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Nicht so geneigt dieser ganzen Entwicklung finden wir die südlichen Länder, besonders Italien. Wohl hatte Italien im XVII. und XVIII. Jahrhundert die Führerschaft an Frankreich abgegeben; mit vollem Bewußtsein empfand es diese Überlegenheit. Le Nôtres Kunst sollte hier das Unmögliche geleistet haben, und Villen wie die Ludovisi und Albani, die eine längst vor seinem Auftreten, die andre lange nach seinem Tode geschaffen, sollten sein Werk sein. Diese römische Kritiklosigkeit war aber auch das beste Zeichen, daß Le Nôtres Geist und sein nordisches Stilempfinden den Römern glücklicherweise gar nicht aufgegangen war. So nur war es möglich, daß noch 1740 in der Villa Albani eine echt römische Villa geschaffen werden konnte. Gewisse Konzessionen, die der Kardinal an den herrschenden Zeitgeschmack machte, müssen sich etwas schüchtern, und unverstanden im wahren Sinne des Wortes, in die Ecke drücken. Der kleine tiefer liegende Garten hinter dem sogenannten Kaffeehaus macht den Versuch, eine Art von Parkboskett zu schaffen. Seitlich vom Kaffeehaus führen Treppen herab auf die künstliche Ruine, von der schon die Rede war, und die als Vogelhaus eingerichtet ist. Die Hinterseite des Kaffeehauses trug einen ländlichen Charakter und schaute auf eine Kaskade, die in ein länglich kanalartiges Bassin herabstürzte. Dieser Kanal aber läuft zwischen Mauern auf das hintere Eingangstor des Gartens. Die ganze kleine Anlage hätte in einem nordischen Park ihre richtige Stätte gefunden, nimmt sich aber hier, überall von Mauern umschlossen, gar seltsam aus, wenn man aus den echt römischen Anlagen der oberen Terrassen herabsteigt. Was damals von klassizistischen Veränderungen in einigen der größeren Villen vorgenommen wurde, ist auch schon früher angedeutet worden; es war selten ein Fortschritt, wenn auch nicht so verderblich wie der immer näher drohende englische Landschaftsstil.
Eine größere Bedeutung sollte der französische Stil für Norditalien erhalten. Dem ebenen Terrain der lombardischen Felder war diese Kunst weit gemäßer. Der immer stärker französierte Adel Mailands, Turins suchte sich die Vorbilder für seine Villen damals ebenso wie die Länder jenseits der Alpen in Frankreich, und auch die Terra ferma Veneziens bedeckte sich mit Landhäusern, die sich mit französischen Gärten und Parks umgaben. Eine Stichsammlung Da Costas »Le Delizie del Fiume di Brenta« (Abb. 527) zeigt uns die Villen und Paläste in jenem Zustande, wie sie Goethe sah, als er, »manchen herrlichen Garten, manchen herrlichen Palast« hinter sich lassend, die schöne Brenta hinab am 28. September 1786 dem ersehnten Ziele Venedig entgegenfuhr. Heute sind die Gärten dieser Villen der venetianischen Terra ferma entweder ganz verschwunden oder sehr schlecht gehalten. Der größte und bedeutsamste unter ihnen ist Palazzo Pisani, um 1740 für diese venezianische Adelsfamilie in großem Stile erbaut; und großzügig ist auch der Garten angelegt, ohne für die Kunst von wirklicher Bedeutung zu sein.
Ebenso unterlag dem französischen Einfluß die Umgegend von Mailand. Auch diese Gärten sind in dem Kupferwerke Dal Res »Ville e Delizie di Milano« aus dem Jahre 1773 erhalten. Fast alle passen sich dem Schema an: Parterres und Bosketts in französischer Manier angelegt, im Parke hier und dort ein kleines Lusthaus. Die Villa Castellazzo hat noch heute einigermaßen ihr damaliges Aussehen erhalten Abbate Domenico Leonardi, Le Delizie di Castellazzo, 1743.. Das große Parterre, von allen Seiten, besonders nach Norden, mit reichgestalteten Bosketts umgeben, liegt vor einem Seitenflügel des Hauses, das die Hauptzimmer enthält. Hinter einem Abschlußtor, bei einem mit einem Herkules geschmückten halbrunden Platze, beginnt der Park. Seitlich, entlang den Bosketts, die Brunnen, Labyrinthe und Statuen enthalten, führt eine breite Allee an einem grünen Theater vorüber zu dem Dianabrunnen, einer sehr anmutigen und doch wieder echt italienischen Anlage; mehr gilt dies noch von dem Boskett des Vogelherdes und dem Vogelhaus, das den Garten nördlich abschließt.
Französischen Einfluß spüren wir auch überall, wohin die Bourbonen ihr wechselndes Herrscherglück brachte. Als der Sohn des spanischen Philipps V., Karl III., durch seine Mutter einziger Erbe der Farnesi, 1731 in Parma einzog, legte er neben dem kleinen Palazzo del Giardino, der dem XVI. Jahrhundert entstammte, den großen heutigen Giardino Pubblico an. Besonders in seinem jetzigen Zustande, wo die hohen Buchenhecken, die die Wege durch die Bosketts begrenzen, ganz ihres Schmuckes von Statuen entkleidet sind, die Parterres nicht mehr in ihren alten Mustern gehalten werden, mutet dieser Garten wie ein aus dem Norden verschlagenes fremdes Gebilde an. Karl ging schon 1734 als König nach Neapel. Nachdem er sich endlich die Anerkennung der Mächte definitiv errungen hatte, wollte er nach dem Beispiel seiner nordischen Vettern auch seiner Macht durch den Bau eines Riesenschlosses gebührenden Ausdruck verleihen. Im Jahre 1752 begann der Baumeister Vanvitelli bei dem Städtchen Caserta ein Schloß, das sich rühmen sollte, der größte Palast der Welt zu werden (Abb. 528).
Daß der Garten auch die Rivalität mit Versailles aufnehmen könnte, darüber bestand bei dem Erbauer kein Zweifel Vanvitelli, II Palazzo di Caserta.. Ein riesiger ovaler Vorhof leitet die Gebäude, die um vier große Höfe gruppiert sind, ein. Zur Seite liegen Blumenparterres, und wie in Versailles schließt sich östlich davon, tiefer liegend, die Orangerie an. Auf der andern Seite entspricht ihr eine Reitbahn, nach römischer Weise von Alleen umgeben. Von der Schloßterrasse an der Gartenfront steigt man auf einer Reihe von Stufen in das mächtige Parterre, das mit seinen Bassins und Springbrunnen in die Bosketts eingebettet liegt (Abb. 529). Weder das Parterre noch die umgebenden Bosketts zeigen irgendwelche originellen Züge. Der ganze Nachdruck sollte auf die Kaskade gelegt werden, die in der Hauptachse des Schlosses von dem Hügel gegenüber herabfällt. Oben schließt sie eine Terrasse ab, die eine herrliche Aussicht gewährt.
Von hier fällt das Wasser 50 Fuß steil herab in ein Bassin, das mit Gruppen von carrarischem Marmor, die Geschichte Dianas und Aktäons darstellend, geschmückt ist (Abb. 530). Weiter eilt es von Stufe zu Stufe, so dicht und überreich mit Marmorstatuen besetzt, daß ihre weiße krause Fülle mit den schäumenden, springenden, stürzenden Wellen sich zu verbinden, das eine starr gewordene Welle, das andere bewegte Gestalt scheint, bis es zuletzt in einem großen Bassin mit Statuen, die den Hofstaat des Neptun darstellen, nahezu das große Parterre erreicht hat. Hohe Hecken begleiten den ganzen Kanal, Treppen von Marmorstufen führen am Ufer über die einzelnen Absätze.
Gewiß ein Anblick voll Majestät, besonders überraschend für den, der, die große durchgehende Säulenhalle des Schlosses durchschreitend, im Rahmen des Tores ihn plötzlich vor sich sieht. Doch ebenso wie das Haus mit seiner gewaltigen Ausdehnung entbehrt die Kaskade der rechten Gliederung und fällt durch den Mangel an maßvoller Übersicht auf. Man vergleiche nur mit Caserta Anlagen der guten Zeit wie Villa Aldobrandini in Frascati, die gerade die weiseste Berechnung jeder Einzelheit zeigt, darum nie ermüdet und doch als Gesamtbild großartig einheitlich wirkt.