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In Schweden hatte zuerst um die Mitte des XVII. Jahrhunderts die Königin Christine ihr Land französischem Einfluß zugewandt. In den ersten Maientagen ihrer selbständigen Regierung hoffte sie, einen glänzenden Musenhof um sich zu vereinigen; sie war es auch, die André Mollet, den Sohn und Mitarbeiter jenes Mollet, der unter Heinrich IV. in Frankreich arbeitete, nach Schweden berief, nachdem ihn die Revolution aus England für eine Zeitlang vertrieben hatte. In Stockholm veröffentlichte Mollet 1651 sein theoretisch einflußreiches Buch »Le Jardin de Plaisir«, das er der Königin widmete. Er sagt leider nicht, für welche Gärten er seine »Parterres en broderie, compartiments de gazon, bosquets« entworfen hat, doch läßt sich sein Stil am deutlichsten in einem der schönsten schwedischen Schlösser erkennen, das seit 1684 nach dem Prinzen Ulrich den Namen Ulrichsdal erhielt, während es bei seiner Erbauung Jakobsdal hieß. Das Schloß wurde schon 1642–44 erbaut (Abb. 519).
Eine Reihe schöner Stiche von Perelle zeigen den Zustand der Gärten, wie sie um die Mitte des Jahrhunderts von Magnus Gabriel de la Gardie angelegt und von Königin Hedwig Eleonore, der Witwe Karls X., die das Schloß von 1669 an besaß, verschönert wurden. Die schwedischen Schlösser erhalten ihren größten Schmuck und Reiz von den großen Wasserflächen; meist umgibt das Meer oder einer der großen Seen das Haus, wie hier, von zwei Seiten; vom Wasser aus erhält es seinen Hauptzugang, an die andern schließen sich dann die Gärten an. Jakobsdal liegt auf einer Terrasse, die von drei Seiten vom Meerbusen umspült ist, ein prächtiger Balustradenaufgang führt vom Landungsplatz zu dem schönen Renaissancebau, der nach der Gartenseite zu mit zwei breiten Flügeln einen gepflasterten Hof umgibt. Seitlich führt auf diese Terrasse ein balustradeneingefaßter Fahrweg als Landzugang. In das sehr große Parterre steigt man auf breiten Treppen; 16 große »compartiments« sind im Stile Mollets ausgelegt, von Zwergbäumchen mit Statuen in den Ecken umsäumt, durch drei prächtige Brunnen zusammengehalten. In der Hauptachse liegt dem Schlosse gegenüber ein in einem Boskett stehender Kuppelbau, der eine Grotte umschließt. Weiterhin zu beiden Seiten der Mittelallee liegen zwei Vivarien, das linke mit einem Drachenbrunnen geschmückt, zu Füßen eines wilden Grottenberges, an dessen Fels Andromeda angeschmiedet ist, während auf der Höhe der Pegasus herausspringt. Rechts vom Schlosse klettert der Park einen Hügel empor, auf breiter Treppe gelangt man zu dem Lustschlößchen Marienberg, nach der Gemahlin Magnus Gabriels genannt. Dem Fuße des Hügels entlang liegt der Orangeriegarten, während an der anderen Seite ein Kanal, der sich in zwei Bassins erweitert, mit dem Meere in Verbindung steht. Wahrlich ein Gartenbild, das, wenn wir seinen Entwurf Mollet zuschreiben dürfen, diesen wie seinen Vater unter die hervorragenden Gartenkünstler seiner Zeit reiht. Der französische Renaissanceeinfluß, überall spürbar, hat sich der wunderbar herrlichen Lage des Schlosses glücklich angepaßt.
In Dahlbergs Dahlbergius, Ericus, Suecia antiqua et hodierna, 1739. Neue Ausg. von Hans Hildebrand, Wahlstroem und Widstrand, Holmiae 1900. Ansichten der schwedischen Schlösser vom Jahre 1735 finden wir noch einige kleinere Gärten, die deutlich diesen Renaissancecharakter, dessen schönste Blüte Jakobsdal war, bewahren. Die Wege sind noch durch kreuzweise Treillagelaubengänge überwölbt, so der hübsche kleine Garten von Eckholm oder das von Perelle gestochene Parterre von Mirby. Die meisten dieser Gartenbilder aber weisen deutlich den Einfluß von Le Nôtre auf, der seit dem Ende des XVII. Jahrhunderts auch hier unwiderstehlich eindrang. Hedwig Eleonore hat sich besonders der Ausschmückung und Anlage von Gärten gewidmet. Ihre Lieblingsschöpfung war das Schloß Drottningholm (Abb. 520); sie fand hier auf einer der Inseln des Mälarsees ein mittelalterliches Schloß, dessen Umbau sie bald nach 1661 begann. Das Schloß liegt auch hier auf erhöhter Terrasse und erhält seinen Zugang vom Wasser durch seinen ovalen Hafenbau. Nach Süden erstreckt sich der Garten, der am meisten unter den schwedischen den Einfluß von Versailles verrät, das reiche Parterre ist in Buchsmustern ausgelegt, von einem Rande verschnittener Bäume und von Blumen umfaßt. In der Mitte steigt man auf Freitreppen und breitem Mittelwege zu einem Bassin mit einem Herkulesbrunnen. Dieser leitet in das Wasserparterre über, das wieder einige Stufen tiefer liegt und von acht runden und ovalen Bassins mit Springbrunnen gebildet wird. Am Ende liegt eine jener Wasserstraßen, die der französische Garten von Italien gelernt hat. Diese Wasserstraße endet zur Seite links in einem ovalen Bassin, wo auf der anderen Seite eine Kaskade den Blick festhält. Jenseits des Wasserparterres folgen die reichgestalteten Bosketts. Auf der Westseite des großen Parterres liegt ein mächtiges Wasserbassin mit einer Insel, an das sich der von geraden Alleen durchschnittene Wildpark anschließt. Eine konzentrische Menagerieanlage im Südosten vervollständigt das schöne Bild. In der zweiten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts sollte dieser Garten noch einmal eine Blüte erleben, wieder von einer Königin gepflegt und geliebt, von Luise Ulrike, der Schwester Friedrichs des Großen. Wie ihr Bruder und ihre Bayreuther Schwester fand sie in dem Studium von Literatur und Kunst ihre höchste Lebensfreude. Wie diese hatte sie von der Mutter die Lust am Sammeln und der Pracht ihrer Umgebung geerbt. »Die Zimmer der Königin sind überall die schönsten«, sagt ein Reisender der Zeit Bernouilli, Kleine Reisebeschreibungen VII, S. 83.. Wie Hedwig Eleonore hatte sie Drottningholm zu ihrem Lieblingssitz erkoren und das Innere des Schlosses mit Porzellansammlungen, chinesischen und japanischen Tapeten, Möbeln und Bildern versehen. Der Garten – mehr noch nach dem Zeitempfinden der Park – wurde jetzt mit allerlei Modeanlagen versehen. Hier im Parke, einen Büchsenschuß vom Garten entfernt, erbaute Luise Ulrike eine ganze kleine Kolonie, die sie China nannte. Zierliche Häuschen im chinesischen Geschmack liegen um einen Platz, das Hauptgebäude mit Lacktafeln und chinesischen Figuren geschmückt. Eine chinesische Pagode mit Glockenturm, chinesische Porzellanvasen, vergoldete Statuen vollendeten das heitere Bild, das von einem dunklen Nadelholzboskett wirksam umrahmt wird Bernouilli, a. o. O., VII, S. 85 ff.. Von einer anderen Anlage kleiner Gebäude, die auch die Vorliebe der Königin für China zeigt, spricht Hirschfeld, »sie liegt am Ende des französischen Gartens und wird Kanton genannt Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst V, S. 289.«.
Das größte der schwedischen Schlösser ist Carlsberg Bernouilli, a. o. O., VII, S. 110. (Abb. 521), doch fehlt seinen großen Gärten der einheitliche Charakter Drottningholms. Der Aufgang vom See aus hat Ähnlichkeit mit diesem Schlosse. Hinter dem Hause liegt ein halbrunder Platz, um den ein schmales Blumenband führt, dahinter gleich dichte Bosketts, und erst hinter diesen liegen, auf einem weiten offenen Platze eingebettet, die Parterres um ein großes Bassin. Da dieser Garten sich nach Norden entfaltet, so sollten die hohen Bäume um das Haus wohl die kalten Winde abhalten. Am Hause selbst wurde man entschädigt durch reichgestaltete Seitenparterres, die, zum Teil als hängende Gärten behandelt, einen reinen Renaissancecharakter bewahren. Um die Gärten legt sich ein großer, mit geraden sternförmig auslaufenden Alleen durchzogener Park, der sein französisches Aussehen noch heute vielfach bewahrt hat. Es hängt von der Lage dieser Schlösser ab, daß die eigentliche Bedeutung, die der Kanal für den französischen Garten gewonnen hatte, hier zurücktritt, da der Ausblick auf den See oder das Meer den Zweck des Kanals in ganz anderer Weise zu erfüllen vermag.