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(November 1841)
Waverley von Walter Scott ist männiglich bekannt, und während dieser Roman die rohe Menge durch stoffartiges Interesse unterhält, entzückt er den gebildeten Leser durch die Behandlung, durch eine Form, welche an Einfachheit unvergleichbar ist, und dennoch den größten Reichtum an Entfaltungen darbietet. An diese unübertreffliche, ergiebige Form erinnert uns das Buch, das unserer heutigen Besprechung vorliegt und von den hier lebenden Landsleuten des Verfassers so verschiedenartig beurteilt wird. Es ist voriges Jahr zugleich in London bei Longman und hier in Paris in der englischen Buchhandlung der Rue neuve St. Augustin erschienen und führt den Titel: »The life of Thomas Reynolds, Esq., by his son Thomas Reynolds.« Sonderbar! die oberwähnte Form, welche Scott dem feinsten Kalkül seines künstlerischen Talents verdankte, findet sich auch in diesem Buche, aber als ein Produkt der Natur, als ein ganz unmittelbares Ergebnis des Stoffes. Letzter ist hier, ganz wie in dem Scott'schen Roman, eine verunglückte Empörung, und wie bei dem Schilderheben der schottischen Hochländer, sehen wir auch hier in dem irischen Aufstand einen etwas schwachmütigen Helden, der fast passiv von den Ereignissen hin und her geschleudert wird; nur daß der große Dichter seinem Waverley durch die liebenswürdigsten Ausschmückungen die Sympathie der Leserwelt aufs reichlichste zuwandte, was leider der Biograph des Thomas Reynolds für diesen nicht tun konnte, eben weil er keinen Roman, sondern eine wahre Geschichte schrieb. Ja, er beschrieb das Leben seines Helden mit einer so unerquicksamen Wahrheitsliebe, er berichtet die peinlichsten Tatsachen in einer so grellen Nacktheit, daß den Leser dabei manchmal eine fast schauerliche Mißstimmung anwandelt. Es ist der Sohn, welcher hier das treue Bild seines Vaters zeichnet, aber selbst die unschönen Züge desselben so sehr liebt, daß er sie durch keine erlogene Zutat idealisieren und somit dem ganzen Porträt seine teure Ähnlichkeit rauben will. Er besitzt eine so hohe Meinung von dem Charakter seines Vaters, daß er es verschmäht, selbst die unrühmlichsten Handlungen einigermaßen zu verblümen; diese sind für ihn nur betrübsame Konsequenzen einer falschen Position, nicht des Willens. Es herrscht ein schrecklicher Stolz in diesem Buche, nichts soll verheimlicht, nichts soll bemäntelt werden; aber die Umstände, die seinen Vater in die verhängnisvolle Lage hineintrieben, die Motive seines Tuns und Lassens, die Verleumdungen des Parteigrolls will der Sohn beleuchten; und nach solcher Beleuchtung kann man in der Tat nicht mehr ein hartes Verdammnisurteil fällen über den Mann, welcher der revolutionären Sippschaft in Irland gegenüber eine gar gehässige Rolle spielte, aber jedenfalls, wir müssen es gestehen, seinem Vaterland einen großen Dienst leistete; denn die Häupter der Verschwörung hatten nichts Geringeres im Sinne, als mit Hilfe einer französischen Invasion Irland ganz loszureißen von dem großbritannischen Staatsverbande, der zwar damals, in den neunziger Jahren, wie noch jetzt, sehr drückend und jammervoll auf dem irländischen Volke lastete, ihm aber einst die unberechenbarsten Vorteile bieten wird, sobald die kleinen mittelalterlichen Zwiste geschlichtet, und Irland, Schottland und England auch geistig zu einem organischen Ganzen verschmolzen sein werden. Ohne solche Verschmelzung würden die Irländer eine sehr klägliche Rolle spielen in dem nächsten europäischen Völkerturnier; denn in allen Ländern, nach dem Beispiel Frankreichs, suchen die nachbarlichen und sprachverwandten Stämme sich zu vereinigen. Es bilden sich große, kompakte Staatenmassen, und wenn einst diese kolossalen Kämpen miteinander in die Schranken treten, streitend um die Welthegemonie, dann wird der beste Patriot in Dublin keinen Augenblick daran zweifeln, daß Thomas Reynolds seinem Lande einen großen Dienst leistete, als er die Pläne der Verschwörung, die Irland und England trennen wollten, verriet und mit seinem Zeugnis gegen sie auftrat. Zu dieser Stunde aber ist solche tolerante Beurteilung noch unmöglich in dem grünen Erin, wo die zwei feindlichen Parteien, die protestantisch britische und die katholisch nationale, noch immer so grimmig und trotzig sich gegenüber stehen wie in den neunziger Jahren, ja wie seit Wilhelm von Oranien, der den sogenannten Orange-Men seinen Namen hinterließ und von den Gegnern noch heute unerbittlich gehaßt wird; während erstere bei ihren Festmahlen dem Andenken König Wilhelm's die freudigsten Toaste bringen, trinken letztere auf die Gesundheit der spatigen Stute, durch welche König Wilhelm den Hals brach.
Müssen wir aber auf die Zukunft verweisen, um das, was Thomas Reynolds tat, notdürftig zu beschönigen, müssen wir, um sein Tun zu entschuldigen, unsere wärmsten Gefühle zurückdrängen, so können wir doch schon jetzt und mit freiem Herzen den schlimmsten Anklagen widersprechen, und wir sind davon überzeugt, daß die Motive seiner Tat keineswegs so häßlich waren, wie seine Feinde glaubten, daß er zwar die Verschwörung aufdeckte, keineswegs aber an den Personen der Verschwörer einen Verrat übte, am allerwenigsten an der Person des vortrefflichen Lord Edward Fitzgerald, wie Thomas Moore in der Biographie desselben unredlicherweise behauptete. Der Sohn hat bis zur Augenscheinlichkeit bewiesen, daß kein Geldvorteil seinen Vater veranlaßt haben konnte, die Partei der Regierung zu ergreifen, die im Gegenteil wenig für ihn tat und ihn für die Verluste nur kärglich entschädigte. In dieser Beziehung schirmt ihn auch das Zeugnis der vornehmsten Staatsmänner Englands, namentlich des Earl of Chichester, des Marquis Cambden und des Lord Castlereagh, welche damals an der Spitze der irischen Regierung standen. Diese rühme ihn wegen seiner Uneigennützigkeit, erklären sein Betragen für ehrenwert, versichern ihn ihrer Hochachtung – und wie wenig ich auch diese britischen Tories liebe, so zweifle ich doch nicht an ihrem Wort, denn ich weiß, sie sind viel zu hochmütig, als daß sie für einen bezahlten Verräter öffentlich lügen würden. Sie verachten alle Menschen, und doppelt verachten sie diejenigen, denen sie Geld gegeben, und gegen solche sind sie noch wortkarger. Aber nicht bloß die Höchstgestellten, sondern auch viele Landsleute geringeren Ranges sprachen Thomas Reynolds unbedingt frei von der Beschuldigung, als hab Gewinnsucht ihn geleitet. Die Kaufmannsgilde von Dublin erließ an ihn eine Adresse, welche voll ehrender Anerkennung und mit den Schmähungen seiner Feinde einen fast kosmischen Gegensatz bildet.
Wie Reynolds, der Sohn, durch die genauesten Details und die sinnreichsten Schlußfolgen bis zur Evidenz bewiesen, daß sein Vater nicht aus Eigennutz die Verschwörung verriet, so beweist er allenfalls bis zur Evidenz, daß er keineswegs an der Person der Verschwörer irgendeinen argen Verrat übte, und daß er, weit entfernt, die Gefangennahme des Lord Fitzgerald veranlaßt zu haben, im Gegenteil für die Rettung desselben die größte Sorge an den Tag legte und ihn auch mit Geld aufs redlichste unterstützte. Die Lebensbeschreibung Fitzgerald's, die wir der buntfarbigen Feder des Thomas Moore verdanken, scheint mehr Dichtung als Wahrheit zu enthalten, und mit Recht muß der Poet den Unwillen eines Sohnes ertragen, der die Verunglimpfung seines Vaters mit den schärfsten Stachelreden züchtigt. Thomas Little (wie man Thomas Moore ob seiner winzigen Gestalt zu nennen pflegt) bekommt hier sehr nachdrücklich die Rute, und es ist nicht zu verwundern, daß das Männchen, das auf die ganze Londoner Presse den größten Einfluß übt, alle seine Mittel in Bewegung setzte, um das Reynolds'sche Werk in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Sein Held Fitzgerald wird zwar hier von allem romantischen Nimbus entkleidet, aber er erscheint deshalb nicht minder heroisch, besonders bei seiner Gefangennahme, und ich will die darauf bezügliche Stelle hier mitteilen.
»Die folgende Erzählung von der Gefangennahme des Lord Edward Fitzgerald erhielt mein Vater von dem Herrn Sirr und dem Herrn Swann; ersterer ist noch am Leben und kann berichten, wo ich etwa irre. Es war am 18. Mai, als Herr Edward Cooke, damaliger Unterstaatssekretär, den Herrn Charles Sirr, Bürgermeister (town-mayor), einen wackern, tätigen und verständigen Beamten, zu sich rufen ließ und ihm den Auftrag gab, den andern Tag zwischen 5 und 6 Uhr abends nach dem Hause eines gewissen Nikolaus Murphy zu gehen, welcher Feder- und Bauholzhändler in Thomasstreet; dort fände er den Lord Edward Fitzgerald, den er arretieren solle, laut dem Verhaftbefehl, den er ihm einhändigte. Herr Sirr traf schon denselben Abend hierzu die notwendigen Anstalten, und den nächsten Morgen besprach er sich über seinen Auftrag mit dem Herrn Swann und einem gewissen Herrn Ryan, zwei Magistratspersonen, denen er das höchste Vertrauen schenkte, und deren Mithilfe er in Anspruch nahm. Herr Ryan war damals Herausgeber einer Zeitung, worin einige sehr schmähsüchtige Ausfälle gegen Lord Edward abgedruckt worden, welche letztern mit großem Haß gegen Herrn Ryan erfüllten. Herr Sirr besorgte neun Mann von der Londonderry-Miliz, sämtlich wohluniformiert. Herr Stirling, jetzt Konsul zu Genua, und Dr. Bankhead, beide Offiziere jenes Regiments, begleiteten sie, ebenfalls in Uniform.
»Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß Lord Edward erst in der Nacht am 18. Mai nach dem Hause der Murphy ging, und daß der Staatssekretär, noch ehe er hinging, von seiner Absicht, dorthin zu gehen, so sicher unterrichtet war, daß er schon des Nachmittags dem Herrn Sirr die Instruktion und den Verhaftsbefehl geben konnte, also acht bis zehn Stunden vor Lord Edward's Ankunft.
Die Herren Sirr, Swann und Ryan nebst ihren Genossen begaben sich in zwei Mietkutschen nach dem Hause Murphy; Herr Sirr sorgte auch dafür, daß eine starke Kompagnie Militär, gleichzeitig aus der Kaserne abmarschierend, unmittelbar nach der Ankunft der Kutschen vor dem Hause Murphy anlangen konnte, um ihn und seine Leute gegen den Pöbel zu schützen, der sich in jenem Viertel von Dublin sehr leicht zu einem bedeutenden Auflauf versammelt. Sobald er ankam, wußte Herr Sirr seine neun Mann so aufzustellen, daß sie alle Eingänge besetzten, sowohl Seiten- als Hintertüren. Während er diese Vorrichtung traf, eilten Herr Swann und Herr Ryan die Treppe hinauf, da im Erdgeschoß nur Komptoirstuben und Warenlager befindlich. Im ersten Gemach sahen sie niemand, aber den Speisesaal schien man eben verlassen zu haben, da sich auf der Tafel noch Überbleibsel von Dessert und Weinen befanden. Sie erreichten hastig das zweite Gemach, ohne jedoch irgendeines Menschen ansichtig zu werden; sie öffneten dort die Tür eines Schlafzimmers, welche weder verschlossen noch verriegelt war; in diesem Zimmer endlich stand Murphy am Fenster der Straße zu, ein Papier in der Hand haltend, welches er eben zu lesen schien, und auf dem Bette lag Lord Edward Fitzgerald, halb entkleidet. Auf einem Stuhle neben dem Bette lag ein Kästchen mit Taschenpistolen; Herr Swann eilte gleich darauf zu, und, sich zwischen den Stuhl und das Bett drängend, rief er: »Lord Edward Fitzgerald, Ihr seid mein Gefangener, denn wir kommen mit starkem Geleit, und jeder Widerstand ist nutzlos!« Lord Edward sprang empor, und mit einem zweischneidigen Dolch, welchen er irgend neben sich verborgen gehalten, stach er nach der Brust des Herrn Swann; Dieser wollte mit der Hand den Stich abwehren, und sie ward durchstochen am Knöchel des Zeigefingers, dergestalt, daß die Hand im buchstäblichen Sinn einen Augenblick an seiner Brust festgeheftet blieb. Der Dolch drang nämlich in eine Seite seiner Brust, und die Rippen hindurch kam er hinten am Schulterblatt wieder zum Vorschein. Herr Ryan stürzte jetzt herbei, feuerte ein Pistol auf Lord Edward ab und schoß fehl. Lord Edward, welcher ihn kannte, rief: »Ryan, du Elender!« (Ryan, you villain!) und indem er den Dolch, dessen Griff er noch immer in Händen hielt, aus Herrn Swann's Brust herausriß, stach er damit Herrn Ryan in die Herzgrube, und, die Waffe wieder zurückziehend, schlitzte er ihm mit der Schneide den Bauch auf bis am Nabel. Die Herren Swann und Ryan hatten beide Lord Edward um den Leib gefaßt, und da derselbe noch unverwundet, suchte er durch die Türe zu entkommen, wo Herr Ryan ihn endlich losließ, indem er mit den heraushängenden Gedärmen zu Boden stürzte, aber Herr Swann hielt ihn noch fest. Im Vorzimmer neben der Tür war eine Leiter, welche nach dem Söller führte und einen Ausgang nach dem Dache bot. Diese Vorkehrung war getroffen, um im Fall der Not die Flucht zu fördern, und auf diesem Wege wollte Lord Edward entfliehen; jedoch Herr Swann, welcher sich mit seinem ganzen Gewicht an ihm festhing, hinderte ihn, die Leiter zu ersteigen, und, um sich von dieser Last zu befreien, erhub er eben seinen Arm und wollte ihn mit dem Dolche, den er noch in Händen, aufs neue durchstoßen. Alles dies ereignete sich in weniger als einer Minute. Mittlerweile aber war das Militär aus der Kaserne angelangt, und nachdem Herr Sirr dasselbe gehörig postiert, eilte er ins Haus und die Treppe hinauf, wo er schießen hörte, und mit einem Pistol in der Hand erreichte er das Zimmer eben in dem Augenblick, wo Lord Edward seinen Arm erhoben, um Herrn Swann den Gnadenstoß zu geben; er schoß also, ohne sich lange zu bedenken, und traf Lord Edward am Arm, nahe bei der Schulter. Der Arm sank ihm machtlos, und Lord Edward war gefangen.
»Es bietet sich hier die ganz natürliche Frage: was tat unterdessen Murphy, der Hauswirt, ein Mann in der Blüte seines Alters und seiner Kraft, und dessen Schutz sich Lord Edward anvertraut hatte? Er blieb ein schweigender Zuschauer des ganzen Auftritts, obgleich jedem einleuchten muß, daß er durch die geringste Hilfeleistung seinen Gast von Herrn Swann befreien und seine Flucht über das Dach ganz leicht bewirken konnte. Das Fenster, wo Murphy stand, ging nach der Straße, es war keine dreißig Fuß vom Boden entfernt, und die Kutschen konnten bis vierzehn Fuß der Mauer des Hauses sich nahen. Es ist auch unbegreiflich, daß in dem Hause, welches solchen Gast beherbergte, Tür und Tor von oben bis unten unverschlossen und unbewacht geblieben, und keine Seele sich dort befand außer dem Eigentümer. Der geringste Wink konnte die Flucht sichern, ehe Herr Swann die Treppe erstiegen, ebenso die geringste Hilfeleistung, nachdem schon der Angriff stattfand. Vielleicht war alles dies Zufall. Ich berichte bloß die Begebenheiten, wie sie meinem Vater erzählt worden von den Herren Sirr und Swann; ersten sprach er schon den andern Morgen, den 20., letztern erst nach seine Genesung. Murphy ward verhaftet, aber nicht verhört. Nachdem Lord Edward's Wunde verbunden, ward er sorgfältig fortgebracht; aber da die Kugel oben in die Brust gedrungen und der Brand erfolgte, starb er am 4. Junius. Herrn Ryan's Wunde ließ keinen Augenblick seine Erhaltung erhoffen; der Tod erfolgte nach einigen Tagen.«
Wie über Fitzgerald, enthält das vorliegende Buch auch die interessanten Mitteilungen über Theobald Wolfe Tone, der in der irischen Verschwörung gleichfalls eine bedeutende Rolle spielte und ein ebenso unglückliches Ende nahm. Er war ein edler Mensch, durchglüht vorn Feuer der Freiheitsliebe, und agierte einige Zeit als bevollmächtigter Gesandter der Verschworenen bei den französischen Republikanern. Sein Tagebuch, welches sein Sohn herausgegeben, enthält merkwürdige Notizen über seinen Aufenthalt zu Paris während der Sturm- und Drangperiode der französischen Revolution. Nach Irland kehrte er zurück mit der Expedition, die das Direktorium etwas zu spät dorthin unternahm. Die Erzählung von dieser Expedition, wie sie im vorliegenden Buche umständlich zu lesen, ist höchst bedeutungsvoll und zeigt, welchen schwachen Widerstand eine Landung in England finden würde, wenn sie besser organisiert wäre als damals. Man glaubt, der Schauplatz sei China, wenn man liest, wie einige hundert Franzosen, kommandiert von General Humbert, mit Übermut das ganze Land durchstreifen und Tausende von Engländern zu Paaren treiben. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, folgende Stelle mitzuteilen:
»Als der Marquis von Cornwallis am 24. August die Nachricht erhielt von der Landung der Franzosen, gab er dem Generallieutenant Lake Befehl, sich nach Galway zu begeben, um das Kommando der sich in Connaught versammelnden Truppen zu übernehmen. Dieser General begab sich nun mit den Truppen, die er zusammenbringen konnte, nach Castlebar, wo er am 26. anlangte und den Generalmajor Hutchinson fand, der dort am Vorabend eingetroffen. Die solchermaßen zu Castlebar versammelten Truppen bestanden aus 4000 Mann regulärer Soldaten, Yeomen und Landmiliz, begleitet von einem starken Park Artillerie. Der General Humbert (welcher die Franzosen kommandierte) verließ Ballina am 26. mit 800 Mann und zwei Feldschlangen, aber statt der gewöhnlichen Heerstraße durch Foxford, wo der General Taylor mit einem starken Korps stationierte, schlug er den Bergweg ein bei Barnageehy, wo nur ein geringer Posten aufgestellt war, und um 7 Uhr morgens den 27. gelangte er bis auf zwei Meilen in die Nähe von Castlebar, und fand dort vor der Stadt die königlich englischen Truppen postiert in der vorteilhaftesten Position. Alles war vereinigt, was diesen letztern einen leichten Sieg zu versprechen schien. Sie waren in großer Anzahl, 3 bis 4000 Mann, wohlversorgt mit Artillerie und Munition, sie waren frisch und wohlerquickt, während der Feind nur aus 800 Mann bestand, nur zwei Feldschlangen besaß, und durch einen mühsamen und höchst beschwerlichen Bergmarsch von etwa 24 Stunden ganz ermüdet und abgemattet war. Die königliche Artillerie, vortrefflich dirigiert durch Kapitän Shortall, tat im Anfang den Franzosen sehr viel Schaden und hielt sie einige Zeit zurück: aber diese, als sie sahen, daß sie nicht lange widerstehen könnten, wenn sie dem wohlgeleiteten Kanonenfeuer der Engländer zu viel Fronte böten, teilten sich in kleine Kolonnen und drangen mit so ungestümem Mute vorwärts, daß in wenigen Minuten die königlichen Truppen zurückwichen und, ergriffen von panischem Schrecken, nach allen Richtungen Reißaus nahmen; in äußerster Verwirrung flohen sie durch die Stadt und nahmen den Weg nach Tuam, einem Ort, der 30 Meilen von Castlebar entfernt liegt. Aber auch hier, wo sie in der Nacht anlangten, glaubten sie sich noch nicht hinlänglich geborgen, sie verweilten nur so lange, als notwendig war, um einige Erfrischungen zu sich zu nehmen, und setzten ihre schmähliche Flucht fort nach Athlone, welches 33 Meilen weiter liegt, und wo der Vortrab am Dienstag, den 29., um l Uhr anlangte. So groß war ihr Schrecken, daß sie 36 Meilen weit in 27 Stunden gelaufen! Der Verlust der königlichen Armee bestand in 53 Toten, 35 Verwundeten und 279 Gefangenen. Sie verlor gleichfalls zehn Stücke schweren Geschützes und 4 Feldschlangen. Wieviel die Franzosen verloren, ist nicht bekannt. Die französischen Truppen zogen ein in Castlebar, wo sie ungestört bis zum 4. September blieben.«
Da aber die erwarteten Hilfstruppen nicht anlangten und überhaupt die ganze Expedition nach einem schlechten Plane eingeleitet worden, mußte sie am Ende erfolglos scheitern. Wolfe Tone, welcher bei dieser Gelegenheit den Engländern in die Hände fiel, ward vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Strange verurteilt. Der arme Schelm, er fürchtete den Tod nicht, auf dem Grèveplatze zu Paris hatte er genug Hinrichtungen mit angesehen, aber er war nur an Guillotiniertwerden gewöhnt und hegte eine unüberwindliche Antipathie gegen das hängende Verfahren. Vergebens bat er, daß man ihn wenigstens erschießen möge, welche Todesart ihm mit größerem Recht gebühre, da er ein französisches Offizierspatent besäße, und als Kriegsgefangener zu betrachten sei. Nein, man gab seiner Bitte kein Gehör, und aus Abscheu vor dem Hängen schnitt sich der Unglückliche im Gefängnis die Kehle ab.
Von Milde war bei der englischen Regierung keine Rede zur Zeit der irischen Rebellion. Ich bin kein Freund der Guillotine und hege eben kein besonderes Vorurteil gegen das Hängen, aber ich muß bekennen, in der ganzen französischen Revolution sind kaum solche Greuel verübt worden, wie sich deren das englische Militär in Irland zuschulden kommen ließ. Obgleich ein Anhänger der Regierung, hat doch unser Verfasser diese schändliche Soldatenwirtschaft mit den treuesten Farben geschildert und vielmehr gebrandmarkt. Gott bewahre uns vor solcher Einquartierung, wie sie auf dem Kastell Kilkea ihren Unfug trieb! Am meisten rührte mich das Schicksal einer schönen Harfe, welche die Engländer mit besonderm Grimm in Stücke schlugen, weil ja die Harfe das Sinnbild Irlands. Auch die blutige Roheit der Aufrührer schildert der Verfasser mit Unparteilichkeit, und folgende Beschreibung ihrer Kriegsweise trägt das Gepräge der abscheulichsten Wahrheit.
»Die Art der Heerführung bei den Insurgenten charakterisierte ganz diese Leute. Sie postierten sich immer auf Anhöhen, die besonders emporragten, und das nannten sie ihr Lager. Ein oder zwei Zelte oder sonstiges Gehäuse diente als Obdach für die Anführer; die übrigen blieben unter freiem Himmel, Männer und Weiber nebeneinander ohne Unterschied, gehüllt in Lumpen oder Bett-Tücher, die meisten ohne andere Nachtbedeckung als das, was sie am Tage auf dem Leibe trugen. Diese Lebensart ward begünstigt von einem ununterbrochen schönen Wetter, wie es in Irland ganz ungewöhnlich ist. Auch betrachteten sie diesen Umstand als eine besondere Gunst der Vorsehung, und man hatte ihnen den Glauben beigebracht, es würde kein Tropfen Regen herabfallen, ehe sie Meister geworden von ganz Irland. In diesen Lagern, wie man sich leicht denken kann, unter solchen Haufen von rohen, aufruhrsüchtigen Menschen, herrsche die schrecklichste Wirrnis und Unfug jeder Art. Wenn ein Mann des Nachts im gesundesten Schlaf lag, stahl man ihm seine Flinte oder sonstigen Effekten. Um sich gegen diesen Mißstand zu sichern, ward es gebräuchlich, daß man, um zu schlafen, sich immer platt auf den Bauch legte und Hut, Schuhe und dergleichen sich unter der Brust festband. Die Küche war roh über alle Begriffe; das Vieh wurde niedergeworfen und erschlagen, jeder riß dann nach Herzenslust ein Stück Fleisch davon ab, ohne es zu häuten, und röstete oder vielmehr brannte es am Lagerfeuer, ganz mit dem Fetzen Fell, das daran hängen geblieben. Den Kopf, die Füße und den Überrest des Gerippes ließ man liegen, und es verfaulte auf demselben Platze, wo man das Tier getötet. Wenn die Insurgenten kein Leder hatten, nahmen sie Bücher und bedienten sich derselben als Sättel, indem sie das Buch, in der Mitte aufgeschlagen, auf den Rücken des Pferdes legten, und Stricke ersetzten Gurt und Steigbügel. Die großen Foliobände, welche man bei Plünderungen erbeutete, erschienen zu diesem Gebrauch ganz besonders schätzbar. Da man sehr kläglich mit Munition versehen war, nahm man die Zuflucht zu Kieselsteinen oder auch zu Kugeln von gehärtetem Lehm. Die Anführer vermieden es immer, den Feind in der Nacht anzugreifen, wenn einiger Widerstand zu erwarten war, und zwar weil ihre Leute nie ordentlich ihren Befehlen Folge leisteten, sondern vielmehr dem eignen Ungestüm und den Eingebungen des Momentes gehorchten. In der Schlacht bewachten sie sich nämlich wechselseitig, da jeder fürchtete, daß ihn die andern im Stich lassen möchten im Fall eines Rückzuges, der gewöhnlich sehr schnell und unversehens stattfand; deshalb schlugen sie sich nicht gern des Nachts, wo keiner auf den Stand seiner Genossen genau acht haben konnte und immer besorgen mußte, daß sie plötzlich, ehe er sich dessen versehen, Reißaus nähmen (was man make the run nennt) und ihn alsdann in den Händen derer zurück ließen, die nie Pardon gaben; keiner traute dem andern. Es läßt sich behaupten, daß diese Aufrührer sich nie eine rohe Handlung oder Unziemlichkeit gegen Weiber oder Kinder zuschulden kommen ließen; nur der Brand von Scullabogue und die Behandlung Mackee's und seiner Familie in der Grafschaft Down macht eine Ausnahme; ausgenommen diese wütende Metzelei, wo auf Geschlecht und Alter nicht mehr geachtet wurde, kenne ich kein Beispiel, daß irgendwo ein Weib von den Rebellen mißhandelt worden wäre. Ich fürchte, wir können ihren Gegnern kein ebenso rühmliches Zeugnis erteilen.«
Diese Schilderung der Kriegsführung bei den irischen Insurgenten leitete mich auf zwei Bemerkungen, die ich hier in der Kürze mitteilen will. Zunächst bemerke ich, daß Bücher bei einem Volksaufstand sehr brauchbar sein können, nämlich als Pferdesättel, woran unsere revolutionären Tatmänner gewiß noch nicht dachten, denn sie würden sonst auf alles Bücherschreiben nicht so ungehalten sein. Und dann bemerke ich, daß Paddy in einem Kampf mit John Bull immer den kürzern ziehen und dieser seine Herrschaft über Irland nicht so leicht einbüßen wird. Ist etwa der Irländer minder tapfer als der Engländer? Nein, vielleicht hat er sogar noch mehr persönlichen Mut. Aber bei jenem ist das Gefühl des Individualismus so vorherrschend, daß er, der einzeln so tapfer, dennoch gar zaghaft und unzuverlässig ist in jeder Assoziation, wo er seinem Nebenmann vertrauen und sich einem Gesamtwillen unterordnen soll. Solcher Geist des Individualismus ist vielleicht ein Charakterzug jenes keltischen Stammes, der den Kern des irischen Volkes bildet. Bei den Bewohnern der Bretagne in Frankreich gewahren wir dieselbe Erscheinung, und nicht mit Unrecht hat der geniale Michelet in seiner französischen Geschichte überall darauf hingewiesen, wie jener Charakterzug des Individualismus im Leben und Streben der berühmten Bretonen so bedeutungsvoll hervortritt. Sie zeichneten sich aus durch ein fast abenteuerliches Ringen des individuellen Geistes mit einer konstituierten Autorität, durch das Geltendmachen der Persönlichkeit. Der germanische Stamm ist disziplinierbarer und ficht und denkt besser in Reih' und Glied, aber er ist auch empfänglicher für Dienstbarkeit als der keltische Stamm. Die Verschmelzung beider Elemente, des germanischen und des keltischen, wird immer etwas Vortreffliches zutage fördern, und England wie Irland werden nicht bloß politisch, sondern auch moralisch gewinnen, sobald sie einst ein einiges, organisches Ganze bilden.