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Berta (aufspringend).
Jaromir! – Halt ein!
Jaromir.
Was hör ich?
Das ist meiner Berta Blick!
Ihre Stimme tönt mir wieder,
Und auf goldenem Gefieder
Kehrt das Leben mir zurück.
(Auf sie zueilend.)
Berta! Berta! Meine Berta!
Berta.
Laß mich!
(Sie eilt fliehend gegen den Vorgrund. Jaromir erreicht sie und faßt ihre Hand, die sie nach einigem Widerstreben in seiner läßt. Sie steht mit abgewandtem Gesichte.)
Jaromir.
Nein, ich laß dich nicht!
Ach soll denn der Unglücksel'ge,
Kaum dem Schiffbruch nur entgangen,
Dem die Kraft schon schwindend sinkt,
Treibend auf der Wasserwüste,
Denn umklammern nicht die Küste,
Die ihm reich entgegenblinkt?
Nimm mich auf, o nimm mich auf!
Was aus meinem frühern Leben
Noch mir hafte, noch mir bliebe,
Alles, bis auf deine Liebe,
Als unwürdig deinem Blick,
Stoß ich's in die Flut zurück;
Als ein neues, reines Wesen,
Wie aus meines Schöpfers Hand,
Lieg ich hier zu deinen Füßen
Um zu lernen, um zu büßen.
(Ihre Kniee umfassend.)
Nimm mich auf! O nimm mich auf!
Mild, wie eine Mutter, leite
Mich, dein Kind, wie's dir gefällt,
Daß mein Fuß nicht strauchelnd gleite
In der neuen, fremden Welt.
Lehr mich deine Wege treten,
Glück gewinnen, Glück und Ruh',
Lehr mich hoffen, lehr mich beten,
Lehr mich heilig sein wie du!
Berta, Berta, und noch immer,
Und noch immer fällt kein Blick
Auf den Flehenden zurück?
Meine Berta, sei nicht strenger,
Als der strenge Richter, Gott;
Der mit seiner Sonne Strahlen
In des Sünders letzten Qualen
Noch vergoldet das Schafott. –
Ha ich fühle – dieses Beben –
Ja – du bist mir rückgegeben!
(Die schwach sich Sträubende in seine Arme ziehend.)
Berta! Mädchen! Gattin! Engel!
(Aufspringend.)
Stürze jetzt die Erde ein!
Ist doch hier der Himmel mein!
Berta.
Jaromir, ach Jaromir!
Jaromir.
Fort jetzt Tränen, fort jetzt Klagen!
Mag das Schicksal immer schlagen,
Wenn dein Arm mich, Teure, hält,
Trotz ich einer ganzen Welt.
Meine Schuld ist ausgestrichen,
Jubelnd bin ich mir's bewußt,
Und Gefühle, längst verblichen,
Blühen neu in dieser Brust.
Wieder bin ich aufgenommen
In der Menschheit heil'gem Rund,
Und des Himmels Geister kommen
Segnend den erneuten Bund.
Unschuld mit dem Lilienstengel,
Liebe mit der goldnen Frucht,
Hoffnung, jener Friedensengel,
Der sich jenseits Kronen sucht.
Nun stürmt immer, wilde Wogen,
Schwellt in himmelhohen Bogen,
In des Hafens sichrer Hut
Lach ich der ohnmächt'gen Wut.
Und nun höre, meine Berta!
Lange noch eh' ich dich kannte,
Dacht ich schon auf künft'ge Flucht.
Weit von hier, am fernen Rhein
Ist ein Schloß, ein Gütchen mein,
Gelder, Wechsel stehn bereit,
Fertig wie mein Wink gebeut.
Dorthin, wo mich niemand kennt,
Wo man mich: von Eschen nennt,
Nach dem stillen Gütchen hin,
Dahin, Berta, laß uns fliehn.
Dort fang ich auf neuer Bahn
Auch ein neues Leben an,
Und nach wenig kurzen Jahren,
Dünkt uns was wir früher waren
Wie ein altes Märchen, kaum
Klarer als ein Morgentraum.
Berta.
Fliehen soll ich?
Jaromir.
Kann ich bleiben?
Kann ich fliehen ohne dich?
Berta.
Und mein Vater?
Jaromir.
Weib, und ich?
Wohl so bleib, auch ich will bleiben!
Hier, hier sollen sie mich finden,
Fassen, würgen, fesseln, binden,
Hier vor deinem Angesicht.
Wohl, so bleib du gute Tochter,
Pflege deinen grauen Vater,
Führ lustwandelnd ihn hinaus,
Hin zu jener schwarzen Stätte,
Wo auf sturmdurchwehtem Bette
Im durch dich vergoßnen Blut
Dein ermordet Liebchen ruht.
Zeig ihm dann am Rabensteine
Jene modernden Gebeine –
Berta.
Ach, halt ein!
Jaromir.
Du willst?
Berta (halb ohnmächtig).
Ich will!
Jaromir.
So hab Dank, hab Dank, mein Leben!
Schnell jetzt fort, ich kann nicht weilen;
Hier wird mich ihr Arm ereilen,
Meine Spur ist schon entdeckt.
Dieses Schloß wird man durchspüren,
Sie durch die Gemächer führen
Denn ihr Argwohn ist geweckt.
Abwärts suchen jetzt die Späher,
Dieses Schlosses Außenwerke,
Seine halbverfallnen Gänge
Sind dem Räuber längst bekannt.
Dorthin will ich mich verbergen,
Bis der Augenblick erscheint,
Der auf ewig uns vereint.
Wenn erschallt die zwölfte Stunde
Und kein lebend Wesen wacht,
Nah ich leise, leis im Bunde
Mit der stillen Mitternacht.
Im Gewölbe, wo in Reihen
Deiner Väter Särge stehn,
Führt ein Fenster nach dem Freien,
Dort, mein Kind, sollst du mich sehn –
Und schnell eil ich, wenn das Zeichen
Von der lieben Hand erschallt,
Schnell dahin, wo unter Leichen,
Mir dies liebe Leben wallt.
Dort an deiner Väter Särgen,
Die Verdacht und Argwohn fliehn,
Soll die Liebe sich verbergen,
Und dann schnell ins Weite hin!
Also kommst du?
Berta (leise).
Ja, ich komme!
Jaromir.
Also willst du?
Berta.
Ja, ich will!
Jaromir.
Jetzt leb wohl, denn ich muß fort;
Daß sie uns nicht überraschen.
Lebend soll man mich nicht haschen.
Doch noch eins! Kind, schaff mir Waffen!
Berta.
Waffen? Waffen? Nimmermehr!
Daß du von Gefahr gedrängt,
Selber nach dem eignen Leben –
Jaromir.
Sei nur unbesorgt, mein Kind.
Seit ich weiß wie du gesinnt,
Seit ich deinen Schwur gehört,
Hat mein Leben wieder Wert.
Auch bedürft' es nicht der Waffen.
Um mir Freiheit zu verschaffen,
Wär' dies Fläschchen wohl genug.
Berta.
Fort dies Fläschchen!
Jaromir.
Kind, warum?
Berta.
Glaubst du denn, mir würde Ruh',
Glaubst ich könnt' es bei dir wissen
Ohne daß mein Herz zerrissen?
Jaromir.
Macht's dich ruhig, nimm es hin!
(Das Fläschchen auf den Tisch werfend.)
Doch nun schaff mir Waffen, Waffen!
Berta.
Waffen? Ach woher?
Jaromir.
Ei hängt nicht,
Hängt denn nicht an jener Mauer
Dort ein Dolch?
Berta.
Ach laß ihn, laß ihn!
Zieh ihn nicht aus seiner Scheide,
Unglück hängt an dieser Schneide.
Von dem Dolche, den du siehst,
Ward der Ahnfrau unsers Hauses
Einst in unglücksel'ger Stunde
Eingedrückt die Todeswunde.
Als ein Zeichen hängt er da
Von dem nächtlichen Verhängnis
Das ob unserm Hause brütet.
Blut'ges hat er schon gesehn,
Blut'ges kann noch jetzt geschehn!
(Die Ahnfrau erscheint hinter den beiden, die Hände, wie abwehrend, gegen sie ausgestreckt.)
Berta.
Was starrst du so gräßlich hin?
Mann du zitterst? Ich auch bebe!
Grabesschauer faßt mich an,
Leichenduft weht um mich her!
(Sich an ihn schmiegend.)
Ich erstarre! Ich vergehe!
Jaromir.
Laß mich! – Diesen Dolch da kenn ich!
Berta.
Bleib zurück! Berühr ihn nicht!
Jaromir.
Sei gegrüßt, du hilfreich Werkzeug!
Ja du bist's, fürwahr du bist's!
Wie ich dich so vor mir sehe
Tauchen ferner Kindheit Bilder,
Lang verborgen, lang entzogen
Von des Lebens wilden Wogen,
Wie der Heimat blaue Berge,
Auf aus der Erinnrung Flut. –
An dem Morgen meiner Tage
Hab ich dich schon, dich gesehn.
Seitdem durch die Nacht des Lebens
Schwebtest du mir gräßlich vor
Wie ein blutig Meteor.
In der flucherfüllten Nacht,
Als ich auf der ersten Stufe
Meinem furchtbaren Berufe
Scheu die Erstlinge gebracht,
Da sah ich mit bleichem Schrecken
In der Wunde, die ich schlug,
Statt des Dolches, den ich trug,
Deine, deine Klinge stecken.
Und seit jenem Schreckenstag
Blieb dein Bild mir immer wach!
Sei gegrüßt, du hilfreich Werkzeug!
Lockend seh ich her dich blinken,
Und mein Schicksal scheint zu winken.
Du bist mein! Drum her zu mir!
(Drauf los gehend.)
Berta (zu seinen Füßen).
Ach, halt ein!
Jaromir (immer unverwandt auf den Dolch blickend).
Weg da! – Zurück!
(Er nimmt den Dolch. Die Ahnfrau verschwindet.)
Jaromir.
Was ist das? Was ist geschehn?
Als du dort noch flimmernd hingst,
Schien von deiner blut'gen Schneide
Auszugehn ein glühend Licht,
Das durch der Vergangenheit
Nachtumhüllte Nebeltäler,
Scheu, mit mattem Strahle flammte.
Und Gestalten, oft gesehn,
Wie in einem frühern Leben
Fühlt' ich ahnend mich umschweben.
Diese Hallen grüßten mich
Dies Gerät schien mir zu winken,
Und in meines Busens Gründen
Schien ich mir mich selbst zu finden.
Und jetzt ausgelöscht, verweht,
Wie ein Blitzstrahl kommt und geht.
Berta.
Diesen Dolch! O leg ihn hin!
Jaromir.
Ich, den Dolch? Nein, nimmermehr!
Er ist mein, ist mein, ist mein!
Ei fürwahr ein tüchtig Eisen!
Wie ich ihn so prüfend schwinge
Wird mit eins mir guter Dinge
Und mein innres Treiben klar.
Wen's mit dir, mein guter Stahl,
Mir gelingt so recht zu fassen,
Der wird mich wohl ziehen lassen
Und kömmt nicht zum zweitenmal.
Nun leb wohl, leb wohl mein Kind!
Mutig! Froh! Die Zukunft lacht!
Und gedenk! – Um Mitternacht!
(Mit erhobenem Dolche ins Seitengemach ab.)