammengerufen hatte, daß und wie er heute abend um sieben Uhr bei seinem Wirte im Kruge hierselbst gegen ein Entree nach Belieben eine große Vorstellung mit Puppen zu geben die Ehre haben würde. Genannt wurde das Stück: Der verlorene Prinz. Damit war denn vorläufig die Szene beendet und alle liefen in dem vielen Kot auseinander, wie sie zusammengelaufen waren; mir aber ging der Kopf mit Grundeis und die Welt in die Runde. Es war mir nämlich partout unerklärlich, wie in diesem Kruge, in welchem ich schon zu verschiedenen Malen die Bauern tanzen gesehen hatte, so etwas Wunderbares gezeigt und aufgeführt werden sollte, wie doch zu einem verlorenen Prinzen erforderlich sein mußte, er mochte nun wiedergefunden werden oder nicht.

Diesmal aber dauerte mein Kopfzerbrechen und der Gram meiner skrupulösen Neugier nicht allzulange: denn es kam unterdes ein benachbarter Pfarrer mit seinen Kindern zu unserem Pfarrer auf Besuch, und bevor wir, durch Spiele zerstreut, uns dessen versahen, so erinnerte uns auch schon die Hausmagd, daß es die höchste Zeit sei, in die Komödie zu gehen, falls wir noch Platz bekommen wollten; denn es wären viele Gäste angekommen, das Spektakel zu sehen, und der Kutscher des fremden Herrn Pfarrers sei mit unseres Herrn Pfarrers Hausknecht bereits vor einer halben Stunde an Stelle und Ort. Es war nun zwar erst halb sieben Uhr, und folglich noch eine halbe Stunde Zeit; aber ich war bei den geäußerten Besorgnissen der Magd wie vernichtet und konnte nicht begreifen, wo ich so lange die Gedanken gehabt. Aber Verzweiflung gibt Witz und Kräfte, und so raffte ich mich denn im nächsten Augenblicke mit der Art eines Menschen zusammen, für den Tod und Leben auf einer Karte steht. Der Erlaubnis meines Pflegevaters durfte ich mich gewiß halten; aber er war in Disputationen mit seinem Herrn Amtsbruder, was mir jetzt erst aufs Herz fiel, da ich nicht begreifen konnte, wie man so kurz vor der verkündeten Komödie im Kruge und ein paar Häuser von diesem entfernt, von etwas anderem verhandeln und überhaupt sonst etwas wollen könne, als eben dieses Puppenspiel vom verlorenen Prinzen zu sehen. Einer Delikatesse, die ich immer seltener bei Kindern wahrnehme, darf ich mich aus meiner Kinderzeit rühmen: ich nahm aus tiefster Seele Anstand, einen Erwachsenen, und zumal meine Eltern und Vorgesetzten, in irgendwelchen eifrigen Worten oder Werken zu unterbrechen, und so ward mir denn das Einholen einer Erlaubnis unter den obwaltenden Umständen doppelt schwer, da mein lieber, freundlicher Pflegevater sich angelegentlich mit seinem Gaste unterhielt, und vor einem solchen, vor einem Fremden, vollends vor einem Pfarrer, hatte ich doppelten Respekt. Aber was half es, die Magd, die mich in der Finsternis zum Kruge hingeleiten und unter dem Gedränge der Zuschauer in Obhut nehmen sollte, getraute sich nicht ohne mich und ohne alle Erlaubnis vom Hause hinweg, und ich wußte ihr verlangendes und bangendes Herz in der Küche. So trieb denn ein Keil den anderen, bis die Sympathie für die Magd und den verlorenen Prinzen den Respekt vor dem Gaste bezwang, und ich halb beschämt und halb erschrocken mit einemmal zwischen den beiden geistlichen Herren stand. Meine hergestotterte Bitte ward mir um so rascher und bereitwilliger gewährt, da im selben Augenblicke der kleine Sohn des Gastes dasselbe Anliegen vorbrachte, und man höheren Ortes unsere Herzensbangigkeit menschenfreundlich und nicht ohne Lächeln erwog.

Mein Hütchen in der Hand festgekniffen, stand ich nun auf einen Sprung vor der Tür bei der Magd, die bereits daselbst den Erfolg unserer Bittstellung mit bebender Erwartung erhorcht hatte. Die alte Köchin, welche über die junge Magd sich in Brummen erging, daß die alten Dienstboten bei aller lustigen Gelegenheit immer zu Hause bleiben und für jüngere Knochen die Arbeit mit übernehmen müßten, ward, ich weiß nicht mehr durch welche Konzession und Liebkosung, von uns beiden Ausreißern beschwichtigt und versöhnt, so daß wir mit der Ermahnung entlassen wurden, wenigstens gut zuzusehen, und alles fein wieder zu erzählen. Was diesen Punkt betraf, so war die Adresse an mich das überflüssigste Ding von der Welt, denn so viel bei irgendeiner bestimmten Affaire je ein Menschenkind, mit nur zwei Augen und zwei Ohren im und am Kopfe, gesehen und gehört hat, habe ich diesmal ohne Zweifel gesehen, gehört und vernommen.

Die Töne einer heisern Vogelorgel empfingen uns beim Eintritt in die chaotische Krugstube, welche mittels eines Groschenlichts der Dämmerung überlassen und zum Ersticken mit Bauersleuten und allerlei zweideutigen Ausdünstungen, wie eine Mongolfière mit dem benötigten Gas, gefüllt war. Doch, wo noch ein Husarensäbel sich mit der Schneide Bahn bricht, da blieb meine Neugierde auch nicht zurück; denn sie war nicht bloß scharf, sondern brennend und reinigte vielleicht um deswillen vor mir her die Pestilenz, die jeden umfing. Meiner schrecklichen Besorgnis, vielleicht nichts zu Gesicht zu bekommen, da alles zum Vorhang hindrängte, ward ich alsbald durch die Gutmütigkeit einiger Bauernwirte, sowie durch den Krüger und resp. den Dorfschulzen enthoben; denn in herzlichem Respekte vor ihrem Herrn Pfarrer stellten die beiden mich kleines Menschenkind auf einen Tisch und ins beste point de vue. Alsbald kam auch mein Herzensfreund und Nachbar, der Bauer Langfeld, und nahm mich noch in seinen besonderen Schutz, worauf die Magd, froh, ihrer Sorge um meine kleine Person enthoben zu sein, sich zu ihren Bekannten begab.

Während, wie schon gesagt, die vorbemeldete Vogelorgel unweit meiner Ohren in stammelnder und lückenhafter Weise wie eine heisere Klarinette lamentierte und der Junge, welcher sie drehte, durch die äußerste Schnelligkeit jede Pause zu verkürzen und zu überwinden trachtete, welche nicht von Hause aus auf der armen Walze stand, hatte ich volle Zeit, mir den Vorhang zu betrachten und mich in das zu vertiefen, was hinter demselben, wie ich aus allerlei Zeichen erriet, mit großer Geschäftigkeit vorbereitet ward.

Es war eine Ecke, die sich der Künstler und Direktor nicht ohne Umsicht zu seinem Retiré und Asyl ausersehen hatte; daselbst aber hing vor einer in beide gegenüberstehende hölzerne Eckwände eingeklemmten Holzplatte ein Papiervorhang bis dicht zum Erdboden herab. Dieser Vorhang war gräßlich schön bemalt. Die Arabesken, Grotesken und mythologischen Figuren will mein plastisches Gedächtnis nicht mehr so bestimmt wiedergeben, aber die Grundfarbe habe ich behalten, sie war braunrot, von der Tinte und Nuance, wie sie durch den sogenannten Totenkopf erzielt wird, den die Köchinnen zum Anstreichen des Ziegelherdes für einen Groschen vom Materialhändler kaufen. Lächle oder zweifle man, wie man wolle, ich selbst möchte heute an meinem Farbensinne verzweifeln; aber seit jener Zeit hat jene Grundierung für mich eine unaussprechliche Mysteriosität. Wiefern ich Ursache dazu habe, wird man weiter ersehen.

Während ich so ganz meinen Betrachtungen, Wahrnehmungen und künstlerischen Vorgenüssen hingegeben war, und nur das eine nicht ohne Besorgnis und Verwunderung erwog, wo denn in einem so engen Raum so große Dinge vorbereitet und dann ins Werk gerichtet werden könnten, so ward auch schon hinter dem Vorhange der Anfang durch Klopfen, gleich hinterdrein durch ein zauberhaftes Klingeln angezeigt, und vom Wirte, wie von den Altesten und Angesehensten des Auditoriums und resp. des Spektatoriums zur Ruhe gemahnt. Der Autorität arbeitete diesmal die aufs höchste gespannte Neugierde in die Hände, und nach der ersten stillen Pause erschien von unten herauf, am obern Rande des Vorhanges eine von Gold und Silber gleißende, anderthalb Spannen hohe Figur mit Zepter, mit Ordensstern und einer Krone auf dem Haupt. Ihre ersten Worte sind für Zeit und Ewigkeit in mein Gedächtnis geprägt; denn meine Seele erschrak bis in ihren vorweltlichen Ursprung hinein, als diese Worte offenbar und ganz deutlich aus dem Munde der Puppe hervorkamen, so daß ich, wiewohl verwirrt, doch der ganz vollkommensten Illusion hingegeben war, es sei die Puppe selbst, die da durch irgendwelche, mir unbegreifliche Wunder die Redensarten aus ihrem Eingeweid' heraus verführe. Der Jude war in der Tat, wie ich das lange hinterdrein erklärt bekam, ein Bauchredner, und der Ruin meines Verstandes, die Umkehrung und Verwirrung meiner bisdasigen Begriffe war solchergestalt erklärlich.

Die Figur, mit welcher das Stück begann, war nichts minder als der König, der sich mit den Worten in Szene setzte: »Himmel, was seh' ich! Stern, was erblick' ich!« Wie sich weiterhin ergab, sah und erblickte der König den Hofmeister seines Sohnes, der, als eines Tages der Prinz auf unbegreifliche Weise verschwand, ihn in aller Welt zu suchen, ausgegangen war, nämlich durch ganz »Europiam, Asiam und Afrikam, bis nach die indischen Weltteile,« und zwar mit dem Vorsatze, nicht eher zurück zu sein, bis er seine Nachlässigkeit durch Wiederfinden seines fürstlichen Pflegebefohlenen gut gemacht hätte. Der Prinz fehlte bereits zwanzig Jahr, somit schien es denn alle Weile kein Wunder, wenn der König und Vater beim ersten Anblick des Hofmeisters, dem er den Prinzen auf dem Fuß vermuten mußte, in die Worte ausbrach, die bereits angeführt sind.

Nach dem Ausruf folgten dann die Verständigungen und Nachrichten so hastig und atemlos, daß fast kein Wort vor dem andern Raum hatte. Der Prinz war wirklich aufgefunden, verweilte aber dermalen noch an einem sichern und nahen Orte, um die teuern Eltern und sich selbst durch Überraschung nicht zu verschrecken oder zu töten.

Der königliche Vater schien dies auch vollkommen einzusehen, denn er hörte die ganzen, langen Historien ebenso vernünftig wie gewissenhaft an, wie alle dramatischen Väter, und wie das die auf Tod und Leben interessierten Leute im ähnlichen Falle und in gleicher Situation auf dem großen Theater tun, versteht sich im Interesse des Dialogs und allem gesunden Menschenverstande zum Trotz. Erst nachdem der Bericht ganz abgehaspelt war, stachen den König und Vater seine Elterngefühle wie eine Bremse, und mit den Worten: »O Himmel, welches Entzücken!« ging dieser durchaus bühnengerechte Souverain, sich in die unterdessen par distance offengehaltenen Arme des verlornen Sohnes und Prinzen zu stürzen, welcher in zweiter Szene und im Beisein des Hofes, der durch sechs Puppen auf einem Klumpen vorgestellt ward, den Bericht des Hofmeisters nicht ohne prinzliches Pathos wiederholte, alles, tout comme chez nous, das heißt, wie auf den Brettern, welche die Welt bedeuten. Denn nachdem solchergestalt das Beste vorweg gegeben worden, kam erst hinterdrein die eigentliche Handlung und Intrige des Stücks, nämlich eine verliebte Prinzeß, die der verlorne Prinz nicht heiraten wollte, weil sein Herz bereits in der Fremde, in dem Lande Fanagosia, versagt war.

Aus der Mitte weiß ich nur dies, daß die verschmähte und Rache schnaubende Prinzeß gegen den ungalanten Prinzen zu Protokoll gab: »Er hat mir die Kleider vom Leibe gerissen.« Es handelte sich also wahrscheinlich um weibliche Ehre und Reputation. Das End' vom Liede war dieses, wie die Schlechtigkeit der Prinzeß ans Tageslicht gebracht, der bereits eingekerkerte Prinz wieder ans Vater- und Mutterherz genommen, ein Mohr enthauptet, die Prinzeß ins Kloster gesperrt, und mit der indes vom Hofmeister herbeigeholten fremden Prinzeß aus Fanagosia Hochzeit gemacht ward. Das waren aber nur die ideal gehaltenen Vorspiele zur eigentlichen Quintessenz und zur realen Gestalt des Puppenspiels, das nunmehr als zweite Abteilung in drei Hauptfiguren zum besten gegeben ward, als da waren, sind und sein werden: Tod, Teufel und Hanswurst.

Das Publikum hatte sich, ich muß es ihm zur Steuer der Wahrheit bekennen, im idealen Teile höchst anständig und teilnehmend benommen; jetzt aber beteiligte es sich aus Herzensgrund, und des Gelächters über Hanswursts Witze war kein Ende. Gleich der Anfang war Wasser auf jedermanns Mühle. Gefragt, wie er denn heiße, gab Hanswurst zur Antwort: »Wie mein Vater,« und wie heißt denn dein Vater? »So wie ich,« und wie heißt ihr denn beide? »So wie der eine,« und dieser eine? »So wie der andere,« und so in einem fort. Man sieht, Hanswurst antwortete nicht anders und nicht schlechter in die Runde, als die Metaphysik. Der Künstler scheint mir überhaupt, so wie ich mir jetzt seine Komödie zurückrufe, kein ganz gewöhnlicher, wenigstens kein gemeiner Puppenspieler, sondern ein Mann von einigem philosophisch ästhetischen Ehr- und Zartgefühl und nicht ohne das gewesen zu sein, was man Konduite zu nennen pflegt; ein Mann, dem eigentlich mehr im idealen Teil, als in dem realen Nachspiel seinem angebornen Kunstdrange zufolge ein Genüge geschah. Was mich betraf, so gefiel mir eines wie das andere gleich sehr; die Geschichte von dem verlornen Prinzen doch aber besser, als die Witze von Hanswurst, der sich immer auf die Letzt mit Tod und Teufel herumprügelte und Sieger blieb, wie sich von selbst versteht, da die Narrheit der Sieg der Welt ist von Anbeginn! Aber die Figuren und Bewegungen von Tod, Teufel und Hanswurst lösten mich durch ihr groteskes Aussehen und ihre Gelenkigkeit in Staunen auf, und so hatte ich meine volle Genugtuung im idealen wie im realen Teil.

Ich muß schließen und bemerke nur noch dieses: mir erschienen die Physiognomien der Puppen in ihrer ganz fabelhaften Abscheulichkeit, als da ist, in ihren entsetzlichen Hakennasen, Glotzaugen und grinsenden Mäulern so, ich weiß eben nicht wie, interessant, poetisch, phantastisch, unerhört -- es paßt alles nicht -- kurz, so unmöglich, und eben in diesem ihrem Exzeß von Häßlichkeit so übernatürlich, übermenschlich, dämonisch, spukhaft, also so erhaben und wunderschön, daß ich vor einigen Jahren einen originellen Oberförster meiner Bekanntschaft erst vollkommen verstand, als er von einem entsetzlich losschreienden Steinesel lachend sagte: »So ein Beest ist ordentlich vor Häßlichkeit schön.«

Die waldwilde Bemerkung meines nunmehr in dem Herrn entschlafenen Oberförsters ist eine so originelle, so zum Nachdenken auffordernde, wie irgend eine andere von einem Professor der Ästhetik. Auch ich muß ausrufen: Jene Puppen waren vor entsetzlicher Häßlichkeit ordentlich schön, und es sind mir seit der Zeit andere hochgepriesene, berühmte Dinge, Figuren, Geschichten, Kunst- und Lebenswerke vorgekommen, die ordentlich häßlich waren vor lauter Schönheit oder Schöntuerei.

Am Morgen nach dem Puppenspiel ging es mir ganz so wie Goethes Wilhelm Meister; denn ich konnte ebenfalls nicht begreifen, wie da, wo gestern noch solche Zauberei und Herrlichkeit gewesen, heute schon alles so alltäglich aussehen und vor sich gehn könne, als wenn nie was von Wundern und Komödien dazwischen gefahren wär'. Ein Jammer und gleichwohl eine Genugtuung war es auch, daß kein Mensch und selbst mein gelehrter Pflegevater sagen konnt', wo Fanagosia gelegen; denn so verblieb es in meiner Einbildungskraft bis auf den heutigen Tag.


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