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Gestehen wir es nur, daß die Phantasie die Schöpferin aller Glückseligkeiten der Menschen ist, und daß die Wahrheit immer ihr Glück zu Boden schlägt.
Da stehen wir, als ein Klümpchen zu Sinnen erwachsener Materie, auf einem Punkt des Planeten Erde; lassen unsre Augen über und um uns herschauen, unsere Ohren um uns her hören, unsere Nase riechen und unsere Lungen Luft holen – und unbegreiflich ist es uns, daß ein Klümpchen Erde Dinge in ungeheuerer Entfernung, daß unsere Augen den Sirius empfinden können – und unbegreiflich ist es uns, wie wir jeder besonderen Empfindung unserer Sinnen uns wieder erinnern – und unbegreiflich ist es uns, wenn wir noch so sehr tief sinnen, wie wir diese wiedergedachten Empfindungen zusammensetzen und neue Gedanken machen.
Wir wissen nicht, wie wir entstanden sind, und was aus uns werden wird – oder vielmehr, wir wollen nicht wissen, daß dieser Leib von zwei Menschen gebildet und hervorgebracht worden ist und bei der Ruhe der Bewegung stirbt, begraben oder verbrannt wird, daß er verfault und ihn Würmer verzehren. Wir steigen lieber mit unsrer Einbildung hinauf zu den Gestirnen und wandeln von Gestirnen zu Gestirnen fort, so lange, bis wir vielleicht einmal Kopfweh bekommen, wieder auf die Erde herabschwindeln und aufwachen. – Oh, weswegen hätten uns die Götter die Phantasie geschenkt, wenn wir uns ihrer nicht bedienen sollten? Sie ist ein unumstößlicher Beweis, daß die Menschen zur Glückseligkeit sind erschaffen worden. Wie der Zauberring des Salomo alle niedrigen und unedlen Metalle in Gold verwandelte, so erhebt sie das kleinste Glück, das kaum über die Erde flattern kann, bis ans Empyreum, macht aus einem Rosenbusch ein überirdisches Tempe, aus einer Flasche heiligen Weins ganze Bäche voll Nektar, aus einem Kuß ein ewiges Leben voll Liebe, eine kurze Blüte unverwelklich.
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Ich bin zu allem andern, außer Natur und Kunst, verdorben. Meine Tage fliehen dahin in verzehrendem Feuer: die goldenen Stunden des Lebens, wo ich zu schaffen, und zu genießen, und zu schaffen vermöchte. Das kann ich nicht nach Herzenslust, ohne dem Schönsten, ohne der besten Natur und Kunst am Busen zu liegen und gelegen zu haben, Mark und Bein voll Seligkeit und ewiger Wonne. Ein unwiderstehlicher Zug reißt mich fort in die Täler und Höhen der Schweiz, unter die Schatten der Griechen zu Florenz und Rom, und weiter hin nach dem schönen Sizilien.
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Warum sollt ich den Becher der sinnlichen Wonne nicht austrinken, wenn ich Durst habe und ihn mit Nektar angefüllt und Rosen bekränzt vor mir stehen sehe? Meinem Herzen nicht jede Art von angenehmen Empfindungen zu genießen geben? Einer meiner ersten Grundsätze ist, die Unglücklichen so glücklich zu machen zu suchen, als ich kann; und mit den Glücklichen ihr und mein Glück zu teilen, ohne es ihnen zu beneiden oder zu rauben zu suchen; und wenn das Unglück angezogen kömmt, mir's zum Vergnügen, zur Lustbarkeit zu machen, mich mit ihm gleich einem Herkules herumzuschlagen; und diesen Grundsatz hab ich denn bis jetzt auch sehr treulich befolgt.
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Nachdem ich alle mögliche Lebenswandel austabelliert, habe ich gefunden, daß derjenige, insbesondre für einen Dichter und Philosophen von zwanzig bis vierzig Jahren, der beste sei, bei welchem die häufigste Abwechslung von Szenen ist. Ich würde vor Gleichgültigkeit erblassen, wenn ich jeden Tag das nämliche tun und reden, sehen und handeln müßte; vielleicht auch dann noch, wenn ich täglich einige Flaschen der Fee Concombre in Crebillons Tanzai ausleeren und dabei – auch sogar eine Danae, Laidion oder Almina – nicht von der Seite weichen sollte, obgleich diese Lebensart unendlich viele Reize zum Verführen hat.
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Ich wollte den Deutschen nur Gelegenheit verschaffen durch den Tasso, mich in einen guten Stand zu setzen, aber sie sind und bleiben Barbaren, bei denen alles wie Unkraut aufwachsen und sich selbst forthelfen muß. – Woher ich unterdessen Leibes Nahrung und Notdurft nehmen werde, darum bekümmr' ich mich nicht sehr, sowie ich mich noch nie ängstlich darum bekümmert habe; wenn alles fehlt, wie ich nicht befürchte, so bin ich gesund wie ein Fisch, und jung und stark, und scheue weder Gefahr noch Arbeit: und gesetzt zum Scherz den äußersten Fall, so gibt es tausend Schiffe nach Ost und West und Kolonien in Amerika, und ich werde nicht viel unglücklicher sein als unter den deutschen Bücherschreibern.
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Mein Brot zu erschreiben, geht in Deutschland nicht an, ist meinem Geist auch gänzlich zuwider, unterdrückt ihn und ist der jugendlichen Kraft, emporzufliegen, geradezu entgegen. Ein bis an mein Lebensende fortdauerndes Amt anzunehmen, ist es itzt ebensosehr, da nun einmal mein Herz so voll Glut und Flamme für das reizende griechische Mädchen Kalliope geworden und ich es ohne Pein und Tod nicht wieder von demselben abzuwenden vermag.
Ein innerer Beruf treibt und quält mich und reißt mich ohn Unterlaß dahin zu den Ländern der Schönheit, um mein Wesen mit allem dem zu vereinigen, was das Geschlecht der Menschen je Großes, Edles und Liebevolles hervorgebracht. –
Es ist mir unmöglich, zu glauben, daß der Mensch bestimmt sei, mit einem Stück Erde eins zu werden, eine größere naupengeheuerliche Masse durch sein Geld und Gut, die wie ein Felsen unbeweglich daliegt; lieber wollt ich als Tatar meine Herden über namenlose unbesungene Hügel und Täler treiben.
Der Mensch, das endlose Geschöpf, ist gemacht nach meinem System, Zone von Zone zu durchwandern und mit seiner Seele Besitz zu nehmen von allem, was gut und schön ist; und das ist sein wahrer einziger Reichtum. Unsere neuern Staatsverfassungen sind alle Utopien außer der Natur, und die Quellen und Bäche der ersten Schöpfung Gottes sind zu stillen toten Seen geworden.
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Reisen, die Erde und ihre Geschöpfe kennenlernen, ist die natürliche Bestimmung des Menschen: stillesitzen und Phantasien schmieden, sein unnatürlicher Zustand. Zur Zeit, wo die Menschen noch nicht wie Milben auf diesem Erdboden herumwimmelten und Korn, das Unkraut, nicht so viel Oberfläche einnahm und die Staaten noch nicht so verwickelt und zusammengeflochten waren, dachten so alle Nationen; besonders rückten von Jahr zu Jahr in ihren Wanderungen so zu neuem Leben die alten Deutschen.
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Zu Anfang des Mai also ist der Vogel ganz gewiß flügge, und geht der Ausflug ohne Fehl vor sich. Und wie ein junger Adler fliegt, soll es gehn über Hügel, Berg und Tal, ein Land nach dem andern bis nach Konstantinopel und Smyrna und dem quellenreichen Ida. Oh, wie mir's so wohl, so jugendlichfroh wird ums Herz sein!
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Ich halte das Reisen zu Fuß oder, wenn man schwach und steif ist, zu Pferd für die einzige wahre Art, zu Land zu reisen: im Wagen bleibt's ein abenteuerlich Stubensitzen und eine folternde, wandernde Modekerkerei, wobei man von den abwechselnden Schönheiten der Natur gar keinen Genuß hat, höchstens alles nur im Schwindel lediglich von einer Seite, mit Klappen an den Augen wie die scheuen Mähren behängt, ansieht.
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Den 9. und 10. Juli bin ich von Frankfurt an Darmstadt vorbei, durch die Bergstraße fröhlich und vergnügt im Schatten der hohen Nußbäume, und dem fruchtbaren, glücklichen Sandlande zu Fuße, wie immerfort von Andernach an, nach Mannheim gestrichen. –
Mannheim ist mit seinem prächtigen Schlosse wirklich eine schöne Stadt. Nur ist es so gebaut, als ob die Leute darin wohnen sollten und müßten, und nicht, als ob sie in den Häusern hätten wohnen wollen. Gemacht und nicht geworden. Es sieht aus despotisch, wie eine wahre Residenz.
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Schwetzingen ist ein königlicher Garten mit einer bezaubernden Durchsicht. Die großen Gänge sind schatticht und kühl und die kleinern heimlich und freundlich, die Wasserwerke fürtrefflich. – Das Badhäuschen ist ein gar liebes Örtchen, wenn nur Ihr durchlauchtiger Karl Theodor keine so fatale Nase hätte, die alle Liebe wie eine Krebsschere so geradezu entzweischnitt. Der Apollotempel steht gar heilig auf seiner Anhöhe; nur hat der linke Gott darin einen erbärmlichen Hintern. – Das türkische Gebäude, welches jetzt aufgeführt wird, kömmt mir ganz albern vor; ich sehe da weder Absicht noch Zweck. So auch der Ruin von einer Römischen Wasserleitung, obgleich in seiner Art noch ungleich besser.
O du ewige Zeit! Wer deine zerstörende Hand sehen will, der komme nach Heidelberg und betrachte die rührenden Trümmer des Schlosses; wie alte teutsche Größe und Herrlichkeit verwünschet daliegt, die noch Bruchstücke der leichten und zierlichen Fassaden zeigen und starke, zusammengekittete Turmfelsen.
O könnten Sie diesen rührenden Ruin hier mit mir betrachten, die herrliche Pfalzgrafenburg mitten im grünen Gebirg, von Alter verfallen, dem Pulver und den Kugeln der barbarischen Franzosen zerschmettert und endlich aus Mitleiden von dem Blitze des Himmels vollends in Staub und Asche versenkt – sehen, wie das Gras aus den Löwenköpfen an den Fenstern hervorwächst und das Gesträuch sich üppig oben auf die Türme und unten über die Türen hineingepflanzt hat; und dann die schöne Welt Gottes die grüne Flut des Neckars hinunter in den weiten fruchtbaren, mit Hainen besäten Ebnen, welche die alten Helden vor sich liegen sahen und glücklich beherrschten.
Wie viele Abwechslungen mich nur diese Viertelstunde am Himmel schon entzückt haben, läßt sich nicht vorstellen und beschreiben. Rechts an den Bergen hinaus die heiter untergehende Sonne, die sich im Neckar spiegelt; und auf der andern Seite ein in ihrem Schein goldner Strich von fruchtbaren Regen; und hinten der Grund vom blauen Gebirg, woran der klare Rhein in der Ferne an zwei entgegengesetzten Stellen hervorblinkt; und nun ein schwarzes Gewölk, durchblitzt von lichten Feuerstreifen; jetzt ein heiliges Windbrausen über mir oben in den hohen Buchen und Eichen; und nun wieder alles still und schauerig. Nichts regt sich in dem verfallnen Gemäuer; die Dämmrung bricht ein, und die alten ehrwürdigen Herrn zwischen den Fenstern scheinen auf mich zuzukommen und sich zu bewegen. Ich bin in der Schattenwelt, rund um mich graues Altertum. O wie selig könnte hier ein von Drangsalen Umrungener seine Leiden ausweinen!
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Auf einem dunkeln Wolkensofa saß der Mond in Süden und erleuchtete wasserhell und klar die schönen Rebenhügel rechter Hand und linker Hand unten die reife Saat, die in seinem Silberlicht weiß wie ein See dalag, und blickte freundlich und oft mutwillig durch die sich bewegenden Nußbaumzweige an der Straße in das rechte Fenster unsers Wagens, daß ich das holde Straßburgergesicht meiner jungen Begleiterin sehen konnte. Schon wehte mich Morgenluft an, und die Strahlen der neuen Sonne schwangen sich kühn am östlichen Himmel herauf, als ich ihren länglicht runden warmen zarten Harfenhändchen den ersten zärtlichen Druck gab.
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Der Münsterturm hat die lebendigste Form, die ich noch irgend je an einem Gebäude gesehen. Ich sah ihn zuerst in der Nähe, gerad wie die Sonne niedergegangen war. Das Durchbrochene gab ihm das natürlichst Zackichte und Luftige von einer Fichte. Und woher soll sonst ein Turm seinen Ursprung in der Natur haben als von einem hohen Baum? Und von welchem besser als von einer Fichte oder Zeder, die zu diesem Geschlecht gehört? Was sind Kuppeln hernach anders als Linden- und Eichengewölbe? Oder glaubt ihr, daß Kunst für sich bestehen könne, ohne Abbildung, Nachahmung von Natur? Ein totes Zahlenwesen, körperliche Abstraktionen! –
Man tritt in das Münster gerade wie in einen heiligen Hain, wie in einen erfrischenden dreifachen Gang von äußerst hohen weitschattigen Bäumen. Das Alter der Fensterscheiben trägt zur Dämmerung bei; doch nicht, als ob der Tempel etwa zuwenig Licht hätte! Die Frauen und Jungfrauen können zu ihrem zarten Rosenteint kein schöneres haben ...
Sechs Stämme auf jeder Seite des Hauptgangs. Zwei vierfach so starke Stämme, die die beiden innern Seiten der Türme ausmachen und mit diesem Gange eine Reihe bilden. Ebenso hinten im Chor zwei Stämme, nur nicht so schlank und hoch, aus Säulen mit Kapitalen zusammengesetzt. Welche also zusammen auf jeder Seite 10, doppelt 20 ausmachen. Oben formieren sie einen deutsch gewölbten Bogen. Die Zwischenräume von Stamm zu Stamm sind mit gemalten Fenstern erleuchtet, die wie luftige Zweige das Licht durchlassen. Zwischen den beiden Türmen vorne ist ein großes rundes Sternfenster aus sechzehn großen und sechzehn kleinern Strahlen, auch mit grün, gelb, rot und blau gemalten Scheiben. Über diesem Fenster ist der Glocken Platz, die unten vor der Tür gezogen werden. Neben dem großen hohen Gang ist auf jeder Seite ein etwas schmälerer niederer, welche also drei Gänge nebeneinander ausmachen. Die beiden Seitengänge sind ebenso, wie der hohe oben, unten mit gemalten Fenstern erhellt. Der Chor hinten ist ebenfalls korrespondierend mit dem Fenster über den Türmen mit einem länglichen Fenster erleuchtet. Es sind nur drei Hauptpforten ... Am Chor wird die Kirche niedriger und heiliger, dichter und dunkler, und die Wachskerzen tun da guten Effekt.
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Basel. Schöne Gegend um die Stadt, besonders an der Birs hin. Aussicht nach Bergen, die den Anfang des Jura ausmachen. Der Rhein fließt vollströmend fast in einem halben Mond durch. Die schönste Aussicht in der Stadt ist auf der Terrasse vor dem Münster, vor dem auch der beste Platz ist. Die Stadt liegt auf lauter Anhöhen und Vertiefungen und hat einige prächtige Häuser, aber keine schöne Straße.
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Der Rhein bei Schaffhausen tut einen solchen Schuß in die Tiefe, daß er das Laufen vergißt und sich besinnt, ob er Dunst werden oder Wasser bleiben will. Wenn man ihn zum ersten erblickt: so sieht man lauter Dunststaub wie Silberrauch in der Luft. Sein Brausen in der Ferne scheint wie Harmonie, in welche einzelne Flutenschläge die Melodie machen. Er sieht ganz wild und ernst aus und stürmt trotzig über die Felsen hin, kühn und sicher, nicht zu vergehen. Es ist eine erschreckliche Gewalt, und man erstaunt, wie die Felsen dagegen aushalten können. Das Wasser scheint von der heftigen Bewegung zu Feuer zu werden und raucht; aber sein Dampf ist Silber, so rein, wie sein Element ist.
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Es ist, als ob eine Wasserwelt in den Abgrund aus den Gesetzen der Natur hinausrollte. Die Gewölbe der Schaumwogen im wütenden Schuß flammt ein glühender Regenbogen wie ein Geist des Zorns schräg herab. Keine Erinnerung, der stärkste Schwung der Phantasie kann's der gegenwärtigen Empfindung nachsagen. Die Natur zeigt sich ganz in ihrer Größe. Die Allmacht ihrer Kräfte zieht dauernd die kochenden Fluten herab und gibt den ungeheuern Wassermassen die Eile des Blitzes. Es ist die allerhöchste Stärke, der wütendste Sturm des größten Lebens, das menschliche Sinnen fassen können. Der Mensch steht klein wie ein Nichts davor da und kann nur bis ins Innerste gerührt den Aufruhr betrachten. Selbst der Schlaffste muß des Wassergebirggetümmels nicht satt werden können. Der kälteste Philosoph muß sagen, es ist eine von den ungeheuersten Wirkungen der anziehenden Kraft, die in die Sinne fallen. Und wenn man es das hundertstemal sieht, so ergreift's einen wieder von neuem, als ob man es noch nicht gesehen hätte. Es ist ein Riesensturm, und man wird endlich ungeduldig, daß man ein so kleines festes mechanisches zerbrechliches Ding ist und nicht mit hineinkann. Der Perlenstaub, der überall wie von einem großen wütenden Feuer herumdampft und wie von einem Wirbelwind herumgejagt wird und allen den großen Massen einen Schatten erteilt oder sie gewitterwolkicht macht, bildet ein fürchterliches Ganzes mit dem Flug und Schuß und Drang, und An- und Abprallen, und Wirbeln und Sieden und Schäumen in der Tiefe, und dem Brausen und dem majestätischen, erdbebenartigen Krachen dazwischen ... O Gott, welche Musik, welches Donnerbrausen, welch ein Sturm durch all mein Wesen! Heilig! heilig! heilig! brüllt es in Mark und Gebein ... Es ist mir, als ob ich in der geheimsten Werkstatt der Schöpfung mich befände, wo das Element von fürchterlicher Allgewalt gezwungen sich zeigen muß, wie es ist, in zerstürmten und ungeheuern großen Massen. Und doch läßt das ihm eigentümliche Leben sich nicht ganz bändigen und schäumt und wütet und brüllt, daß die Felsen und die Berge nebenan erzittern und erklingen und der Himmel davor sein klares Antlitz verhüllt und die flammende Sommersonne mit mildern Strahlen dreinschaut. –
Es ist der Rheinstrom: und man steht davor wie vor dem Inbegriff aller Quellen, so aufgelöst ist er; und doch sind die Massen so stark, daß sie das Gefühl statt des Auges ergreifen, und die Bewegung so trümmernd heftig, daß dieser Sinn ihr nicht nachkann und die Empfindung immer neu bleibt und ewig schauervoll und entzückend.
Man hört und fühlt sich selbst nicht mehr, das Auge sieht nicht mehr und läßt nur Eindruck auf sich machen; so wird man ergriffen und von nie empfundenen Regungen durchdrungen. Oben und unten sind kochende Staubwolken, und in der Mitte wälzt sich blitzschnell die dicke Flut wie grünlichtes Metall mit Silberschaum im Fluß; unten stürzt es mit allmächtiger Gewalt durch den kochenden Schaum in den Abgrund, daß er wie von einer heftigen Feuersbrunst sich in Dampf und Rauch auflöst und sich über das weite Becken wirbelt und kräuselt. An der linken Seite, wo sein Strom am stärksten sich hereinwälzt, fliegt der Schuß wie Ballen zerstäubter Kanonenkugeln weit ins Becken und gibt Stöße an die Felsenwand wie ein Erdbeben. Rundum weiterhin ist alles Toben und Wüten, und das Herz und die Pulse schlagen dem Wassergotte wie einem Alexander nach gewonnener Schlacht.
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Ich fühle jetzt die Zeit in ihrer ganzen Geschwindigkeit, und wie das Leben vorbeirauscht. Nichts ist mir mehr einerlei, und die Szenen wechseln zu einem unendlichen Schauspiel. Ich werde mir selber zum Abgrund und kann mich nicht fassen, etwas wiederzugeben. Ich bin glückselig, wie wenige Menschen es sein können; gesund und hell und frisch, nimmer ermüdet und immer neu gestärkt an allen Sinnen. Es geht doch nichts über einen Reisenden zu Fuß mit fröhlichem Mut und heitrer Seele und Stärke und Munterkeit in den Gelenken, der seinen Reisebündel selbst trägt wie Pythagoras und Plato.
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Soeben lang ich von dem angenehmsten Spaziergang hier an, den ich mein Leben lang gemacht habe; nämlich einem Spaziergang von Baden durch den Kanton Zürich, durch die Freiämter, durch den Kanton Zug, durch den Kanton Schwyz, durch den Kanton Ober- und Unterwalden. Mit einem Wort, ich bin durch den Mittelpunkt, durch den Kern der Schweiz gereist ... Zu sagen, was für entzückende Gefühle all mein Wesen durchschauert, ist mir jetzt nicht möglich; ich bin erst in die wahre große lebendige Natur hineingekommen, und das meiste, was ich vorher gesehen habe, war klein, verfälscht und verzerrt. In den Demokratien, die ich durchwandert bin, hat sich mein Herz zuerst recht an der Menschheit gelabt. Ich war wie in Athen zu den Zeiten des Themistokles.
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Den 25. August, auf dem Zuger See nach Arth, von 10-12 Uhr. – Für himmlischer Freude bin ich fast vergangen; so etwas Schönes von Natur hab ich noch nie gesehen. Der spiegelreine, leicht und zartgekräuselte grünlichte See, die Rebengeländer, an den Ufern hinein mit Pfählen im «Wasser aufgestützt, die vielen hohen Nuß- und Fruchtbäume auf den grünrasichten, reinen Anhöhen, die lieblichen Formen, den Berg hinan mit Buchen und Fichten und Tannen besetzt, schroff und schräg hinein hier und da, und hier und da wandweise, hier buschicht wie Bergsamt, dort hochwaldicht mit mannigfaltigen Schattierungen süßen Lichts, und in der Tiefe hinten der hohe Riegenberg, graulicht und dunkel vor der Sonne liegend. Alle Massen rein und groß und ungekünstelt hingeworfen. Und weiterhin rechter Hand die hohen Schneegebirge, die über den Streifwolken ihre Häupter gen Himmel emporstrecken. Und wie sich das alles tief in den See unten hineinspiegelt, sanfter und milder. Man ist so recht seelenvoll in stiller lebendiger Natur, so recht im Heiligtum empfindungsvoller Herzen. Ich kann's nicht aussprechen; Gottes Schönheit dringt in all mein Wesen ruhig und warm und rein; ich bin von allen Banden gelöst und walle, Himmel über mir, Himmel unter mir, im Element der Geister wie ein Fisch im Quelle, Seligkeit einatmend und ausatmend. Alles ist still und schwebt im Genuß; nichts regt sich als die plätschernden Floßfedern von meinem Nachen, der unmerkliche Taktschlag zu dem wollüstigen geistigen Konzerte. Immer stärker läuft mir das Entzücken wie ein Felsenquell durch alle Gewebe meines Rückgrats.
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Morgens 5 Uhr, den 26. August, auf dem höchsten Joche des Riegenbergs. – Hier sitz ich oben in den glänzenden Strahlen der neuen Sonne, die über die Glarner Gebirge jugendlich hervorspringt und Jubel und Wonne mir in die Seele leuchtet: erschrecklich tief unter mir die schroffen und senkelrechten Felsen herab, liegt die braune Nacht auf den stillen Seen, wo keine Welle ans Ufer schlägt. Weit und breit über die Erde her ziehen Heere von Nebelwolken, weißgraulicht, chaotisch und unförmlich, wie die tausendköpfige Mutter Nacht in Person, schwanger von unendlichem, unreifem Leben. Darüber blitzen hervor die Schneegipfel von Schwyz und Unterwalden wie ungeheure Brillantenblöcke. Und fernerhin schimmern und leuchten und funkeln rosenrote Streifwölkchen im himmelreinen Äther. Jetzt vermischt sich gegen Westen Himmel und Erde, und die Welt ist lauter Nebel. Gegen Osten bekämpfen ihn die Strahlen der Sonne, und er sinkt und fällt. Die Hügel stehn in Tau, und in den Alpen herum weiden die Kühe. Die Erde zeigt ihr holdselig Antlitz, und eine Menge freundlicher Seen lächeln um mich herum, und Flüsse gehen stolz und strahlend ihren Schlangengang, die Wesen zu erquicken.
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Von meiner Reise durch Schwyz und über den Vierwaldstätter See durch beide Unterwalden kann ich nichts herausgeben; meine heiligen Gefühle wollen nichts mit der Metze, der Sprache, zu schaffen haben. Schwyz und Brunnen, und Buchs und Stanz und Saxeln haben mich entzückt, als ob sie das erste Paradies der Welt wären. Oben auf den fruchtbaren Alpen der hohen Gebirge weidet das schöne Vieh, und unten in den reinen Grastriften wohnt das Volk in Unschuld und Freude; jeder in seiner von dem andern fünfzig Schritt wenigstens weit entfernten Hütte Hausvater und Untertan und König. Die Menschen sind lauter Kraft und Stärke, und ihre Nerven scheinen Stahlgelenke zu sein. Keine Falte im Gesicht, alles so straff und festfleischig. Ihre Mienen und Gebärden und ihr Blick ist langsames Metallfeuer, Unbiegsamkeit und trotziger Enthusiasmus. Ich rede von den Kernleuten. In Schwyz ist der Wuchs hoch und schlank, in Unterwalden starkstämmicht. Beide Kantone sind eine wahre Fabrik von Menschen; es wimmelt aus jedem Hause gesund und frisch hervor. Bei ihrer Nahrung von Milch und Käse und dem besten Rindfleisch kann dies nicht anders sein unter dem gesundesten Himmelsstriche ...
Sie haben gar wenig Arbeit und leben sehr bequem. Sie tun weiter nichts, als daß sie ihr Vieh melken und Käse machen, und das Heu mähen und einsammeln, und Korn und Wein für ihren Überfluß eintauschen. Die übrige Zeit bringen sie mit Schießen nach der Scheibe und Singen und Tanzen zu.
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Im letzten Haus von Unterwalden ob dem Kernwald kam ich noch zu einem Schweizertanze, der mich zwei Stunden lang inniglich ergötzt hat. Ihr Tanz ist das ernsthafteste, feierlichste Zittern der Lust in allem Wesen, das bis zur Angst geht, besonders bei den Mannsleuten. Alle ihre Bewegungen und Tritte und Schwenkungen sind sehr freiwillig und hängen viel von jedem ab. Das Jauchzen dazwischen, das einem wiehernden Gegirre gleicht, macht es vollkommen zu einem erlaubten öffentlichen Vorspiel der Hochzeit.
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Aus dem grauen Altertume der Welt, aus den Ruinen der Schöpfung schreibe ich Ihnen, wogegen die Ruinen von Griechenland und Rom zerstörte Kartenhäuser chen kleiner Kinder und nicht einmal das sind.
Ach! ich wandle auf und wandle ab, und hoch schlägt mir das Herz. Es ist Mitternacht; mit ihrem ewigen Sonnenfeuer funkeln und strahlen im heitern Äther am südlichen Himmel Sirius und Orion, und um mich rauschen die Quellen des Ticino, und mit ihren kühlen Fittichen umwehen mich Boreas und Notus, die sich hier oben von Italien und Deutschland her brüderlich umarmen. Mit einem Wort: ich bin auf der Höhe des Alpenpatriarchen Gotthard, und mich umgeben seine Eis- und Felsengipfel, erhaben über Europa und über die halbe Welt.
Von Basel aus bin ich durch manches erfreuliche Tal und über manchen entzückenden Berg und Hügel die Kreuz und die Quere die Schweiz durchwandert und über manchen wilden Strom und stillen, klaren, grünlichten See geschifft; und unter Freiheit und Glückseligkeit der ersten Welt, an Bedürfnissen selbst erst aus der Erde gewachsen, in Seligkeit und Wonne an dessen Fuß gelangt; und den Tag vor dieser Nacht das ungeheure Gebirg, an den brausenden und donnernden Stürmen über die Felsen der schäumenden Reuß, bei dem schönsten Wetter heraufgestiegen. Keine Wolke lag in den wüsten Tälern, die tausend Wasserfälle stürzten von den senkelrechten Felswänden ihren Perlenschaum zu den Tiefen, mit dem lieblichsten Farbenspiel in den Strahlen der Sonne; jungfräulich rein glänzte Schnee und Eis zwischen den Höhen und an den Gipfeln, auf welchen der blaue Himmel ruhte wie ein guter Vater mit dem Nacken auf den Schultern seiner Söhne.
Hier ist wirklich das Ende der Welt. Der Gotthard ist ein wahres Gebeinhaus der Natur. Statt der Totenknochen liegen ungeheure Reihen von öden Steingebirgen und in den tiefen Tälern aufeinander gehäufte Felsentrümmer da. –
Die Mitternacht weicht von hinnen. Ich komme wieder draußen aus der Kälte herein. Das Wollustauge des Himmels, der Morgenstern, blickt am Gebirg herauf. Schauer wie ein Erdbeben gingen durch mein Wesen. Ich trat auf und ab, leicht wie in Wolken an den Seen, woraus der Ticino rieselt; und nach einem brausenden Wirbelwind, der mir mein losgegangnes Haar um den Kopf herumschlug, ward alles still, bis auf das Geräusch ferner Katarakte, und mich wehte heilig leis in der Dunkelheit zwischen feuchten Felsen eine Stimme wie von einem Geist an. –
»Was staunst du, Schüchterner, kleines Geschöpf! Auch hier war einmal ein Eden, schöner als Genf und Vevey in dem bezaubernden Tale, wo der wilde Rhodan von seinen Stürmen ausschnaubt und in süßem Schlummer heiter hinwallt, und schöner als die Gefilde, wo die Provenzalerin schon zum Schlag der Trommel tanzt. Ich stieg einer der ersten aus den Wassern hervor, und unter den kühlen Schatten meiner Pommeranzenwälder pflegten die neugebornen Kinder der Erde der jungen Liebe. O goldner Traum meiner Jugend in viele Jahrtausende hinein, wo noch die Nachtigallen in meinen blühenden Wipfeln schlugen, und Hirsche und Rehe um meinen Nacken spielten! Kannst du glauben, daß ich immer Fels war, ohne Pflanze, Halm und Staude? Und siehst du nicht, daß jeder grüne Berggipfel auch nach und nach so wird? Aber ich bin so alt, als dein Schmetterlingskopf mit seinem weichen, tagdauernden Hirn nicht auszudenken vermag. Zwar bin auch ich aus einem Element ohne Größe (denn jedes lebendige Ding hat seinen Mittelpunkt, woraus es wird und ist) einer der gewaltigsten Körper der Erde geworden, der noch jetzt mit seinen Knochen die Furka und den Grimselberg, das Wetter- und Schreckhorn hinunter ungeheuer daliegt; und wer weiß, was noch einmal aus dir wird.
Jetzt spend ich als Winzer und Kellermeister, ehedem selbst Zecher, das Leben aus durch halb Europa; und alle deine Brüder und Schwestern, und Gras und Kraut und Vieh müßten, wann das Gestirn des Tages mit seinem verzehrenden Feuer an euern Häuptern vorbeiwallt, verlechzen und verschmachten, wenn ich Winter, Herbst und Frühling keinen Vorrat davon aufsammelte und einlegte. Sahst du nicht, und hörst und siehst du nicht, wie das freundliche Element, abgezapft von meinen Gipfeln, in Quellen ohne Zahl herabläuft, in Bäche rinnt und, um das Versäumte wieder einzubringen, durch ein ungeheures Tal nach dem andern in brausenden Stürzen und gähen Abschüssen sich in die Tiefen hineinwälzt, daß es lauter Schaum und Staub wird und alle Felsenwände seinen Jubel widerhallen?
Ich bin der Anfang und das Ende. Erkenn in mir die Natur in ihrer unverhüllten Gestalt, zu hehr und mächtig und heilig, um von euch Kleinen zu euren Bedürfnissen eingerichtet und verkünstelt und verstellt zu werden. Jedes Element ist ewig wie die «Welt und kann weder erschaffen noch vernichtet werden; und alles andre wird und ist und vergeht; aber die Arten der Elemente und die verschiednen Formen, wozu sie anwachsen, sind unzählbar. Nun geh hin, dir ist ein Evangelium gepredigt!« Und eine unaussprechlich schöne Gestalt voll grauser Majestät schwebte wie ein Berggeist in der Dämmerung an mir vorüber. Schauer auf Schauer wallten wie Fluten durch meine Seele, und mir sträubten sich die Haare auf dem Haupt.
Welsches Wirtshaus auf der Höhe des Gotthard, den ersten September, morgens um 4 Uhr im Jahr 1780.
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Gletscher oben und unten. –
Bogen über Bogen vorn, jeder blatternarbig, wie Grotten, bläulicht, grünlicht, mit Kies und Steinen untermengt. Erst wie im Winter, von oben herein durchspalten, unten rinnen Bäche hervor, rund herum ist es kühl wie Winterluft. Oben ist er ein zackichtes durchbrochnes Werk, von fern wie eine Art grünlichtes schwammichtes Rohrgesträuch. Oben herab eine Muschel von Schneeberg, zart und weiß zugefroren. Wie grünlichte Schlacken, hier und da mit Erde vermischt.
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Vevey. Ich kam durch eine unannehmliche Gegend auf einmal hinein wie in ein Maienfest. Es kann keine schönere Aussicht auf der Welt sein als die auf der Terrasse oben vor der Kirche hinter Vevey. Der See liegt mit seiner zart gekräuselten spiegelhellen Fläche da wie ein großer stiller halber Mond an den erfreulichen Rebenhügeln, oben mit Hainen besät und unten und in der Mitte mit Lusthäuserchen und Lustörtchen. Gegenüber zieht sich immer höher in die Wolken und über die Wolken zum Kontrast das unfruchtbare Gebirg vielgipflicht bis vorn an Anfang, wo der Rhodan von dem tiefen zackichten Tal hineinfließt. Vevey selbst ist ein wohlgebautes Städtchen mit einem schönen großen Platz an dem See, der mit Kastanien bepflanzt ist; die Leute sind außerordentlich lustig und schießen und singen und tanzen.
Auch ich war so gut und gütig, als ich in meinem Leben nicht gewesen bin. Wenn ich in meiner Kindheit nur zwei Jahre da gelebt hätte, ich wäre einer der besten Menschen geworden; aber so trag ich immer noch die Rauheit der Gebirge meines Vaterlandes an mir. Mein ganzes Wesen war Harmonie und Musik. Ich machte, der Empfindung überlassen, den Tisch zu meinem Klavier und phantasierte so rein darauf, als vielleicht die Engel im Himmel in süßen Melodien die Wonne um sich verbreiten, die in ihren Herzen schlägt. –
Bacchusfest alle drei Jahre. Viele tausend Seelen von allen Orten der Küste, daß Vevey so scheint, als ob es sollte belagert werden. Die zwei besten Winzer tragen die Schilde und erhalten einen Preis und führen an. Bacchus liegt als Kind in einer Wiege oder Laube, und Kinder um ihn. Mohren im Zuge. Chor der besten Sänger. Alles weiß gekleidet mit grünen Knöpfen. Reiter zu Pferde avec des barils. Schmaus öffentlich. Arche Noä. –
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Die ganze Grafschaft Avignon ist ein Olivenhain die weite Ebene längs dem Rhodan hin, und die Hügel gen Vaucluse hinein, worin Wein und Korn und Klee darunter und daneben auf die reizendste Weise abwechseln. Die Dörfer und Landhäuser und Schlösser liegen antik und lustig dazwischen, mit hohen Ulmen und Buchen eingefaßt.
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Wovor mir bange war, hab ich nun nicht die geringste Sorge: ich kann die See vertragen wie ein Matrose und werde von neuem mit Entzücken auf diesem herrlichen großen Elemente zwischen den bezaubernden und alten berühmten Küsten herumwallen. –
Als wir von Marseille aus dem Hafen fuhren, ging das Meer fürchterlich hoch. – Der Wind wurde immer heftiger, und wir flogen in den Wellen auf und ab wie ein Falk in Tälern und Gebirgen. Niemand aß oder trank, und alles sah blaß aus wie im Lazarett. – Ich allein mit den Schiffern hielt aus und fühlte nichts als ein paarmal bei andrer Richtung der Segel und starkem plötzlichen Wanken des Schiffs einige schneidende Krümmungen im Leibe, die aber gleich wieder weg waren. Ich bekam endlich Appetit und holte, ungeachtet aller Warnungen der andern, meinen Proviantkorb, aß nett ein kaltes junges Huhn auf, stärkte meinen so lange schon nüchternen Magen mit einer Flasche Provenzaler und nahm dabei ein Dutzend herrlicher frischer Feigen zu mir und ließ mir's über die Maßen eine Meile weit von den grünen Gestaden und Hügeln von Hierès und zwischen dessen Inseln wohl sein. Die Franzosen folgten, doch ganz schüchtern, auf mein Zureden nach, und endlich bekam das ganze Schiff Lust zum Essen und wurde darauf wohl; und alles war bei erster Nacht unter dem heitern gestirnten Himmel vergnügt und versang und verzählte seine Leiden. – Die ganze Reise, sechs Tage lang auf dem Wasser, hab ich nicht das geringste von Seekrankheit gespürt, und es kömmt mir selbst noch wunderbar vor. –
Wie zum Gott gemacht im Genuß seliger Unendlichkeit hat mich auf dieser Fahrt das Himmelbett voll lebendiger Sterne über meinem Haupte, wenn ich des Nachts auf dem harten Verdecke so in kalter freier Luft in meinem bloßen Röckchen da hingewiegt wurde und zuweilen nach einem kurzen Schlummer das süße Gewimmel von Licht anderswohin geschwebt sah. O ihr glückseligen Araber, ihr seid doch die wahren Kinder der Natur; was sind wir dagegen in unsern Steinhaufen mit Ziegeldächern!
Von der unabsehbaren Tiefe des unermeßlichen Elements und der schroffen Heldenform seiner heranziehenden Wogen und dem Aufgang des Morgensterns und der Sonne, blinkend hell und von frischen Strahlen träufelnd aus der Flut hervor in den heitern Äther – und den flammenden Kronen der Seealpen in ihrem Untergange – von den Aussichten und Stürmen bei Nizza, Savona und Genua – mag ich jetzt nichts sagen; Sie sollen meine heiligen Gefühle einmal anderswo finden. Wie beseufz ich die Jahre meiner Jugend, wo ich nichts von diesem ewigen Leben kosten durfte! Dank dem gütigen Himmel, daß ich endlich einmal in das füllendste Heiligtum der Natur hineinkam! –
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In meinem Herzen ist fest beschlossen und gewiß, wenn nicht eine Seuche oder Schicksal vorher meine Jugend mordet, daß ich nach Griechenland und Kleinasien reise. Ich bin so überzeugt als von meiner Existenz, daß man weder italienische Musik, noch Poesie, noch Malerei vollkommen oder richtig verstehen und genießen kann, ohne in Italien gelebt zu haben; und ebenso ist's mit griechischer Kunst. Ich finde dies, was mich immer auf und davon getrieben hat, jetzt alle Tage in der Anschauung und Wirklichkeit wahr. Die alten Helden und Schönen und Weisen und Künstler sind gestorben: aber die Natur lebt noch. Schon hier in der Kirche der Griechen ist mir's, als ob ich Gesänge vom Pindar hörte.
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Man kann Venedig nicht anders als eine Festung betrachten. Die Straßen sind oft so eng, daß kaum eine Person durchkann, und wenn Mann und Weib sich einander begegnen, so müssen sie sich mit den Rücken nach den Mauern und vorn einander drücken, bis jedes vorbei ist. Sie haben keine andre lebendige Natur vor sich als sich selbst, und der Mensch ist ihr täglich und stündlich Geschäft. Ihre Leidenschaften können nicht zerstreut werden und konzentrieren sich meistens in Liebe, weil wenige reisen und Schiffahrt treiben. Es wird denn hier auch geliebt, so sehr es der Mensch nur aushalten kann.
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Die Venezianerinnen sind gewiß reizende Geschöpfe und ganz gemacht zur Wollust. All ihre schönen Gesichter haben etwas brennend süß Gefälliges und äußerst Feines; besonders sind ihre Nasen schön, so wie bei den Römerinnen die Augen. Die Form ihres Gesichts ist meistens länglicht. Sie haben eine sehr zarte Haut und ein blühend Kolorit, weil sie nicht in die Sonne kommen. Sobald sie nur einen Jüngling ansehen, scheint eine bräunliche Schamröte um ihren Mund herum in einem wollüstigen Lächeln aufzugehen, als ob man sie schon vor dem Bette halb entkleidet vor sich hätte. –
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Im Sommer tragen die Venezianer weißseidene Mäntel, tabarri, im Winter rot scharlachene. Die Weiber gehen aber beständig im Zendale. Dieser kleidet sie sehr gut, und eine mittelmäßige Schönheit hat davon vielen Vorteil. Aber eine von den ersten sieht weit reiner und vollkommener im bloßen Haar aus.
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Nach Rom ist Venedig der erste Ort für die Baukunst; und hier ist nicht nur ein Stil, sondern man sieht darin die Geschichte derselben der neuern Jahrhunderte. Und so etwas ganz Elendes, wie zuweilen in Rom, findet man hier nicht. Man sieht immer, daß ein Senat von vielen Personen herrschte, und nicht ein einzelner, oft schlechter und elender Mensch ohne Talent und Geschmack.
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Nachts um zwei Uhr welsch abgefahren nach Padua. Herrliche heitre gestirnte Nacht, wo Jupiter und Mars wie Schutzgeister unsrer Sphäre näher schwebten. Warum so einen kleinen Punkt uns zum Genuß zu geben und nach den unendlichen Welten uns schmachten zu lassen! Wir sind wie lebendig begraben.
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Herrlicher Sonnenaufgang am Ende des Gebirgs bei Verona. Breit liegt der See da im Morgenduft und die Berge im dünnen Nebel; ein leises Wehen kräuselt in der Mitte die Wellen und macht ihn lebendig und weckt seine Schönheit wie auf; er zieht sich hinten ins Tal hinein. Die eine Insel liegt lieblich in rötlichen Strahlen und sonnt' sich. Eine Barke wallt leicht mit voll geschwelltem Segel darüber hin. Die Häuserchen am Ufer allein scheinen zu schlummern mit ihrer Unbeweglichkeit, und weil die Menschen noch nicht heraus sind. Die unabsehliche Kette von Gebirgen liegt wie eine neue Welt da, als ob sie bestimmt wäre, lauter Titanen zu tragen. Süßer rötlicher Dunst bekleidet glänzend den östlichen Himmel, und die dünnen wollichten Wölkchen schweben still um den heitern Raum des Äthers, worin die Vögel entzückte Flüge zur Lust machen. Der herrliche Gang von Zypressen verändert linker Hand vor Sirmion lieblich die Szene, und sie stehen schön beleuchtet.
Der See ist wirklich einer der schönsten, die ich je gesehen habe, so reizend sind dessen Ufer, und majestätisch und wild und mit so vielem mancherleien Farbenspiel und Licht und Schatten erhebt sich das Gebirg. Es ist eine Landschaft, von der Seite aus, wo man in das Tal hineinschaut, und Sirmion gegenüber steht auf dem Weg nach Desenzano, wie weder Poussin noch Claude je eine erfunden haben. Die Halbinsel Sirmion liegt in der Tat da wie der Sitz einer Kalypso, einer Alcina, um von da die ganze Gegend zu beherrschen, und hat das prächtige Theater von ungeheuren Gebirgen vor sich.
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Von Brescia nach Crema ist ein bequemer Weg, und man fährt immer durch die schönsten Wiesen, meistens mit hohen Pappeln eingefaßt; alsdenn Reisfelder und ander Fruchtland, ergötzend anzusehen, obgleich nicht malerisch. Was geht den Naturmenschen aber das Bedürfnis der Kunst an, die keine Fläche wahr vorzustellen imstande ist, wo nicht Berg und Hügel die Leinwand voll macht? Freilich fehlt am Ende die Abwechslung; aber auch immer Abwechslung, ohne ein Stück Kern, ist bloß fürs Auge. – Der Fluß Oglio ist in der Tat ein wahres Öl für die Gegend – von Brescia, gleich oben an ihr fangen die Kanäle daraus an. Es ist recht erfreulich anzusehen, wie sein klares quellenhelles Wasser fleißig und emsig fortrinnt, auf beiden Seiten, bald hüben und drüben in den Kanälen sich mitteilt und alles fruchtbar macht. – Das Wasser scheint in seinem Fall mit Quentchen abgewogen zu sein. Jede Wiese und jedes Reisfeld steht immer erfrischt da, und dies mit den klarsten lebendigsten Fluten, die alle aus den lieblichsten Seen kommen. Dies ist das wahre Rindviehparadies; ein Ochse, der da durchwandert, muß vor Entzücken ganz außer sich kommen.
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Porta fonte Branda (Siena). Ein schönes Landschäftchen auf den ruinierten Hügeln nach dem andern, unten hohe Oliven und grüne Maulbeerbäume, und oben ragen Eichen und Lorbeer in die Luft; und auf der Seite prangen die scharfen Felswände der Stadt und der alte Dom mit seinem Marmorturme und seiner heiligen Kuppel. Der Wind rauscht erquickend kühl durch das Land, darüber ruht im heitersten lichten Blau der ewige Himmel.
Die hohen Pappeln an den Türmen ... Reben, junge Esel, die das zarte Laub abfressen, das seelenerheiternde Abendlicht.
Ein enges kleines Tal, ganz von dem einen Hügel vor der Sonne beschirmt, alles still. Ein altes gotisches Gewölb mit drei spitzen Bogen, worunter ein starker Quell in fünf abgesonderten Sprüngen in ein vierecktes Becken rauscht. Die Wände sind mit wildem Epheu und tausend anderm Genist und Gesträuch bewachsen, und an den Zinnen grünt ein Rebengarten mit seinen Lauben. S. Joaquino auf einem Kies- und Sandfelsen mit Oliven eingefaßt, wo unzählige Taubenschwärme ihre Nester haben, wie eine alte gotische Kirche.
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Das Abendrot war ein wahrer See von Purpurlicht und finsterm Nebel; und Feuerquellen blitzten hinein und schossen wieder heraus und verbargen sich hinter gigantischen Alpengipfeln. Eine neue Welt von Schatten und Strahlen. Und groß und hehr lag das Meer darunter, und das ewige Leben zitterte und wallte auf der Fläche. Livorno.
Die weite grüne Fläche des Meers von einem leichten kühlen Weste sanft gekräuselt, wie sie daliegt, so groß in ihrer reinen Form! Man möchte sogleich in die Lüfte fliegen, um diese schöne lebendige Kugel Gottes ganz zu sehen.. Wie die Schiffchen mit ihren weißen Segeln so gemach auf dem weichen Elemente fort schweben! Livorno.
Wie mächtig der strahlende Untergang das unermeßliche Meer erweitert und die Fluten des Lebens sanft und gewaltig aus ihren Abgründen aufwallen, voll Verlangen, in die himmlischen Lüfte sich zu verdunsten und in neuen Wesen frei unter der Sonne und den Gestirnen sich zu regen und zu bewegen und Lust zu genießen. Livorno.
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Ich bin ganz Toskana die Kreuz und Quere durchzogen, schon ein paar Wochen in Rom – aber ich kann mich noch nicht mitteilen; der Sachen sind allzuviel, und das Ganze zu groß, und mein Genius gebietet mir wie ein Tyrann, mich dem Gesetz des Stillschweigens des Urphilosophen zu unterwerfen. – Ich sehe schon alles in lieblicher Fülle mir aufgehen; und der Himmel wird seinen Segen geben, daß es zur glücklichen Reife gedeihe.
Wie oft ich Sie und euch Lieben alle so sehnlich zu mir gewünscht habe, muß Sie von mir angewandelt haben von dem Adriatischen Meer und dem Po aus, von den Höhen von Bologna und Florenz und den waldichten Gebirgen zu Vallombrosa, von Lucca, Pisa, Livorno und den freudigen Hügeln zu Siena.
Nichts aber hat einen so starken Eindruck auf mich gemacht als Rom. Es war mir, wie ich anlangte, als ob ich mich der eigentlichen Herrschungssphäre näherte. Die triumphierende Lage, ungeheuer lang und breit, um den wilden Tiberstrom herum, mit den gebietrischen Hügeln voll stolzer Paläste in babylonischen Gärten und despotischer Tempel mit himmelhohen Kuppeln, an dem prächtigen Amphitheater der Gebirge von Frascati und Tivoli; die Brückengewölbe, türmenden Tore, flammenden Obelisken, bemoosten und mit Grün überzognen Ruinen alter Herrlichkeit und das kühle Rauschen von Schritt zu Schritt von tausend und abertausend lebendigen Springbrunnen wie in den quellenreichen Alpen drin und manche männliche und weibliche antike Gestalt mit heißem Blick und warmen Gebärden in Helden- und Siegerinnengang auf den weiten Plätzen und in den unabsehlichen Straßen erweckten eine Wunderempfindung von einer neuen Natur in mir, die ich noch nicht gehabt hatte.
Es war schon gegen Abend, als ich mit meinem Felleisen im Wirtshaus am Spanischen Platz in Ordnung war. Ich konnte keinen Augenblick länger bleiben und ging sogleich aus, kaufte mir einen Plan von Rom; zog ohne alles weitere Geleit durch die Spazierfahrt der Kutschen am Corso, strich über den schönen Platz Colonna, über Monte Citorio und kam noch im seligen Licht der untergehenden Sonne an und in die Rotunda.
Der Raum darin reißt ohne Wort und Feier einen Menschen von Gefühl zur Anbetung hin und entrückt ihn aus der Zeit in die Unermeßlichkeit. Sobald man hineintritt, fängt man an zu schweben, man ist in der Luft, und die Erde verschwindet. Das Licht, das einzig oben durch die blaue heitere' himmlische weite Rundung in die reine Form hereinleuchtet, hebt auf Flügeln mit schaueriger Leichtigkeit in die Höhe. Kein Tempel hat je so etwas Süßes Banges erquickend Unendliches in mir erregt; ich sehnte mich, frei zu sein und oben in Genuß und Ruhe. Der hohe Kreis korinthischer Säulen umgab mich wie jungfräuliche Schönheit; und Raphaels Brustbild und Annibal Carraccis Brustbild, die hier begraben liegen, und unsers Mengs seins blickten mich an wie Unsterblichkeit.
Ich wäre so gern die ganze Nacht dageblieben, aber man wollte schließen, und ich mußte fort. Kurz, es ist der vatikanische Apollo unter den Tempeln, und nach ihm macht keine Kuppel mehr viel Freude; sie kommen mir alle als tote Nachahmungen vor ohne Zweck. Der Porticus mit sechzehn hohen Granitsäulen aus einem Stück und dem schroffen Dreieck von Wetterdach davor ist ganz Majestät, so wie das Inwendige mit den schlanken schönen Marmorsäulen alle aus einem Stück lauter Himmel ist. Es ist das vollkommenste Kunstwerk unter allen Gebäuden, die ich kenne, und die erhabenste Idee eines Sterblichen. – Ärgern muß man sich nach der Lust über die Kindereien, daß die Päpste die Balken von Bronze davon weggenommen und Kanonen daraus gegossen und dafür ein paar Türmchen darauf gekleistert und achtundzwanzig Wagen Märterknochen hineingefahren haben. Gegen alle Götter mußte wenigstens eine Legion Heiliger einquartiert werden. – An dem Hauptaltar ergänzte man gerad das Kapitäl an einer Säule, das der Blitz voriges Jahr abgeschmettert, der oben zur Öffnung hereingefahren, eben als der Priester daran Messe las. Ich wünschte, bei dem großen Schlag und Schauspiel unter allen den erschreckten wegfahrenden Gestalten zugegen gewesen zu sein. –
Die Sonne war untergegangen; ich strich weiter fort durch die Straßen mit meiner Karte, und statt daß es dunkler werden sollte, machte der volle Mond an dem heitern Himmel den Abend fast wieder heller. Das Gewimmel neuer Menschen in den Straßen, die schönen Paläste und mancherlei Gesang und Gespräch und Gestalt und Leben in der erquickenden Kühle nach dem heißen Sommerbrand davor ergötzten meine Sinne. Ich kam bald ans Kapitol; ha, welch ein Anblick! Da war's still bis auf das Rauschen der Brunnen. Ich griff die Sphinxen an der Stiege hinauf an, die Bildsäule von Rom ohne Kopf und Arme fiel mir ins Aug; und nun stand ich oben vor dem Kastor und Pollux mit ihren Pferden und den Trophäen des Marius und in der Mitte des Platzes vor der metallnen Statue zu Pferd des Antonius. – Ich dachte weder an Papst und Kardinäle mehr, und mein Geist war unter Triumphen von Scipionen und Cäsarn. – Stolzer Hügel, höchste Glorie von Menschenherzen, Ziel der Edlen, unter hundert Völkern und Nationen für den größten erkannt zu werden und sich's zu fühlen! Stolzer kleiner Hügel, wogegen die höchsten Gebirge des Erdbodens plattes Land sind. –
Ich wandelte leis und schwebend an dem Plätschern des Brunnens und dem Nil und Tiber vorbei nach dem Foro Boario und befand mich mitten unter Ruinen von Tempeln und Triumphbögen. Es war schauerig still und melancholisch im Mondschein; ich merkte wenig Menschen, und die Schatten von den Bäumen machten alles geistig. Meine Phantasie bildete sich die Gestalten der Tempel vom Jupiter maximus und tonans, die Tempel des Saturns, des Friedens und der Fortuna, und meine Augen sahen gerührt die einzelnen Trümmer und suchten den Tarpejischen Felsen.
Immer weiter und weiter; und nun lagen die ungeheuren Massen des Kolosseums vor mir in luftiger Rundung – Ruinen, wogegen alles Stehende klein wird, Ruinen, wovon man noch eine Stadt erbauen könnte, soviel auch davon schon ist erbaut worden. Den Kopf voll Vorstellung von den Spielen der Weltbezwinger kam ich an Sankt Johann im Lateran und lenkte nun um nach Maria Maggiore, und es war gerad Mitternacht, als ich oben alla trinità de' Monti vor dem Spanischen Platze mich befand und das ganze Rom überschaute. Wenn man sich so seinen Sinnen überläßt und in der täuschenden Dämmerung dasteht: scheint es wirklich vom Schicksal bestimmt zu sein, die Erde zu beherrschen, es sei mit Legionen oder Zaubersprüchen. Und wer weiß, ob die Römer, wenn der Kaiser so fortfährt und andre ihm nachahmen, nicht statt der Messer wieder das Schwert ergreifen, die Schlüssel des Himmelreichs in die Tiber werfen und mit Kanonen donnern.
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Mit jedem Volk muß man auf seine eigne Art umgehen lernen, so wie mit jedem Menschen. Die Römer halten jeden Fremden im Anfang für naseweis und dumm und sind auf ihre Weisheit stolz; und diesem muß man gleich zuvorkommen. Ferner denken sie, die Fremden muß man pflücken. Übrigens muß man lange mit ihnen umgehen, ehe sie Freund werden. Höflich sind sie gleich und haben Grazie. Im Umgang äußerst fein; in der Satire verschonen sie niemand als ihren besten Freund. Man muß sie immer fest an der Klinge halten und sehr aufpassen im Anfang.
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Florenz macht einen starken Kontrast mit Rom, alles regt und bewegt sich, und läuft und rennt und arbeitet; und das Volk kommt einem trutzig und übermütig und ungefällig vor gegen das Stille, Große und Schöne der Römer. Der Römer überhaupt hat gewiß einen höhern Charakter. Die Politiker mögen die menschlichen Ameisenhaufen rühmen und preisen so sehr sie wollen, und diese selbst auf ihre Arbeitsamkeit sich noch soviel einbilden: Maul und Magen, denn dieserwegen geschieht's doch, ist wahrlich nicht, was den Menschen über das Vieh setzt! Wo nicht gemeinschaftliche Freiheit der Person und des Eigentums, und Rang in menschlicher Würde vor seinen Nachbarn, der erste Trieb und das Hauptband einer bürgerlichen Gesellschaft ist: verachte ich alles andere, und jedes Verdienst kömmt in kurze Berechnung.
Der Boden trägt freilich auch viel dazu bei; Rom hat das Mark von dem mittlern Italien, und Toskana die Knochen, nach dem alten Sprichwort. Auch erhebt die Gegend nicht so, und Florenz fehlen die majestätischen Römischen Fernen.
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Es kann nicht fehlen, jede Gegend stimmt die Seelen der Einwohner nach und nach nach sich. Rom ist weit, glänzend und groß in herrlichen Formen, schön in der Nähe, still auf seinen begrenzten Hügeln und einsam zum Genuß und Nachdenken; und so die Römer von jeher, und sie werden's bleiben. Die Ruinen geben ihnen selbst etwas Zerstörendes.
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Es ist klar genug, daß ein solches Volk, welches noch überdies wirkliche Könige und Helden am Leben, wie Jugurtha, ihren letzten Tropfen Existenz in seinen öffentlichen Gefängnissen bis auf den äußersten Hunger ausdauern sah, der kleinern Atheniensischen Tragödie nicht bedurfte, um das Herz nach dem Aristoteles von Furcht und Schrecken zu reinigen. Und was sind wir, denen die Vorstellungen des Sophokles und Euripides zu grausam vorkommen?
Es ist wohl wahr, der Mensch bezieht alles auf sich selbst, und also auch die Werke der Kunst; sein Gefühl ist wie sein Charakter. Ein Miltiades, Themistokles, ein Sulla und Cäsar können bei Gegenständen Vergnügen empfinden, die bei einem Schwachen Abscheu erregen und ihn martern, weil er nicht die große starke Selbständigkeit hat, die Leiden andrer außer sich zu fühlen, ihre Natur und Eigenschaften wie jene mit ihren Kräften zu ergründen und zu erkennen, die Sphäre seines Geistes dabei zu erweitern und zugleich über alles dies emporzuragen, ohne sich als Teil damit zu vermischen und selbst zu leiden. Griechen und Römer vergnügte vieles, wovor wir frommen moralischen Seelen Abscheu haben. Der letztern Fechter waren meist zum Tode verdammte Sklaven; und die Tragödien der erstern zeigten ihnen, wie Menschen untergehen, die nicht vollkommen genug sind, und wie Held und Heldin bei Ausübung hoher Tugenden leiden soll, oder sich weise mit ganzem Bewußtsein unter das Gesetz der Notwendigkeit, den ungefähren Zusammenstoß der Begebenheiten, beugt. Dies ergreift männliche Seelen, und ein solch ausgewählt Leben, von trivialen Lumpereien fern, dringt in nichtsdestoweniger rein- und scharffühlende Herzen; es ging nach dem großen paradoxen, unsrer empfindelnden «Welt unbegreiflichen Grundsatze der Stoiker: Der Weise erbarmt sich, hat aber kein Mitleiden.
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Die Römer liebkosten den Sinn des Gefühls mit Baden, wie wir ohngefähr mit Tabak unsre Nasen; sie fingen vom heißen an und gingen alsdann alle Grade der Wärme durch, teils im Wasser, teils in lauer Luft, bis zum kalten. Eine wahre Wollust, die alle verschiedne Wärme der Existenz nachahmt, vom heißesten Herzensgetümmel der hohen Leidenschaften bis zur frischen Besonnenheit, alle Grade des physischen Gefühls ohne das Seelenleben, das Geistige; welches sie sich jedoch auch vorphantasieren konnten, indem ihre weiblichen Schönheiten sich unter den Kaisern nackend mit badeten.
Ihre Bäder waren eigentlich der Genuß, den sie von den Siegen ihrer Vorfahren über die Welt hatten; und die Gebäude dazu gewiß das höchste der Kunst im großen, was wir in der Geschichte der Menschen kennen. Es war da alles, was das Leben freut und angenehm macht, beisammen. Wir können uns, ohngeachtet der ungeheuren Ruinen, wenig davon vorstellen, weil uns diese Art Genuß ganz entrückt ist. Wenn wir ein halbes Jahrhundert von alten Römern aus den ersten Jahrhunderten wieder erwecken könnten, so würden sie sich aus Ekel und Verzweiflung alle binnen wenig Tagen umbringen ...
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Griechenland und Rom sind das Herz der menschlichen Gesellschaften; wenn man diese studiert hat, braucht man sich mit den andern nicht abzugeben. Griechenland, welch eine Blüte und Reife! Welche zarte Empfindsamkeit und Festigkeit des Verstandes! Welche Schönheit durchaus! Rom, welch eine Stärke und Einheit! Wo ist die Stadt, solange wir die Welt kennen, die mit dieser kann verglichen werden? Sie haben nur kurze Zeit gestrahlt; lebendige Vollkommenheit kann sich nicht lange erhalten. Ein Mensch bleibt nur kurze Zeit mit sich selbst einig, geschweige eine Stadt, ein Land, Millionen Menschen. Alles entsteht aus dem Stand der Natur und löst sich wieder dahinein auf; so liegt Rom, so Griechenland jetzt wieder in seiner Wildheit. Leben an und für sich ist schon nichts Beständiges.
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Ha! wenn man mit vollem Herzen und wachen Sinnen so in dem Theater der Zerstörung dasteht, so überläuft die Menschlichkeit ein Schauder bei einem, und man verschwindet mit seinen paar Knochen und Adern und Nerven wie ein Nichts in dem verschlingenden Abgrund der Zeiten. Die Seen von Albano und Nemi waren augenscheinlich Kessel von einem Ungeheuern Vulkan, dessen ausgebrannte Gewölbe brachen und einsanken; noch liegen davon herum klar und deutlich die Felsen von Lava und versteinerter Asche, und stehen hoch die Gipfel der kleinern Ausbrüche und grünen: und alle Sage und Geschichte weiß davon kein Wort. Wo bleibt das Römische Reich, dessen Ursprung schon so finster ist, wenn man das Alter des noch brennenden Ätna nur mäßig berechnet, und all unser Buchstabenwesen?
Ach! es war so rührend, wie ich gegen Abend von Tivoli über den Teverone ging und auf der Heerstraße neben dem Schwefelsee da und dort stillestand und mich umschaute, in das herrliche Gebirg auf beiden Seiten eingeschlossen, mitten unter alten Villen und Ruinen von Wasserleitungen; näher zur Linken den Hügel von Präneste, wo Marius sich erstach und der Tempel des Glücks in hoher Feier mit süßer Hoffnung die Herzen schwellte, das ohne Altar und Opfer noch jetzt die Schicksale der Menschen lenkt, und in dämmeriger Ferne das emporragende Gewölbe der Kuppel der Peterskirche; rückwärts alsdann wieder das verlaßne Tibur auf seinen grünen Höhen in Olivenwäldern, und in der Pläne vor mir das melancholische hohe große runde Grabmal des Plautius, und weiterhin die Villa Hadrians mit ihren zerfallnen Tempeln und Mauerwänden von Palästen, wo immer ein Stück höher, das andre niedriger in Trümmern aus den Zweigen der Bäume hervorblickt und man die Zeit von so manchen Jahrhunderten wie persönlich gegenwärtig schaut; und ein pechschwarzes Ungewitter an den Bergen darüber hergezogen kam, woraus Blitze fuhren und Donner rollten, mit welchen Sturmwinde die tiefe einödige Stille unterbrachen.
Und doch Geist ewig lebendig über dir, Zerstörung! Oder vielmehr Zerstörung du selbst wieder junge reine Seele, die das alte Tote göttlich zu frischem Leben aufweckt. Die Erde mit uns und allem was Odem hat und Gras und Kraut und Bäumen, in ihrem Ozean und dessen Seen ist eine unsterbliche Schlange, die von Zeit zu Zeit die Haut ablegt.
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So empfindlich auch der Schirokko für die Haut ist: so macht er doch ein wunderbar Schauspiel für die Augen; wie ein ungeheurer feuriger Champagner-Dunst schwebte er in den Lüften. Als der in heißester Liebe erzeugte Sohn der Sonne regt sich vor seiner tyrannischen Majestät kein andrer Wind, und alles was Leben und Odem hat, schmachtet unter dem entkräftenden schweren Drucke. In Rauch und Dampf liegen die Berge, wie von einer großen unterirdischen Glut, und Gewitter darüber voller Blitze bereit zum Ausfliegen. Ein Untergang darin ist fürchterlich und schauderhaft entzückend.
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Die Peterskuppel ist zu hoch und sieht aus, als ob sie ein Gebäude für sich wäre und nicht zur Kirche gehörte. Sie wölbt sich von fern, bloß wo sie gedeckt ist; wo die Fenster sind, scheint sie ganz gerad. Gewiß ist, daß sie nicht mit der Kirche und die Kirche nicht mit ihr in Proportion steht. Man kann dies am besten von der Villa Pamfili aus sehen. Und sie ist doch schwer; man sieht, daß sie entsetzlich muß getragen werden; von wegen der Höhe.
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St. Peter ist an die dreihundert Schritt lang, und dessen Breite verhält sich wie drei zu vier. Die Kirche hat das Fatale, daß sie ins Kreuz gebaut ist, deswegen kann man sie nirgendwo ganz übersehen. Die Kuppel hält sie zusammen, und man genießt wirklich einer herrlichen Freiheit darunter, und sie erhebt einen; doch bei weitem nicht so innig und mächtig wie die Rotunda. Sie ist eine Sammlung von einer Menge kleiner Kirchen, die sich zu einer großen vereinigen, zu welcher sie aber gewiß weder Einheit noch Bequemlichkeit genug hat. Der Hauptaltar hat für Menschen, wie wir sind, gar keine Proportion; man sieht die Priester nicht davor, so ungeheuer groß ist er, und die Zuschauer und Zuhörer vorn stehen alle in gleicher Ebene und verhindern und bedecken einander selbst. – Es herrscht darin ungemein viel Pracht, aber auch bloße Pracht ohne viel Schönheit; die kostbaren Mosaiken sind mit allem Geschrei darüber doch nur verzerrte Kopien und die reichen Vergoldungen der Decke eitler leerer Tand. An den Denkmalen von Marmor und den Bildsäulen der Ordensstifter kann man wahrlich, so sehr in der Nähe vom Vatikanischen Museum, wenig Vergnügen finden. Die Kuppel selbst tut in der Ferne größere Wirkung als in der Nähe, wo die zweiunddreißig Doppelsäulen, die nichts tragen, einem nicht wohl behagen. – Der Berninische große Säulengang auf dem Platz davor ist herrlich, aber die zwei schrägen Gänge, die nach der Kirche von ihm laufen, verbinden ihn mit ihr sehr unharmonisch, es macht gerad die fatale Figur von einer Spitzzange, die nicht zu ist.
Übrigens muß man doch gestehen, daß das Ganze meisterlich zusammengerechnet ist... und von innen und außen voll reiner Proportion in allen Teilen und schöner Verzierung an den Kapitälen und Kränzen dasteht, und überhaupt genommen das wichtigste Werk der neuern Baukunst ist. Alles, was Palladio und Vignola gebaut haben, ist, obgleich schöner in seiner Einheit, manches vielleicht doch klein gegen diesen Koloß. Schade, daß der Mensch so klein ist, daß man keine Musik durchs Ganze hört, und keine Predigt und keinen Segen.
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Wir haben hier gestern das Petersfest gehabt, eins der feierlichsten von ganz Italien – das Volk zieht heraus auf den weiten Petersplatz, wo die Erleuchtung des ganzen Tempels und der Kolonnade in wenig Augenblicken schon in den blauen Lüften flammt.
Wie eine geliebte Braut steht sie da die Kuppel mit ihrer Kirche in edler ernster Pracht, und brennt und glüht wie Lebensfeuer.
Zuerst besteht die Erleuchtung aus Laternen und ist ganz geistig, alle die schönen Formen des herrlichen Gebäudes erscheinen in zarten Umrissen und scharfer Zeichnung. Eine Stunde hernach wird sie aber überall und auf dem freien Platze mit Pechfackeln verstärkt, so daß die Nacht heller als Tag ist, und die Römerinnen zeigen sich darin wie Göttinnen des Himmels auf dem Erdboden in ihrem schlanken Wuchs mit königlicher Tracht und Junos- und Venus- und Pallas- und Heben-Gesichtern, und die zwei unvergleichlichen Springbrunnen, denn sie sind in der Tat einzig, regnen lieblich und erfrischen.
Es erfüllt mit Ehrfurcht, wie die päpstlichen Donner häufig dabei von der Engelsburg herunter brüllen und die tiefen majestätischen Töne am Vatikan abprallen, gleich Kanonenkugeln in der schönen Rundung des Platzes an den kolossalischen Säulen herumrollen und der letzte schmetternde Schlag oben auf dem Dache an den großen Gewölben widerhallt...
Eine halbe Stunde nach den Fackeln, die indessen immer fortflammen, wird von der Engelsburg ein Feuerwerk abgebrannt, und an keinem andern Orte der Welt kann dazu eine glücklichere Lage erdacht werden.
Wenn dies vorbei ist, so geht ein andres um Mitternacht vor dem Palast Colonna an, wozu die zwei Nächte nacheinander besondere Maschinen erbaut werden. Es springt hier Wein aus einem Brunnen, und der königliche Saal und die herrlichen Zimmer, mit den größten Meisterstücken von Gemälden ausgeziert, stehen beide Tage für jedermann offen.
Den Morgen darauf, als den eigentlichen Peterstag, liest der Papst auf dem Hauptaltare Messe, welches des Jahres nur viermal geschieht. Es ist dies ohnstreitig der feierlichste Gottesdienst, der in der ganzen Christenheit gehalten wird. Der Altar ist mit schöngestickten goldnen Tüchern behangen, und es brennen da Wachskerzen in sieben großen Leuchtern nach Michelangelo, wie man behauptet, aus reinem gediegenen Gold fürtrefflich gearbeitet, und zur Linken sind die päpstlichen Kronen aus Silber und Gold und einer Menge der teuersten Edelsteine aufgestellt. Der Altar mit seinen gewundnen kolossalischen Säulen und der schön verzierten Decke aus Bronze unter der majestätischen Kuppel, die allein so groß als die ganze Rotunda ist, paßt dazu prächtig, und linker Hand macht die Kapelle in einem freistehenden Orchester durch ein herumlaufend Gegitter verborgen eine himmlische Sphären-Musik, wo immer ein Akkord beweglich und rührend in den andern auflöst, und die verschiednen Stimmen rein zusammenschmelzen.
Der Papst sitzt vor und nach der Opferung dahinter auf zwei verschiedenen Thronen, der eine ist niedrig und der zweite in der Mitte erhaben, und alle Wände sind mit Purpur behangen. Er wird verschiedenemal anders angekleidet, und von den Prinzen Conti und Cesali bedient, das Waschbecken trägt herbei und hält der Gesandte von Bologna, zu beiden Seiten sitzen die Kardinäle in festlichem Gewande. Es wird eine Epistel lateinisch, dann griechisch gesungen, und so das Evangelium aus dem Matthäus mit den Binde- und Löse-Schlüsseln.
Dieses hat in seiner Kürze in der Tat die stärkste Wirkung auf mich gemacht, als es der Kardinal Albani und hernach ein geborner Grieche begeistert hersagten, es war mir wie eine scharfe Schwertsmacht vor Augen und Ohren, und ein lebhaft schauerig Gefühl von Verbindung anderer Welten mit dieser durchdrang mich, die Würde, die Lieblichkeit und der Reiz der Aussprache des jungen Griechen täuschten auch so, als ob man die Stimme Jesus selbst vernähme, und dessen Kleidung trug dazu bei.
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Das Colisäum liegt auf dem herrlichsten Platze, den man sich denken kann, gerad in der Mitte des alten Roms in dem Tale zwischen den drei Hügeln Palatino, Celio und Esquilino, und war der bequemste Freudenort für alle Einwohner. Es ist rührend und gräßlich zugleich, wie die Zwergenkel der heroischen Urväter und die Barbaren an den erhabenen auf Jahrtausende in schöner Form erbauten Massen genagt und zerstört haben, und sie doch nicht zugrunde richten konnten. Die eine Hälfte der äußern Einfassung ist weggetragen, und aus den geraubten Trümmern sind die stolzesten Paläste der neuern Welt aufgeführt; die andere steht noch, ein weiter Bogen in hoher grauer Majestät mit lauter Quaderstücken von Felsen und dreifachen festen Kolonnen übereinander mit schönen Korinthischen Pilastern oben gekränzt. Die Zusammenfügungen hat das Maulwurfsgeschlecht überall durchlöchert, um die metallenen Pflöcke herauszuholen; und die breiten Sitze von gebackenen Steinen stehen noch zum Teil in Trümmern, und zum Teil hat sie die Zeit in Ruinen darnieder gestürzt und sie liegen unten im Schutte. Gras und Kraut und Gesträuch grünt und blüht überall wie auf einem Anger von fruchtbarem Boden. Auf der Arena sind in der Rundung vierzehn Altäre angelegt, sieben auf jeder Seite, und das ganze Oval ist ein grüner Rasen. Bei dem einen Eingang hat sich im zweiten Stockwerk ein Eremit eingenistet und seine Einsiedelei mit dem Gärtchen umfassen hohe Lorbeerbäume. Eine solche Gestalt hat jetzt das ehemalige Wunder der Welt und erschüttert noch den kühnsten der heutigen Eroberer. Herum trauern der Esquilino und Palatino und Celio mit ihren zerfallnen Tempeln, Bädern, Wasserleitungen und niedern Gewölben.
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Villa Aldobrandini. Hat eine der zauberischsten Lagen von allen, die in Rom sind. Das Colisäum schwebt da aus dem Grünen in die hohe Luft wie ein Gemälde voll Empfindung vergangener Zeiten, durch die hohen Bogen sieht man Fernen und Himmel. Die Villa Casali leuchtet rechter Hand daran hervor wie ein Lustsitz der Liebe, sowie weiterhin Castel Gandolfo, Rocca di Papa, Frascati; und das schöne Gebirg wölbt sich majestätisch herum gen Tivoli, und der hohe Sorakte macht einen prächtigen Beschluß. Rom liegt vor einem in den lieblichen Formen seiner Gebäude und den rührenden Ruinen mit Grün überzogen, woraus hier und da Pinien und Zypressen sprossen und ihr Haupt erheben.
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Kloster St. Onofrio. Herrliches Oratorium im Freien nach Art eines antiken Theaters, ganz klein ohngefähr für hundert Zuhörer. Unten, anstatt des Proszeniums, steht der Katheder wie eine Nische, und das Gebälk und Dach, von zwei marmornen Säulen getragen. Nebenan geht die Einfassung mit einer Bank fort für die Ältesten. Linker Hand der Sitze eine prächtige Eiche, die hier kühlen Schatten gibt und von fern ein schönes Schauspiel zeigt, hinter den Sitzen sind junge Zypressen angepflanzt. Ich begreife nicht, warum noch keiner auf den Einfall gekommen ist, eine Kirche so anzulegen. St. Peter und selbst das Pantheon müßten davor verschwinden, das letztre hat überhaupt schon zu verschiedenem herhalten müssen, woran der Künstler nicht gedacht, der es erbaute. –
Von hier aus genießt man eine der herrlichsten Aussichten über ganz Rom und in die ganze Ferne, herum von der Peterskuppel und Monte Mario linker Hand an, nach den Sabiner Gebirgen, denen von Tivoli und das Tal nach den Apenninen gen Neapel hin und Frascati, bis rechter Hand ans Meer bei Nettuno. Besonders hat man die Peterskirche mit dem Vatikan ganz vor sich, die Engelsburg in freier Rundung, Farnese, Farnesina, Corsini, das Pantheon, Monte Cavallo. Die eine Seite der Stadt bekränzen schön die Villen, Patrizia, Borghese, Ludovisi; und um die andre liegt das alte Rom mit seinen Kaiserpalästen, Thermen, der Pyramide des Cestius und Grabmalen in majestätischen Ruinen, wodurch der wilde Flußgott Tiber unsterblich und ewig derselbe seine Wasser fortwälzt.
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Ich bin seit meinem letzten Brief in eine so tiefe Melancholie versunken, daß ich Ihnen darin gar nicht habe schreiben mögen. Mein liebster Aufenthalt war unter Ruinen, und ich sehnte mich in den weiten hohen runden Trümmern des Amphitheaters aus allen den Schlingen und Banden, allen den Dissonanzen dieser Zeitlichkeit in die ewige Harmonie und Klarheit aufgelöst zu werden, wenigstens ein neues Leben anzufangen, wär's auch in der Wurzel von irgendeinem Baum oder einem Vogel in der Luft.
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Mein Lebenskahn schwimmt jetzt zwischen paradiesischen Inseln; wenn ihn eine Charybdis verschlänge: so wäre ich der Glückliche Solons. Nehmt mich auf, ihr Gestirne, wollt ich dann rufen, ich bin aufgelöst von allen Banden. Und ihr, o meine Heiligen, Xenophon und Plato, Phidias und Praxiteles, wo seid ihr, und alle ihr Töchter der Huld, deren Dasein schon hienieden lauter Licht und süße Harmonie war?
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Ich reise morgen nach Neapel, und sobald ich ein sicher Schiff finde, nach Sizilien, wenn sich die Reisekosten nicht zu hoch belaufen. Gesundheit dazu hab ich alle Adern voll, und von Lust jede Nerve gespannt. Ach, wenn mir ein Vogel seine Flügel lieh, von da weiter nach Griechenland und Georgien zu schweben! Gott, welch ein Leben das der Seligen sein muß, so frei von dem trägen Erdenkörper von Sphäre zu Sphäre zu wandeln unter verliebten Sonnen, und alle Natur und Harmonie des Weltalls zu fühlen!
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Neapel ist so recht ein wohllüstiges Nest fürs menschliche Geschlecht; zu strenger oder erhabner Weisheit ist's fast nicht möglich da zu gelangen. Es ist, als ob man immer einen Venusleib nackend vor sich hätte. Am besten und wahrsten sieht man's zu Portici. Zur linken die reizende Küste von Sorrent; dann die Fahrt nach Elysium Sizilien; dann die Insel der Freuden des Tiberius, Capri; dann die unendlichen Gewässer breit und offen, wo sich das Auge verliert; und daneben und darüber hin die alten Feuerauswürfe der Insel Ischia, und Procida, und den entzückenden Strich Hügel des Pausilipp, und das Gebirg der Kamaldolenser; welche bezaubernde Mannigfaltigkeit! Darunter wieder das Gemisch von unzählbaren Felsenhütten von Neapel, wo eine halbe Million Menschen sich gütlich tun, und bei uns, hinter dem schüchternen Portici, in schrecklicher Majestät Vesuv. Ein echter wonneschäumender Becher rundum dieser große Meerbusen!
Hier schwimmt alles und schwebt in Lust, im Wasser, am Ufer und auf den Straßen. Die Feuermassen scheinen dies Land der Sonne näher zu rücken; es sieht ganz anders als die übrige Welt aus. Gewiß waren alle Planeten ehemals selbst Sonnen und sind nun ausgebrannt, und Neapel ist noch ein Rest jener stolzen Zeiten. Man glaubt in der Venus, im Merkur, einem höhern Planeten zu wohnen. Immerwährender Frühling, Schönheit und Fruchtbarkeit von Meer und Land, und Gesundheit von Wasser und Luft.
Gleich die erste Woche haben wir uns mit der ganzen Gegend und der besondern Art Menschen bekanntgemacht, und den dritten Tag schon waren wir oben auf dem Vulkan und genossen den Anblick der höchsten Gewalt in seinem Krater, die man auf Erdboden schauen kann. Die Risse von unten heraus, trichterförmig, gehen über alle Macht von Wetterschlägen, auffliegenden Pulvertürmen und Einbrüchen stürmenden Meeres. Erdbeben, die Länder bewegen, wie Winde Wasserflächen, sind dagegen nur schwache Vorboten. Man glaubt in die Wohnung der Donnerkeile wie in ein Schlangennest hineinzusehen, so blitzschnell ist alles aus unergründlicher Tiefe gerissen, von Metall bespritzt und Schwefel beleckt: ein entzückend schaurig Bild allerhöchster Wut.
Sein Gipfel besteht aus lauter Schlacken, dies gibt ihm von fern eine haarichte Riesengestalt. Dann wächst lauter Heide, und dann in der Mitte fangen Gärten und Bäume an.
Der Vesuv ist augenscheinlich ein uralter Berg, dessen Krater einst zusammenstürzte, wovon die Risse noch an der Somma zu sehen sind. Alsdann hat er sich vom neuen durch viele Ausbrüche wieder aufgetürmt. Vorher war es ein einziger Berg; jetzt mag er nicht so schön mehr sein, aber desto furchtbarer.
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Du bist glücklich, du läufst deine Bahn ewig fort, dein Schicksal ist entschieden.
Das Große ist in Ordnung, das Kleine elend. Es wird in Millionen Stäubchen zermalmt und zerrieben, und nur das Lebendige kann sich wenige Momente retten.
Freiheit? Posse; selbst die Erde mit allen ihren Geschöpfen ist Sonne und Mond und wer weiß wem unterworfen.
Wohl dem, der sich am längsten durchschlagen kann; denn ohne Idee von Freiheit gibt's doch wahrlich keine lautere Glückseligkeit.
Oh, wer in den großen Massen, Himmel und Meer und Mond und Sternen sein kann, ohne von den kleinen zerrissen zu werden! Was das für eine Ruhe und Seligkeit ist, man atmet so recht aus. Alles andre hienieden ist doch jämmerliche Sorge und Stück und Flickwerk. Der Mensch mag tun, was er will, er kömmt nie zur reinen Vollkommenheit; er gewinnt und verliert und da gibt es immer Höcker und Lücken.
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Es ist entzückend, wie man die Erde gen Osten unaufhaltbar fortrollen sieht und die ganze Harmonie des Weltalls fühlt.
Du bist glücklich, Mond, du läufst deine Bahn ewig fort, dein Schicksal ist entschieden. –
Ein großer Feuerhof hebt sich vor ihm auf, und dann tritt er selbst hervor wie ein himmlisch Wesen im reinen Lichte.
Dunkel liegt das Meer unten und erwartet mit unendlichen leisen plätschernden Schlägen seine Ankunft. Der Vesuv liegt still im Meer, und die andern Gebirge stehen da voll Ehrfurcht.
Und die Menschen baden und singen und scherzen und fühlen bloß ihr Glück.
Es ist eine wahre Vermählung Vulkans mit der Venus, des Feuergottes mit der süßesten Tochter des Meeres.
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Wenn der Abend sich niedersenkt und der Duft die Gebirge einhüllt, alles verwischt wird, nach und nach seine Form und Gestalt verliert und ins Chaos zu fallen scheint, indes die reinen, vollkommnen Sterne oben ewig blinken: dann mein ich, ich müßte sogleich mich emporheben, das Grobe ausziehen und meine Stelle verlassen. Es ist unten alles so nichts, wenn es nicht von dem klaren himmlischen Licht seine Gestalt empfängt; und doch fühlen wir nur im Dunkeln unsre Existenz ganz.
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Was wir sind, sind wir meistens von außen; bis auf unser Leben ist bloßes Verhältnis, Bewegung, die von Luft entsteht, von einem Ort zum andern. Unser eigen Ich ist ein unbeweglich Ding, das alles in seinen Kreis zieht und mit nichts sich fest vereinigen kann. Bei der Sonne haben wir das nämliche im großen.
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Der Mond ging neben dem Vesuv auf mit seinem stillen Licht, wie ein weiser Mann neben einem feurigen Jüngling.
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Was der Archipelagus sein muß, wo das immerwährende Leben so um die Inseln herum wallt!