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Die Regenzeit war früh eingetreten; die letzten drei Wochen trockener Sommerhitze hatten dem weiten Thale das Lebensblut ausgesogen und die dürren Weizenhalme auf dem Grabe Dr. Wests rasselten wie Totenknochen.
Dem Palaste Aladins hatten Wind und Sonne bedenkliche Sprünge und Risse beigebracht, so daß er aussah, als ob es geraten wäre, ihn wieder in die Spielzeugschachtel zu verpacken, aus welcher er herausgenommen war. Der wütende Regensturm, der aus Südwesten hereinbrach, hatte ihn geradezu unbewohnbar gemacht. Die pomphaften Möbel der Gesellschaftsräume wurden in wasserdichte Ueberzüge gehüllt; das Gewächshaus verwandelte sich in ein Aquarium und die Seufzerbrücke im Stallhofe führte über einen wirklichen Kanal. Nur das Billardzimmer, das Schlafgemach des Hausherrn und sein Bureau waren unversehrt geblieben.
In dem letzteren saß an einem stürmischen Nachmittage Mr. Prince in eifriger Arbeit über seinen Büchern und Papieren. Sein Wagen stand, mit Schmutz bespritzt, im Hofe, wie er eben von der Eisenbahnstation gekommen war, und der Rauchgeruch frisch angezündeter Feuer verriet, daß sich das Haus nur zu einem flüchtigen Besuch seines Eigentümers geöffnet hatte.
Auf den Hufschlag eines Pferdes, der sich im Hofe hören ließ, folgten Schritte im Gange und gleich darauf erschien ein Diener, welcher Kapitän Carroll bei seinem Herrn einführte. Der Offizier zog seinen Ueberrock nicht aus, sondern blieb, mit der Dienstmütze in der Hand, mitten im Zimmer stehen.
»Ich hätte Sie von der Station mitnehmen können, wenn Sie des Weges gekommen sind,« sagte Prince. »Bin eben erst herüber gefahren.«
»Ich wollte lieber reiten,« gab Carroll kurz zur Antwort.
»Setzen Sie sich ans Feuer,« bat Prince, auf einen Stuhl deutend; »trocknen Sie sich.«
»Ehe ich darauf eingehe, unser Zusammensein zu verlängern, muß ich Sie bitten, mir über den Zweck desselben genaueren Aufschluß zu geben,« sagte Carroll abweisend. »Sie haben mich aufgefordert, hierher zu kommen, um wegen gewisser Briefe, welche ich vor einigen Monaten ihrer rechtmäßigen Eigentümerin übermittelte, Rücksprache zu nehmen. Sollten Sie beabsichtigen, dieselben wiederzufordern oder auf Verhältnisse zurückzukommen, welche der Vergessenheit anheimfallen müssen, so sehe ich mich genötigt, jede weitere Verhandlung abzulehnen.«
»Ja, es handelt sich um die Briefe und Sie selbst mögen entscheiden, ob dieselben der Vergessenheit anheimfallen sollen. Es ist nicht meine Schuld, daß die Angelegenheit so lange verzögert wurde. – Sie sind erst gestern von einer dienstlichen Inspektionsreise zurückgekehrt, waren mithin nicht eher herbeizurufen.«
Carroll warf Prince einen kalten Blick zu, ließ sich dann, ohne den Ueberrock auszuziehen, in einen Stuhl sinken und streckte seine hohen Reiterstiefel dem Feuer entgegen. Während er so dem Hausherrn sein Profil zukehrte, fiel es diesem auf, daß der Kapitän älter und ernster aussah, als bei ihrem letzten Zusammentreffen, und daß sein Gesicht hagerer geworden war, als man der Anstrengung des Dienstes zuschreiben durfte.
»Bei Ihrem letzten Besuch im vergangenen Sommer,« begann Prince, indem er sich über sein Pult beugte, »brachten Sie mir eine Nachricht, welche mich selbst, wie auch viele andere aufs höchste überraschen mußte: Ich meine die Nachricht, daß Dr. West seine Besitzung Mrs. Saltonstall cediert hatte. Es konnte dagegen kein Widerspruch erhoben werden; die Sache erschien wie eine einfache geschäftliche Verfügung, die keines Menschen Rechte verletzte. Einige Tage später wurde dann auch das Testament des Doktors eröffnet, in welchem dieselbe Dame zur alleinigen Erbin der gesamten Hinterlassenschaft ernannt war. Auch das ließ sich nicht anfechten, denn allem Anschein nach waren gesetzliche Erben nicht vorhanden. Seitdem hat sich jedoch herausgestellt, daß ein solcher Erbe da ist und zwar in der Person eines Sohnes. Da nun aber in dem Testamente von dem Dasein desselben nicht die Rede ist – eine schwere Versäumnis von seiten des Doktors – so wird von dem Gesetze angenommen, daß diese Versäumnis auf einem Vergessen beruht, und der Sohn tritt in alle seine Rechte, als ob kein Testament vorhanden wäre. Mit anderen Worten: Hätte der Doktor seinem Taugenichts von Sohn eine Hundertdollarnote vermacht, so wäre damit der Beweis gegeben, daß er sich desselben erinnert; da er dies nicht gethan, tritt die gesetzliche Annahme des Vergessens in Kraft und das Testament ist ungültig.«
»Es scheint mir, als hätten sich um diese Frage mehr die Advokaten als die Freunde der Mrs. Saltonstall zu kümmern,« sagte Carroll in kaltem Tone.
»Verzeihen Sie – darüber mögen Sie selbst entscheiden, nachdem Sie alles gehört haben. – Wie Sie wissen, sind Dr. Wests Besitzungen für den Fall seines Todes – durch Cession sowohl wie durch testamentarische Verfügung – nicht seinem gesetzmäßigen Erben, sondern einer fremden Persönlichkeit bestimmt. Das wird vielen seltsam erscheinen und die einzige Erklärung dafür ist, daß sich der Doktor sterblich in die Witwe verliebt hatte und daß er sie, wenn er länger am Leben geblieben wäre, aller Wahrscheinlichkeit nach geheiratet hätte.«
Mit der unbehaglichen Erinnerung, daß ihm Maruja die Beziehungen ihrer Mutter zu Dr. West in derselben Weise erklärt hatte, gab Carroll ungeduldig zur Antwort:
»Wenn Sie meinen, daß die persönlichen Verhältnisse der beiden durch einen Prozeß über die Hinterlassenschaft vor Gericht gezogen werden müßten, so geht das wiederum nur Mrs. Saltonstall an, nicht ihre Freunde. Es ist einfach eine Frage des Geschmacks.«
»Es könnte aber auch eine Frage der Vorsicht sein, Kapitän Carroll!«
»Der Vorsicht?« wiederholte der junge Mann in hochmütigem Tone.
»Jawohl!« sagte Prince, indem er sein Pult verließ und mit den Händen in den Taschen an das Feuer trat. »Wie würden Sie die Sache ansehen, wenn der Beweis geführt werden könnte, daß Dr. West, als er in jener Nacht Mrs. Saltonstall verlassen hatte, nicht verunglückt und nicht vom Pferde gefallen, sondern absichtlich, mit kaltem Blute ermordet worden ist!«
Kapitän Carrolls Antlitz verriet, daß er sich der Beobachtung erinnerte, die er in Bezug auf die Unglücksstätte gemacht hatte, und er bedurfte eines Augenblicks, um sich zu fassen.
»Und wenn nun wirklich bewiesen würde, daß kein Unglücksfall, sondern ein Mord vorliegt, was hätte das mit Mrs. Saltonstall oder deren Ansprüchen an die Hinterlassenschaft zu thun?«
»Nichts weiter, als daß sie die einzige Persönlichkeit ist, welcher des Doktors Tod unmittelbare Vorteile brachte.«
Kapitän Carroll warf ihm einen durchdringenden Blick zu, dann stand er auf. »Haben Sie mich etwa hierher gerufen, damit ich diese niederträchtige Verleumdung einer unbescholtenen Frau mitanhöre?« fragte er.
»Ich habe Sie hergerufen, Kapitän Carroll, um Ihnen die Beweismittel zu nennen, deren man sich möglicherweise bedienen wird, um Dr. Wests Testament umzustoßen und die Hinterlassenschaft dem rechtmäßigen Erben zuzuwenden. Ob Sie dieselben hören wollen oder nicht, ist Ihre Sache, ich muß Sie jedoch darauf hinweisen, daß Ihnen jetzt die letzte Möglichkeit gegeben ist, die Sachlage unter vier Augen zu besprechen, um dieselbe der Ihnen befreundeten Dame mitzuteilen. Was mich betrifft, so habe ich keine persönliche Meinung über das Vorgefallene; ich mache Sie nur darauf aufmerksam, wie andere darüber urteilen werden. Man wird sagen, daß Dr. West dazu beredet worden ist, in gesetzwidriger Weise zu Gunsten der Mrs. Saltonstall zu testieren; man wird darauf hinweisen, daß er sich, nachdem dies geschehen, kurz vor seinem Tode von dem Dasein seines Sohnes und Erben überzeugt und eine Zusammenkunft mit demselben gehabt. Daß er am Abend, nachdem dies Wiedersehen stattgefunden – worüber sich in seinem Taschenbuche eine Notiz befindet, welche die Identität seines Sohnes außer Zweifel stellt – Mrs. Saltonstall besucht hat und daß er, eine Stunde, nachdem er ihr Haus verlassen, schändlich ermordet worden ist. Dies sind die Thatsachen, mit denen Mrs. Saltonstall zu rechnen hat. Daß ich keine Meinung über die Angelegenheit habe, sagte ich Ihnen schon. Ich weiß aber, daß die Unterredung des Doktors mit seinem Sohne durch Zeugen bestätigt werden kann, weiß, daß für den Mord Beweise vorliegen und daß man dem Mörder auf der Spur ist. Außerdem ist als Beweismittel das Taschenbuch mit der Notiz des Doktors vorhanden, welches an der Unglücksstätte aufgefunden wurde und durch Sie, Kapitän, in meine Hände gelangte.«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie dies Taschenbuch, welches ich Ihnen voll Vertrauen übergeben, zu solchen niederträchtigen Zwecken mißbrauchen lassen werden?« fragte Carroll.
»Ich glaubte, Sie hätten mir dasselbe eingehändigt, um dafür Mrs. Saltonstalls Briefe an Dr. West einzutauschen,« gab Prince trocken zur Antwort. »Je weniger Sie darüber sagen, je weniger wird überhaupt von kompromittierenden Briefen die Rede sein, welche die Witwe an den Doktor geschrieben und mit deren Wiedererlangung Sie beauftragt waren ... Briefe, von denen mit einem Anschein von Recht behauptet werden könnte, daß sie bei dem Ereignis eine Rolle gespielt, den Doktor gewissermaßen ins Verderben gelockt haben.«
Für einen Augenblick schauderte Kapitän Carroll vor dem Abgrunde zurück, der sich zu den Füßen der unglücklichen Familie zu öffnen schien, und ein entsetzlicher Zweifel bemächtigte sich seiner Seele – ein Zweifel, der ihm eine gewisse Wandlung im Tone der Briefe, die er in letzter Zeit von Maruja erhalten hatte, und die unbestimmten Andeutungen zu erklären schien, womit sie die Möglichkeit einer Verbindung mit ihm zurückwies.
»Ich bitte Sie, mich nicht zu größerer Offenheit zu drängen,« hatte sie geschrieben, »bitte Sie, mich zu vergessen, ehe Sie mich hassen lernen.« – Einen Augenblick kam er auf den Gedanken und fand sogar einen gewissen Trost darin, daß ihre Worte nicht der Ausdruck einer koketten Laune, sondern eine Andeutung dieses schrecklichen Geheimnisses gewesen. Das währte aber nur einen Augenblick, dann war der Verdacht aus der Seele des hochherzigen Mannes verschwunden und ließ nur ein leises, schamvolles Erröten über seinen Mangel an Vertrauen zurück.
Prince hatte das alles, nicht ohne ein gewisses Mitgefühl, bemerkt.
»Hören Sie 'mal,« sagte er mit einer Barschheit, die bei einem Manne seines Charakters weniger zu fürchten war, als ein freundlich sanftes Wesen: »ich kenne Ihre Empfindungen für diese Familie, wenigstens für ein Mitglied derselben – und wenn ich Ihnen etwas rauh zu Leibe gegangen bin, so vergessen Sie nicht, daß Sie mir bei Ihrem letzten Hiersein ebenso begegnet sind. Wir wollen uns miteinander verständigen. Ich will Ihnen so weit entgegenkommen, zu erklären, daß ich nicht an Mrs. Saltonstalls Mitschuld an dem Morde glaube. Als Geschäftsmann muß ich jedoch hinzufügen, daß die Umstände, unter denen dieser Mord stattgefunden, und die eigene Unvorsichtigkeit der Dame ganz dazu gemacht sind, sie in die schwierigste Lage zu bringen. – Nehmen wir an, daß die Sache den besten Verlauf nimmt – daß des Totenbeschauers Aussage einfach zurückgewiesen und die Anklage auf Mord gegen einen oder mehrere unbekannte Thäter erhoben wird ...«
»Einen Augenblick, Mr. Prince,« fiel Carroll ein; »ich selbst bin einer der ersten, die darauf antragen werden, daß dies geschieht, und bin von Mrs. Saltonstalls ehrlicher Freundschaft für den Doktor zu fest überzeugt, um nicht zu wissen, daß auch sie keine Zeit verlieren wird, den Mördern nachzuspüren.«
Prince betrachtete den Kapitän mit einem Gemisch von Neid und Mitleid.
»Das glaube ich nicht!« gab er trocken zur Antwort. »Alle Verdachtsgründe deuten auf einen und denselben Mann, und dieser Mann ist Mrs. Saltonstalls vertrauter Diener – ihr Majordomo Pereo.« Er wartete einen Augenblick auf die Wirkung, welche diese Mitteilung auf Carroll machen würde, und fuhr dann fort: »Sie begreifen nun, daß Mrs. Saltonstall, selbst wenn sie von jeder Mitschuld oder auch nur Mitwissenschaft an dem Verbrechen freigesprochen wird, nicht angenehm davon berührt sein dürfte, ihren alten Diener des Mordes angeklagt zu sehen.«
»Wie aber sollte dies vermieden werden können? – Warum, wenn, wie Sie sagen, thatsächliche Beweise vorliegen, ist nicht schon früher darauf hin eingeschritten worden? Und was könnte geschehen, um das jetzt zu verhindern?«
»Die Beweise sind durch einen einzigen Mann zusammengetragen, liegen bis jetzt noch in dieses einen Mannes Händen, und werden dieselben nur verlassen, um in die Hände des gesetzlichen Erben überzugehen – der bis jetzt noch nichts von ihrem Vorhandensein weiß.«
»Und wer ist dieser Mann?«
»Ich!«
»Sie – Sie?« rief Carroll, indem er auf ihn zutrat. »Dies alles ist mithin Ihr Werk!«
»Kapitän Carroll,« sagte Prince, ohne sich von der Stelle zu bewegen, aber mit einem energischen Zusammenpressen der Lippen und leicht auf die Seite geneigtem Kopfe, »es ist durchaus nicht mein Wunsch, die Scene von neulich wiederholt zu sehen. Sollten Sie etwas Aehnliches beabsichtigen, so würde ich die ganze Angelegenheit in die Hände eines Advokaten legen. Ich glaube nicht, daß Ihnen das angenehm sein könnte, ebensowenig möchte ich behaupten, daß es mir lieb wäre, denn ich habe die ganze Sache nur als Geschäft behandelt, mich nur in der Absicht damit befaßt, einen Gewinn daraus zu ziehen. Wie die Dinge liegen, können wir beide demselben Ziele zustreben, wenn auch unsere Beweggründe nicht dieselben sind. – Obwohl ich weder Offizier noch Edelmann bin, glaube ich in der Geschichte nicht weniger zart zu Werk gegangen zu sein, als der beste unter ihnen, nur mit einem verd... bißchen mehr Geschick und gesunder Vernunft. Mir liegt daran, daß die Sache vertuscht und durch einen Vergleich geordnet wird, weil ich nicht wünsche, daß die Besitzung – wie durch einen Prozeß unbedingt geschähe – an Wert verliert. Ihnen liegt daran, um des jungen Mädchens willen und im Interesse Ihrer künftigen Schwiegermutter. Von dem, was Sie Gesetz der Ehre nennen, weiß ich nichts, aber ich habe Ihnen meine Karten offen vorgelegt, ohne zu fragen, welche Trümpfe Sie in der Hand halten ... Ob Sie das Spiel annehmen wollen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen.«
Mit diesen Worten drehte er sich um und trat ans Fenster, während ihm Carroll, dem die letzten Erklärungen den Eindruck der Festigkeit, Zuverlässigkeit und Offenheit gemacht hatten, mit einem Gefühl der Hochachtung nachsah.
»Ich nehme jede Aeußerung zurück, die wie ein Zweifel an der Rechtschaffenheit Ihres Verfahrens klingen könnte, Mr. Prince,« sagte er in ruhigem Tone, »und bin bereit, Ihnen zuzugeben, daß Sie die Sache besser in Angriff genommen haben, als ich es gekonnt hätte. Ueberdies habe ich, wenn ich mich mit Ihnen verbinde, um die gemachten Entdeckungen nicht bekannt werden zu lassen, kein Recht mehr, über Ihre Beweggründe zu urteilen. Was wünschen Sie – was soll ich thun?«
»Ich bitte Sie, die ganze Sache Mrs. Saltonstall mitzuteilen und sie zu veranlassen, die gesetzlichen Rechte des jungen Mannes ohne Prozeß anzuerkennen.«
»Warum bezweifeln Sie, daß Mrs. Saltonstall dazu auch ohne – verzeihen Sie den Ausdruck – ohne Bedrohung bereit sein würde?«
»Weil ich glaube, daß eine Frau, welche klug genug ist, sich einer Million zu bemächtigen, auch die Energie haben wird, dieselbe gegen andere zu verteidigen.«
»Ich hoffe, Ihnen beweisen zu können, daß Sie sich irren. Aber wo befindet sich der Erbe?«
»Er ist hier.«
»Hier?« –
»Ja. Während des letzten halben Jahres ist er mein Privatsekretär gewesen. Ich weiß, was Sie davon denken, Kapitän Carroll ... Sie halten das für nicht ganz anständig ... ist's nicht so? – In der Beziehung sind wir eben verschiedener Meinung. Auf diese Weise ist es mir gelungen, die ganze Geschichte in meinen Händen zu behalten und zu verhindern, daß der junge Mann anderen in die Hände fiel. Meine Absicht ist, ihm von dem, was ich weiß, nur so viel mitzuteilen, wie durchaus nötig ist, um seine Rechte zu beweisen ... welche Vorteile ich mir dabei ausmachen werde, ist meine Sache.«
»Hat er eine Ahnung von dem Verdacht des Mordes?«
»Nein. Es schien mir weder zu seinem noch zu meinem Besten zu dienen, ihm davon zu sagen. Er kann unter Umständen ein wahrer Teufel sein, und wenn auch zwischen ihm und dem alten Manne von zärtlichen Gefühlen nicht die Rede gewesen ist, scheint es mir doch besser, die Geschäfte nicht durch Rachegelüste zu verwirren. Nein, er weiß nichts! – Ich bin dem Mörder auch nur ganz zufällig auf die Spur gekommen.«
»Aber was hindert den jungen Mann, Mrs. Saltonstall von seinen Ansprüchen zu unterrichten? ... Wissen Sie überhaupt, ob er es nicht bereits gethan hat?« fragte Carroll, in dem der Gedanke aufstieg, daß dadurch vielleicht Marujas seltsames Benehmen zu erklären sei.
»Keinesfalls! Er ist zu stolz, um Ansprüche zu erheben, ehe er dieselben zu beweisen vermag, und hat mir vor kaum vier Wochen das Versprechen abgenommen, die Sache im Dunklen zu lassen. Wie ich ihn beurteile, ist er zu träge, um sich viel darum zu kümmern, und ich will verd... sein, wenn ich nicht glaube, daß ihm sein Vagabundenleben den Geschmack verdorben hat. Um ihn machen Sie sich keine Sorge. Er wird die Saltonstalls sicher nicht ins Vertrauen ziehen, denn er mag sie nicht leiden und hat sie nur ein einziges Mal besucht. Die Witwe – ich weiß nicht, ob sie eine instinktive Abneigung gegen ihn fühlt – ist nicht gerade zuvorkommend gegen ihn gewesen, und Miß Maruja hat, wenn ich nicht irre, von der Fächergeschichte auf der Landstraße her einen alten Groll gegen ihn. Sie ist aber nicht dazu geneigt, etwas zu vergeben und zu vergessen ... ich weiß das aus Erfahrung!« fügte er mit einem kurzen, unbehaglichen Auflachen hinzu.
Carroll war zu sehr mit der Gefahr beschäftigt, welche seinen Freunden von diesem widerwärtigen Prätendenten drohte, um Princes unzarte Anspielung zu beachten. Er erinnerte sich an Marujas auffallende Erregung, als sie den jungen Mann am Grabe Dr. Wests gesehen.
»Haben Saltonstalls irgend welchen Verdacht gegen den Erben?« fragte er hastig.
»Wie sollten sie darauf kommen? Er nennt sich Guest, wie der wirkliche Name seines Vaters war, den dieser aber, als er hierher kam, auf legalem Wege in West verwandelt hat. Niemand weiß davon; wir haben es nur aus seinen Papieren erfahren. Die Angelegenheit ist übrigens durchaus gesetzmäßig geordnet und alles Eigentum unter dem Namen West erworben.«
Carroll erhob sich und knöpfte seinen Ueberrock zu.
»Ich setze voraus, daß Sie imstande sind, für alle Ihre Behauptungen überzeugende Beweise beizubringen,« sagte er.
»Das bin ich.«
»Gut; ich gehe jetzt nach der Mission Perdida,« erwiderte Carroll, »und werde Ihnen morgen über Krieg oder Frieden Antwort sagen.«
Mit diesen Worten schritt er der Thür zu, legte mit kurzem militärischem Gruße die Hand an die Mütze und verschwand.