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Wenn uns das Gemach in der Kneipe zum Reibstein auf dem Burgplatze, wo wir das Vergnügen hatten, die Verbrüderung zum Dolche Rubens kennen zu lernen, an jenem regnerischen Tage düster, geheimnißvoll und sehr befähigt erschien, um einem so außerordentlichen Bunde als Versammlungssaal zu dienen, so ist doch nicht zu leugnen, daß dieses Zimmer auch bei klarem Wetter und heiterem Sonnenschein keinen freundlichen Eindruck machte, vielmehr etwas Ernstes, fast Unheimliches enthielt, namentlich wenn es still dalag und seine Wände nicht wiederhallten vom Lärm lustiger Gesellen.
Anderntheils war das Gemach aber auch wieder bei dem jetzigen kalten Winterwetter draußen, angenehm durchwärmt von dem großen braunen Kachelofen, kein gar so unfreundlicher Aufenthalt, und selbst Jemand, der allein hier gesessen hätte, würde sich bei einigem Interesse für Schnitzwerk und Malerei oder bei nur einigermaßen poetischem Sinn eine Zeit lang haben amusiren können. Die Hände der Künstler, welche hier zusammen kamen, hatten Wände und Decke aufs mannigfaltigste geschmückt, und wenn auch nicht alles, was man hier sah, echt war, so hatte es doch täuschend den Anschein davon, und man hätte zum Beispiel darauf schwören wollen, daß jenes riesenhafte sechszehnendige Hirschgeweih in der That einmal den Kopf eines dieser edlen Thiere in tiefer Waldesnacht geschmückt habe; daß ferner der Gobelin an der einen Wand eine wirklich prachtvoll erhaltene Weberei mit bunten phantastischen Figuren sei; daß der eiserne Helm an jenem Pfeiler nebst Schild und Handschuhen wirklich einmal von einem biderben Ritter geführt worden sei, und daß die Glasmalereien im Fenster in früheren Zeiten Mönchsgesang und Orgelton gehört.
Und doch war alles das nur Täuschung. Das Hirschgeweih war aus gebrannter Erde fabricirt, Schild, Helm und Handschuhe aus Steinpappe; die Gobelins bestanden aus Sackleinwand, worauf die Maler mit kundiger Hand allerlei Figuren aufs täuschendste gemalt, und die alten Kirchenscheiben hatten sie ebenfalls aus buntem, ölgetränktem Papier, welches sie mit Ornamenten versehen hatten, hergestellt; selbst die Verzierungen an der Decke und die scheinbar kunstreichen holzgeschnitzten Galerien oberhalb der Thür waren Täuschungen, wie so Vieles in dieser trostlosen Welt.
Aber trotzdem nahm sich das Gemach wohnlich aus und hatte, wir müssen es wiederholen, einen fast poetischen Anstrich; man saß gern darin, sowohl bei einer lustigen Gesellschaft, als selbst im Zwiegespräch oder sogar allein, wenn man sich veranlaßt sah, ein wenig zu träumen oder seinen Gedanken Audienz zu geben, welche von den dunklen Holzwänden so gut bei einander gehalten wurden, und durch die bunten Glaser viel schwerer ins Freie flatterten, als dies bei gewöhnlichen nüchternen weißen Fensterscheiben der Fall gewesen wäre.
Durch eben diese bunten Gläser drangen heute Nachmittag die Strahlen der Sonne und spiegelten eine farbige Zeichnung auf den Boden, während sie auch dazu beitrugen, dem düsteren Zimmer selbst einen freundlicheren Anstrich zu geben. In der Nähe des großen Fensters – es bestand eigentlich aus vier kleinen Fenstern, die, wie man das bei alten Häusern findet, nur durch ein Kreuz aus altem Eichenholze von einander getrennt waren – stand eine Bank, auf deren einem Ende der Kupferstecher Wurzel, und zwar rittlings saß, während vor ihm ein großes Henkelglas voll Bier stand.
Unser alter Bekannter mit dem rothen, gutmüthigen Gesichte, kolossalem Bartwerke und den kleinen lebhaften Augen hatte ein Stückchen Holz in der Hand, an welchem er mit dem Federmesser herum schnitzelte und diese Arbeit nur unterbrach, wenn er aus dem Glase trank, was häufig genug vorkam und sich darauf langsam und behaglich den Bart wischte, oder wenn er beide Fäuste in die Seiten stemmte, eine Stellung, die er beinahe immer annahm, wenn sein Gegenüber etwas sagte, was seine besondere Aufmerksamkeit erregte.
Dieses Gegenüber aber war Niemand anders als Windspiel, der Kellner, in den gleichen engen carrirten Höschen, in denen wir ihn neulich gesehen, heute aber ohne Radmantel und Hut, nur in rund geschnittener Jacke, wie er sie, seinem Berufe nachhüpfend, zu tragen pflegte.
Windspiel stand vor einem Tische, auf dem sich eine Menge Gläser befanden, die er sich bemühte, mit einer einst weiß gewesenen Serviette zu putzen. Doch betrieb er dieses Geschäft nur mechanisch, und wenn, er auch gerade mit dem Kupferstecher nicht sprach, das heißt auf dessen Fragen Antwort gab, so bewegte er doch die Lippen, als rede er mit sich selber, strich zuweilen seufzend sein struppiges Haar, schüttelte mit dem Kopfe oder zog nachdenklich die Augenbrauen so hoch in die Höhe, das dies ordentlich komisch anzusehen war.
Der Kupferstecher hatte gerade getrunken und sich mit dem Ärmelaufschlag den Mund abgewischt, als er seine Holzschnitzerei für den Augenblick ruhen ließ, und mit seiner tiefen dröhnenden Stimme zu dem Kellner sprach:
»Wie ich dir schon oft gesagt, Windspiel, so halte ich es für das größte Unglück, das dir widerfahren konnte, das du einen Menschen kennen gelernt, der mit oder ohne Absicht – das kann ich vorderhand nicht beurteilen – dein bisschen ohnehin schon verbranntes Gehirn zusammenrappelt. Oder hast du dir das Aufschneiden angewöhnt und willst mir eine Geschichte aufbinden, von der du selbst überzeugt bist, das ich sie nicht glaube?«
»O, Herr Wurzel,« entgegnete der dünne Kellner und schüttelte dabei langsam den Kopf, »es ist da nichts von Zusammenrappeln meines verbrannten Gehirns, noch weniger von Aufbinden zu reden; was ich Ihnen sagte, ist die reine Wahrheit.«
»So hat man dich zum Besten gehabt.«
»O nein, es war nichts von zum Besten haben dabei, es war Ernst – blutiger Ernst.«
Bei diesen Worten fuhr er mit der Hand über seine Nase, wo die verdächtigen röthlichen Spuren immer noch deutlich sichtbar waren.
Der Kupferstecher hatte ein paar Schnitte an seinem Holz gethan, dann meinte er: »Das ist ja eine ganze Räuber- und Mordgeschichte, Windspiel.«
»O ja,« entgegnete der Kellner, »es hat sich stark von Räubern gehandelt und noch obendrein von Räubern der gefährlichsten Art; sie hatten sich als Weiber verkleidet, und ihrer vier griffen mich an und packten mich.«
»Nun, daß man dich geschopfbeutelt hat wie der Hund den Bettelsack, daran zweifle ich nicht im Geringsten. Aber um was hat es sich eigentlich gehandelt?«
»O, um sehr viel, Herr Wurzel; zuerst um Einbruch, wobei es den Kerlen, die mich gefaßt, auf ein bischen Mord gewiß nicht angekommen wäre; dann um die Entführung einer jungen schönen Dame, die aber der tapfere Don Larioz mit seinem Degen befreite – ich kann Sie versichern, das war sehr schön – und alsdann ihren trauernden Verwandten zurückgab.«
»Und der Entführer kam auch vor?«
»Ob er vorkam!«
»Ebenfalls in Weiberkleidern?« fragte lachend der Kupferstecher.
»O, ich sehe, Sie glauben mir nicht und wollen mich nur zum Besten halten,« sagte Windspiel gekränkt. »Aber ich kann Sie versichern, die Erinnerung an jenen Abend kann mir doch kein Mensch nehmen; obgleich er etwas unglücklich für mich ausfiel, war er doch voll Poesie, und ich denke immer daran.«
»Ja, so sehr,« entgegnete der Andere, »daß du dein Geschäft grausam vernachläßigst und nicht einmal siehst, wie ich hier seit einer Viertelstunde bei trockenem Glase sitze.«
Diesem Fehler war bald abgeholfen; der Kellner warf die Serviette über seine Schulter und brachte im nächsten Augenblicke ein gefülltes Glas, worauf der Kupferstecher einen guten Zug that, den Deckel schallend zufallen ließ und das Gefäß wieder vor sich auf die Bank setzte.
»Ich fürchte,« sagte er nach einer Pause, »wir haben mit unseren Geschichten neulich deinen Freund und Gönner abgeschreckt, er wird so bald nicht wieder hieher zurückkehren, und das ist eigentlich schade, denn es ist amüsant, ein Original, wie er ist, öfter zu sehen.«
Windspiel hatte das Glas, welches er gerade in der Hand hielt, sauber geputzt und hielt es zur Probe gegen das Licht, wobei er mit seiner Arbeit zufrieden zu sein schien; wenigstens lächelte er vergnügt in sich hinein, doch konnte dieses Lächeln auch seinen Worten gelten.
»Ich glaube nicht,« erwiderte er nämlich, »daß die Geschichte neulich hier den Don Larioz abgeschreckt hat; es ist das eine höchst eigenthümliche Persönlichkeit, die das Geheimnißvolle liebt, und er sucht wahrscheinlich mehr dahinter, als wirklich zu finden ist.«
»Nimm dich in Acht, Windspiel,« bemerkte lachend der Kupferstecher, »du sprichst da sehr geringschätzend von unserer anonymen Gesellschaft, welche sich in der That glücklich schätzt, den Herrn Larioz unter die Ihrigen aufgenommen zu haben. Aber Scherz bei Seite! Da du nun einmal der Vertraute dieses edlen Spaniers bist, so wirst du mir vielleicht mittheilen können, was er denn eigentlich damals hat sagen wollen mit seiner Erzählung von der schönen Spanierin, die er drüben bei den Breibergs gesehen haben will. Ich habe mir alle Mühe gegeben und mich auf Erkundigungen gelegt, und kann dich versichern, Windspiel, daß die drüben kein anderes Modell haben, als die wir auch kennen: die Katharine und den Stöpsel.«
»Modell, ja, das glaube ich wohl,« antwortete der Kellner, indem er die Achseln zuckte und eine etwas geringschätzende Miene annahm. »Es handelt sich hier um kein Modell; ich sage Ihnen, Herr Wurzel, es ist so, wie der Herr Don Larioz gesagt.« Er näherte sich dem Kupferstecher und setzte flüsternd hinzu: »Die halten da drüben was verborgen.«
Herr Wurzel ließ seine Arbeit ruhen, stützte die Fäuste auf die Hüften, und sagte, indem er die kleinen Augen so stark zudrückte, daß man sie kaum noch zwischen den buschigen Brauen hervorblitzen sah: »Was sollen die da drüben versteckt haben? Ich glaube, du bist nicht recht bei Trost!«
Windspiel machte eine Bewegung mit der Hand, als wollte er den Andern bitten, leise zu sprechen, dann schaute er sich schüchtern in dem leeren Gemache um und erwiderte: »Ich habe sie ja selbst gesehen.«
»Den Teufel auch! Was hast du gesehen?« fragte lachend der Kupferstecher, wobei er aber doch einen aufmerksamen Blick auf das ernste Gesicht des Kellners warf, der jetzt dicht zu ihm herangeschlichen war und hastig und mit ganz leiser Stimme sagte:
»Gesehen habe ich das schöne Mädchen drüben bei Breibergs. Wer es ist, kann ich freilich nicht sagen, aber – sie gehen schlimm mit ihr um, Herr Wurzel, das dürfen Sie mir glauben. Mißhandelt haben sie sie.«
»Hol' dich der Henker, Windspiel!« rief der Kupferstecher mit einigem Erstaunen, »du könntest Einen am Ende Zeug glauben machen, wovor man sich selber schämen müßte. Wie ich früher schon sagte: dein Kopf hat gelitten, denn ein Mensch bei klarem Verstande könnte in unserer ruhigen Stadt doch unmöglich verkleidete Räuber gesehen und Entführungen beigewohnt haben und von einer gefangenen Spanierin wissen, die von den Breibergs mißhandelt wird. O Windspiel, du dauerst mich sehr!«
Der dürre Kellner kratzte sich am Kopfe und schaute einen Augenblick nachdenkend zu den bunten Fensterscheiben empor, bis er endlich entgegnete:
»Und es ist doch so; ich habe Ihnen das anvertraut, Herr Wurzel, weil Sie es besser meinen als all die Andern, wenn Sie auch oft so thun, als ob Sie Einen beißen wollten. Und schön muß die Spanierin sein, denn Herr Don Larioz spricht mit Entzücken von ihr, und was ich selbst gesehen,« setzte er stockend hinzu, »ist schon der Mühe werth, das kann ich Sie versichern.«
»Windspiel, du machst mich wirbelig,« sprach der Andere und fuhr darauf sehr ernst fort: »denn ich will nicht hoffen, daß du dir einfallen lässest, einen Spaß mit mir zu treiben.«
»Wie können Sie so etwas denken!« versetzte der Kellner fast erschrocken. »Ist es doch wahrhaftig so, wie ich Ihnen gesagt: die Breibergs halten ein wunderschönes Mädchen bei sich versteckt, das kann ich feierlich versichern. – Bei San Jago!«
»Schwör' du lieber bei einem vernünftigen deutschen Heiligen – oder beim Gambrinus meinetwegen!« rief Herr Wurzel. »Also du lügst mich nicht an?«
»Gewiß nicht; aber,« setzte der Kellner geheimnißvoll hinzu, »Herr Don Larioz hat sich vorgenommen, die Sache zu untersuchen, und wenn der mit seinem langen Stoßdegen über die Gebrüder Breiberg kömmt, da können sie sich freuen.«
Der Kupferstecher hatte das Stückchen Holz, woran er geschnitzelt, sowie das Messer auf die Bank gelegt, dann sein Glas mit einem tüchtigen Zuge geleert, machte aber jetzt eine abwehrende Handbewegung, als Windspiel, eingedenk des Verweises von vorhin dasselbe wieder füllen wollte. Herr Wurzel strich mit der Hand über den vollen Bart und sprach, nachdem er einen Augenblick nachgedacht:
»Den Breibergs würde ich schon was Gehöriges gönnen, – aber deine Geschichte ist zu toll und zu unwahrscheinlich. Dem müssen wir auf die Spur kommen.«
»Aber, Herr Wurzel,« unterbrach ihn der Kellner mit einer bittenden Geberde, »wenn die daneben erführen, daß sich der edle Don Larioz für das unglückliche Mädchen interessirt, so würde es ihr noch viel schlechter ergehen.«
»Sei kein Kameel, Windspiel!« antwortete barsch der Kupferstecher; »du wirst mich doch wohl nicht für eine Plaudertasche halten! Aber der Sache muß man auf den Grund kommen; ihr zu Lieb will ich vergessen, daß Jean Baptist ein Flegel gegen mich gewesen, unter einem Vorwande hinüber gehen und dabei schon ins Klare kommen.«
»Aber nicht wahr, Herr Wurzel,« bat der Kellner wiederholt, »Sie nehmen sich in Acht? Sehen Sie, wie sollte ich je wieder vor den Herrn Don Larioz treten können, nachdem ich an ihm zum Verräther geworden bin?«
»Was das anbelangt,« entgegnete der Kupferstecher, indem er sich von der Bank erhob, »so wäre es vielleicht gar kein Schade für dich, wenn du diesen Umgang abbrächest; aber sei nur ruhig. Wenn es sich wirklich so verhält, wie du und dein edler Spanier sagen, so will ich wahrhaftig bereit sein, seine Bemühungen zu unterstützen.«
»Und ich erfahre etwas davon, was Sie gesehen?« fragte der Kellner.
»Wenn es der Mühe werth ist, ja. Aber ich bin fest überzeugt, die ganze Geschichte läuft auf irgend eine Narrheit hinaus.«
Damit setzte Herr Wurzel seinen grauen, breitkrämpigen Hut auf, knöpfte den Rock zu und verließ, indem er eine Melodie pfiff und mit dem Stock in der Luft herum fuchtelte, das Gemach.
Als der Kellner nun allein blieb, legte er seine beiden Hände vor den dünnen Leib und blickte träumerisch in die Höhe. Eigentlich wollte er an den Himmel schauen, aber da ihm die bunten Scheiben die Aussicht dorthin versperrten, so blieben seine Blicke darauf haften, und seine Phantasie grasete auf den bunten Feldern umher, welche die Maler mit allerlei seltsamen und abenteuerlichen Figuren geschmückt, – Figuren und Situationen, welche wohl dazu geeignet waren, die Gedanken Windspiels fest in der Richtung zu erhalten, in die sie sich zufällig verfahren. Da war der tapfere Drachentödter in stahlblauer Rüstung, wie er dem Ungethüm den Speer in den Leib stößt in dem Augenblicke, als dieses die etwas sehr stark entkleidete Jungfrau verschlingen will; da sah man die Töchter des Cid an ihren Baum gebunden und gleich daneben den Campeador selbst racheschnaubend sein Schwert schwingen. Da sah man viele bekleidete und unbekleidete Jungfrauen, bekannte und unbekannte Ritter, und alle verfolgten eifrig den gleichen Zweck: die Unschuld zu schirmen, das Laster niederzuwerfen und mit starkem Arm jedem Bedrängten beizustehen.
Der gute Kellner seufzte tief auf, als er die geharnischten Figuren und die schönen Damen, mit denen er sich schon so oft im Stillen unterhalten, jetzt aufgeregt, wie er war, betrachtete und dabei dachte, wie er um ein paar hundert Jahre zu spät auf die Welt gekommen sei und eine schöne Bestimmung gänzlich verfehlt habe. Wie war es so unpoetisch, hier Flaschen und Gläser spülen zu müssen, Bier einzuschenken, von den Malern »Windspiel« genannt zu werden, statt vielleicht Fernando zu heißen und, wie der kleine Leibpage dort oben auf dem Glasgemälde, in Diensten jener dicken Prinzessin zu stehen, der er eben vom Pferde zu helfen im Begriff ist.
Während Windspiel so dachte, hatte er seine Serviette auf die rechte Schulter geworfen, den Arm keck in die Seite gestemmt und schaute auf jene Attitüde, wobei er sich vorstellte, daß ein kleiner Mantel von weißem Seidenzeuge à la Don Juan außerordentlich kleidsam für ihn wäre. Auf einmal wurde er aber aus seinen Betrachtungen durch ein leises Lachen aufgeschreckt, das hinter ihm erklang. Da er sich eigentlich über dieses Lachen ärgerte, es aber unter seiner Würde fand, sich rasch umzuwenden, so drehte er den Kopf mit einem sehr finsteren Gesichtsausdruck über die rechte Schulter und schien auch durchaus nicht freudig überrascht zu sein, als er in dem Lacher seinen Bruder erkannte, den kleinen Reitknecht, wie er ihn mit einiger Geringschätzung zu nennen liebte, obgleich Friedrich nur um ein sehr Geringes kleiner war als der Kellner vom Reibsteine.
»So, du bist es?« fragte er in lang gezogenem Tone, indem er seine Serviette, ohne sich zu beeilen, vom Arme herabrutschen ließ, die Hand aber auf der Hüfte aufgestützt behielt.
»Ja, allerdings bin ich es,« entgegnete der Groom, der aber nicht ins Zimmer trat, sondern an der Thür stehen blieb. »Wir sind hinten in der kleinen Stube, und wenn du uns da etwas Gesellschaft leisten wolltest, so wäre es uns angenehm.«
»Wer ist denn das – wir?« fragte Windspiel, indem er den Kopf ziemlich hoch emporhob.
»Lauter respektable Leute,« versetzte Friedrich mit Betonung. »Thu doch nicht so, als wenn du deine Gesellschaft auswählen könntest; freilich so langhaarige Künstler sind nicht dabei. Na, komm nur und bring vier gute Schoppen mit, das heißt vier, wenn du selbst einen trinken willst.«
»Du weißt wohl, Friedrich,« antwortete der Kellner etwas gekränkt, »daß ich das hintere Zimmer nicht bediene; dafür ist das Schenkmädchen da, und an die kannst du dich wenden, wenn du drei Schoppen haben willst.«
»Auch gut, aber komm du nur herüber.«
»Wir wollen sehen,« sagte Windspiel mit unverkennbarem Stolze, indem er die Serviette schwang und aufs Neue anfing, seine Gläser zu putzen.
Friedrich verschwand durch die Thür, und Windspiel sprach zu sich selber: Da wird er wieder welche von seinem Bedientenvolk bei sich haben; man muß das Zeug kurz halten. Die haben eine Art, sich mit Jedem familiär zu machen, und wenn man, wie ich, an bessere Gesellschaft gewöhnt ist, so haßt man das aus Grund seiner Seele.
Dabei ließ er einen unterdrückten Seufzer vernehmen und schaute abermals zu den bunten Scheiben empor, wo seine Blicke wieder auf dem kleinen Pagen und der dicken Fürstin haften blieben, die ihren Fuß ziemlich weit von sich abstreckte und etwas stark schielend herabsah.