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Dreißigstes Kapitel.
Gespräch zwischen guten Freunden


Wir wissen aus dem vorigen Kapitel, daß Baron Fremont und Herr von Tondern mit einander die Wohnung des Grafen Helfenberg verlassen hatten. Ohne zu sprechen, stiegen sie die breite Treppe hinab und wurden drunten von Meister Jonathan, der, was feine Verbeugungen und sonstigen Ehrfurchtsbezeigungen anbelangte, außerordentliche Nuancen zu machen verstand, mit einem ziemlich steifen Bückling entlassen. Der alte Thürhüter senkte den Kopf nur wenig und ließ ihn, nachdem ihm die Beiden kaum den Rücken zugewandt hatten, förmlich wieder in die Höhe schnellen, worauf er ihnen mit hoch erhobener Nase und finsterem Stirnrunzeln nachblickte.

Der Baron hängte sich an den Arm des Anderen, und erst als sie eine Strecke Wegs von dem Hause des Grafen entfernt waren, brachte er ihn mit einem gelinden Ruck zum Stehen und sagte: »Aber jetzt laß doch einmal hören, Tondern, weßhalb muß dich denn der Teufel plagen, daß du da Anspielungen auf George Breda machst, die Keiner geduldig hinnehmen würde und am allerwenigsten er, wenn sie ihm zu Ohren kämen! Ist das deine gepriesene Klugheit, oder glaubst du, Helfenberg fühle sich vielleicht aus Liebe zu dir verpflichtet, über die ganze Unterredung reinen Mund zu halten und nicht bei der nächsten Entrevue mit Breda etwas davon fallen zu lassen?«

»Ehe ich dir antworte,« versetzte Tondern, indem er den Baron fortzog, »laß uns weiter gehen. – Du meinst also, ich habe zu viel gesagt?« fuhr er fort, nachdem sie einige Schritte gemacht. »Und am Ende denkst du wohl, es sei mir gegangen wie einer ganz gewöhnlichen Plaudertasche, die in den Tag hineinplappert, ohne zu wissen, was sie eigentlich schwatzt?«

Fremont sah seinen Freund einen Augenblick zweifelhaft von der Seite an; dann sagte er: »Du hättest also absichtlich über Fräulein von Braachen so gesprochen?«

»Daß ich des Barons also erwähnte, geschah allerdings, wenn du willst, mit Absicht. Du hast nun einmal, um mich eines gelinden Ausdrucks zu bedienen, ein weiches, nachgiebiges Gemüth. Wer vor dir die Nase recht hoch hebt, der bringt dich unwillkürlich dazu, deinen Rücken tief zu krümmen.«

»Ah, das möchte ich sehen!«

»Es würde kein erquicklicher Anblick für dich sein,« fuhr Tondern mit großer Ruhe fort; »aber glaube mir, es ist so. Am Ende kannst du dich auch eher bücken als ich, du bist nun einmal Baron, rangirst also neben Breda und auch nicht zu tief unter Helfenberg. Ich aber, ein einfacher Adeliger, der so schon zuweilen beinahe nur geduldet wird, ich muß mich hoch halten, damit Andere mich nicht herunterdrücken, muß meine Zähne zeigen, damit ich nicht von Andern gebissen werde, muß fest auftreten, daß man bei einem Stoße, den man mir zu geben beabsichtigt, auf eine kräftige Vergeltung rechnen kann. Nebenbei – unter uns gesagt – habe ich diesen hochmüthigen Breda nie gemocht; er hat eine Manier, die Leute von sich abzuhalten, die mir unerträglich ist. Ich hasse ihn.«

»Höre, Tondern,« sagte Fremont leicht lächelnd, aber mit ernstem Tone, »du bist in der That eifersüchtig auf ihn.«

»Und wenn dem so ist, so wiederhole ich dir hier unter uns, daß ich fest überzeugt wäre, alle Ursache dazu zu haben.«

»Ah, du spaßest! Breda, dieser ruhige Mensch!«

»Stille Wasser sind tief.«

»Der, niemals mit den Weibern etwas zu thun hatte.«

»Was nicht ausschließt, daß er heute noch anfangen kann.«

»Breda, der so kalt ist.«

»Ja, in seinem äußeren Wesen kalt, abgemessen, berechnend. Hast du aber nie gesehen, wie sein Auge aufflammt, wenn er von etwas spricht oder etwas betrachtet, was ihn interessirt?«

»Ja, ich glaube das noch neulich bemerkt zu haben.«

»Bei deinem Diner im Breda'schen Hause?«

»Ja, ja, jetzt fallen mir solche Kleinigkeiten ein. Er rückte ihr selbst den Stuhl zurecht, und als sie dankend umschaute, bemerkte ich in der That einen eigenthümlichen Blick in seinen Augen.«

Bei diesen Worten blieb Tendern mit einem Male stehen, schaute seinem Freunde fest ins Gesicht, wobei er langsam den Kopf auf und ab wiegle, und sagte:

»Nun sieh, Fremont, was du für ein Kerl bist! So eben willst du mich zerreißen, daß ich es gewagt, etwas Compromittirendes über die schöne Eugenie zu sagen, und gleich darauf, da ich dir mit leichter Mühe auf die Bahn helfe, findest du selbst, ich könnte vielleicht Recht haben. Du bist entsetzlich wankelmüthig, und auf deine Gesinnungen kann man sich niemals verlassen.«

»Nun, von meinen Gesinnungen meine ich, hättest du Proben genug,« sprach der Andere ärgerlich, indem er vorwärts ging und so seinen Freund veranlaßte, ihm zu folgen; »aber daß deine Grillen oft unausstehlich sind, das wirst du mir hoffentlich glauben. Du bist wie ein Chamäleon, man weiß in diesem Augenblicke nicht, welche Farbe du im nächsten zeigen wirst.«

»O, es ist oft sehr angenehm,« lachte Tondern, »die Flagge zu wechseln und so die Leute irre zu führen. Und welches ist denn deine richtige Flagge, in Bezug auf diese eben berührte Angelegenheit? Bist du neugierig oder interessirt?«

»Beides, wenn du willst,« versetzte der Baron; »Fräulein von Brauchen ist eine außergewöhnliche junge Dame, für die man sich schon interessiren kann. Du glaubst freilich nicht an reine und edle Gesinnungen und bist deßhalb auch nicht im Stande, den seelenvollen und wunderbaren Blick dieses herrlichen Mädchens zu verstehen.«

»Kennst du ihre Mutter?«

»Seltsame Frage! Du weißt wohl, daß ich sie kenne.«

»Nun denn, Eugenie ist ihre Tochter.«

»Hol' dich der Teufel! – Tondern, es ist gefährlich, mit dir umzugehen; ich versichere dich, man kann in deiner Gesellschaft alle seine Moral verlieren, wenn man nicht feste Grundsätze hat. – Doch hier sind wir an unserem Café, und wie die Uhr sagt, früh genug.«

»Scherz bei Seite!« bemerkte Tondern, indem er seinen Freund, der ins Kaffeehaus treten wollte, am Arme zurückhielt, »ich denke in Wirklichkeit durchaus nichts Schlimmes von Fräulein Eugenie von Brauchen; weißt du aber, was mir bei ihrem Anblick schon oft eingefallen ist?«

»Nun, was Gutes sicherlich nicht.«

»Für das junge Mädchen allerdings nicht viel Gutes, aber für dich – du könntest keine passendere Frau finden als die schöne Eugenie.«

»Dummheiten!«

»Ein Mädchen mit so reinen und edlen Gesinnungen!« sagte Herr von Tondern, indem er wie unabsichtlich die Worte des Andern von vorhin wiederholte. »Ein so wunderbares Geschöpf mit dem seelenvollsten Blick, den man nur finden kann! Und trotz alledem und alledem vortrefflich erzogen. Ich bin überzeugt, die Baronin Fremont müßte überall, wo sie hinkäme, das größte Aufsehen erregen.«

»Was du in deiner Spottlust sagst,« entgegnete ziemlich ernst der Baron, »hat oft, ohne daß du es weißt, Seiten, die zu erwägen sind. Eugenie ist allerdings in jeder Beziehung ein vortreffliches Mädchen, und wenn es einmal eine Baronin Fremont geben sollte, so wüßte ich in der That dazu keine passendere Persönlichkeit.«

»Ein prachtvolles Paar!« lachte Tondern ironisch.

»Nun ja, es hat so den Anschein; aber –«

»Ah! ich verstehe dein Aber; du brauchst eine Erbin.«

»Du weißt das am besten, lieber Tondern,« antwortete Fremont mit einem Anflug von Schärfe in seiner Stimme. Der Andere zuckte lachend die Achseln und schritt voran in das Kaffeehaus.

Es war das ein elegantes, großartiges Etablissement, wo sich Keiner um den Andern bekümmerte, wo man einen Fremden nicht beachtete und wo sogar genaue Bekannte, die nicht mit einander zu sprechen hatten, sich kaum mit einer leichten Handbewegung grüßten.

Tondern, der es zuweilen so machte, schritt durch mehrere Zimmer, bis er an ein kleines, entlegenes Gemach kam, wo sich Niemand befand. Während er und Fremont so durch die Räume des Café gingen, schauten Beide, ohne dabei Aufsehen zu erregen, nach allen Seiten, als suchten sie etwas, was auch in der That der Fall war; denn als sie in dem entlegenen Gemach angekommen waren, sagte Tondern, indem er sich auf einen Stuhl niederließ: »Er ist noch nicht da.«

»Es fehlen auch noch zehn Minuten an der bestimmten Zeit,« entgegnete Baron Fremont, der ebenfalls einen Sitz nahm und Chocolade bei dem eintretenden Kellner bestellte.

Tondern ließ sich ein Glas Absinth geben und zog eine Cigarre des Grafen Helfenberg aus der Tasche, von denen er einige aus dem Kistchen vom Kamine genommen und eingesteckt hatte. Er bot auch seinem Freunde eine, der kopfschüttelnd dankte, dann aber seinen Arm auf den Tisch stützte, den Kopf darauf legte und nachdenkend die ersten Takte eines Liedes vor sich hin pfiff, ehe er sprach:

»Und du glaubst in der That, daß Helfenberg uns in seinem Testamente bedacht hat?«

»Ich bin davon überzeugt.«

»Es sähe ihm allerdings ähnlich; er hat ein gutes Herz, er kann uns wohl leiden, und was kann es ihm, ohne nahe Anverwandte, bei seinem unermeßlichen Reichthum verschlagen, wenn er Jedem von uns seine vierzig- bis fünfzigtausend Thaler hinterläßt?«

Er versank abermals in Nachdenken, während Tondern ruhig fort rauchte und dem blauen Dampfe nachblickte, der langsam in das Nebenzimmer zog, um sich dort mit einer dicken Rauchschicht zu vereinigen. Erst nach einer Pause fragte Fremont den Andern plötzlich: »Und glaubst du wirklich, daß der Graf sehr krank ist?«

»Daran ist nicht zu zweifeln,« gab Herr von Tondern zur Antwort, »und wenn es auch nicht schnell mit ihm geht, wie er selbst in finsteren Augenblicken zu denken scheint, so ist doch seine Krankheit unheilbar.«

»Ein Rückenmarksleiden?«

»Natürlich. Was mich übrigens anbelangt, so speculire ich wahrhaftig nicht auf seinen Tod; mir wäre es genug, zu wissen, ob er mich bedacht hat; denn darauf hin ließe sich gerade durch den Rechtsconsulenten, der das Testament verfaßt, vielleicht eine Anleihe negociiren, die ich sehr nothwendig gebrauche.«

»Das ist kein schlechter Plan. Und deßhalb ließest du dir ein Empfehlungsschreiben des Grafen selbst an seinen Rechts-Beistand geben?«

Herr von Tendern zog einen zweiten Stuhl heran, auf den er die Füße legte, dann nickte er mit dem Kopfe.

»Ich hatte schon geglaubt,« fuhr der Andere fort, »du wollest, unterstützt von deiner unwiderstehlichen Ueberredungskunst, von dem guten Rechtsconsulenten den ganzen Inhalt des mystischen Testaments erfahren.«

»So viel habe ich noch nie auf meine Ueberredungskunst gebaut,« entgegnete Tondern kopfschüttelnd, »was aber nicht heißen soll, als habe ich diese Angelegenheit, die vielleicht wichtig sein könnte, aus den Augen gelassen; nur war es nothwendig, daß ich mich dazu der Hand eines Dritten bediente.«

»Und dieser Dritte?« fragte Fremont erstaunt.

»Ist es, den wir erwarten.«

»Czrabowski?« rief der Baron, und in seiner Stimme klang etwas wie der Ton unangenehmer Überraschung. »Ich weiß nicht, ob du gut thust,« setzte er nach einer Pause hinzu, »dich mit ihm so weit einzulassen; ich habe zu diesem Herumtreiber sehr wenig Vertrauen.«

»Ich gar keins,« bemerkte kaltblütig der Andere. »Aber ich glaube dir vor einiger Zeit gesagt zu haben, daß ich diesen Czrabowski fest habe wie der Fischer den Fisch an der Angel; er zappelt in seinem Wasser, so lange ich mag, und wenn er mich einmal durch sein Betragen dazu auffordert, die Schnur anzuziehen, so lasse ich ihn zu Tode zappeln.«

»Aber ehe er sich zu Tode zappelt, kann er auf diese Art schöne Dinge über dich aussagen, am Ende auch über mich, und das wäre mir sehr unangenehm!«

»Du wirst mir doch wohl glauben, lieber Fremont,« entgegnete Tondern einigermaßen ungeduldig, »daß ich keine glühende Kohle mit der Hand anfasse. Was ich mit diesem Czrabowski abmache, geschieht alles mündlich, ohne Gegenwart von Zeugen; da soll er nachher sagen, was er will. So oft mich auch dieser Mensch veranlassen wollte, einen seiner Briefe schriftlich zu beantworten, so habe ich mich doch wohlweislich davor gehütet. Es könnte mich schon compromittiren, wenn er nur ein einziges Mal, selbst unter den unverfänglichsten Zeilen, meine Unterschrift vorweisen könnte.«

Der Baron nahm einen Schluck von seiner Chocolade, nickte mit dem Kopfe und fragte nach einigem Besinnen: »Und wer ist dieser Czrabowski eigentlich?«

»Vor allen Dingen ein großer Lump,« sagte Herr von Tondern in sehr gleichgültigem Tone. »Wie du weißt, nennt er sich Czrabowski – wahrscheinlich, um sich unter dem Klang dieses Namens für einen unglücklichen vertriebenen Polen ausgeben zu können. Eben so gut kann er aber auch Simpelmaier heißen und Gott weiß in welchem Nest in der Nachbarschaft zu Hause sein. Ein abgeriebener Kerl ist er auf alle Fälle; er war auf den hohen Schulen von Paris und London, spricht beide Sprachen nicht schlecht, und wenn er zufällig gut bei Toilette ist, so kannst du ihn, ohne dich bloßzustellen, in eine ganz gute Gesellschaft, zu einem Diner mitbringen, selbst wenn höchst anständige Damen dabei sind.«

»Und sein Graf?«

»Bah! so ein Graf besteht aus vier Buchstaben, und den in ein falsches oder echtes Legitimations-Papier eintragen zu lassen, kostet wenig Zeit und Dinte.«

»Aber wie kommst du darauf, ihn bei dieser Testaments-Geschichte benutzen zu wollen? Ich halte doch den Doktor Plager für viel zu gescheidt, als daß er so einem Kerl die geringsten Confidencen machte.«

»Deine Meinung unterschreibe ich,« antwortete lächelnd Herr von Tondern, »und hätte sich Czrabowski angeboten, vorausgesetzt, daß ich so dumm gewesen wäre, ihn aufzufordern, er wollte sich an den Rechtsconsulenten wenden, so würde ich ihm unter die Nase gelacht haben. Aber, lieber Fremont, du wirst dich erinnern, daß man auch auf Umwegen zum Ziele gelangen kann.«

»Ah, ich verstehe. Hat Herr Doktor Plager vielleicht eine hübsche Frau?« fragte der Baron mit unverkennbarem Interesse.

»Ich glaube, sie ist nicht übel,« entgegnete der Andere. »Aber nebenbei besitzt er eine Schwägerin, die für den Grafentitel, für die hohe Stirn des Czrabowski, für seine Toilette und für den fremden Accent, den er meisterhaft nachzuahmen versteht, sehr empfänglich sein soll. – Na, diesen Accent hast du auch schon gehört; er hat eine gewisse zischende Aussprache und ein Anstoßen mit der Zunge, das für manche Weiber unwiderstehlich ist.«

»Und diese Schwägerin des Doktor Plager ist hübsch?«

»Nicht übel, ein junges, frisches Mädchen. – Hui!« wandte er sich mit komischem Lächeln an seinen Freund, indem er ihm das volle Gesicht zuwandte, »du hättest am Ende die Rolle des Czrabowski selbst übernommen? Ja, lieber Fremont, man kann in der Welt nicht Alles haben; zu solchen Geschichten fehlt uns Beiden das Zeug.«

»Ah, was das anbetrifft,« antwortete Baron Fremont, indem er sich in einem der großen Spiegel betrachtete, mit denen die Wände des Gemaches verziert waren, »so sollte ich meinen, du oder ich könnten es doch in der That mit einem ganzen Dutzend Czrabowski's aufnehmen.«

»In unserer Sphäre natürlicher Weise, oder auch dort, wenn du dich in dem Hause hättest vorstellen lassen und deine kleine Cour gemacht, freilich nicht ohne von vorn herein solide Absichten durchblicken zu lassen.«

»Nun, das kann man ja im Nothfalle thun.«

»Ja, aber man compromittirt sich dabei. Wäre es dir zum Beispiel gleichgültig, wenn man in der Gesellschaft erzählte: Haben Sie denn schon die große Neuigkeit gehört, Baron Fremont heirathet nächstens, und wen glauben Sie wohl? – Die Schwägerin eines talentvollen Rechtsconsulenten, des Doktor Plager.«

»Ja, von so etwas spricht man auch nur mit Erwählten leitet vier Augen; das behält man für sich.«

»Du wohl; aber das Mädchen im Gegentheil hat alles Interesse, die Sache so öffentlich als möglich zu machen. Und sie muß sie öffentlich machen, um dich entweder zum Heirathen zu zwingen, oder ihren Ruf vor der Welt zu bewahren.«

»Das leuchtet mir ein,« versetzte lachend der Baron. »Aber da mir das Terrain, am hiesigen Platze für solche Experimente versperrt sein muß, so werde ich nächstens einmal nach einer anderen Stadt gehen, um dort Gastrollen zu geben.«

»Es läßt sich das hören, und ich sage dir, du wirst unglaubliche Resultate erzielen. Es gibt unter diesen anständigen Bürgermädchen welche, die von einer Leichtgläubigkeit sind, daß sogar unser einem die Haare zu Berg steigen könnten. Aber, wie gesagt, du mußt dich nicht geniren, mit der größten Oeffentlichkeit zu manövriren. Es läßt sich ein Baron Fremont vorstellen – wie im vorliegenden Falle ein Graf Czrabowski – du trittst sehr frei auf, du umgibst dich und deine Verhältnisse mit einem interessanten Dunkel.«

»Das sich aber der Vater des betreffenden Mädchens augenblicklich alle Mühe geben wird, aufzuklären; er wird Erkundigungen einziehen und wird bald erfahren, was hinter diesem Grafen Czrabowski eigentlich steckt.«

»In dem Falle hättest du schlecht manövrirt; der Vater muß vorderhand gänzlich aus dem Spiele bleiben; du wendest dich an die Mutter, an eine ältere Schwester oder so etwas; aber vor allen Dingen lasse bei diesen so bald als möglich durchblicken, daß du die solidesten Absichten habest, daß du heirathen wollest.«

»Man wird mir nicht glauben.«

»In dem Punkte habe ich erschreckende Beispiele; es ist das eine ganz eigene Geschichte. Bewirb dich als Nachbarssohn, dessen Herkunft bekannt ist, und dessen Ahnen – wenn man das so nennen kann – sich hinter dem Pfluge oder in eine niedrige Handwerksstätte verlaufen, um die Hand der Tochter eines Mannes, der dem Honoratiorenstande angehört, der betitelt ist, der mit Stolz auf die Rangklasse blick, welche ihn zu besitzen das Glück hat, so wird dich die weibliche Sippschaft mit nicht geringem Naserümpfen empfangen, namentlich wenn du schüchtern auftrittst und dein Einkommen darlegst, das gesichert, aber bescheiden ist, und wenn du obendrein weder Rang noch Titel aufzuweisen hast. Falle aber als Fremder mit der Thür in's Haus, zuversichtlich, dreist, zum Beispiel als Graf Czrabowski, und du wirst sehen, wie du aufgenommen wirst. Mutter und Schwester werden für dich von einem Glauben beseelt sein, der wie auf Felsen fundirt ist. Wie gesagt, ich spreche aus Erfahrung und habe Mütter gekannt, die es für nicht unwahrscheinlich hielten, daß der Herzog A. oder Prinz C., der an ihrer Tochter Wohlgefallen fand, sie wohl heirathen könnte. Es seien ja Vorgänge da, und was bei Ida geschehen, sei auch bei Elise nicht unmöglich.«

»Aber das Ende vom Liede?« meinte Baron Fremont. »Jede Sache hat doch einen endlichen Ausgang!«

»Das Ende vom Liede,« erwiderte Herr von Tondern, nachdem er mit großem Wohlgefallen eine gewaltige Dampfwolke aus der unvergleichlichen Cigarre des Grafen Helfenberg gezogen und von sich geblasen, »ist zuweilen ein bischen tragisch; aber mag es für das Mädchen noch so unangenehm auslaufen, ihr guter Name bleibt in gewisser Beziehung vor den Augen der Welt bewahrt; nur der Graf Czrabowski – wir wollen den Namen wie eine X Größe in der Mathematik beibehalten – verschwindet und hat sich natürlicher Weise unverantwortlich schlecht benommen. Das Mädchen trifft ja nicht die geringste Schuld; hat er doch versprochen, sie zu heirathen, hat er sich doch mit ihr öffentlich gezeigt, denn das gehört vor allen Dingen dazu, um der Sache den passenden Mantel umzuhängen. Daß er, nachdem allerlei geschehen, wortbrüchig geworden und verschwunden, das ist ja für sie keine Schande, sondern nur ein Unglück. Im Grunde ist ein solches Mädchen auch wirklich zu bedauern; es hat warmes Blut, es handelt in der Leidenschaft, wogegen oft eine Gans von einer Mutter nicht das Geringste zu ihrer Rechtfertigung anzugeben weiß. – Doch da kommt das lebendige Beispiel meiner Theorie.«

Statt bei diesen Worten dem im andern Zimmer Erscheinenden entgegen zu blicken, wandte sich der Sprecher gleichgültig auf die Seite und stieß die Asche von seiner Cigarre ab, während Baron Fremont sich auffallend lange mit seiner Chocoladetasse aufhielt; ja, er nahm den Löffel zu Hülfe, um das, was von der braunen Masse am Boden saß, nicht zu verlieren, und nachdem dies geschehen, trank er einen guten Schluck Wasser, worauf er sein Battisttuch hervorzog und den Schnurrbart sauber abwischte.


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