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Nach längst schablonierten Vorbildern,
Namen sind hier Schall und Rauch
Das »Motiv« ist in jedem der folgenden Fälle das gleiche: Lissy, ein armes, aber ehrliches Mädchen, verirrt sich im Walde und wird von einem Mann auf ein Schloß gebracht.
Ottfried horchte auf. Rief da nicht schrill eine Autohupe? Jawohl, sie rief. Ottfried schaute aus dem Fenster und sah, daß ein Maibenz am Waldrand in den Graben gefahren war.
Er eilte die Schloßtreppe herab, auf den verunglückten Wagen zu. Eine junge, elegante Dame stand daneben. Ottfried stellte sich vor: »Ich heiße Ottfried Baumgarten, Sie dürfen sich das aber nicht so denken, als ob ich das Schloß hier bewohnte. Das Schloß ist so teuer, daß es seit langem überhaupt nicht bewohnt wird. Abgesehen von meiner Wenigkeit, die hier drei Zimmer gemietet hat. Das einzige Zugeständnis, das ich an meine Umgebung machte, ist die Verschmelzung meiner bürgerlichen Vornamen Otto und Friedrich zum wohltönenderen Ottfried.«
Die Dame lächelte: »Mein Wagen ist kaputt. Darf ich bei Ihnen übernachten? Morgen früh werde ich gleich einen Schlosser holen lassen.« Sie sah ihn prüfend an. »Oder haben Sie Angst?« setzte sie leichtfertig hinzu.
»Angst?« Ottfried lachte. »Wenn Sie keine Angst haben … ich schon lange nicht!«
Sie gingen ins Schloß. Ottfried fragte nach dem Namen der Dame. Sie verriet aber nicht mehr, als daß sie Lissy hieß. »Wohin wollen Sie, Fräulein Lissy?« Keine Antwort. »Woher kommen Sie?« Keine Antwort. »Was treiben Sie? Wer sind Sie? Warum fahren Sie durch diese einsame Gegend?« – Lissy blieb schweigsam. Da brachte Ottfried sie auf ihr Zimmer.
Gegen Mitternacht – Ottfried schlief bereits – öffnete sich die Tür zu seinem Zimmer. Eine Gestalt trat herein. Die Schloßdiele knarrte, und Ottfried erwachte. »Hallo«, rief er. Die Gestalt verschwand. Ottfried, mäßig bekleidet, hinterher. Er eilte auf Lissys Zimmer. Sie war nicht da, natürlich. Er durchsuchte die anderen Räume. Ohne Erfolg. Da bekleidete er sich etwas vollkommener und eilte an die Stelle, an der gestern der Wagen gestanden hatte. Er war weg.
Aha!
Wieso Aha? – Er wußte ja eigentlich nichts. Fiebernd durchsuchte er alle Räume. Sicher war etwas gestohlen. Aber ihm fehlte nichts. Doch – jenes kleine Aquarell, das er einmal in Nizza gemalt hatte und das in seinem Zimmer, nahe der Tür, gehangen hatte, war verschwunden. Es hatte die glutäugige Tochter seiner Wirtin dargestellt.
Was hatte das alles zu bedeuten? Wer war Lissy?
(Fortsetzung folgt)