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Waldgegend. Im Hintergrunde Felsen, die ein Bergstrom trennt und eine Brücke verbindet. Rechts im Vorgrunde ein vereinzelt stehender Fels, an dessen nach vorn gekehrter Seite ein Springquell und daneben eine Moosbank. Gegenüber links eine einzelne Palme.
Rustan und Zanga kommen.
Rustan.
Freiheit! Ha, mit langen Zügen
Schlürf ich deinen Äther ein.
In des Morgens Purpurschein
Seh ich deine Banner fliegen,
Die auf Höhn, am Himmelszelt
Weit umher du aufgestellt;
Allen Lebenden ein Zeichen
In der Schöpfung weiten Reichen.
Freiheit! Atem der Natur,
Zeiger an der Weltenuhr,
Alles Großen Wieg' und Thron,
Nimm ihn auf, den neuen Sohn;
Laß mein Stammeln dir gefallen,
Die du Mutter bist von allen!
Zanga.
Herr, und jetzt genug geschwärmt.
Nun laßt uns von Nöt'germ sprechen.
Rustan.
Nötig? Nöt'germ? Oh, nicht denken,
Laß mich fühlen jetzo noch!
Nicht mehr in dem Qualm der Hütte,
Eingeengt durch Wort und Sorge,
Durch Gebote, durch Verbote;
Frei, mein eigner Herr und König.
Wie der Vogel aus dem Neste,
Nun zum erstenmal versuchend
Die noch ungeprüften Flügel.
Schaudernd steht er ob dem Abgrund,
Der ihn angähnt. Wagt er's? Soll er?
Er versucht's, er schlägt die Schwingen –
Und es trägt ihn, und es hebt ihn.
Weich schwimmt er in lauen Lüften,
Steigt empor, erhebt die Stimme,
Hört sich selbst mit eignen Ohren,
Und ist nun erst, nun geboren.
Also fühl ich mich im Raume;
Möcht auf alle Berge steigen,
Möcht aus allen Quellen trinken,
Laub und Bäume möcht ich grüßen,
Bin ein Mensch erst und ein Mann.
Zanga.
Sprecht nur zu, 's hat keine Eile,
Ich erfrische mich derweile. (Er setzt sich.)
Rustan.
Zanga, nein! Nicht ruhn, nicht rasten,
Bis begonnen unser Werk.
Zanga.
Unser Werk? So wollt Ihr also
Handeln, prüfen, denken, trachten? (Er steht auf.)
Nun, da bin ich Euch zu Dienst.
Rustan.
Fort, und auf nach Samarkand!
Oben nur von jenen Hügeln
Sah in seiner Türme Brand
Ich die Sonne strahlend spiegeln,
Wir sind dort, eh' sie entschwand.
Zanga.
Nur so zu, und auf gut Glück?
Herr, um selig einst zu sterben,
Denkt bei allem mir ans Ende;
Doch wollt Ihr, ein Tücht'ger, leben,
So erwägt und prüft den Anfang,
Denn das Ende kommt von selber.
Tretet ein bei Unbekannten,
Herr, und strauchelt auf der Schwelle,
Bleibt Ihr Meister Ungeschickt,
Sprächt Ihr, wie die sieben Weisen;
Freunde, die's beim Becher wurden,
Lachen auf aus voller Kehle,
Sehn sie sich nach Jahren wieder;
Und die Braut, gefreit in Tränen,
Folgt mit Seufzern Euch durchs Leben.
Unsre Neigungen, Gedanken,
Scheinen gleich sie ohne Schranken,
Gehn doch, wie die Rinderherde,
Eines in des andern Tritt.
Drum, bei allem, was Ihr macht,
Sei der Anfang reif bedacht.
Ihr geht nun nach Samarkand;
Da ist denn vor allem nötig,
Daß Ihr gleich als der erscheinet,
Der Ihr später denkt zu werden.
Euern Vater, lobesam,
Adeln wir nur gleich im Grabe,
Machen ihn zum Khan, zum Emir
Aus – Grusinien, – aus dem Monde.
So was hilft beim ersten Eintritt,
Und erreicht Ihr Eure Wünsche,
Deckt das andre der Erfolg.
Rustan.
Gut!
Zanga.
Ei, gut? Nu, das geht besser,
Als ich glaubte, als ich hoffte.
Euer Oheim, seine Hütte –
Rustan.
Arme Mirza!
Zanga.
Ja, weil arm,
Hindert sie ein reiches Wollen.
Ahmt mir nur nicht jene nach,
Die das nahe Gut verschmähen,
Aber unerhört, getrennt, –
Lichterloh, wie Wolle brennt, –
Heiß in Liebesglut vergehen.
Laßt das jetzt, und seid ein Mann!
Jener Fürst aus Samarkand
Ist gedrängt von seinem Feinde,
Von dem mächtgen Khan aus Tiflis,
Der um seine Tochter freite:
Ein verwöhntes, einz'ges Kind,
Das gar stolz und hochgesinnt,
Selbst den Gatten wählen möchte.
Ein geziertes, äff'ges Wesen,
Tat so was in Dichtern lesen.
Ich war erst in wirren Zweifeln,
Ob dem Stärkern, ob dem Schwachen
Zu vertrauen unsre Sachen;
Doch der Starke g'nügt sich selbst,
Und das Unglück macht erkenntlich.
Darum geht nach Samarkand,
Suchet Dienst in seinem Heere,
Und wenn an Entscheidungstagen
Ich Euch sage: losgeschlagen!
Stürzt dann in den Feind mit Macht,
Tief ins Herz der wilden Schlacht;
Augen zu, und links und rechts
Kreuzt die Blitze des Gefechts.
Fallt Ihr, war's Euch so bestimmt;
Siegt Ihr, sprechen wir vom Lohne.
Mancher fand so eine Krone.
Rustan.
Also sei es, und so komm!
Zanga.
Herr, nur noch ein kleines Weilchen!
Auch der Körper will sein Recht.
Hier in meines Ränzels Weite
Führ ich Kost für mäß'ge Leute,
Erst getafelt, eins gezecht,
Dann hervor die besten Kleider,
Euch als Junker angetan!
So was hilft und fördert leider!
Drauf als wackrer Edelmann
Hin zur Stadt, dem Glücke nach;
Komme dann, was kommen mag!
Eine Stimme (hinter der Bühne).
Hilfe! Hilfe!
Zanga.
Horch, welch Rufen?
Stimme.
Hilfe! Hilfe!
Zanga.
Näher kommt's.
Das beginnt mit Weh und Ach.
Abenteuer, seid ihr wach?
(Ein reichgekleideter Mann erscheint im Hintergrunde auf der Brücke. Er wird von einer nur je und dann auf Augenblicke sichtbaren Schlange verfolgt.)
König.
Keine Rettung! Hilft denn niemand?
(Er flieht über die Brücke und verschwindet auf Der linken Seite des Hintergrundes.)
Zanga.
Herr, den Speer nun angefaßt!
Rasch zum Wurf mit kluger Hast.
Der König (tritt fliehend vom Hintergrunde her links auf. Er eilt nach vorn, während Rustan rechts, Zanga links im Mittelgrunde sich gestellt haben).
Götter! Götter! Kein Erbarmen?
(Er sinkt besinnungslos am Felsensitze nieder.)
Zanga.
Werft und trefft!
Rustan (wirft den Speer nach dem noch nicht sichtbar gewordenen Untier).
Zanga.
Verfehlt! Nun, Herr,
Braucht die Beine, nehmt Euch Raum,
Ich erklettr' indes den Baum.
(Im Begriffe, die auf der linken Seite stehende Palme zu erklettern.)
(Während die Schlange links im Hintergrunde zum Teil sichtbar wird und Rustan nach dem Vorgrunde rechts flieht, erscheint auf dem daselbst vorspringenden Felsen ein Mann in einen braunen Mantel gehüllt mit gehobenem Wurfspieß.)
Der Mann auf dem Felsen.
Schlechte Schützen!
(Er wirft und heftet, durchbohrend, die Schlange an den Boden.)
Topp!
(Herablachend.)
Ha, ha!
Schlechte Schützen! lernt erst treffen!
(Verschwindet von der Höhe.)
Zanga (vom Baum herabsteigend).
Was war das? – He, liegt die Schlange?
Rustan.
Nicht durch mich.
Zanga.
Nu, desto schlimmer!
Und doch gut, daß sie nur liegt.
(Zu dem Hingesunkenen tretend.)
Herr, das ist ein reicher Mann!
Wohl ein Fürst, vielleicht ein König.
Zieltet besser Ihr ein wenig,
Zahlten Ehren Euch und Gold.
Rustan.
Wirst du, Glück, mir nimmer hold?
Zanga.
Seht die Perlen, das Geschmeide! –
Herr, und seid Ihr sicher auch,
Daß nicht Ihr, daß jener andre
Hingestreckt das grimme Tier?
Eure Lanze traf.
Rustan.
Nicht meine.
Zanga.
Und wo ist er, dieser andre?
Warum steigt er nicht hernieder,
Pflückt die Früchte seiner Tat?
(Gegen den Felsen emporrufend.)
Mann vom Felsen, Mann vom Berge,
Komm herunter, sprich mit uns!
Seht, er kommt nicht, war wohl nie.
Wo auch sollt' er sein und weilen?
Ringsherum auf viele Meilen
Kein Lebendiger als wir.
(Bei dem am Boden Liegenden.)
Hu, am Turban, seht, die Krone!
Ich verwette Hals und Hand,
's ist der Fürst von Samarkand.
Täuschung, Augentrug das Ganze,
Herr, ich sah es, Eure Lanze
Streckte jenes Tier in Sand.
Rustan.
Der war's, der am Felsen stand.
Zanga.
Nun, zum Henker! Noch einmal:
Mann vom Berge, komm herunter!
Zeige dich zu dieser Frist;
Sonst negier ich frisch und munter,
Leugne, daß du warst und bist.
Seht, er kommt nicht, seht, er war nie.
Schaut umher doch in der Runde,
Niemand kann sich da verbergen;
Rings der Felsen abgeschnitten,
Auf dem Felsen selber niemand.
Rustan.
Doch ich sah ihn.
Zanga.
Saht und seht!
Herr, Ihr hattet Furcht, gesteht!
Und der Schrecken, wild und wilder,
Zeigt gar sonderbare Bilder.
Hier ein Mann im Fürstenschmuck,
Leichenblaß in Sand gebettet,
Und Ihr seid's, der ihn gerettet.
Nehmt die Gabe des Geschickes,
Und glaubt nur, der heut'ge Tag
Ist der Anfang unsers Glückes.
(Hörnerklang in der Ferne.)
Hört Ihr fernen Hörnerklang?
Zweifelt nur nicht ewig lang!
Ihr erlegtet jenes Tier;
Schoß ein andrer, schoßt auch Ihr.
Wir sind zwei hier gegen einen;
Wag er nur, es zu verneinen!
Der Gerettete (sich emporrichtend).
Hörnerschall! – Ha, und wo bin ich?
Zanga (zu Rustan).
Ha, nun gilt's! (Zum Fremden.) Herr, unter Freunden.
Edler Fürst! vielleicht wohl mehr noch?
Hochgeehrt nach Rang und Stande.
Der Fremde (der aufgestanden ist).
Ich bin König dieser Lande.
Zanga (kniend).
Herr, dein Knecht –
(Rustan läßt sich in einiger Entfernung aufs Knie nieder.)
König.
Und jenes Tier?
Blutig, tot, liegt's dort am Boden.
Meine Retter!
(Zu Zanga.)
Du?
(Auf Rustan zugehend.)
Nein, du!
Zanga.
Herr, Ihr habt es gut erraten!
(Auf Rustan zeigend.)
Jener war's. Ein tücht'ger Wurf,
Stracks hinein durch Herz und Lungen,
Und es hatte ausgerungen.
Rustan.
Herr, verzeiht –
Zanga.
's ist wohl verziehn!
Rustan.
Wenn noch Zweifel –
Zanga.
Ob wir leben?
Ob dort jenes tot genug?
(Leise.)
Nun, zum Henker, seid doch klug!
(Wiederholter Hörnerschall.)
König.
Ha, sie rufen, meine Lieben,
Suchend, wo ihr Hort geblieben.
Hier, Getreue! hier der Ort!
(Er geht in die Mitte der Bühne zurück, wo er, antwortend, in ein an seiner Hüfte hängendes Jagdhorn stößt.)
Rustan.
Zanga, komm, und laß uns fort!
Zanga.
Nach dem allen, Herr, und fliehn?
Jetzt, da unsre Bohnen blühn?
Rustan.
Nimmer sollst du mich berücken,
Mich mit fremder Tat zu schmücken.
Und doch könnt' ich's auch nicht sehn,
Erst gepriesen, erst gehuldigt,
Zager Feigheit dann beschuldigt,
Einem andern nachzustehn.
(Nach wiederholtem Hörnerruf kommt nun das Gefolge des Fürsten. Gülnare, seine Tochter, an der Spitze.)
Gülnare.
Vater! Vater!
König.
Oh, mein Kind!
(Sie stürzen sich in die Arme.)
Zanga (zu Rustan).
Schaut nur, schaut! Seht halb Euch blind!
Gold und Spangen, Perlen, Kleider,
Seht der Hoheit Vollgewalt.
Rustan.
Zanga, jene Lichtgestalt,
Sich um seinen Nacken schmiegend,
Weich in Vaterarmen liegend.
Wie sie atmet, wie sie glüht,
Jede Fiber wogt und blüht.
Nun weist her auf mich sein Blick,
Danket mir der Rettung Glück.
Zanga, nun nicht mehr zurück!
Wär's am Rand mit meinen Tagen;
Ich hab jenes Tier erschlagen.
König.
Ja, mein Kind, ein Raub des Todes,
Wenn nicht dieser Jüngling war;
Sieh, so nahe die Gefahr.
(Auf das erlegte Tier weisend.)
Gülnare (mit der Hand die Augen bedeckend).
Ah!
König.
Entfernt dies Schreckbild!
Gülnare.
Nein!
Stark, entschlossen will ich sein.
(Nach vorn kommend.)
Glaub nur nicht, mein edler Fremdling,
Daß, ein schwach erbärmlich Weib,
Hinter dir so fern ich bleib!
Oft hat man mich wohl gesehen,
Männlich die Gefahr bestehen,
Eine Gleiche stand ich ihr.
Doch das Widrige, den Grauen
So verwirklicht anzuschauen,
Nimmt entfremdend mich von mir.
Und doch, schafft's nicht fort, es bleibe;
Selbst bezwingen will ich mich.
Nun zu dir, mein edler Retter,
Der mit seines Armes Walten
Alles, alles mir erhalten,
Was der Schwachen übrigblieb.
Rings von Feindesmacht umgeben,
Von verschmähter Liebe Trutz,
War mir dieses Greises Leben
Einz'ge Stütze, all mein Schutz.
Und der Drache bleckt' die Zähne,
Und es war um ihn geschehn;
Da – o lohn es diese Träne! –
Hebt sich eines Armes Sehne,
Und das Untier muß vergehn.
Vater, schau, so sehen Helden!
Vater, schau, so blickt ein Mann!
Was uns alte Lieder melden,
Schau es hier verwirklicht an!