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in Nadelbaum, der im Herbst seine Blätter verliert, soviel weiß jeder von der Lärche, der nicht ganz blind durch den Garten der Natur wandelt. Aber im übrigen ist die Lärche einer der am wenigsten bekannten Waldbäume. Sie ist auch selten in der freien Natur zu finden. In Parkanlagen sehen wir sie häufiger, forstmäßig wird sie auch hier und da angepflanzt, aber meist nur in kleinen Beständen und mit anderen Bäumen gemischt. Und in solchen Anpflanzungen macht dieser Baum so gar nicht den Eindruck, als ob er den Platz, den man ihm angewiesen, als seine Heimat betrachte. Fast überall sieht man es ihm an, daß er sich fremd fühlt. Ja, an vielen Orten kränkelt er sogar. Er ist ein eigensinniger, auspruchsvoller Baum, wie es scheint. Er muß in seinem innersten Wesen so ganz anders sein als unsere sonstigen Bäume.
Und das ist er in der Tat. Wir müssen seine Heimat aufsuchen, wenn wir ihn kennen lernen wollen. Nur zwei verhältnismäßig kleine Verbreitungsgebiete besitzt die Lärche in Deutschland: die Alpen und die Sudeten. In den Alpen wächst sie in den Höhen, wo das Reich der Bäume jäh endet. Gerade an dieser Grenze, wo die Fichte ihre Macht verliert, fühlt sie sich am wohlsten. Aus dem Saatgut, das man von den Alpenlärchen gewonnen hat, sind alle Bäume herangezogen, die in Parkanlagen, in Gärten, in Forsten angepflanzt sind. Ihnen ist es daher nicht wohl in der Ebene, nicht einmal in unseren Mittelgebirgen. So zäh hängen sie an ihrer eigentlichen Heimat, dem Hochgebirge. Allein wir finden die Lärche noch in einem anderen, allerdings recht kleinen Gebiete Deutschlands, im mährisch-schlesischen Gesenke. Hier ist sie nicht gerade Hochgebirgsbaum, sie steigt sogar bis zu 350 Metern herab und der höchste Punkt ihres natürlichen Vorkommens liegt nur 866 Meter hoch. Außerhalb Deutschlands wird die Lärche gar zu einem Baum der Ebene. Sie besitzt außerhalb Deutschlands noch drei Verbreitungsgebiete: die Tatra, einen großen Bezirk in Russisch-Polen und gewaltige Länderstrecken im Nordosten Rußlands bis weit nach Sibirien hinein. Schon in der Tatra, an der russisch-galizischen Grenze, wächst die Lärche in niedriger Meereshöhe, in Polen und in Sibirien befindet sie sich direkt in der Ebene.
Wo die Lärche aber immer wächst, überall verlangt sie einen freien, lichten Stand. Man sieht es diesem so schlank aufstrebenden, mit dem zartesten Grün bekleideten Nadelbaum an, daß er in freier Luft und Sonne leben will. An Zartheit der Belaubung ist er unter den Koniferen dasselbe, was die Birke unter den Laubbäumen. So licht, so leicht, so durchsichtig ist seine Krone wie die der Birke, und wie die Birke nur in freiem, lichtem Stande gedeiht, so kann auch die Lärche nicht die enge Nachbarschaft anderer Bäume vertragen. Aber die Birke ist ihr durch ihr unkrautartiges Wuchern weit überlegen. Sie tritt sofort auf, wo eine Lücke entsteht, ihr schnelles Wachstum gibt ihr einen gewaltigen Vorsprung vor allen Konkurrenten, ihre starke Vermehrung, ihre auspruchslosigkeit im Boden, ihre Unempfindlichkeit gegenüber dem Klima, sichern ihr eine weite Verbreitung. Dagegen ist die Lärche in jeder Beziehung auspruchsvoller und weniger kräftig. So zart, so dünn sind die Nadeln, so licht gegenüber denen der Tanne, der Fichte und der Kiefer. Und diese Zartheit liegt in ihrer ganzen Konstitution, sie kann sich nicht wehren gegen die Nachbarn, die sie von der Seite bedrängen, um sie zu erdrücken. Darum flieht sie in den Alpen bis an die Baumgrenze hinauf, wo die Fichten ihre Kraft verlieren, keinen Wald mehr bilden können und sich in einzelne niedrige Trupps auflösen. Darum ist ihre Heimat auch der kontinentale Osten, mit seiner klaren Luft und seiner heiteren, wenn auch kühlen Sonne. Auf unseren Mittelgebirgen, in der Ebene dagegen erliegt sie dem austurm unserer Waldbäume mit ihrer ungebändigten Kraft und ihrer dunklen Beschattung.
Die Lärche liebt einen frischen, nahrungsreichen Boden. Das schließt ihr Fortkommen in Sandgegenden aus, in denen die Birke so häufig vertreten ist. Hier ist der Stand der Bäume immer lose, aber was nützt der Lärche solch ein freier luftiger Platz, wenn sie an ihm verhungern muß! Guter nahrhafter Boden und dabei ein konkurrenzloser lichter Stand, das sind zwei Bedingungen, die in ihrer Verbindung in Deutschland nur selten erfüllt werden. Darum ist die Lärche bei uns so selten und gedeiht in unseren Forsten so wenig. Auch auf dem festen Boden unserer Parkanlagen, wo die Nachbarbäume so flott emporschießen, gedeiht sie nicht sehr gut. Nur wo sie frei, isoliert steht, sieht man sie zu einem stattlichen Baum emporwachsen.
Aber in Parkanlagen gibt man ihr selten solch einen freien Stand. So wunderbar zart, so licht und zierlich der Baum im Sommer aussieht, er ist, wenn er die Nadeln verloren hat, fast häßlich. Launisch, könnte man sagen, ist die Lärche in ihrem Wesen, wechselvoll und unbeständig auch in ihrer Form. Andere Nadelbäume haben Sommer wie Winter das nämliche Aussehen. Die Lärche ist im lichten Schmuck ihrer Nadeln ein schönes, liebliches Kind, im Winter wird sie, um im Bilde zu bleiben, ein altes, dürres Weib. Die Äste, besonders die jungen Zweige, haben eine unausehnliche gelbgraue Färbung und sind mit kleinen zwergigen Kurztrieben dicht besetzt, die in ihrem grämlichen Schwarz oder Grau wie große vertrocknete Knospen am Baume häugen. Auch die Fruchtzapfen, mit denen manche Lärchen reich beladen sind, haben ein grauhäutiges Aussehen. Die Zapfen hängen oft jahrelang am Baume, und, sind sie schon im ersten keine Zierde, so wirken sie im nächsten Jahre in ihrer verwitterten Gestalt vollends häßlich.
Aber die Form des Baumes erinnert selbst im Winter noch an die Tage seiner sommerlichen Schönheit. Gerade und schlank ragt der Stamm in die Höhe und in regelmäßigen Absätzen, in quirlförmiger Vereinigung strecken sich die Äste wagerecht nach den Seiten aus. Nur ihre Spitzen lassen sie meist etwas überhängen, elegant nachlässig, wie jemand, der sich seiner Anmut bewußt ist. Im Winter kann die graziöse Form freilich nicht über das dürr trockene Aussehen des ganzen Baumes hinwegtäuschen, im Sommer verstärkt sie den lieblichen Eindruck, den dieser Baum aus den Beschauer macht.
Bei uns im Tieflande regt sich im Frühjahr das neue Leben sehr bald in der Lärche. An den Zweigen erscheinen kleine, rote, rundliche Blütenzapfen schon im März. Aus den Blattknospen gucken dann die jungen Nadeln pinselartig hervor. Das sieht äußerst gefällig aus. Es ist ein zartes und doch lebhaftes Grün, anders wie der Blattaustrieb der übrigen Bäume. Wenn dieses erste lichte Grün im April die Zweige der Lärche, wenn auch noch ganz schwach umspült, dann ist die Zeit der Schönheit für den Baum gekommen. Nun streckt sich der Nadelpinsel immer mehr und schließlich öffnet er sich völlig, dann hängen die feinen, hellgrünen Nadeln lose nebeneinander. An den Kurztrieben, mit denen die Zweige der Lärche reich garniert sind, bleiben die Nadeln in solchen lockeren Büscheln bei einander. Aber in den Spitzen bilden sich sogenannte Langtriebe, welche die Verlängerung, das eigentliche Wachstum des Baumes übernehmen. An ihnen stehen die Nadeln einzeln ringsum und ziemlich weit aneinander. Dieser lockeren Stellung der Nadeln und den nur knospengroßen, wenn auch mit dichten Nadelbüschen besetzten Kurztrieben verdankt die Lärche ihre außerordentlich lichte, durchsichtige Krone, die mit der Feinheit des Geästes und der hellen Farbe ihrer Belaubung so gut harmoniert.
Hellgrün bleibt auch die Belaubung der Lärche den Sommer hindurch. Dann im Spätherbst werden die Nadeln gelb und bekommen das milde weiche Gelb, das so viele Bäume und Sträucher vor der Winterruhe ziert. Der Lärche in der Zartheit ihres Baues und der Feinheit ihrer Nadeln steht dieses weiche müde Gelb sehr gut. Setzt der Winter nicht stark ein, so behält die Lärche ihr Herbstlaub oft recht lange. Denn so zart der Baum im übrigen sein mag, die Kälte schadet ihm nichts, die ist er in seiner Hochgebirgsheimat gewöhnt. Aber der Winter fordert auch von ihr seinen Zoll. Er reißt ihr den gelben Nadelschmuck ab und dann steht sie da, ein häßlicher, dürrer, wettergrauer Baum.
Mit dem großen Lichtbedürfnis hängt es wohl zusammen, daß die Lärche schnell emporstrebt. Mit dem raschen Wachstum der Birke, geschweige denn der Weiden und Pappeln kann sich das Wachstum der Lärche nicht vergleichen. Aber ihr Wachstum ist ein so energisches, wenn man es mit dem unserer anderen Nadelbäume, ja auch mit dem unserer Eichen, Buchen und anderer Laubbäume vergleicht. Es dauert an zehn bis zwölf Jahre, ehe eine Kiefer oder Tanne so weit ist, daß sie als Weihnachtsbäumchen verwendet werden kann. Die Lärche ist mittlerweile ein wirklicher Baum geworden, dessen Stamm schon als Stange verwendet werden kann. Andere Koniferen verzweigen sich zu dicht und verbrauchen wohl auch einen guten Teil ihrer Kraft für ihren dichten Nadelschmuck. Darum ist ihr Höhenwachstum gering. Die Lärche dagegen baut sich leicht und schmal auf. Darum kann sie alle ihre Kraft auf die Verlängerung des Haupttriebes verwenden. Andere Bäume suchen durch eine möglichst breite massige Gestalt die Nachbarpflanzen beiseite zu drängen, die Lärche im Gegenteil sucht, da sie nicht hoffen kann, die Nachbarn zu verdrängen, möglichst schnell in die Höhe zu kommen, um so immer den ungestörten Genuß von Luft und Licht zu haben. Aber trotz ihres schnellen Wachstums und ihrer Überflügelung anderer Bäume wird sie diesen kaum schädlich. Dazu ist ihr Gezweig zu dünn und luftig. Die Forstleute pflanzen daher mitunter Lärchen zwischen die Fichten. Die jungen Sämlinge haben unter den schnell emporstrebenden Genossen einen guten geschützten Stand. Hat die Lärche einen weiten Vorsprung, so wächst sie zu einem verwendbaren Stamm heran, ehe die Fichten sich aneinander drängen. Allein nur zu oft rücken ihr die Fichten zu nahe auf den Leib, und dann ist es mit der Lärche vorbei. Sie kann keinen starken seitlichen Druck vertragen und geht zugrunde, ehe sie einen Nutzen zu gewähren imstande ist. So mißraten viele Anforstungen der Lärche und meist wird die Ursache darin gesucht, daß diese Konifere ein Hochgebirgsbaum sei, der in niederen Höhen nicht gedeihe. Allein die Lärche gedeiht auch im Tieflande vorzüglich, wenn man ihre sonstigen Lebensbedingungen erfüllt, und ihr namentlich einen freien lichten Stand gibt. In reinen Beständen empfiehlt sich allerdings der Anbau nicht. Denn einmal werden diese Bestände leicht von Unkraut und Gestrüpp überwuchert und sind andererseits gefährlichen Krankheiten ausgesetzt. Gar oft nämlich wird die Lärche vom Lärchenpilz befallen, einem Schädling, der um so verheerender wirkt, je weniger sie am rechten Platze steht. Für den Anbau der Lärche im Mittelgebirge und im Tieflande ist das Saatgut von der Sudetenlärche dem von der Alpenlärche vorzuziehen, da jene von vornherein besser an die Verhältnisse des neuen Standortes angepaßt ist, auf dem sie aufwachsen soll. Der Baum eignet sich wohl zur Mischkultur mit der Fichte, in diesem Falle aber muß die Lärche einen Vorsprung in der Anpflanzung haben und unbedingt freigehalten werden. Noch besser ist das Gedeihen der Lärche in Vergesellschaftung mit der Weißtanne und der Buche, falls die gleichen Vorsichtsmaßregeln wie bei der Mischkultur mit der Fichte beobachtet werden.
Trotz der vielen Mißerfolge wird ein Anbau der Lärche immer wieder versucht. Denn sie ist ein nützlicher Baum. Sie wächst schnell und liefert deshalb in einem kurzen Zeitraum mehr Holz als unsere geschätztesten Forstbäume. Dabei ist das Holz nicht etwa geringer als das anderer Bäume. Es leidet nicht an Wurmfraß und wirft sich nicht, es ist dauerhafter als das unserer anderen Koniferen. Darum liefert es ein vorzügliches Bauholz. Vor allem widersteht das Lärchenholz der Nässe und kommt darin dem Eichenholz gleich. Daher kann es gut zu Grubenholz und Röhrenholz für Wasserleitungen verwendet werden. Das junge Stangenholz wird in den Weingegenden häufig zu Rebpfählen benutzt. Die Lärche ist daher ein sehr nützlicher Baum und wird, nachdem in neuester Zeit ihr Wesen besser erkannt worden ist, auch sicher mit größerem Erfolge an geeigneten Stellen angepflanzt werden.
Viel Zwiespältiges ist in der Natur der Lärche, Schönes und Häßliches, Vorteilhaftes und Nachteiliges, Zartes und Kerniges trifft in ihr zusammen, wie kaum in einem anderen Baume. Der Eindruck ihres Wesens ist ein weiblicher, wie der der Birke, Linde und Eberesche. Aber um wie vieles ist sie wieder von diesen drei Baumarten verschieden! In ihren schönen Tagen besitzt sie die Lieblichkeit und Anmut der Birke, aber in ihrer Natur sind auch andere Seiten des weiblichen Wesens vertreten, das Widerspruchsvolle und Launenhafte. So hebt sie sich aus allen anderen deutschen Bäumen heraus als eine Persönlichkeit, sie hat eine deutlich ausgeprägte Eigenart, wie sie auch in ihrem Äußeren schon aus der Ferne zu erkennen ist.