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Unsterblichkeit

Was einen Anfang genommen, klagt der zweifelsüchtige, kleingläubige Erdenverstand, entgegen der himmlischen Verheißung am Sternenhimmel und in der heiligen Schrift, das nimmt auch ein Ende.

Aber unsere Seele nahm nur scheinbar einen Anfang, und in der Wesenheit nicht: denn sie ist von der Mutterseele bis zu Evas Seele hinauf, und sie ist von der Welt- und Gottesseele abgezweigt, die in allem Sonderleben die allgemeine Kraft und der ewige Trieb ist, ohne daß sie das freie Menschen-Ich gefährdet und verschlürft.

Jeglicher Augenblick ist mit der Ewigkeit in Eins gebildet, und alles Endliche Augenblick der Unendlichkeit; der Menschengeist ein Augenblick und Gedanke des ewigen Geistes der Welt.

Nicht der Körper war es und sein Erdenstaub, welcher eine Seele zeugte und entband, sondern die Seele ist es und ihre Bildkraft, und die ganze Natur, welche in Kraft und Mitwirkung der Weltseele und des Schöpfergeistes, in Harmonie mit der ganzen Schöpfung sich diesen irdischen Leib nach dem Bilde Gottes erbaut hat, ein Symbolum und einen heiligen Tempel der unendlichen und ewigen Natur, die in allen ihren wechselnden Gestalten die unendliche Mannigfaltigkeit des göttlichen Verstandes verwirklicht und offenbart.

Was und wie ist denn solchergestalt noch die Endlichkeit und Vergänglichkeit der menschlichen Seele und des ätherischen, des unsichtbaren Leibes, den sie sich von Anbeginn in und über dem sichtbaren und vergänglichen Erdenleibe zugebildet hat?!

Ist denn der Erdenstoff und Staub das Wesenhafte und Wirkliche, oder das ihn belebende und bildende ewige Prinzip? Ist denn der handgreifliche und sichtbare Anfang des Körpers, oder der unsichtbare ingottliche Uranfang der Seele der wahrhaftige und wirkliche Anfang unseres Ich?!

Kann denn der Weltgeist und kann also ein Gedanke, ein Augenblick dieses ewigen Geistes, kann also der Gottesgedanke, der in einer Menschenperson, einer Menschenseele, und eben in ihrer eigentümlichen Bild- und Lebenskraft sich wirksam erweist: kann er verloren gehen und auf ewig verschwinden, da er doch entweder aus dem Nichts einen Anfang nahm, oder von Ewigkeit im göttlichen Geiste eingehüllt lag?!

Wahrhaftig! weil wir in Wirklichkeit sind, weil wir es denken und aussprechen, weil wir es glauben und fürchten, daß wir sind, darum sind wir von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Nicht soll also die Frage sein: Wie kann Ewigkeit und Unsterblichkeit, wie kann allgegenwärtiges, unendliches Gottes- und Geisterleben sein? -- sondern: Wie ist Anfang und Ende, Endlichkeit und Vergänglichkeit, wie ist Tod und Materie in dieser unendlichen, allüberall vom ewigen Schöpfergeist erfüllten Geister-, Gedanken- und Seelenwelt überhaupt möglich? Wie kann etwas anderes sein, als eben Geisterfreiheit, Gott und Unsterblichkeit?!

O haltet an dieser Unsterblichkeit und lebet in ihrem Sinn! Denn die ganze Welt, unser Gewissen und die Heilige Schrift, unsere Liebe und Sehnsucht, unser Lebens- und Todesmut, das heilige Angedenken der Toten, das Bleibende und Ewige in allem Wechsel der Erscheinungen, unser Ich in und über dem Wandel der Sinnlichkeit und der Vergänglichkeit dieses Erdenleibes, alles, alles gemahnt uns an Gott, an Freiheit und Seelenunsterblichkeit. Und dieser lebendige Glaube bildet uns schon hienieden einen himmlischen Geist und einen Ätherleib zu, der eben die überirdische Menschenschöne ist.


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