Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XI
Unbekannte Autoren

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das Heldenbuch von Adschîb, Gharîb und Sahîm el-Leil.

Ferner kam mir zu Ohren, daß in alter Zeit ein mächtiger König, Namens Kundamir, lebte, der einst ein tapferer Herrscher und ein kampferprobter Fürst gewesen, jedoch nunmehr ein betagter und hinfälliger Scheich geworden war. Gott aber, der Erhabene, hatte ihm im Zustande seiner Hinfälligkeit ein Knäblein geschenkt, das er um seiner Schönheit und Anmut willen Adschîb (wunderbar) nannte; und so übergab er den Knaben den Hebammen, den Ammen, Sklavinnen und Beischläferinnen, bis er heranwuchs und groß ward und sein siebentes Lebensjahr erreichte, worauf sein Vater ihn einem Priester seines Volkes und Glaubens übergab. Dieser Priester unterwies ihn in ihrem Gesetz, ihrem Afterglauben und was drum und dran hängt, bis er im Verlauf von drei vollen Jahren fertige Kenntnisse besaß, und sein Verstand reif und sein Willen entschlossen geworden war. Gelehrt, beredt und ein berühmter Philosoph disputierte er mit den Gelehrten und saß bei den Weisen, woran sein Vater, als er es sah, Gefallen fand. Hierauf unterwies er ihn in der Reitkunst, im Lanzenstechen und in der Führung des Schwertes, bis er ein widerspenstiger Tyrann und ein rebellischer Satan geworden war. Wenn er nunmehr auf Jagd auszog, pflegte er inmitten von tausend Reisigen auszureiten, die Ritter mit Raub und Plünderung heimsuchen, Buschklepperei zu treiben und die Töchter der Könige und Herren fortzuschleppen, so daß der Klagen viel bei seinem Vater einliefen, worauf dieser fünf seiner Sklaven herbeirief und ihnen befahl: »Ergreifet diesen Hund.« Da stürzten sich die Burschen auf Adschîb, fesselten ihm die Hände auf dem Rücken und schlugen ihn auf seines Vaters Geheiß, bis er die Besinnung verlor; dann sperrte er ihn in einen Raum ein, in dem er weder den Himmel von der Erde noch die Länge von der Breite unterscheiden konnte. Nachdem er eine Nacht eingesperrt verbracht hatte, traten die Emire zum König 60 ein und legten, die Erde vor ihm küssend, für Adschîb Fürbitte ein, worauf er ihn wieder frei ließ. Adschîb geduldete sich zehn Tage lang, des Nachts jedoch, als sein Vater schlief, trat er bei ihm ein und holte ihm mit einem Schwertstreich das Haupt vom Nacken herunter. Um Tagesanbruch setzte er sich dann auf den Thron des Königreichs seines Vaters und befahl seinen Mannen, sich in Stahl gepanzert und mit gezücktem Schwert zu seiner Rechten und Linken aufzustellen; und als nun die Emire und Häuptlinge eintraten, fanden sie ihren König erschlagen und seinen Sohn auf dem Thron seines Königreichs sitzen. Da verwirrte sich ihr Verstand, Adschîb aber sprach zu ihnen: »Ihr Leute, ihr schaut, was euerm König widerfahren ist; wer mir Gehorsam leistet, den ehre ich; wer sich mir jedoch widersetzt, mit dem verfahre ich ebenso wie mit ihm.« Als sie seine Worte vernahmen, fürchteten sie, er möchte ihnen Gewalt anthun, und sprachen, die Erde vor ihm küssend: »Du bist unser König und unsers Königs Sohn.« Indem er ihnen erfreut hierüber dankte, befahl er Geld und Kleider hervorzuholen, worauf er ihnen kostbare Ehrenkleider verlieh und sie mit Geld überhäufte, daß ihn alle liebten und ihm gehorchten. Ebenso verlieh er den Statthaltern und den Araberscheichen, den unabhängigen sowohl wie den abhängigen, Ehrenkleider, so daß das Land sich ihm unterwarf und alle Unterthanen ihm gehorchten, während er seines Amtes waltete und gebot und verbot. Nach Verlauf von fünf Monaten jedoch träumte er einen Traum, aus dem er in Furcht und Zittern erwachte, ohne wieder Schlaf finden zu können. Sobald der Morgen anbrach, setzte er sich auf den Thron, und als die Truppen zur Rechten und Linken vor ihm standen, berief er die Traumdeuter und sprach zu ihnen: »Deutet mir meinen Traum.« Sie versetzten: »Was für einen Traum hattest du, o König.« Er erwiderte: »Ich sah meinen Vater im Traum vor mir stehen und seine Scham entblößen, worauf aus derselben ein Ding in der Größe einer Biene entstieg und immer größer 61 ward, bis es so groß wie ein Löwe mit Krallen wie Dolchen geworden war. Als ich noch erschrocken und verwirrt hierüber dalag, stürzte es sich auf mich und riß mir mit seinen Krallen den Leib auf, worauf ich in Furcht und Grausen erwachte.« Da sahen die Traumdeuter einander an und sprachen, nachdem sie die Antwort erwogen hatten: »Mächtiger König, der Traum deutet auf einen dir von deinem Vater Erzeugten hin, zwischen dem und dir Feindschaft entbrennen, und der dich besiegen wird; so sei auf der Hut vor ihm um dieses Traumes willen.« Als Adschîb die Worte der Traumdeuter vernahm, sprach er: »Ich habe keinen Bruder, um mich vor ihm zu fürchten, eure Worte sind eitel Lüge« Sie versetzten: »Wir haben dir nur, was wir wissen, verkündet.« Da erzürnte er sich wider sie und schlug sie. Alsdann aber erhob er sich und betrat seines Vaters Schloß, seines Vaters Beischläferinnen zu untersuchen, unter denen er eine Sklavin, deren Schwangerschaft bereits in den siebenten Monat ging, fand. Da sprach er zu zwei seiner Sklaven: »Nehmet diese Sklavin zum Meer und ertränkt sie;« und die Sklaven faßten sie bei der Hand und führten sie ans Meer, sie zu ertränken. Hierbei schauten sie sie jedoch an, und als sie fanden, daß sie von wunderbarer Schönheit und Anmut war, sprachen sie: »Weshalb sollen wir diese Sklavin ertränken? Wir wollen sie ins Dickicht nehmen und mit ihr in wunderbaren Liebesfreuden leben.« Hierauf nahmen sie sie und wanderten mit ihr Tage und Nächte lang, bis sie mit ihr fern von den Wohnungen in ein baum-, frucht- und wasserreiches Gehölz gelangt waren, wo ein jeder von ihnen seinen Willen an ihr zu haben gedachte; jedoch sprach jeder von beiden: »Ich will sie vor dir haben.« Wie sie so miteinander stritten, stieß eine Schar Schwarzer auf sie, worauf sie die Schwerter zogen und sich hitzig derselben erwehrten; doch wurden beide schneller als ein Augenblick von den Schwarzen erschlagen. So zog die Sklavin allein im Wald umher, indem sie von seinen Früchten aß und aus seinen 62 Bächen trank, bis sie ein braunes reines Knäblein gebar, dem sie den Namen El-Gharîb, der Fremdling, gab, um seiner Fremdlingschaft willen. Dann schnitt sie ihn von der Nabelschnur, wickelte ihn in eins ihrer Kleider ein und säugte ihn, bekümmerten Herzens und Gemütes über die Macht und Bequemlichkeit, die sie zuvor genossen hatte.

Sechshundertundfünfundzwanzigste Nacht.

Als sie so in ihrer Einsamkeit voll schwerer Trübsal und Furcht dasaß, begab es sich eines Tages, daß Reiter und Fußleute mit Falken und Jagdhunden ankamen, welche ihre Pferde mit Kranichen, Reihern, irakischen Gänsen,Ebenfalls eine Kranichart: ardea virgo. Tauchern und andern Wasservögeln beladen hatten, sowie mit wilden Tieren, mit Hasen, Gazellen, Wildochsen, jungen Straußen, Luchsen, Wölfen und Löwen. Als diese Beduinen in des Waldes Dickicht eindrangen und hier die Sklavin fanden, wie sie ihr Knäblein an ihrer Brust säugte, näherten sie sich ihr und fragten sie: »Bist du ein Mensch oder eine Dschinnîje?« Sie versetzte: »Ein Mensch, ihr Araberherren.« Da teilten sie es ihrem Emir Mardâs mit, dem Fürsten der Banû Kahtân, welcher mit fünfhundert der Emire seines Stammes und seiner Vettern gerade eine Pirschfahrt unternommen hatte. Als sie ihnen ihre Geschichte von Anfang bis Ende erzählt hatten, verwunderte sich der König über dieselbe und befahl seinen Stammesgenossen und Vettern die Jagd fortzusetzen, bis sie zu den Banû Kahtân zurückkehrten, wo er ihr eine eigene Wohnung anwies und fünf Sklavinnen zur Bedienung gab. Da er sie aber sehr lieb gewonnen hatte, begab er sich zu ihr und ruhte bei ihr, und sie ward allstund schwanger von ihm und gebar nach Ablauf ihrer Monde ein Knäblein, dem sie den Namen Sahîm el-LeilSchütz der Nacht. gab. Derselbige ward mit seinem Bruder unter den Ammen aufgezogen und wuchs heran und gedieh auf des Emirs Mardâs Schoß, bis er beide einem Lehrer übergab, der sie in den Satzungen 63 ihres Glaubens unterwies. Hernach übergab er sie den wackersten Degen seiner Araber, sie im Lanzenstoß, im Schwerteshieb und im Pfeilschuß zu üben, und ehe sie noch ihr fünfzehntes Jahr vollendet hatten, hatten sie alles Erforderliche gelernt und übertrafen alle die Wackern ihres Stammes, so daß Gharîb seine tausend Ritter stand und sein Bruder Sahîm el-Leil desgleichen.

Nun hatte aber Mardâs viele Feinde, doch waren seine Stammesleute die tapfersten aller Araber, freisliche Degen allzumal, an deren Feuer sich niemand zu wärmen vermochte.D. h. mit denen nicht zu streiten war. In seiner Nachbarschaft lebte ein Araberemir, geheißen Hassân, der Sohn des Thâbit, sein vertrauter Freund; derselbige freite ein Edelfräulein seines Stammes und lud hierzu alle seine Freunde ein, unter ihnen auch Mardâs, den Fürsten der Banû Kahtân. Mardâs nahm die Einladung an und zog mit dreihundert Reisigen zu Hassân, ihrer vierhundert als Haremswache zurücklassend. Hassân holte ihn ein und wies ihm den besten Platz an; und es kamen die Degen zur Hochzeit herbei, und Hassân richtete ihnen Bankette und Freudenfeste an, worauf die Araber wieder zu ihren Niederlassungen heimkehrten. Wie nun auch Mardâs zu seinem Stammeslager kam, fand er umherliegende Erschlagene und sah die Vögel über ihnen zur Rechten und Linken kreisen, so daß sein Herz erbebte. Als er jedoch ins Lager ritt, kam ihm Gharîb im Ringpanzer gewappnet entgegen und beglückwünschte ihn zur wohlbehaltenen Heimkehr. Da fragte ihn Mardâs: »Was bedeutet diese Sache, Gharîb?« Gharîb versetzte: »El-Hamal, Sohn des Mâdschid, überfiel uns mit fünfhundert Reisigen von seinem Stamm.« Die Ursache dieses Vorfalls war aber folgende: Der Emir Mardâs hatte eine Tochter, Mahdîje geheißen, wie niemand ein schöneres Fräulein erschaut hatte, und El-Hamal, der Fürst der Banû Nabhân, der von ihr vernommen hatte, hatte sich mit fünfhundert Reisigen zu Mardâs aufgemacht und um Mahdîje gefreit. Mardâs hatte ihn jedoch nicht angenommen, sondern ihn 64 enttäuscht heimgeschickt. Da lauerte El-Hamal, bis Mardâs der Einladung Hassâns Folge leistete und abwesend war, worauf er mit seinen Degen die Banû Kahtân überfiel und einen Teil ihrer Kämpen erschlug, während sich der Rest in die Berge flüchtete. Gharîb aber und sein Bruder Sahîm el-Leil waren gerade mit hundert Mann zur Pirsche ausgeritten und kehrten erst gegen die Mittagszeit wieder heim, als sie gewahrten, daß El-Hamal mit seinen Leuten das Lager mit allem, was sich darin befand, erobert und die Mädchen geraubt hatte, unter denen sich auch Mahdîje, Mardâs Tochter, befand, die El-Hamal mit dem Gefangenentroß vor sich her trieb. Bei diesem Anblick verlor Gharîb fast den Verstand und schrie seinem Bruder Sahîm el-Leil zu: »Gott verdamm deine Mutter, sie haben unser Lager geplündert und den HaremDer Harem, arabisch Harîm, sind hier die Weiber und Kinder. entführt! Vorwärts wider den Feind, die Gefangenen und den Harem zu befreien!« Hierauf sprengten Gharîb und Sahîm el-Leil mir ihren hundert Mann wider die Feinde, und mit wachsendem Grimm mähte Gharîb die Häupter und kredenzte den Degen den Becher des Todes, bis er nahe an El-Hamal herankam und El-Mahdîje unter den Gefangenen erblickte. Da berannte er El-Hamal und versetzte ihm einen Streich, daß er von seinem Rosse zu Boden kegelte; und, ehe noch die Zeit des Nachmittagsgebets kam, hatte er die Mehrzahl der Feinde erschlagen und den Rest in die Flucht getrieben, worauf er mit den befreiten Gefangenen und mit El-Hamals Haupt auf seiner Lanzenspitze zu den Zelten heimkehrte, indem er dabei folgende Verse sang:

Ich bin's, der bekannt ist am Tag des Gefechts,
Und die Dschinn erbeben vor meinem Phantom.
Ich hab' ein Schwert, wenn die Rechte es schwingt,
So saust von der Linken der Tod einher;
Eine Lanze auch hab ich, und wer sie erschaut,
Der sieht einen eisernen Halbmond an ihr.
Und ich heiße Gharîb, der Held meines Stamms,
Und bin unverzagt, so gering meine Schar.« 65

Kaum hatte Gharîb sein Lied beendet, da kam Mardâs an und sah die Erschlagenen umherliegen und die Vögel über ihnen zur Rechten und Linken kreisen, so daß ihm der Verstand fortflog und das Herz erbebte. Als ihm aber Gharîb nach Beglückwünschung zu seiner wohlbehaltenen Heimkehr alles, was das Stammlager während seiner Abwesenheit befallen hatte, erzählte, sagte Mardâs: »Die Erziehung ist nicht an dir verloren, Gharîb.« Alsdann kehrte er in sein Zelt ein, die Männer stellten sich um ihn, und alle Stammesleute priesen Gharîb und sprachen: »O unser Emir, ohne Gharîb wäre kein einziger vom ganzen Stamm entkommen;« worauf Mardâs ihm von neuem für seine Heldenthat dankte.

Sechshundertundsechsundzwanzigste Nacht.

Als aber Gharîb Mahdîje aus El-Hamals Hand befreite und ihn selber tötete, ward er von dem Pfeil ihres Blickes getroffen und fiel in das Netz der Liebe, so daß sein Herz sie nicht mehr vergessen konnte, und er, in Verlangen und Sehnsucht versunken, des Schlafes Süße mied und weder an Speise noch Trank Gefallen fand. An Stelle dessen pflegte er vielmehr von nun an sein Roß hoch auf die Berge zu treiben und dort Verse vorzutragen, um erst gegen Abend wieder heimzukehren; und die Spuren seiner Verliebtheit und Liebestollheit wurden an ihm sichtbar. Einem seiner Freunde teilte er sein Geheimnis mit, und so ward es im ganzen Lager ruchbar, bis es auch Mardâs zu Ohren kam, der bei der Kunde hiervon donnerte und blitzte, aufsprang und sich setzte, schnaubte und schnarchte, Sonne und Mond schmähte und sagte: »Das ist der Lohn für einen, der Bankerte aufzieht! Jedoch, wenn ich Gharîb nicht töte, so will ich mit Schande bedeckt sein.« Alsdann pflog er mit einem der Weisen seines Stammes des Rates und teilte ihm seinen Plan, Gharîb zu töten, mit, worauf derselbe versetzte: »O Emir, erst gestern hat er deine Tochter aus der Gefangenschaft befreit; muß er durchaus sein Leben lassen, so laß es 66 durch eines andern Hand geschehen, daß dich keiner in Verdacht hat.« Da entgegnete Mardâs: »So weise mir einen Weg, ihn zu töten, denn nur von dir weiß ich mir seinen Tod.« Er erwiderte: »O Emir, warte, bis er auf Jagd ausreitet, und leg ihm mit hundert Mann in einer Höhle einen Hinterhalt; zieht er dann achtlos vorüber, so überfallet ihn und hauet ihn in Stücke; so wirst du von der Schande befreit sein.« Mardâs versetzte: »So ist's recht;« alsdann las er aus seinem Stamm einhundertundfünfzig Ritter, trutzige Amalekiter, aus und fachte und feuerte sie an, Gharîb zu töten. Nachdem er so lange gewartet hatte, bis Gharîb auf die Jagd ausgezogen und tief in die Thäler und Berge geritten war, brach er mit seinen Schandgesellen auf und legte ihm am Wege einen Hinterhalt, um ihn auf seiner Heimkehr zu überfallen und erschlagen. Als aber Mardâs mit seinen Gesellen zwischen den Bäumen auf der Lauer lag, wurden sie plötzlich von fünfhundert Amalekitern überfallen, welche sechzig von ihnen erschlugen, die übrigen neunzig gefangen nahmen und Mardâs die Arme auf dem Rücken fesselten. Der Grund hiervon war aber folgender: Als El-Hamal und seine Leute erschlagen waren, flohen die Entronnenen zu seinem Bruder und teilten ihm das Vorgefallene mit, worauf derselbe, von den Schrecken des jüngsten Tages überfallen, die Amalekiter versammelte und aus ihrer Anzahl fünfhundert Ritter auserwählte, von denen ein jeder fünfzig Ellen in der Länge maß. Alsdann machte er sich auf, seines Bruders Blut zu rächen, bis er auf Mardâs und seine Degen stieß, worauf sich unter ihnen das obenerwähnte zutrug.

Als nun Mardâs samt seinen Leuten gefangen genommen war, lagerte sich El-Hamals Bruder samt seinen Mannen und befahl ihnen der Ruhe zu pflegen, indem er zu ihnen sprach: »Leute, die Götzen haben uns leichte Blutrache gegeben; hütet daher Mardâs und seine Leute, bis ich sie fortführe und sie des schmählichsten Todes sterben lasse.«

Als Mardâs sich gefesselt sah, bereute er sein Thun und 67 sprach: »Das ist der Lohn für den Frevel!« und er und alle seine Leute verzweifelten, des Todes gewiß, am Leben, während El-Hamal und die Seinigen in ihrer Siegesfreude schliefen.

Soviel mit Bezug auf Mardâs; Sahîm el-Leil aber, welcher verwundet worden war, begab sich zu seiner Schwester Mahdîje, die sich vor ihm erhob, ihm die Hände küßte und zu ihm sagte: »Mögen deine Hände nie verdorren und mögen deine Feinde sich nimmer freuen! Ohne dich und Gharîb wären wir nie unsern Feinden aus der Gefangenschaft entronnen. Doch, wisse, mein Bruder, dein Vater ist mit einhundertundfünfzig Reitern ausgezogen, um Gharîb zu ermorden, und du weißt, daß es um Gharîb schade sein würde, da er es war, der eure Ehre schützte und euer Gut befreite.« Als Sahîm diese Worte vernahm, ward das helle Licht Finsternis in seinem Angesicht; er wappnete sich und, sein Roß besteigend, suchte er die Stätte auf, an welcher sein Bruder jagte. Er traf ihn bereits mit großer Beute an und, ihn begrüßend, sagte er zu ihm: »Mein Bruder, gehst du fort, ohne mir etwas davon zu sagen?« Gharîb versetzte: »Bei Gott, nichts hinderte mich daran als allein, daß ich dich verwundet sah und dir Ruhe gönnen wollte.« Da sagte Sahîm: »Mein Bruder, hüte dich vor meinem Vater,« und erzählte ihm, daß er mit hundertundfünfzig Mann ausgeritten wäre, um ihn zu ermorden. Gharîb entgegnete: »Gott wird seine Tücke in seinen eignen Hals werfen.« Hierauf kehrten Gharîb und Sahîm nach den Zelten zurück, doch überraschte sie der Abend, und sie ritten weiter, bis sie zum Wadi gelangten, in welchem die Feinde lagerten. Als sie das Wiehern der Rosse durch die Finsternis der Nacht vernahmen, sagte Sahîm: »Hier liegt mein Vater mit seinen Leuten im Wadi im Hinterhalt, laß uns daher aus dem Wadi fortmachen.« Gharîb jedoch stieg von seinem Pferd und sagte zu seinem Bruder, indem er ihm den Zügel zuwarf: »Bleib an deinem Platz stehen, bis ich zu dir zurückkehre.« Hierauf ging er fort, bis er nahe an die Krieger kam und fand, daß sie nicht von 68 seinem Stamm waren; vielmehr hörte er sie von Mardâs reden und sprechen: »Wir wollen ihn erst in unserm Lande töten.« Hieraus erkannte er, daß sein Oheim Mardâs gefangen genommen war und sprach: »Bei Mahdîjes Leben, ich gehe nicht eher von hier fort, als ich ihren Vater befreit habe, damit sie sich nicht betrübt!« Alsdann suchte er so lange umher, bis er auf Mardâs stieß, der mit Stricken gefesselt dalag, und sprach zu ihm, sich an seine Seite setzend: »Gott befreie dich aus dieser Schmach und diesen Fesseln!« Als Mardâs Gharîb erblickte, flog ihm der Verstand, und er sagte: »O mein Sohn, ich begebe mich in deinen Schutz, befreie mich um des Anrechts der Erziehung willen, das ich auf dich habe.« Gharîb versetzte: »Wenn ich dich befreie, wirst du mir dann Mahdîje geben?« Er erwiderte: »Mein Sohn, bei allem, was ich glaube, sie ist dein für alle Zeit.« Da löste er ihm die Fesseln, indem er zu ihm sagte: »Geh zu den Pferden, dein Sohn Sahîm ist dort.« Hierauf schlich sich Mardâs davon, bis er zu seinem Sohn Sahîm kam, der ihn erfreut zu seiner Rettung beglückwünschte, während Gharîb inzwischen einen nach dem andern löste, bis er die neunzig Mann losgebunden hatte, und alle fern vom Feinde waren. Alsdann schickte er ihnen die Waffen und Pferde und sagte zu ihnen: »Setzet euch auf, verteilet euch rings um den Feind und erhebt das Feldgeschrei: »O Haus Kahtân!« Dann weichet wieder zurück und verteilt euch rings um sie.«

Und so wartete Gharîb bis zum letzten Drittel der Nacht, als er rief: »O Haus Kahtân!« worauf seine Leute wie mit einer Stimme dasselbe Feldgeschrei erhoben, daß die Berge wiederhallten, und die Feinde, im Glauben, der ganze Stamm Kahtân habe sie überfallen, alle zu den Waffen griffen und übereinander herfielen. 69

Sechshundertundsiebenundzwanzigste Nacht.

Gharîb aber und seine Leute hielten sich währenddem zurück, bis der Morgen anbrach, worauf er mit Mardâs und den neunzig Degen den Rest der Feinde, die sich noch nicht selber niedergemetzelt hatten, angriff und teils erschlug, teils in die Flucht trieb. Alsdann kehrten die Banû Kahtân mit den herrenlosen Rossen und den Waffen der Erschlagenen zu ihrem Lager zurück, während Mardâs kaum an seine Befreiung zu glauben vermochte. Als sie das Lager erreichten, kamen ihm die Zurückgebliebenen entgegen und freuten sich über ihre Rettung, worauf sie in ihre Zelte einkehrten. Auch Gharîb suchte sein Zelt auf, und die Stammesjünglinge versammelten sich bei ihm, und Groß und Klein begrüßte ihn. Als aber Mardâs die Jünglinge rings um Gharîb erblickte, haßte er Gharîb noch mehr als zuvor und sagte zu seinen Blutsverwandten: »Der Haß wider Gharîb schwillt über in meinem Herzen, und nichts quält mich so, als daß ich diese Burschen rings um ihn geschart sehe; und morgen wird er Mahdîje von mir begehren.« Da sagte sein Ratgeber zu ihm: »O Emir, verlange etwas von ihm, was er nicht ausführen kann.« Erfreut über diesen Rat, verbrachte Mardâs die Nacht bis zum Morgen, worauf er sich auf sein Polster setzte, während die Araber ihn rings umgaben; dann erschien Gharîb mit seinen Mannen, umgeben von den Jünglingen und näherte sich Mardâs, bis er vor ihm die Erde küßte. Erfreut über ihn, erhob er sich vor ihm und ließ ihn an seiner Seite Platz nehmen; Gharîb aber sprach zu ihm: »Oheim, du hast mir ein Versprechen gegeben, erfülle es nun.« Mardâs erwiderte: »Mein Sohn, sie ist für alle Zeit die Deine, jedoch hast du wenig Gut.« Gharîb entgegnete: »Oheim, verlange von mir, was du willst, daß ich die Emire der Araber in ihren Heimstätten und die Könige in ihren Städten überfalle und dir genug Gut bringe, um damit das Land vom Osten bis zum Westen zu verrammeln.« Da sagte Mardâs: »Mein Sohn, ich schwur bei allen Götzen, Mahdîje nur 70 demjenigen zu geben, der mir Blutrache verschaffen und meine Schande austilgen würde.« Gharîb versetzte: »Sprich, mein Oheim, an welchem der Könige hast du die Blutrache zu vollstrecken, daß ich wider ihn ausziehe und seinen Thron auf seinem Schädel zerbreche?« Mardâs entgegnete: »O mein Sohn, ich hatte einen Sohn, einen Degen unter den Degen, der einst mit hundert Kämpen auf die Jagd auszog und von Wadi zu Wadi zog, bis er tief in die Berge gelangte und zu dem Blumenthal und dem Schloß des Ham bin Scheith bin Schaddâd bin Chalad kam. An jenem Orte aber, mein Sohn, haust ein schwarzer Riese von siebzig Ellen Länge, der mit Bäumen kämpft, indem er die Bäume aus der Erde reißt. Als nun mein Sohn in jenes Wadi gelangte, zog der Riese wider ihn aus und erschlug ihn und seine hundert Degen bis auf drei, die ihm entrannen und uns die Kunde von dem Vorgefallenen überbrachten. Da versammelten sich die Degen, und wir zogen zum Streit wider ihn aus, doch vermochten wir nichts wider ihn, so daß ich die Blutrache für meinen Sohn nicht vollstrecken konnte; und so schwur ich, meine Tochter nur mit dem zu verheiraten, der meines Sohnes Blut rächen würde.«

Als Gharîb Mardâs' Worte vernommen hatte, sagte er: »Oheim, ich will wider diesen Amalekiter ausziehen und deines Sohnes Blut mit Gottes, des Erhabenen, Hilfe rächen;« und Mardâs erwiderte: »Gharîb, wenn du ihn bezwingst, wirst du soviel Schätze und Güter bei ihm erbeuten, als Feuer nicht verzehren kann.« Da sagte Gharîb: »Beschwöre mir vor Zeugen, daß du sie mir zur Gattin giebst, auf daß mein Herz sich stärkt zur Fahrt nach meinem Gut.« Da schwur er es ihm unter Zeugenschaft der Stammesältesten, worauf Gharîb erfreut, seine Wünsche erreicht zu haben, fortging und seine Mutter besuchte, der er alles erzählte. Seine Mutter erwiderte: »Mein Sohn, wisse, Mardâs haßt dich und schickt dich nur in jenes Gebirge, um mich deiner zu berauben. Nimm mich mit und laß uns auswandern aus 71 den Zelten dieses Tyrannen.« Gharîb entgegnete jedoch: »Meine Mutter, ich ziehe nicht eher von hier fort als bis ich meinen Wunsch erreicht und meinen Feind bezwungen habe.« Alsdann verbrachte er die Nacht, bis der Morgen anbrach, und es licht ward und tagte. Kaum aber hatte er sein Roß bestiegen, da kamen auch schon seine jungen Freunde, zweihundert trutzige Reitersgesellen, starrend in Waffen und Wehr, herbei und riefen ihm zu: »Nimm uns mit, wir wollen dir helfen und dir unterwegs Gesellschaft leisten.« Da rief Gharîb erfreut: »Gott lohne es euch an unserer Stelle mit Gutem! Wohlan denn, meine Freunde, auf zur Fahrt!«

Und so ritt denn Gharîb inmitten seiner Gefährten einen Tag und noch einen, worauf sie sich gegen Abend am Fuße eines hohen Gebirges lagerten und ihre Pferde fütterten.« Gharîb aber ging fort und wanderte ins Gebirge hinein, bis er zu einer Höhle gelangte, von welcher ein Lichtschein ausging. Da trat er in dieselbe hinein und gewahrte am andern Ende derselben einen Scheich von dreihundertundvierzig Jahren, dessen Augenbrauen und Schnauzbart über Augen und Mund fielen. Bei seinem Anblick wurde Gharîb von Scheu und Ehrfurcht ergriffen, der Scheich aber sagte zu ihm: »Mir scheint es, mein Sohn, als ob du zu den Ungläubigen gehörtest, die da Steine verehren anstatt des allgewaltigen Königs, des Schöpfers von Tag und Nacht und der kreisenden Sphäre?« Als Gharîb die Worte des Scheichs vernahm, zitterten seine Halsmuskeln, und er sprach: »O Scheich, wo ist dieser Herr, daß ich ihm diene und mich satt schaue an seinem Bilde?« Der Scheich versetzte: »Mein Sohn, dies ist der große Herr, den niemand in der Welt schaut; er sieht, doch wird er nicht gesehen. Er ist von Angesicht der Erhabenste und ist aller Orten gegenwärtig in seiner Werke Spuren. Ins Sein ruft er das Seiende; er ist's, der die Zeit anberaumte, er ist der Schöpfer der Menschen und Dschinn und der Entsender der Propheten, auf daß sie die Geschöpfe auf den rechten Weg leiten. Wer ihm gehorcht, 72 den führt er ins Paradies, und wer sich ihm widersetzt, den wirft er ins höllische Feuer.« Da fragte Gharîb: »Oheim, was muß man sprechen, so man diesem großen Herrn dienen will, der da Macht hat über alle Dinge?« »O mein Sohn,« versetzte der Scheich, »siehe, ich bin vom Volke Ad, welche rebellisch waren im Lande und nicht an Gott glaubten. Da entsandte Gott einen Propheten zu ihnen, Namens Hûd, den sie für einen Lügner erklärten, worauf Gott sie durch einen todbringenden Wind vernichtete. Nur ich und einige von meinem Volke, die wir glaubten, entrannen der Strafe. Alsdann war ich bei dem Volke Thamûd und sah, was sich mit ihnen und ihrem Propheten Sâlih zutrug. Nach Sâlih sandte Gott, der Erhabene, einen Propheten, Namens Abraham, den Freund, zu Nimrod, dem Sohn des Kanaan, und es trug sich mit ihm zu, was sich mit ihm zutrug. Dann starben meine Volksgenossen, die gläubig geworden waren, und ich diente seit jener Zeit Gott in dieser Höhle, und Gott, der Erhabene, versorgt mich ohne mein Zuthun.« Da fragte Gharîb von neuem: »Oheim, was muß ich sprechen, um zur Schar dieses großen Herrn zu gehören?« Der Scheich versetzte: »Sprich: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham ist Gottes Freund.« Da bekannte sich Gharîb mit Herz und Mund zum Islam, und der Scheich sagte zu ihm: »Mag die Süße des Islams und des Glaubens festgegründet stehen in deinem Herzen!« Nachdem er ihn dann noch in einigen der göttlichen Verordnungen und Schriften unterwiesen hatte, fragte er ihn: »Wie ist dein Name, mein Sohn?« Er erwiderte: »Ich heiße Gharîb.« Dann fragte er ihn: »Wohin willst du ziehen, Gharîb?« worauf Gharîb ihm alles, was sich ihm zugetragen hatte, von Anfang bis zu Ende erzählte, bis er auch den GhûlGhûl ist hier wie bereits in der Sindbadgeschichte fast identisch mit Menschenfresser. des Berges erwähnte, den zu suchen er ausgezogen war. 73

Sechshundertundachtundzwanzigste Nacht.

Da sagte der Scheich zu ihm: »O Gharîb, bist du verrückt, daß du allein wider den Ghûl vom Berge ausziehen willst?« Gharîb erwiderte: »Mein Herr, ich habe zweihundert Reitersleute bei mir.« Der Scheich versetzte jedoch: »O Gharîb, wenn du auch zehntausend bei dir hättest, du vermöchtest nichts wider ihn, da sein Name lautet: »der Ghûl, der die Menschen frißt, wir bitten zu Gott um Rettung«. Er gehört zu den Kindern Ham, und sein Vater Hindī besiedelte Indien und gab ihm den Namen; er hinterließ diesen Sohn und nannte ihn Saadân der Ghûl. Derselbige war schon zu Lebzeiten seines Vaters ein widerspenstiger Tyrann und ein rebellischer Satan, der nur von Menschenfleisch lebte; als es ihm sein Vater verbot, kehrte er sich nicht daran, sondern ward immer gottloser, so daß ihn sein Vater verstieß und nach Kämpfen und schweren Mühen aus dem Lande El-Hind vertrieb. Da kam er in dieses Land und haust hier nun, nachdem er sich in einer Festung verschanzt hat, von wo aus er jedem, der da kommt und geht, den Weg verlegt, worauf er dann wieder in seine Burg, die sich in diesem Wadi befindet, heimkehrt. Überdies hat er fünf Söhne gezeugt, handfeste trutzige Gesellen, von denen jeder einzelne seine tausend Degen steht, und er hat soviel Gut und Beute, Pferde, Kamele, Rinder und Schafe zusammengeraubt, daß das ganze Wadi damit vollgestopft ist. Ich bin deshalb besorgt für dich, und du, bitte Gott, den Erhabenen, durch das Bekenntnis der Einheit um Hilfe wider ihn, und rufe beim Angriff auf die Heiden »Gott ist groß!« denn dieses Bekenntnis macht die Ungläubigen zu schanden.« Hierauf gab der Scheich Gharîb eine Keule aus Stahl von einem Gewicht von hundert Pfund, an welcher zehn Ringe hingen, welche wie der Donner rasselten, wenn sie ihr Träger schwang; ferner gab er ihm ein aus einem Donnerkeil geschmiedetes, 74 damasziertesSo auch in der 102. Nacht anstatt edelsteinbesetzt. Schwert von drei Ellen Länge und drei Spannen Breite, welches mit einem Streich einen Felsen zerhieb, und einen Panzer, einen Schild und ein Buch und sagte zu ihm: »Kehr heim zu deinem Volk und unterbreite ihm den Islam.« Da schritt Gharîb, erfreut Moslem geworden zu sein, hinaus und wanderte zu seinen Gefährten zurück, die ihm mit dem Salâm empfingen und ihn fragten: »Weshalb bist du so lange ausgeblieben?« Nun erzählte er ihnen sein Abenteuer von Anfang bis zu Ende und setzte ihnen den Islam auseinander, worauf sie allzumal Moslems wurden. Nachdem sie dann die Nacht bis zum Morgen geruht hatten, stieg Gharîb zu Pferd und ritt zum Scheich, um von ihm Abschied zu nehmen; alsdann kehrte er wieder zu seinen Gefährten zurück, als mit einem Male ein ganz in Eisen starrender Reitersmann, von dem man nur die Augenwinkel schauen konnte, herankam und wider Gharîb mit den Worten setzte: »Zieh aus, was du an dir hast, du Araberwicht, oder ich blas' dir aus dein Lebenslicht!« Da setzte auch Gharîb wider ihn, und nun entbrannte zwischen ihnen ein Kampf, Säuglinge grau zu machen und harte Felsen mit seinen Schrecken zu zerschmelzen, bis der Beduine den Schleier lüftete; und siehe, da war es Gharîbs Bruder Sahîm el-Leil, der Sohn des Mardâs von seiner Mutter. Der Grund aber, weshalb er ausgezogen und an jenen Ort gekommen war, lag darin, daß er, als Gharîb wider den Ghûl vom Berge ausgezogen war, abwesend gewesen war. Als er wieder zurückgekehrt war und Gharîb nicht sah, suchte er seine Mutter auf und fragte sie, als er sie weinend antraf, nach der Ursache ihrer Thränen, worauf sie ihm von seines Bruders Ausfahrt erzählte. Da wappnete er sich sofort, ohne sich die geringste Ruhe zu gönnen, und machte sich auf seinem Roß auf den Weg, bis er seinen Bruder einholte, worauf sich zwischen ihnen das obenerwähnte zutrug. Als nun Sahîm sein Antlitz entschleierte, erkannte ihn Gharîb 75 und fragte ihn, nachdem er ihn begrüßt hatte: »Was hat dich hierzu bewogen?« Sahîm versetzte: »Ich wollte mich mit dir auf dem Plan messen und meinen Wert im Hauen und Stechen erproben.« Hierauf ritten sie weiter, wobei Gharîb Sahîm den Islam auseinandersetzte und dieser ihn annahm, bis sie nahe an das Wadi gelangten. Als nun der Ghûl vom Berge die Staubwolke des Reitertrupps gewahrte, sagte er zu seinen Söhnen: »Meine Söhne, steiget zu Pferd und bringt mir die Beute dort.« Da stiegen die Fünf zu Pferd und ritten wider sie; als aber Gharîb die fünf Amalekiter auf sich und seine Schar lossprengen sah, spornte er sein Roß an und rief: »Wer seid ihr, was ist eure Art, und was begehrt ihr?« Da setzte ihm Falhûn, der Sohn Saadâns des Ghûls vom Berge, der älteste seiner Söhne, entgegen und rief: »Steigt herunter von eueren Rossen und fesselt einander die Hände auf dem Rücken, auf daß wir euch zu unserem Vater treiben, damit er die einen von euch bratet und die andern kocht, denn seit langer Zeit schon hat er kein Menschenfleisch gekostet.« Als Gharîb diese Worte vernahm, setzte er wider Falhûn, indem er dabei seine Keule schüttelte, daß ihre Ringe wie der hallende Donner rasselten und Falhûn verwirrt wurde. Dann versetzte ihm Gharîb mit der Keule einen leichten Schlag zwischen die Schultern, von dem er wie ein hochstämmiger Palmenbaum zu Boden stürzte, worauf Sahîm und einige seiner Gefährten sich auf ihn warfen, ihm die Hände auf dem Rücken zusammenbanden und ihm dann ein Seil um den Hals warfen, an dem sie ihn wie eine Kuh schleiften. Als seine Brüder ihn gefangen sahen, setzten sie wider Gharîb los, doch nahm er drei von ihnen gefangen, während der fünfte der Brüder entrann und zu seinem Vater flüchtete, der ihn fragte: »Was bringst du Neues, und wo sind deine Brüder?« Er versetzte: »Ein glattwangiger Knabe von vierzig Ellen Länge hat sie gefangen genommen.« Als der Ghûl vom Berge seines Sohnes Worte vernahm, rief er: »Die Sonne sende keinen Segen 76 auf euch!« Hierauf stieg er von der Burg hinunter und entwurzelte einen mächtigen Baum, mit dem er sich, gefolgt von seinem Sohn, zu Fuß gegen Gharîb und seine Schar aufmachte, da ihn wegen seiner Leibesgröße kein Pferd getragen hätte. Als beide nahe an Gharîb herangekommen waren, griff er, ohne ein Wort zu verlieren, die Leute an und zermalmte fünf Mann mit seinem Baum auf einen Schlag. Dann griff er Sahîm an und holte mit dem Baum nach ihm aus, doch wich Sahîm dem Streich aus, so daß er vorbei ging. Da warf der Ghûl ergrimmt den Baum aus der Hand und, auf Sahîm sich stürzend, packte er ihn, wie der Sperber einen Spatz zu packen bekommt. Wie nun aber Gharîb seinen Bruder in der Hand des Ghûls sah, rief er: »Gott ist groß! O du Ruhm Abrahams des Freundes, des Gepriesenen, – Gott segne ihn und spende ihm Heil!«

Sechshundertundneunundzwanzigste Nacht.

Alsdann lenkte er sein Roß wider den Ghûl vom Berge und, seine Keule schüttelnd, daß die Ringe laut rasselten, rief er noch einmal: »Gott ist groß!« und versetzte dem Ghûl einen Keulenschlag auf seine Rippen, daß er besinnungslos zu Boden stürzte und Sahîm aus seinen Händen ließ; und, ehe er noch wieder zum Bewußtsein kam, fand er sich gebunden und gefesselt. Als sein Sohn ihn gefangen sah, kehrte er den Rücken zur Flucht, Gharîb setzte jedoch mit seinem Roß ihm nach und versetzte ihm einen Streich mit der Keule zwischen die Schultern, daß er von seinem Roß stürzte, worauf er ihm ebenso wie seinem Vater und seinen Brüdern die Hände auf dem Rücken fesselte. Nachdem sie dann noch alle an Stricke gelegt hatten, zogen sie sie wie Kamele hinter sich her, bis sie zur Burg gelangten, welche sie voll von allerlei Gütern und Kostbarkeiten fanden, nebst zwölfhundert gebundenen und gefesselten Persern. Gharîb setzte sich nun auf den Thron des Ghûls vom Berge, der ursprünglich von Sâs bin Scheith bin Schaddâd bin Ad herrührte, und ließ seinen 77 Bruder Sahîm zu seiner Rechten stehen, während seine Gefährten teils zur Rechten teils zur Linken von ihm Posto faßten. Hierauf befahl er, den Ghûl vom Berge vor ihn zu führen und sprach zu ihm: »Wie befindest du dich jetzt, Verruchter?« Er erwiderte: »Mein Herr, im übelsten Zustand der Erniedrigung und des Elends; ich und meine Söhne, wir sind wie Kamele mit Stricken gefesselt.« Gharîb versetzte: »Ich will, daß ihr eintretet in meinen Glauben, den Glauben des Islams, und daß ihr die Einheit des allwissenden Königs bekennet, des Schöpfers von Licht und Finsternis und aller Dinge. Es giebt keinen Gott außer ihm, dem vergeltenden König. Ebenso sollt ihr das Prophetentum des Freundes Abraham – Frieden sei auf ihm! – bekennen.« Da bekannten sich der Ghûl vom Berge und seine Söhne in schönster Weise zum Islam, worauf Gharîb ihnen die Stricke zu lösen befahl. Weinend traten nun Saadân und seine Söhne an Gharîb heran und wollten ihm die Füße küssen, er aber wehrte es ihnen, worauf sie sich den andern, die vor ihm standen, zugesellten. Alsdann rief Gharîb: »Saadân!« Er erwiderte: »Zu Diensten, mein Herr;« worauf Gharîb ihn fragte: »Was sind das für Perser?« Saadân versetzte: »O unser Herr, sie sind mein Wild aus dem Lande Persien und sind nicht das einzige.« Da fragte Gharîb: »Wer ist noch bei ihnen?« Der Ghûl erwiderte: »Mein Herr, bei ihnen ist noch die Tochter des Königs Sābûr von Persien, Fachr TâdschKronenruhm. geheißen, nebst hundert Mädchen gleich Monden.« Als Gharîb Saadâns Worte vernahm, verwunderte er sich und fragte: »Wie kamst du zu diesen?« Er erwiderte: »O Emir, ich zog einmal mit meinen Söhnen und fünf meiner Diener aus; da uns jedoch kein Wild in den Weg lief, zerstreuten wir uns über die Steppen und Wüsten, bis wir uns auf unserm Umherziehen nach Beute, um nicht mit leeren Händen heimzukehren, plötzlich im 78 Perserland befanden. Da gewahrten wir mit einem Male eine Staubwolke, und als wir nun einen unserer Sklaven ausschickten, den Sachverhalt klar zu stellen, kehrte derselbe nach einer Weile zurück und sagte: »Mein Herr, das ist die Königin Fachr Tâdsch, die Tochter des Königs Sābûr von Persien, Turkistan und Deilam mit einem Geleit von zweitausend Mann zu Pferd; und sie sind unterwegs.« Da sagte ich zum Sklaven: »Du hast uns mit guter Botschaft erfreut, denn eine prächtigere Beute konnten wir nicht finden.« Hierauf griff ich mit meinen Söhnen die Perser an, und wir erschlugen ihrer dreihundert und nahmen zwölfhundert gefangen, worauf wir die Tochter des Königs Sābûr samt allen Gütern und Kostbarkeiten, die sie bei sich hatte, als Beute auf diese Burg brachten.« Als Gharîb Saadâns Worte vernommen hatte, fragte er ihn: »Hast du der Königin Fachr Tâdsch etwas zu Leide gethan?« Saadân erwiderte: »Nein, bei deines Hauptes Leben und bei dem Glauben, den ich angenommen habe!« Da entgegnete Gharîb: »Das war gut gethan, Saadân, dieweil ihr Vater der König der Welt ist und sicherlich Truppen hinter ihr her senden und die Wohnungen ihrer Räuber verwüsten wird; und wer das Ende nicht bedenkt, der hat am Schicksal keinen Freund. Wo aber ist das Mädchen, Saadân?« Er erwiderte: »Ich bestimmte für sie und ihre Mädchen ein besonderes Schloß.« Gharîb versetzte: »Zeig mir ihre Wohnung.« Saadân erwiderte: »Ich höre und gehorche.« Alsdann erhoben sich Gharîb und Saadân der Ghûl und gingen, bis sie zum Schloß der Königin Fachr Tâdsch gelangten, wo Gharîb sie betrübt und niedergeschlagen antraf, und weinend über die frühere Macht und ihr einstiges angenehmes Leben. Bei ihrem Anblick glaubte Gharîb den Mond nahe vor sich zu schauen und verherrlichte Gott, den Allhörenden, Allwissenden.« Als aber Fachr Tâdsch ihre Augen zu ihm erhob und in ihm einen Ritter wie einen Fürsten erschaute, zwischen dessen Augen die Tapferkeit leuchtete, für ihn zeugend und nimmer wider ihn, erhob sie sich 79 vor ihm und küßte ihm die Hände, worauf sie sich ihm zu Füßen warf und zu ihm sagte: »O Degen der Zeit, ich begebe mich unter deinen Schutz; schütze mich vor diesem Ghûl, denn ich fürchte, daß er mir die Mädchenschaft nimmt und mich hernach auffrißt. Nimm mich zu dir, daß ich deine Sklavinnen bediene.« Gharîb versetzte: »Du bist in Sicherheit und sollst zu deinem Vater und der Stätte deiner Macht wieder heimkehren.« Da wünschte sie ihm langes Leben und wachsenden Ruhm. Gharîb aber befahl nun die Bande der Perser zu lösen, und, als man sie befreit hatte, wendete er sich zu Fachr Tâdsch und fragte sie: »Was hat dich veranlaßt, aus deinem Palast in diese Steppen und Wüsten zu ziehen, daß dich Wegelagerer gefangen nahmen?« Sie erwiderte ihm: »Mein Herr, siehe, mein Vater und das Volk seines Königreiches, sowie die Bewohner von Turkistan und Deilam und die Magier dienen dem Feuer und nicht dem allmächtigen König. Nun haben wir in unserm Land ein Kloster, das Feuerkloster geheißen, bei welchen an jedem Fest die Töchter der Magier und der Feueranbeter zusammenkommen, um dort einen Monat lang, so lange als das Fest währt, zu bleiben, worauf sie wieder heimkehren. So zog ich wie gewöhnlich mit meinen Mädchen unter einer Bedeckung von zweitausend Berittenen, die mein Vater uns mitgab, aus, als dieser Ghûl uns überfiel und die einen von uns erschlug, die andern aber gefangen nahm und in diese Burg sperrte. Das ist's, was geschah, o tapferer Degen, und Gott schütze dich vor den Wechseln der Zeit!« Gharîb versetzte: »Fürchte dich nicht, ich will dich in dein Schloß und zur Stätte deiner Macht zurückführen.« Da segnete sie ihn und küßte ihm Hände und Füße. Hierauf verließ er sie, nachdem er befohlen hatte, sie mit allen Ehren zu behandeln, und schlief die Nacht über bis zum Morgen. Als er dann aufgestanden war, die Waschung vollzogen und das Gebet der zweimaligen Niederwerfung nach der Religion unsers Vaters, des Freundes Abraham, – Frieden sei auf ihm! – 80 vollzogen hatte, und nachdem in gleicher Weise der Ghûl samt seinen Söhnen und alle Gefährten Gharîbs hinter ihm gebetet hatten, wendete sich Gharîb zu Saadân und sprach zu ihm: »Saadân, willst du mir nicht das Blumenthal zeigen?« Er antwortete: »Ja, mein Herr.« Hierauf erhoben sich Saadân und seine Söhne, Gharîb und seine Gefährten und die Königin Fachr Tâdsch mir ihren Mädchen und zogen aus, während Saadân seinen Sklaven und Sklavinnen zu schlachten und zu kochen und ihnen das Frühmahl unter den Bäumen aufzutragen befahl. Er hatte nämlich einhundertundfünfzig Sklavinnen und tausend Sklaven, welche seine Kamele, Rinder und Schafe zu weiden hatten. Als nun Gharîb mit seinen Gefährten ins Blumenthal gelangte, fand er, daß es wunderbar schön war und von Bäumen in Gruppen und vereinzelt bestanden; dazu trillerten die Vögel ihre Weisen auf den Zweigen, der Sprosser antwortete mit süßen Melodien, die Holztaube erfüllte mit ihrem Gegirr die Wohnungen, –

Sechshundertunddreißigste Nacht.

die Nachtigall sang so schön wie ein Mensch, die Amsel pfiff so süß, wie es die Zunge nicht zu beschreiben vermag, die Turteltaube versetzte mit ihrem Gegirr die Menschen in Liebesraserei und der Ringeltaube antwortete der Papagei mit heller Stimme. Daneben waren von jeder Fruchtgattung zwei Arten vorhanden, Granatäpfel, sowohl süße als saure, die Mandelaprikose sowohl wie die Kampferaprikose und die Mandel von Chorāsân; die Pflaume, deren Gezweig sich mit den Ästen des Bân verstrickte, die Orange, deren Früchte feurigen Fackeln glichen, der Pampelnußbaum mit schwerbeladenen Zweigen, die Limone, ein Heilmittel für alle Appetitlosigkeit, die Citrone, die beste Medizin für Gelbsucht, und die Dattel, die rote sowohl wie die gelbe, das Werk Gottes, des Erhabenen. Von einer Stätte wie dieser singt der verliebte Poet: 81

Wenn die Vögel an ihrem Weiher ihre Weisen trillern,
Sehnt sich der Verliebte nach ihr in der Morgenfrühe.
Dem Paradiese gleicht sie mit ihren Düften,
Mit ihrem Schatten, den Früchten und den Wasserbächen.

Gharîb bewunderte das Wadi und befahl, das Zelt der Chosroin Fachr Tâdsch hier aufzuschlagen. Als sie seinen Befehl vollzogen und das Zelt mit prächtigen Polstern und Decken ausgestattet hatten, setzte sich Gharîb, worauf die Speisen aufgetragen wurden, und sie aßen, bis sie genug hatten. Dann rief Gharîb: »Saadân!« Er erwiderte: »Zu Diensten, mein Herr.« Nun fragte er: »Hast du etwas Wein bei dir?« Saadân versetzte: »Jawohl, ich habe eine Cisterne voll altem Edelwein.« Da befahl Gharîb: »So bring uns etwas davon;« worauf Saadân zehn seiner Sklaven ausschickte, die eine Menge Wein brachten. Da aßen sie und tranken und waren fröhlich und guter Dinge. Gharîb aber, der sich hierbei an Mahdîje erinnerte, trug folgende Verse vor:

Der Tage der Vereinigung gedenk ich, da ihr mir nahe waret,
Und lodernde Sehnsucht durchtobt mein Herz.
Bei Gott, nicht mit meinem Willen trennte ich mich von euch,
Doch die Wechsel der Zeit sind sonderbar.
Frieden und Heil und tausend Grüße euch
Von einem, der sich in Kümmernis verzehrt.

Drei Tage lang aßen und tranken und vergnügten sie sich in dem Blumenthal, worauf sie wieder in die Burg zurückkehrten. Alsdann rief Gharîb seinen Bruder Sahîm und sprach zu ihm: »Nimm hundert Reiter mit dir, kehre heim zu deinen Eltern und deinem Stamm, den Banû Kahtân, und bringe sie an diesen Ort, daß sie allezeit hier leben, während ich mit der Königin Fachr Tâdsch zu ihrem Vater nach Persien ziehe. Und du Saadân, bleib du mit deinen Söhnen in dieser Burg, bis wir zu dir zurückkehren.« Saadân versetzte: »Und warum willst du mich nicht mit nach Persien nehmen?« Gharîb erwiderte: »Weil du die Tochter 82 des Königs Sābûr von Persien raubtest; wenn sein Auge auf dich fällt, wird er dein Fleisch essen und dein Blut trinken.« Als der Ghûl vom Berge dies vernahm, lachte er laut, daß es wie der Donner hallte, und sagte: »Mein Herr, bei deines Hauptes Leben, wenn sich auch alle Perser und Deilamiten wider mich scharten, so würde ich ihnen den Becher der Vernichtung zu trinken geben.« Gharîb versetzte: »Wie du sagst, so ist es, bleib jedoch hier in deiner Burg, bis ich zu dir zurückkehre.« Nun erwiderte er: »Ich höre und gehorche;« alsdann zog Sahîm ab, und Gharîb selber machte sich mit seinen Gefährten von den Banû Kahtân und mit der Königin Fachr Tâdsch und ihrem Geleit nach dem Perserland zu den Städten des Königs Sābûr auf.

Soviel in Bezug auf diese; was nun aber den König Sābûr anlangt, so wartete er auf die Rückkehr seiner Tochter aus dem Feuerkloster; als sie jedoch zur festgesetzten Zeit nicht heimkehrte, entzündete sich ein Feuer in seinem Herzen. Nun hatte der König Sābûr vierzig Wesire, deren ältester, klügster und weisester Deidân hieß. Zu diesem sprach der König: »Wesir, meine Tochter säumt lange, wir haben nichts von ihr gehört, und doch ist der Termin ihrer Rückkehr bereits verstrichen. Schicke daher einen Eilboten nach dem Feuerkloster, daß er den Sachverhalt feststellt.« Der Wesir antwortete: »Ich höre und gehorche;« alsdann ging er hinaus und rief den Botenmeister, dem er befahl: »Mach dich sofort nach dem Feuerkloster auf.« Da machte sich dieser auf den Weg, als er aber im Feuerkloster anlangte und die Mönche nach der Tochter des Königs fragte, antworteten sie ihm: »Wir haben sie dies Jahr nicht gesehen.« So kehrte er unverzüglich wieder zur Stadt Isbānîr zurück und teilte dem Wesir die Sache mit, worauf der Wesir beim König Sābûr eintrat und ihn davon benachrichtigte. Da überfiel ihn der Schrecken des jüngsten Tages, und, die Krone zu Boden werfend und sich den Bart ausraufend, stürzte er ohnmächtig nieder. Man sprengte ihm Rosenwasser ins 83 Gesicht, und als er nun wieder zu sich kam, sprach er weinenden Auges und bekümmerten Herzens die Verse:

»Als ich getrennt von dir Geduld und Thränen herbeirief,
Kamen die Thränen gehorsam herbei doch nicht die Geduld.
Ach, wenn uns die Tage voneinander trennten,
Siehe, der Tage Kennzeichen ist ja Treulosigkeit.«

Hierauf rief er zehn seiner Hauptleute und befahl ihnen mit je tausend Mann Reitern nach einer andern Richtung auszureiten, um nach der Königin Fachr Tâdsch zu suchen; und so saßen sie auf und jeder Hauptmann zog mit seinem Trupp nach einer andern Richtung aus, während Fachr Tâdschs Mutter und ihre Sklavinnen schwarze Gewänder anlegten, sich Asche aufs Haupt streuten und weinend und jammernd dasaßen.

Sechshundertundeinunddreißigste Nacht.

Was aber Gharîb anlangt und die Abenteuer, die ihm auf der Fahrt zustießen, so war er zehn Tage lang unterwegs gewesen, als er am elften Tage eine Staubwolke gewahrte, die sich bis zu den Wolken des Himmels erhob. Da rief er den Emir der Perser und befahl ihm: »Verkundschafte uns jene Staubwolke dort.« Der Emir erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und spornte sein Roß an, bis er unter jene Staubwolke gelangte und eine Schar Volks erblickte. Auf seine Fragen entgegnete ihm einer der Leute: »Wir gehören zu den Banû Hattâl, und unser Emir heißt Samsâm, Sohn des El-Dscharrâh; wir sind auf einer Beutefahrt und zählen unser fünftausend Mann zu Pferd.« Da sprengte der Perser zurück zu Gharîb und vermeldete es ihm, worauf Gharîb seinen Mannen von den Banû Kahtân und den Persern zurief: »Zu den Waffen!« Da griffen sie zur Wehr und ritten den Arabern entgegen, die laut riefen: »Beute! Beute!« Gharîb aber rief laut: »Gott mach euch zu Schanden, ihr Araberhunde!« Gleich darauf sprengte er wider sie und prallte mit ihnen zusammen nach echter Degen 84 Art mit dem Ruf: »Allāh akbar – Gott ist groß! – Hoch der Glauben des Freundes Abraham – Frieden sei auf ihm!« worauf zwischen ihnen ein gewaltiger Kampf entbrannte und das Schwert bei vielem Geschrei von hüben und drüben die Runde machte. So stritten sie wider einander, bis der Tag wich und die Finsternis anbrach. Als sie dann voneinander abließen und Gharîb seine Mannen musterte, fand er, daß von den Banû Kahtân fünf und von den Persern dreiundsiebzig gefallen waren; auf Es-Samsâms Seite waren dagegen mehr als fünfhundert Reiter getötet. Auch Es-Samsâm stieg nun ab, doch hatte er weder zu Speise noch Schlaf Lust, sondern sprach zu seiner Schar: »Mein Lebenlang sah ich niemand streiten wie diesen Knaben, der bald zum Schwert und bald zur Keule greift; jedoch will ich ihm morgen auf dem Plan entgegentreten, will ihn herausfordern zur Schwert- und Lanzenstätte und will diese Araber vertilgen.« Als aber Gharîb zu den Seinigen zurückkehrte, kam ihm die Königin Fachr Tâdsch, weinend und entsetzt über die Schrecken, die sich abgespielt hatten, entgegen, küßte ihm den Fuß im Steigbügel und sagte zu ihm: »Mögen deine Hände nie verdorren, und mögen deine Feinde sich nimmer freuen, o Ritter der Zeit! Gelobt sei Gott, der dich heute errettet hat, und, wisse, daß ich für dich vor diesen Arabern in Furcht bin.« Als Gharîb ihre Worte vernahm, lachte er ihr ins Gesicht und sagte zu ihr, ihr Herz beruhigend und sie beschwichtigend. »Sei ohne Furcht, o Königin; wenn die Feinde auch diese ganze Wüste erfüllten, so würde ich sie doch durch die Kraft des höchsten Gottes vernichten.« Da dankte sie ihm und wünschte ihm Sieg über seine Feinde, worauf sie sich zu ihren Mädchen begab, während Gharîb sich die Hände wusch und vom Blut der Feinde reinigte; dann verbrachten sie wohlbewacht die Nacht. Am andern Morgen saßen die beiden Heere wieder auf und ritten auf den Plan; der erste, der dort anlangte, war Gharîb, welcher mit seinem Roß bis nahe an die Heiden sprengte und dann 85 rief: »Tritt jemand wider mich hinaus ins Feld, der kein Feigling ist?« Da trat ein gewaltiger Amalekiter, ein Sproß des Volkes Ad, wider ihn heraus und griff Gharîb mit den Worten an: »Du Araberwicht, nimm, was dir zukommt, und freue dich, daß deine letzte Stunde geschlagen hat.« Hierbei schwang er eine eiserne Keule von zwanzig Pfund Gewicht gegen Gharîb, der ihm jedoch auswich, so daß die Keule eine Elle tief in die Erde fuhr. Wie nun aber der Amalekiter sich infolge des Hiebes nach vorn bog, versetzte ihm Gharîb mit seiner Eisenkeule einen Streich, der ihm die Stirn einschlug, so daß er zu Boden stürzte; und Gott jagte seine Seele ins höllische Feuer. Hierauf tummelte sich Gharîb unter den Feinden umher und forderte neue Kämpen heraus, doch erschlug er auch den zweiten, und dritten und zehnten, kurz alle, die wider ihn antraten. Als nun die Heiden sahen, wie Gharîb stritt und Schläge austeilte, wichen sie ihm aus und zogen sich zurück, so daß ihr Emir ihnen zurief: »Gott segne euch nicht, ich will selber wider ihn auf den Plan treten.« Alsdann wappnete er sich und trieb sein Roß an, bis er mitten auf dem Plan vor Gharîb hielt und ihm zurief: »Wehe dir, Araberhund, bist du so vermessen geworden, daß du wider mich auf den Plan trittst und meine Kämpen erschlägst?« Gharîb versetzte: »Vorwärts zum Kampf, und räche das Blut der erschlagenen Ritter.« Da griff Es-Samsâm Gharîb an, der ihn mit frohgeschwellter Brust und siegesfreudigem Herz empfing und Keulenschlag um Schlag mit ihm tauschte, daß die beiden Heere ganz verwirrt waren und aller Augen ängstlich nach ihnen schauten, während sie sich auf dem weiten Plan tummelten. Da versetzten sie einander wieder zwei Schläge; Gharîb wich jedoch dem Streich seines Gegners aus, während sein Schlag auf Es-Samsâm niederfuhr und ihm die Brust einschlug, daß er tot zu Boden stürzte. Da griff seine ganze Heerschar Gharîb auf einmal an, Gharîb aber griff sie gleichfalls mit dem Ruf an: »Gott ist groß! Er hat uns Sieg und Hilfe verliehen und 86 die Ungläubigen im Stich gelassen, die den Glauben Abrahams des Freundes – Frieden sei auf ihm! – verwerfen.«

Sechshundertundzweiunddreißigste Nacht.

Als die Heiden den Namen des allgewaltigen Königs, des Einigen, des Allbezwingers, vernahmen, den die Blicke nicht erreichen, während er die Blicke erreicht, da sahen sie einander an und sprachen: »Was sind das für Worte, die unsere Schultermuskeln erbeben machen, die unsern Mut schwächen und unser Leben verkürzen? Unser Lebenlang haben wir nichts schöneres als diese Worte vernommen. Lasset uns vom Kampf abstehen und uns nach diesen Worten erkundigen.« Hierauf hörten sie auf zu streiten und stiegen von den Pferden ab; ihre Ältesten aber versammelten sich und beschlossen in ihrer Beratung zu Gharîb zu gehen, indem sie sprachen: »Mögen ihrer zehn von uns zu ihm gehen.« So wählten sie zehn ihrer Besten aus, die sich zu Gharîbs Zelten aufmachten. Inzwischen waren Gharîb und die Seinigen, verwundert darüber, daß ihre Gegner den Kampf abgebrochen hatten, ebenfalls in ihr Lager eingekehrt, als mit einem Male zehn Mann erschienen und vor Gharîb geführt zu werden verlangten. Als sie die Erde vor ihm geküßt und ihm Ruhm und langes Leben gewünscht hatten, fragte er sie: »Was hat euch veranlaßt den Kampf abzubrechen?« Sie erwiderten: »O unser Herr, du hast uns mit den Worten, die du wider uns riefst, erschreckt.« Nun fragte er: »Was für Götzen betet ihr an?« Sie versetzten: »Wadd, Suwâa und Jaghûth, die Herren des Volkes Noahs.« Gharîb versetzte: »Siehe, wir beten nur Gott an, den Erhabenen, den Schöpfer aller Dinger, den Versorger alles Lebendigen; Er ist's, der die Himmel und die Erde erschaffen und die Berge gegründet hat, der das Wasser aus den Felsen hervorsprudeln, die Bäume sprossen läßt und die wilden Tiere in den Wüsten mit Speise versorgt. Er ist der alleinige Gott, der Allbezwinger.« Als die Leute Gharîbs Worte 87 vernahmen, that sich ihre Brust auf zum Bekenntnis der Einheit, und sie sprachen: »Fürwahr, dieser Gott ist ein großer Herr voll Erbarmen und Barmherzigkeit! Was aber sollen wir sprechen, auf daß wir Moslems werden?« Gharîb erwiderte: »Sprechet: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Da legten die Zehn aus lauterm Herzen das Glaubensbekenntnis ab, und Gharîb sagte zu ihnen: »Zum Beweis, daß des Islams Süße in euer Herz eingezogen ist, gehet zu euerm Volk und unterbreitet ihnen den Islam; glauben sie, so sollen sie heil ausgehen, glauben sie aber nicht, so werden wir sie mit Feuer verbrennen.« Da kehrten die Zehn wieder zu ihren Stammesgenossen zurück und setzten ihnen den Islam und den Pfad der Wahrheit und des Glaubens auseinander, worauf sie mit Herz und Mund Moslems wurden. Dann begaben sie sich zu Fuß zu Gharîb und wünschten ihm, die Erde vor ihm küssend, Ruhm und hohe Macht, worauf sie zu ihm sprachen: »O unser Herr, wir sind nunmehr deine Sklaven geworden, befiehl uns daher, was du willst, wir hören und gehorchen und werden uns nimmer wieder von dir trennen, dieweil Gott uns durch dich auf den rechten Weg geleitet hat.« Da wünschte Gharîb ihnen reichen Lohn von Gott und sprach zu ihnen: »Kehret in eure Wohnungen zurück, nehmet euer Gut und eure Kinder und ziehet uns voran nach dem Blumenthal und der Burg des Sâsā bin Scheith, bis ich Fachr Tâdsch, die Tochter des Perserkönigs, heimgeleitet habe und wieder zu euch zurückgekehrt bin.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und brachen sofort, des Islams froh, zu ihrem Lager auf, wo sie den Islam ebenfalls ihren Frauen und Kindern vorlegten. Nachdem auch diese gläubig geworden waren, rissen sie ihre Zelte ein und zogen mit ihrem Hab und Gut und Vieh nach dem Blumenthal. Zuvor aber hatte Gharîb zu ihnen gesagt: »Wenn der Ghûl vom Berge euch angreifen will, so sprechet nur den Namen Gottes, des Erhabenen, des Schöpfers aller 88 Dinge, aus; wenn er den Namen Gottes, des Erhabenen, vernimmt, wird er vom Kampf abstehen und euch willkommen heißen.« Als nun der Ghûl vom Berge mit seinen Söhnen wieder hinauszog und sie angreifen wollte, riefen sie laut den Namen Gottes, des Erhabenen, worauf er sie aufs beste empfing und sie fragte, wer sie wären. Da erzählten sie ihm, wie es ihnen mit Gharîb ergangen war, worauf Saadân sie erfreut bei sich aufnahm und mit Freundlichkeiten überhäufte.

Was nun Gharîb anlangt, so war derselbe mit der Königin Fachr Tâdsch aufgebrochen und fünf Tage lang in der Richtung nach der Stadt Isbānîr gezogen, als er am sechsten Tage eine Staubwolke gewahrte. Da schickte er einen Perser als Kundschafter aus, der zu derselben ritt, dann aber schneller wie ein Vogel zurückkehrte und meldete: »Diese Staubwolke rührt von tausend Reitern von unsern Gefährten her, welche der König auf die Suche nach der Königin Fachr Tâdsch ausgeschickt hat.« Als Gharîb diese Botschaft vernahm, befahl er seinen Gefährten abzusteigen und das Lager aufzuschlagen; und als sie seinen Befehl vollzogen hatten, warteten sie, bis die Ankömmlinge bei ihnen eingetroffen waren, worauf die Leute der Königin Fachr Tâdsch ihnen entgegenzogen und ihrem Hauptmann Tūmân meldeten, daß die Königin Fachr Tâdsch sich bei ihnen befände. Als Tūmân von ihnen den König Gharîb erwähnen hörte, trat er bei ihm ein und erkundigte sich, nachdem er die Erde vor ihm geküßt hatte, nach der Königin, worauf er ihn zu ihrem Zelt schickte. Bei ihr eintretend, küßte er ihr die Hände und Füße und teilte ihr mit, wie es ihren Eltern ergangen war, worauf sie ihm ebenfalls ihre Erlebnisse mitteilte und ihm erzählte, wie Gharîb sie vom Ghûl vom Berge befreit hatte, der sie sonst gefressen hätte.

Sechshundertunddreiunddreißigste Nacht.

Alsdann fügte sie noch hinzu: »Es geziemt sich daher meinem Vater, daß er ihm sein halbes Königreich schenkt.« 89 Hierauf erhob sich Tūmân und sprach zu Gharîb, nachdem er ihm die Hände und Füße geküßt hatte: »Mit deiner Erlaubnis, mein Herr, möchte ich jetzt zur Stadt Isbānîr heimkehren und dem König die Freudenbotschaft überbringen.« Gharîb versetzte: »Zieh hin und nimm von ihm den Botenlohn in Empfang.«

So brach denn Tūmân auf, gefolgt von Gharîb, und zog in Eilmärschen nach Isbānîr el-Madâin und küßte, den Palast des Königs Sābûr betretend, die Erde vor ihm, worauf ihn der König fragte: »Was giebt es, du Bringer froher Botschaft?« Tūmân erwiderte: »Ich sag es dir nicht eher, als bis du mir meinen Botenlohn giebst.« Der König versetzte: »Sag mir deine gute Botschaft an, und ich will dich zufriedenstellen.« Da sagte er: »O König der Zeit, vernimm die Freudenbotschaft von der Heimkehr der Prinzessin Fachr Tâdsch.« Als Sābûr ihn seine Tochter erwähnen hörte, sank er in Ohnmacht; sie aber sprengten ihm Rosenwasser ins Gesicht, und, als er nun wieder zu sich kam, rief er Tūmân und sagte zu ihm: »Tritt heran zu mir und gieb mir ausführliche Kunde.« Da trat er an ihn heran und erzählte ihm alles was der Königin Fachr Tâdsch widerfahren war, und der König Sābûr schlug seine Hände zusammen, als er alles vernommen hatte, und rief: »Ach, du arme Fachr Tâdsch!« Hierauf wies er Tūmân ein Geschenk von zehntausend Dinaren an und beschenkte ihn mit der Stadt Isfahân und ihren Provinzen. Alsdann rief er den Emiren zu und befahl ihnen: »Sitzet allzumal auf und lasset uns der Königin Fachr Tâdsch zum Empfang entgegenziehen!« Und der Großeunuch teilte ihrer Mutter und dem ganzen Harem die Freudenbotschaft mit, worauf ihre Mutter dem Eunuchen ein Ehrenkleid und tausend Dinare schenkte. Als dann die Stadtleute ebenfalls Kunde hiervon erhielten, schmückten sie die Bazare und Häuser.

Als nun der König und Tūmân so weit geritten waren, bis sie Gharîb gewahrten, stieg der König Sābûr ab und 90 machte einige Schritte zum Empfang Gharîbs, worauf Gharîb ebenfalls abstieg und ihm entgegenging; dann umarmten und begrüßten sie einander, und der König Sābûr neigte sich auf Gharîbs Hände und küßte sie, ihm für seine Güte dankend. Hierauf schlugen sie ihre Zelte einander gegenüber auf, und Sābûr trat bei seiner Tochter ein, die sich vor ihm erhob, ihn umarmte und ihm ihre Abenteuer und ihre Befreiung aus den Klauen des Ghûls vom Berge durch Gharîb erzählte. Da sagte ihr Vater zu ihr: »Bei deinem Leben, o Herrin der Schönen, ich will ihn mit Geschenken überhäufen.« Sie erwiderte: »Mach ihn zu deinem Schwiegersohn, mein Vater, daß er dir wider deine Feinde hilft, denn er ist tapfer.« Sie aber sprach diese Worte nur zu ihm, weil sich ihr Herz an Gharîb gehängt hatte. Ihr Vater versetzte: »Meine Tochter, weißt du nicht, daß der König Chirad Schâh den Brokat geworfen und hunderttausend Dinare gegeben hat? Und er ist der König von Schiras und seinen Provinzen und ist Herr eines Reiches und hat Reisige und Mannen.« Sie versetzte jedoch: »Mein Vater, ich will nicht den, den du mir genannt hast, und wenn du mich zu dem, was ich nicht will, zwingst, so töte ich mich.« Da ging der König hinaus und begab sich zu Gharîb, der sich vor ihm erhob; dann setzte er sich und konnte sich nicht satt sehen an Gharîb, indem er bei sich sprach: »Bei Gott, meine Tochter ist zu entschuldigen, daß sie diesen Beduinen liebt.« Hierauf ließ er das Mahl bringen und sie aßen und verbrachten die Nacht. Am andern Morgen aber brachen sie wieder auf und zogen in die Stadt ein, wobei Gharîb und der König Sābûr Steigbügel neben Steigbügel ritten; und es war ein großer Tag für sie. Hierauf begab sich Fachr Tâdsch in ihr Schloß und die Stätte ihrer Macht, wo sie von ihrer Mutter und den Sklavinnen in Freuden und mit hellem Jubelgeschrei empfangen wurde. Der König Sābûr aber setzte sich auf den Thron seines Königreiches und ließ Gharîb zu seiner Rechten Platz nehmen, während 91 die Prinzen, die Kämmerlinge, die Emire, die Vicekönige und Wesire sich zur Rechten und Linken aufstellten und den König zur Rückkehr seiner Tochter beglückwünschten. Dann sprach der König zu den Granden seines Reiches: »Wer mich liebt, schenkt Gharîb ein Ehrenkleid,« worauf es auf Gharîb Ehrenkleider regnete.

Als Gharîb zehn Tage lang des Königs Gast geblieben war, wollte er wieder fortziehen, der König schenkte ihm jedoch ein Ehrenkleid und beschwor ihn bei seinem Glauben, ihn erst nach einem Monat zu verlassen. Gharîb versetzte darauf: »O König, siehe, ich bewarb mich um eine der Töchter der Araber und möchte sie nunmehr heimsuchen.« Da fragte ihn der König: »Wer ist hübscher, deine Verlobte oder Fachr Tâdsch?« Gharîb erwiderte: »O König der Zeit, wie tief steht der Sklave unter dem Herrn!« Der König entgegnete jedoch: »Fachr Tâdsch ist deine Magd, dieweil du sie aus den Klauen des Ghûls befreit hast; und sie soll keinen andern zum Eheherrn haben als dich.« Da erhob sich Gharîb und sprach, die Erde vor ihm küssend: »O König der Zeit, du bist ein König und ich ein armer Mann; vielleicht begehrst du eine schwere Brautgabe.« Der König Sābûr versetzte: »Mein Sohn, wisse, der König Chirad Schâh, der Herr von Schiras und seinen Provinzen hat sich um sie beworben und will hunderttausend Dinare für sie geben, ich aber vermähle dich vor allen andern mit ihr und mache dich zum Schwert meines Königreiches und zum Schild meiner Rache.« Hierauf wendete er sich zu den Großen seines Volkes und sprach: »Seid Zeugen wider mich, Volk meines Reiches, daß ich meine Tochter Fachr Tâdsch mit meinem Sohne Gharîb vermähle.«

Sechshundertundvierunddreißigste Nacht.

Hierbei faßte er ihn bei der Hand, und so ward sie seine Gemahlin. Gharîb aber sprach zu ihm: »Lege mir eine Brautgabe auf, daß ich sie dir bringe, denn ich habe in der 92 Burg Sâsās Gut und Schätze ohne Zahl.« Sābûr erwiderte: »Mein Sohn, ich begehre von dir weder Gut noch Schätze und nehme nichts als Brautgabe für sie an, es sei denn das Haupt El-Dschamrkâns, des Königs von Dascht und der Stadt El-Ahwâs.« Gharîb versetzte: »O König der Zeit, ich will sofort mein Volk holen und mit ihm wider meinen Feind ausziehen und seine Wohnungen verwüsten.« Da wünschte ihm der König Gutes als Lohn von Gott, worauf das Volk und die Großen auseinandergingen; der König aber glaubte, Gharîb würde, wenn er sich wider El-Dschamrkân, den König von Dascht, aufmachte, nimmer wiederkehren.

Am nächsten Morgen saßen Gharîb und der König auf, und der König befahl den Truppen ebenfalls aufzusitzen; dann ritten sie hinaus auf den Plan, wo der König zu ihnen sagte: »Macht ein kleines Lanzenstechen und erfreuet mein Herz.« Da stachen die Degen von Adschamland miteinander, als Gharîb zum König sprach: »O König der Zeit, ich möchte mit den Rittern von Adschamland unter einer Bedingung turnieren.« Der König fragte: »Was ist deine Bedingung?« Gharîb erwiderte: »Ich will ein dünnes Gewand anlegen und will eine Lanze ohne Spitze nehmen, auf die ich einen in Safran getauchten Lappen stecken will; und es soll dann jeder Kämpe und Degen mit scharfer Lanze wider mich antreten. Überwindet er mich, so ergebe ich mich ihm, überwinde ich ihn jedoch, so will ich ihn auf der Brust zeichnen, und er soll vom Plan abtreten.« Da rief der König dem Heeresobersten zu, Persiens Ritterschaft zu ihm zu führen, und wählte aus ihnen zwölfhundert wackere Degen aus, zu denen er in persischer Sprache sagte: »Wer diesen Beduinen tötet, dem erfülle ich jeden Wunsch.« Da stürmten sie um die Wette wider Gharîb und griffen ihn an, und es ward die Wahrheit von der Lüge und Ernst von Scherz unterschieden. Gharîb aber rief: »Ich vertraue auf Gott, den Gott des Freundes Abraham, welcher Macht hat über 93 alle Dinge, und dem kein Ding verborgen ist, dem Einigen, dem Allbezwinger, den die Blicke nicht erreichen!« Alsdann setzte ein Amalekiter von den Adschamerdegen wider ihn ins Feld; doch bevor er noch vor Gharîb hielt, hatte er ihn schon gezeichnet und ihm die Brust mit Safran bedeckt; und als er den Rücken kehrte, gab ihm Gharîb mit der Lanze einen Schlag auf den Nacken, daß er zu Boden stürzte, worauf ihn seine Pagen vom Plan trugen. Hierauf sprengte ein zweiter herbei, doch zeichnete er ihn ebenfalls, und so erging es dem dritten, vierten und fünften und allen folgenden, bis er alle Degen nacheinander gezeichnet hatte; denn Gott, der Erhabene, verlieh ihm den Sieg über sie. Als sie dann von dem Plan heimkehrten, wurde ihnen Speise und Trank vorgesetzt, und sie aßen und tranken, und Gharîb trank, bis sich sein Verstand verdunkelte. Da stand er auf, um ein Bedürfnis zu erledigen; als er aber wieder zurückkehren wollte, verfehlte er den Weg und trat in Fachr Tâdsch' Palast ein. Bei seinem Anblick verlor sie den Verstand und rief ihren Mädchen zu: »Geht in eure Zimmer«. Da zerstreuten sie sich und zogen sich zurück, während sie sich erhob und zu Gharîb sagte, ihm die Hand küssend: »Den Willkomm meinem Herrn, der mich von dem Ghûl befreit hat! Ich bin deine Magd für alle Zeit.« Dann zog sie ihn auf ihr Lager und umarmte ihn, und so packte ihn die Begierde und er nahm ihr die Mädchenschaft und blieb die Nacht über bis zum Morgen bei ihr.

Während nun dies geschah, glaubte der König Gharîb sei fortgezogen; am andern Morgen trat er jedoch bei dem König ein, der sich vor ihm erhob und ihn an seiner Seite Platz nehmen ließ. Dann traten die Prinzen ein und stellten sich, nachdem sie die Erde geküßt hatten, zur Rechten und Linken auf, worauf sie sich über Gharîbs Tapferkeit unterhielten und sprachen: »Preis Ihm, der ihm trotz seiner Jugend so hohe Tapferkeit verliehen hat!« Während sie aber noch miteinander redeten, gewahrten sie mit einem Male 94 durch das Palastfenster eine Staubwolke von nahenden Rossen, und der König rief seinen Läufern zu: »Wehe euch, bringt mir Nachricht, was diese Staubwolke zu bedeuten hat.« Da machte sich ein Reitersmann auf und kehrte, nachdem er die Staubwolke verkundschaftet hatte, zurück und sprach: »O König, wir fanden unter der Staubwolke hundert Reisige, deren Emir Sahîm el-Leil heißt.« Als Gharîb diese Worte vernahm, rief er: »Mein Herr, das ist mein Bruder, den ich in einer Angelegenheit fortgeschickt hatte; ich will hinaus zu seinem Empfang.« Hierauf saß Gharîb inmitten seiner hundert Gefährten von den Banû Kahtân auf, begleitet von tausend Persern, und zog mit großem Gefolge aus, – doch groß ist Gott allein. Als Gharîb bei ihm anlangte, stiegen beide ab und umarmten sich, worauf sie wieder aufsaßen und Gharîb nunmehr seinen Bruder fragte: »Mein Bruder, hast du dein Volk nach der Burg Sâsā und dem Blumenthal gebracht?« Er erwiderte: »Mein Bruder, als der treulose Hund vernahm, daß du die Burg des Ghûls vom Berge erobert hättest, packte ihn die Angst, und er sprach: »Wenn ich nicht diese Wohnungen hier verlasse, kommt Gharîb und nimmt meine Tochter Mahdîje ohne Brautgabe.« Hierauf nahm er seine Tochter, seine Familie und sein Gut und zog mit seinem Volk nach dem Irâk, und zwar nach dem Lande Kûfa, dessen König Adschîb er um Schutz anging, wofür er ihm seine Tochter Mahdîje geben will.« Als Gharîb die Worte seines Bruders Sahîm el-Leil vernahm, hätte er beinahe seinen Geist vor Zorn aufgegeben und rief: »Bei dem Glauben des Islams, dem Glauben des Freundes Abraham, und bei dem großen Herrn, ich will nach dem Irâk ziehen und des Krieges Lohe entfachen!« Hierauf zogen sie in die Stadt ein, und Gharîb und sein Bruder Sahîm el-Leil stiegen hinauf in den Palast des Königs und küßten die Erde, worauf sich der König vor Gharîb erhob und Sahîm begrüßte. Alsdann benachrichtigte Gharîb den König von dem Vorgefallenen, und der König stellte zehn Obersten 95 unter seinen Befehl, von denen jeder zehntausend der wackersten Araber- und Adschamardegen unter sich hatte. Nachdem sie sich innerhalb dreier Tage gerüstet hatten, brach Gharîb auf und zog zur Burg Sâsā, aus der ihm der Ghûl vom Berge mit seinen Söhnen zum Empfang entgegenritt; bei ihm angelangt, stiegen sie jedoch ab und küßten ihm die Füße im Steigbügel. Als nun Gharîb dem Ghûl das Vorgefallene erzählte, sagte der Ghûl: »Mein Herr, bleib in deiner Burg, während ich inzwischen mit meinen Söhnen und meinen Mannen nach dem Irâk ausziehe, die Stadt Er-Rustâk verwüste und dir alle ihre Truppen in festesten Banden vor dich bringe.« Gharîb dankte ihm, doch sprach er: »Saadân, wir wollen alle zusammen ausziehen« Da rüstete er sich und that nach seines Herrn Geheiß, worauf sie allzumal die Fahrt nach dem Irâk antraten, nachdem sie tausend Berittene als Wächter der Burg zurückgelassen hatten.

Soviel mit Bezug auf Gharîb; was nun aber Mardâs anlangt, so zog er mit seinem Stamm nach dem Irâk nach der Stadt Kûfa und legte vor Adschîb ein kostbares Geschenk nieder; dann küßte er die Erde vor ihm, und nachdem er ihm den, Königen gegenüber, üblichen Wunsch ausgesprochen hatte, sprach er zu ihm: »Mein Herr, ich komme als Schutzflehender zu dir.«

Sechshundertundfünfunddreißigste Nacht.

Da fragte Adschîb: »Sag an, wer dir Gewalt angethan hat, daß ich dich vor ihm beschütze, und wäre es auch Sābûr, der König der Perser, der Türken und Deilamiten.« Mardâs versetzte: »O König der Zeit, mir hat nur ein Knabe Gewalt angethan, den ich auf meinem Schoß erzog. Ich fand ihn einst auf seiner Mutter Schoß in einem Wadi, die ich heiratete und die mir hernach einen Knaben gebar, den ich Sahîm el-Leil nannte, während ihr Knabe Gharîb hieß. Derselbige wuchs auf in meinem Schoß und ward ein flammender Donnerkeil und ein gewaltiges Unheil, denn 96 er erschlug El-Hamal, den Fürsten der Banû Nabhân, und fällte Mannen und Reisige. Nun habe ich auch eine Tochter, die nur dir gebührt; als er sie von mir verlangte, forderte ich das Haupt des Ghûls vom Berge von ihm, und er zog wider ihn aus und bestand ihn im Zweikampf, worauf er ihn fesselte und die Burg des Sâsā bin Scheith bin Schaddâd bin Ad einnahm, in welcher sich die Schätze der Alten und Neuen Welt und die Horte der Vorfahren befinden. Ich hörte auch, daß er Moslem geworden ist und mit einer Schar Gesellen durchs Land zieht und die Leute zu seinem Glauben auffordert; und dann hat er auch die Tochter des Königs Sābûr vom Ghûl befreit und ist nun ausgezogen sie heimzuführen, und nicht anders als mit den Schätzen von Adschamland wird er heimkehren.« Als Adschîb Mardâs' Worte vernahm, ward er gelb; gänzlich verändert und seines Untergangs gewiß, fragte er: »Mardâs, ist die Mutter dieses Knaben bei dir oder bei ihm?« Mardâs erwiderte: »Bei mir in meinen Zelten.« Nun fragte Adschîb: »Wie ist ihr Name?« Mardâs versetzte: »Nusre«. Da rief er: »Sie ist's,« und ließ sie vor sich bringen. Als er sie anschaute, erkannte er sie und rief: »Verruchte. wo sind die beiden Sklaven, die ich mit dir ausschickte?« Sie erwiderte: »Sie schlugen sich um meinetwillen gegenseitig tot.« Da zog Adschîb sein Schwert und versetzte ihr einen Streich, der sie auseinanderspaltete, worauf seine Leute sie hinausschleiften und fortwarfen. In sein Herz kehrte jedoch Unruhe ein, und er sprach: »Mardâs, vermähle mich mit deiner Tochter.« Mardâs erwiderte: »Sie ist eine deiner Sklavinnen; ich vermähle dich mit ihr und bin dein Sklave.« Adschîb erwiderte: »Ich wünsche diesen Bankert Gharîb zu sehen, daß ich ihn umbringe und ihm die verschiedenen Foltern zu schmecken gebe.« Hierauf verordnete er für Mardâs als Morgengabe für seine Tochter dreißigtausend Dinare, hundert Stück goldgesäumte Seidenbrokate, hundert Schnitt geränderte Stoffe, Tücher und goldene Halsketten. Mit solcher prächtigen 97 Morgengabe ging Mardâs fort und machte sich daran, Mahdîje auszustatten.

Soviel in Bezug auf diese; was nun aber Gharîb anlangt, so machte er erst bei El-Dschesîre, der ersten Stadt im Irâk, Halt, einer wohlbefestigten und wohlverwahrten Stadt, und befahl vor ihr das Lager aufzuschlagen. Wie nun die Stadtbewohner sahen, daß sich das Heer vor der Stadt lagerte, verriegelten sie die Thore, sicherten die Mauern und begaben sich zum König es ihm mitzuteilen. Der König hielt von den Zinnen seines Palastes Ausschau, und als er sah, daß es ein zahlreiches Heer war und nur aus Persern bestand, fragte er: »Ihr Leute, was wollen jene Perser?« Sie antworteten: »Wir wissen es nicht.« Der Name des Königs aber war Ed-Dâmigh, der Schädelspalter, dieweil er im weiten Blachgefild den Degen den Schädel einzuschlagen pflegte. Derselbige hatte unter seinen Garden einen Mann, Namens Saba el-Kifâr, einen Teufelskerl gleich einer Feuersflamme. Diesen Mann rief der König und sprach zu ihm: »Geh zu jenem Heer, schau, wer sie sind und was sie von uns wollen, und kehre schnell wieder zurück.« Da machte sich Saba el-Kifâr mit Windesschnelle auf den Weg, bis er zu Gharîbs Zelten gelangte, wo sich ein Trupp Araber erhob und ihn fragte: »Wer bist du, und was ist dein Begehr?« Er versetzte: »Ich bin ein Bote und Gesandter von dem Herrn der Stadt an euern Herrn.« Da nahmen sie ihn und führten ihn zwischen den kleinen und großen Zelten und Bannern hindurch, bis sie zu Gharîbs Zelt gelangten, den sie hiervon benachrichtigten. Er befahl ihnen, den Boten vorzuführen, worauf Saba el-Kifâr, von ihnen hereingeführt, vor ihm die Erde küßte und ihm dauernde Macht und langes Leben wünschte. Dann fragte ihn Gharîb: »Was ist dein Anliegen?« Er erwiderte: »Ich bin ein Gesandter Ed-Dâmighs, des Herrn der Stadt El-Dschesîre, des Bruders des Königs Kundamir, des Herrn der Stadt Kûfa und des Irâk.« Als Gharîb die Worte des Gesandten vernahm, 98 strömten ihm die Thränen aus den Augen, und, den Gesandten anschauend, fragte er ihn: »Wie ist dein Name?« Er erwiderte: »Ich heiße Saba el-Kifâr.« Da sagte er zu ihm: »Kehre zu deinem Herrn zurück und sprich zu ihm: der Herr dieser Zelte heißt Gharîb, der Sohn des Kundamir, des Herrn von Kûfa, den sein Sohn erschlagen hat; er ist gekommen, um Blutrache zu nehmen an dem treulosen Hund Adschîb.« Da kehrte Saba el-Kifâr fröhlich wieder zu Ed-Dâmigh zurück und küßte die Erde vor ihm, worauf der König ihn fragte: »Was bringst du, Saba el-Kifâr?« Er versetzte: »Mein Herr, der Herr dieses Heeres ist deines Bruders Sohn.« Hierauf wiederholte er ihm alle Worte, und der König glaubte zu träumen und sprach: »Saba el-Kifâr!« Er erwiderte: »Jawohl, o König.« Nun fragte er: »Ist das, was du da erzählst, wirklich wahr?« Saba el-Kifâr versetzte: »Bei deines Hauptes Leben, es ist wahr.« Da befahl er den Großen aufzusitzen, und, als sie sein Geheiß befolgt hatten, saß er selber auf und ritt mit ihnen aus, bis sie zu den Zelten gelangten. Als Gharîb von dem Nahen des Königs Ed-Dâmigh vernahm, zog er ihm zum Empfang entgegen, und beide umarmten und begrüßten einander, worauf Gharîb mit dem König zum Lager umkehrte, wo sich beide auf die Staatspolster setzten. Der König Ed-Dâmigh aber, der hocherfreut über seinen Neffen Gharîb war, wendete sich zu ihm und sprach zu ihm: »Ich hätte ebenfalls gern deines Vaters Blut gerächt, doch ist meine Macht nicht der Macht deines Hundes von Bruder gewachsen, denn sein Heer ist zahlreich und das meinige gering.« Gharîb entgegnete: »Oheim, jetzt bin ich gekommen, die Blutrache zu vollstrecken, die Schande zu tilgen und das Land von ihm zu befreien.« Ed-Dâmigh versetzte: »O Sohn meines Bruders, nunmehr hast du zweifaches Blut zu rächen, das Blut deines Vaters und deiner Mutter.« Gharîb fragte: »Was ist's mit meiner Mutter?« Er erwiderte: »Dein Bruder Adschîb hat sie erschlagen.« 99

Sechshundertundsechsunddreißigste Nacht.

Da fragte Gharîb: »Weshalb hat er sie erschlagen?« Und nun erzählte er ihm, wie es seiner Mutter ergangen war, und wie Mardâs seine Tochter mit Adschîb vermählt hatte, der sie nunmehr heimsuchen wolle. Als Gharîb seines Oheims Worte vernahm, flog ihm der Verstand aus dem Kopf, und er sank in Ohnmacht und wäre beinahe gestorben. Als er dann wieder aus seiner Ohnmacht zu sich kam, rief er seinen Truppen zu: »Auf, zu Pferd!« Da sagte Ed-Dâmigh: »Neffe, warte, bis ich mich gerüstet habe und mit meinen Mannen aufsitze und mit dir neben deinem Steigbügel ziehe.« Gharîb erwiderte jedoch: »Mein Oheim, ich kann mich nicht so lange gedulden, rüste dich und stoße vor Kûfa zu mir.« Hierauf brach Gharîb auf und ritt, bis er nach Babel gelangte, dessen Bewohner sich vor ihm fürchteten. Nun herrschte aber in jener Stadt ein König, Namens Dschamak, welcher zwanzigtausend Reiter unter seiner Hand hatte; fünfzigtausend andere Reiter scharten sich aus den Weilern um ihn und schlugen ihr Lager vor Babel auf. Hierauf schrieb Gharîb einen Brief und schickte ihn durch einen Gesandten an den Herrn von Babel. Als der Bote zur Stadt kam, rief er: »Ich bin ein Abgesandter.« Da begab sich der Thorhüter zum König Dschamak und benachrichtigte ihn von der Ankunft des Abgesandten, worauf der König befahl ihn vorzuführen. Infolge dessen brachte er den Gesandten vor den König, der die Erde vor ihm küßte und ihm das Schreiben überreichte. Da brach er es auf und las es, und siehe, da stand folgendes darin: Gelobt sei Gott, der Herr der Welten, der Herr aller Dinge, der Versorger alles Lebendigen, der da Macht hat über alle Dinge! Von Gharîb, dem Sohn des Königs Kundamir, des Herrn vom Irâk und dem Lande Kûfa, an Dschamak. Zur Stunde, da das Schreiben bei dir eintrifft, hast du keine andere Antwort zu erteilen, als daß du die Götzen zerbrichst und die Einheit des 100 allwissenden Königs bekennst, des Schöpfers des Lichts und der Finsternis, des Schöpfers aller Dinge, der da Macht hat über alle Dinge. Thust du nicht, was ich dich heiße, so werde ich den heutigen Tag zum unseligsten deiner Tage machen. Und der Frieden sei auf allen, die der rechten Leitung folgen, sich fürchten vor den Folgen der Schlechtigkeit und dem höchsten König gehorchen, dem Herrn des Jenseits und des Diesseits, der da spricht zu einem Ding »Werde«, und es ist da.

Als Dschamak das Schreiben gelesen hatte, schillerten seine Augen grünlich,Wörtlich; wurden seine Augen blau. sein Angesicht ward gelb, und er fuhr den Gesandten an: »Geh zu deinem Herrn und sag ihm an: Morgen in der Frühe soll anheben Fehde und Gefecht, und dann soll sich erweisen, wer Herr und wer Knecht.« Da verließ ihn der Gesandte und teilte seine Worte Gharîb mit, der seinen Streitern befahl sich kampfbereit zu machen. Ebenso befahl Dschamak den Seinigen ihre Zelte gegenüber den Zelten Gharîbs aufzuschlagen, und es strömten die Streiter hinaus wie die brandende See und verbrachten zum Kampf entschlossen die Nacht. Am andern Morgen saßen die beiden Heere auf und ordneten sich unter Trommelwirbel in Schlachtreihe; dann galoppierten sie auf ihren Rennern einher, das weite Blachgefild erfüllend, und voran sprengten die Degen. Der erste aber, welcher auf den Plan trat, war der Ghûl vom Berge, der auf seiner Schulter einen riesigen Baum trug und zwischen die beiden Heere rief: »Ich bin Saadân der Ghûl, wer mißt sich mit mir, wer tritt wider mich auf den Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling!« Hierauf rief er seinen Söhnen zu: »Wehe euch, bringt mir Holz und Feuer, denn ich bin hungrig.« Da riefen diese ihren Sklaven zu, und die Sklaven schleppten Holz zusammen und zündeten mitten auf dem Schlachtfeld ein Feuer an. Nun trat ein Heide auf den Plan, ein trotziger Amalekiter, der auf seiner Schulter eine 101 Keule gleich einem Schiffsmast trug, und berannte Saadân mit dem Ruf: »Wehe dir, Saadân!« Als dieser des Amalekiters Ruf vernahm, schwang er in gewaltigem Grimm den Baum, daß er sausend durch die Luft fuhr, und der Streich traf des Amalekiters hochgeschwungene Keule, so daß die Keule zugleich mit dem Baum infolge seiner Schwere aufs Haupt des Amalekiters niederfuhr und ihm den Schädel zerschmetterte, daß er wie ein langer Palmenschaft zu Boden stürzte. Alsdann rief Saadân seine Knechte und befahl ihnen: »Schleift dieses fette Kalb fort und bratet es mir schnell.« Da lederten sie schnell den Amalekiter ab und brieten ihn, worauf sie ihn Saadân dem Ghûl vorsetzten, der ihn auffraß und seine Knochen zermalmte. Als die Heiden sahen, wie Saadân mit ihrem Gefährten verfuhr, erschauderte ihnen die Haut und der Leib, und in bleicher Todesangst sprachen sie zu einander: »Der Ghûl frißt jeden, der wider ihn auszieht, er zermalmt seine Knochen und läßt ihn sich nicht mehr erfreuen des Zephyrs der Welt.« So ließen sie ab vom Kampf und flohen entsetzt vor dem Ghûl und seinen Söhnen nach ihrer Stadt. Da aber rief Gharîb seinen Streitern zu: »Vorwärts! Hinter den Fliehenden her!« worauf die Perser und die Araber dem König von Babel und seinem Heer nachsetzten und sie mit dem Schwert bearbeiteten, bis sie zwanzigtausend oder noch mehr von ihnen erschlagen hatten. Im Stadtthor, in dem sich die Flüchtigen zusammendrängten, erschlugen sie ebenfalls viel Volks, ohne daß jene das Thor zu verriegeln vermocht hätten; vielmehr stürzten sich die Araber und Perser auf sie, und Saadân ergriff die Keule eines Erschlagenen, und, sie vor dem Volke schüttelnd, drang er auf die Rennbahn vor. Dann stürmte er auf den Palast des Königs Dschamak los, und wie er Auge in Auge mit ihm stand, versetzte er ihm einen Schlag mit der Keule, daß er besinnungslos zu Boden sank. Hierauf stürzte er sich auf alle, die sich im Palast befanden, und hieb sie kurz und klein, bis sie riefen: »Gnade! Gnade!« 102

Sechshundertundsiebenunddreißigste Nacht.

Da rief Saadân: »So fesselt euern König.« Als sie ihn gefesselt und aufgeladen hatten, trieb Saadân sie wie Schafe vor sich her zu Gharîb, nachdem der größte Teil der Stadtbewohner durch das Schwert von Gharîbs Streitern niedergehauen war. Als nun Dschamak, der König von Babel, aus seiner Ohnmacht wieder zu sich kam, fand er sich gefesselt und hörte den Ghûl sagen: »Zur Nacht will ich den König Dschamak verspeisen.« Da wendete er sich zu Gharîb und rief: »Ich begebe mich unter deinen Schutz.« Gharîb versetzte: »Werde Moslem, dann sollst du sicher sein vor dem Ghûl und der Strafe des Lebendigen, der nimmerdar aufhört.« Da bekannte sich Dschamak mit Herz und Mund zum Islam, und Gharîb befahl, ihm die Fesseln zu lösen. Hierauf setzte er seinem Volke den Islam auseinander und sie wurden allzumal gläubig und dienten Gharîb. Dann begab sich Dschamak wieder in seine Stadt und schickte Speise und Trank heraus, worauf sie die Nacht über bei Babel kampierten. Am andern Morgen gab Gharîb Befehl zum Aufbruch und zog weiter, bis er nach Majjāfārikîn gelangte, das sie verlassen fanden, da seine Bewohner gehört hatten, wie es Babel ergangen war, und deshalb ihre Behausungen verlassen hatten und nach Kûfa geflohen waren, wo sie Adschîb das Vorgefallene mitteilten. Da überfiel ihn der Schrecken des jüngsten Tages, und, seine Degen versammelnd, teilte er ihnen Gharîbs Ankunft mit und befahl ihnen sich zum Kampf mit seinem Bruder zu rüsten; dann zählte er sein Kriegsvolk, und, da er nur dreißigtausend Mann zu Pferd und zehntausend zu Fuß fand, verlangte er mehr, und es erschienen noch fünfzigtausend Mann Reiter und Fußtruppen. Inmitten dieses gewaltigen Heeres saß er auf und zog aus, bis er nach fünf Tagen auf seines Bruders Heer stieß, das sich bei Mossul gelagert hatte, worauf er dann sein Lager gegenüber den Zelten seines Bruders aufschlug. Gharîb 103 aber schrieb einen Brief und fragte, sich zu seinen Mannen wendend: »Wer von euch will dieses Schreiben Adschîb überbringen?« Da sprang Sahîm auf und rief: »O König der Zeit, ich will mich mit dem Brief aufmachen und will dir die Antwort überbringen.« So gab er ihm den Brief, und Sahîm machte sich auf den Weg, bis er zum Zelt Adschîbs gelangte. Als man Adschîb von seiner Ankunft benachrichtigte, befahl er: »Führt ihn vor;« und, als er nun vor ihn geführt wurde, fragte er ihn: »Woher kommst du?« Er erwiderte: »Ich komme vom König der Perser und Araber, dem Schwiegersohn des Kisrā, des Königs der Welt, der dir ein Schreiben übersendet; so gieb ihm Antwort.« Da sagte Adschîb: »Gieb das Schreiben her.« Als er es ihm übergeben hatte, brach er es auf und las es und fand folgendes darin geschrieben: Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen! Der Frieden sei auf dem Freund Abraham! Des Ferneren: Zur Stunde, da dieses Schreiben zu dir gelangt, bekenne die Einheit des freigebigen Königs, des Verursachers der Ursachen, der da wandern lässet die Wolken, und gieb die Anbetung der Götzen auf. Wirst du Moslem, so sollst du mein Bruder sein und Gebieter über uns und ich will dir vergeben die Sünde an meinem Vater und meiner Mutter, und will dich nicht strafen für dein Thun. Gehorchst du jedoch nicht meinem Befehle, so hole ich dein Haupt vom Nacken und verwüste deine Wohnungen, und eilig komme ich über dich. Ich rate dir gut, und der Frieden sei auf jedem, der der rechten Leitung folgt und dem höchsten König gehorcht!

Als Adschîb Gharîbs Worte gelesen und die Drohungen, die in ihnen enthalten waren, begriffen hatte, sanken seine Augen in seines Hauptes Inneres, und, mit den Zähnen vor Wut knirschend, zerriß er den Brief und warf ihn fort, so daß Sahîm ergrimmte und Adschîb anschrie: »Gott lasse deine Hände verdorren zur Strafe für dein Thun!« Da rief Adschîb seinen Leuten zu: »Packt diesen Hund und haut ihn 104 mit euern Schwertern in Stücke.« Als sie sich aber auf Sahîm stürzten, zog er gleichfalls sein Schwert und warf sich auf sie, mehr denn fünfzig Degen von ihnen niederhauend und sich Bahn durch sie brechend, bis er, gebadet in Blut, bei seinem Bruder anlangte, der ihn fragte: »Was bedeutet dein Aussehen, Sahîm?« Da erzählte er ihm den Vorfall, worauf Gharîb in wildem Zorn rief: »Gott ist groß!« Dann wirbelten die Kriegstrommeln, die Degen saßen auf, die Mannen reihten sich zur Schlacht und die Scharen versammelten sich. Die Streiter kleideten sich in die engmaschigen Eisenpanzer, hingen die Schwerter um und setzten die langen Lanzen ein, und ebenso saß Adschîb mit seinen Reitern auf, und nun griff ein Heer das andere an, –

Sechshundertundachtunddreißigste Nacht.

und es richtete der Kadi der Schlacht, in dessen Richtspruch kein Unrecht ist, da er ein Siegel auf seinem Mund trägt und nicht spricht; und das Blut floß in Strömen und malte kunstvolle Muster auf die Erde; die Streiter ergrauten, das Schlachtengetümmel wuchs und tobte in hellem Brand, die Füße glitten aus, der Tapfere stand fest und stürzte sich auf den Feind, der Feigling aber wich und floh. So tobte die Schlacht, bis der Tag zur Rüste ging und das Dunkel der Nacht sie umfing. Dann gaben die Trommeln das Rückzugssignal, die Reiter ließen voneinander ab, und jedes Heer kehrte in sein Lager zurück und hielt Nachtruhe. Am nächsten Morgen gaben die Trommeln wieder das Signal zur Schlacht, die Streiter legten ihre Wehr an, hingen die hübschen Schwerter um und setzten die braunen Lanzen ein; dann schwangen sie sich auf ihre feurigen Rosse und riefen: »Heute giebt's keine Flucht!« So reihten sich die beiden Heere wie die brandende See gegeneinander auf. Der erste aber, der die Pforte des Kampfes öffnete, war Sahîm; auf seinem Roß zwischen die beiden Reihen setzend, spielte er mit den Schwertern und Lanzen und schlug ein 105 Kapitel des Streites nach dem andern auf, bis die Beherztesten verwirrt wurden. Dann rief er: »Wer mißt sich mit mir im Kampf, wer tritt wider mich auf den Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling!« Da trat aus den Heiden ein Ritter wie eine Feuersflamme wider ihn an; doch ehe er noch recht vor ihm hielt, hatte Sahîm ihn auch schon durchbohrt und vom Roß geworfen. Dann trat ein zweiter wider ihn an, den er ebenfalls tötete, dann ein dritter, den er zerriß, und ein vierter, den er zu Tode schlug. So fällte er jeden, der wider ihn heraustrat, bis er bis zur Mittagszeit zweihundert Degen erschlagen hatte. Da rief Adschîb seinen Streitern zu insgesamt anzugreifen, worauf Degen wider Degen sprengte und der Streit entbrannte und die Rufe herüber und hinüber flogen. Die blanken Schwerter sausten, Mann stürzte sich wider Mann und war übel daran, das Blut floß in Strömen, die Hirnschalen lagen unter den Hufen der Rosse, und das gewaltige Hauen hörte nicht eher auf, als bis der Tag zur Rüste ging, und das Dunkel der Nacht sie umfing, worauf sie voneinander abließen und in ihre Zelte zur Nachtruhe einkehrten. Am andern Morgen saßen die beiden Heere wieder auf und zogen hinaus zum Streit und Gefecht; die Moslems aber warteten, bis Gharîb wie gewöhnlich wieder unter den Bannern angeritten käme. Als er nicht erschien, entsandte Sahîm seinen Sklaven zu seines Bruders Zelt: doch fand er ihn nicht. Da fragte er die Zeltaufschläger, die ihm zur Antwort gaben: »Wir wissen nicht, wo er ist.« Von großer Sorge erfaßt, kehrte er wieder zu den Streitern zurück und teilte es ihnen mit, worauf sie vom Kampf abstanden und sprachen: »Ist Gharîb fort, so vernichtet uns der Feind.«

Mit Gharîbs Verschwinden hatte es aber eine wunderbare Bewandtnis, die wir in gehöriger Weise berichten wollen. Als nämlich Adschîb aus dem Kampf zurückgekehrt war, rief er einen seiner Garden, Namens Sajjâr, und sprach zu ihm: »Sajjâr, nur für einen Tag wie den 106 heutigen habe ich dich aufgespart; ich befehle dir hiermit dich in Gharîbs Heer zu schleichen, ins Königszelt einzudringen und ihn zu mir zu bringen, daß ich sehe, was du für ein Teufelskerl bist.« Er versetzte: »Ich höre und gehorche;« alsdann machte er sich auf und schlich sich in Gharîbs Zelt, vom Dunkel der Nacht beschützt, als jedermann nach seinem Ruheplatze ging, während er sich selber wie ein Diener hinstellte. Als nun Gharîb durstig ward und von Sajjâr Wasser verlangte, brachte er ihm einen Krug Wasser, in das er Bendsch gethan hatte, und, ehe Gharîb noch seinen Durst gelöscht hatte, sank sein Haupt vor seine Füße. Dann wickelte er ihn in seinen Mantel, und, ihn aufladend, trug er ihn in Adschîbs Zelt, wo er sich vor ihn stellte und Gharîb vor seine Füße warf. Da fragte Adschîb: »Was ist das, Sajjâr?« Er versetzte: »Es ist dein Bruder Gharîb.« Da sagte er erfreut zu ihm: »Die Götzen mögen dich dafür segnen! Löse ihn und wecke ihn auf.« Als er Gharîb nun Essig zu schnupfen gab, kam er wieder zu sich und öffnete die Augen; wie er sich jedoch gefesselt sah und in einem fremden Zelt, rief er: »Es giebt keine Kraft und keine Macht außer bei Gott dem Hohen und Erhabenen!« Da schrie ihn sein Bruder an und rief: »Vermissest du dich wider mich, du Hund, und willst mich töten und das Blut deines Vaters und deiner Mutter an mir rächen? Ich will dich noch heute ihnen nachsenden und die Welt von dir befreien.« Gharîb erwiderte ihm: »Du Heidenhund, du sollst in Bälde schauen, gegen wen sich des Schicksals Wechsel wälzen werden, und wen der König, der Allbezwinger, niederzwingen wird, der die geheimsten Gedanken kennt, und der dich in Dschahannam lassen wird, gefoltert und betäubt. Hab Erbarmen mit dir selber und sprich mit mir: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Als Adschîb Gharîbs Worte vernahm, schnaubte und schnarchte er und schmähte seinen steinernen Götzen und befahl den Schwertmeister und das Blutleder zu holen. Da erhob sich 107 der Wesir, der ein Moslem im Herzen, äußerlich aber ein Heide war, und sprach, die Erde vor dem König küssend: »O König, verzieh und übereile nichts, bevor du nicht weißt, wer der Sieger und wer der Besiegte ist. Wenn wir die Sieger sind, so steht es in unserer Macht ihn zu töten, sind wir jedoch die Besiegten, so stärken wir uns, wenn wir ihn in unsern Händen leben lassen;« und nun sprachen auch die Emire: »Der Wesir hat recht.«

Sechshundertundneununddreißigste Nacht.

Da befahl Adschîb seinen Bruder in seinem Zelt in Ketten und Fesseln zu legen und ließ ihn von tausend trotzigen Kämpen bewachen.

Als nun Gharîbs Heer am nächsten Morgen seinen König vermißte und nicht fand, glich es einer Schafherde ohne Hirten. Saadân der Ghûl aber rief: »Ihr Leute wappnet euch und vertrauet auf eures Herrn Schutz!« Hierauf saßen die Araber und Perser auf, nachdem sie sich in ihre eiserne Rüstung gekleidet und die engmaschigen Panzer angelegt hatten, und die Bannerträger rückten, gefolgt von den Führern, ins Feld. Alsdann sprengte der Ghûl vom Berge mit einer eisernen Keule von zwei Centnern Gewicht voran, und rief, sich hin und her tummelnd: »Ihr Götzendiener, heran auf den Plan, denn heute heißt es »Fechte, wer kann!« Wer mich kennt, der hat genug des Übels von mir, und wer mich nicht kennt, der wisse, ich bin Saadân, der Knappe des Königs Gharîb. Wer mißt sich mit mir, wer tritt wider mich auf den Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling!« Da trat aus den Heiden ein Degen gleich einer Feuersflamme wider ihn ins Feld und griff Saadân an, Saadân aber setzte ihm entgegen und zerbrach ihm mit einem Keulenschlag die Rippen, daß er leblos zu Boden sank. Dann rief er seinen Söhnen und seinen Sklaven zu und sprach zu ihnen: »Zündet ein Feuer an und jeden, der von den Heiden fällt, macht zurecht und bratet ihn gut über dem 108 Feuer, daß ich ihn zum Frühstück verspeisen kann.« Sie thaten nach seinem Geheiß und zündeten mitten auf dem Plan ein Feuer an, worauf sie den Erschlagenen in die Flammen legten, bis er gebraten war. Dann brachten sie ihn Saadân, welcher das Fleisch abnagte und die Knochen zermalmte. Als die Heiden sahen, was der Ghûl vom Berge that, wurden sie von Grausen erfaßt, Adschîb aber rief seinen Streitern zu: »Wehe euch, attackiert diesen Ghûl und haut ihn mit euern Schwertern zu Stücke!« Da griffen zwanzigtausend Mann Saadân an, und, ihn rings umzingelnd, schossen sie Pfeile und Speere nach ihm, bis er von vierundzwanzig Wunden bedeckt war, aus denen das Blut zur Erde strömte; und er war allein. Infolge dessen griffen die Degen der Moslems die Polytheisten an, ihr Hilfegeschrei zum Herrn der Welten erhebend, und ließen nicht eher ab vom Kampf, als bis der Tag zu Ende ging, worauf sich die beiden Heere trennten. Saadân aber, der infolge des Blutverlustes wie ein Trunkener war, wurde gefangen genommen, und sie legten ihn in feste Banden und brachten ihn zu Gharîb, welcher, als er ihn gefangen sah, rief: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Ach, Saadân, was bedeutet das?« Saadân versetzte: »Mein Herr, Gott, – Preis ihm, dem Erhabenen! – verordnet Freud und Leid, und so und so muß es geschehen.« Gharîb erwiderte: »Du hast recht, Saadân.« Adschîb aber verbrachte die Nacht in Freuden und sprach zu seinem Kriegsvolk: »Sitzet morgen auf und fallt über das Heer der Moslems her, daß keiner von ihnen übrigbleibt.« Und sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.«

Was aber die Moslems anlangt, so verbrachten sie die Nacht als Besiegte und ihren König und Saadân beweinend. Da sprach Sahîm zu ihnen: »Ihr Leute, seid nicht mutlos, denn Gottes, des Erhabenen, Trost ist nahe.« Alsdann wartete er bis Mitternacht, worauf er sich zu Adschîbs Heer in der Verkleidung eines Zeltaufschlägers aufmachte und sich 109 zwischen den Zelten hindurchschlich, bis er Adschîb auf dem Thron seiner Macht, rings von den Königen umgeben, sitzen sah. Da trat er an die brennenden Kerzen, putzte sie und streute pulverisierten Bendsch in die Flamme. Hierauf verließ er das Zelt wieder und wartete, bis der Rauch von dem Bendsch Adschîb und die Könige überkam, und sie wie Tote zu Boden sanken. Dann verließ er sie und begab sich zum Zelt, das als Gefängnis diente, wo er Gharîb und Saadân von tausend von Müdigkeit überwältigten Kämpen bewacht sah. Da rief er ihnen zu: »Wehe euch, schlafet nicht sondern hütet euern Widersacher und zündet die Fackeln an!« Hierauf nahm er eine Fackel, zündet sie mit Holz an und streute Bendsch darauf, worauf er mit der Fackel rings durch das Zelt schritt, daß der Rauch vom Bendsch aufstieg und allen, Gharîb und Saadân sowohl wie ihren Wächtern, in die Nase drang. Als alle vom Bendsch betäubt und eingeschlafen waren, ließ Sahîm el-Leil Gharîb und Saadân Essig aus einem Schwamm, den er bei sich hatte, schnupfen, bis sie wieder zu sich kamen. Dann löste er sie aus den Ketten und Fesseln, und, als sie nun Sahîm erblickten, segneten sie ihn und freuten sich über ihn. Hierauf luden sie alle Waffen der Wächter auf und gingen hinaus, und Sahîm sprach zu ihnen: »Gehet jetzt zu euerm Heer.« Da gingen sie fort, während Sahîm Adschîbs Zelt betrat, ihn in seinen Mantel einwickelte und ihn dann auflud und sich mit ihm ebenfalls zum Lager der Moslems aufmachte; und der barmherzige Herr beschützte ihn, daß er Gharîbs Zelt wohlbehalten erreichte, wo er den Mantel vor ihm auseinander nahm. Als nun Gharîb nach seinem Inhalt schaute und seinen Bruder Adschîb darin gefesselt fand, rief er: »Gott ist groß! Er hat uns geholfen und den Sieg verliehen!« und segnete Sahîm. Dann sprach er zu ihm: »Sahîm, wecke ihn auf!« Da trat er an ihn heran und gab ihm Essig mit Weihrauch zu riechen, worauf er aus der Betäubung erwachte und die Augen öffnete. Als er 110 sich gebunden und gefesselt sah, ließ er sein Haupt zu Boden hängen.

Sechshundertundvierzigste Nacht.

Sahîm aber schrie ihn an: »Verruchter, heb' deinen Kopf auf!« Da hob er sein Haupt und fand sich inmitten von Persern und Arabern und sah seinen Bruder auf dem Thron seines Königreiches und der Stärke seiner Macht sitzen. Wie er nun schwieg und kein Wort redete, schrie Gharîb und sprach: »Entblößet mir diesen Hund!« Da zogen sie ihn nackend aus und fielen mit Peitschenhieben über ihn her, bis sie seinen Leib schwach gemacht und seinen Stolz gedämpft hatten, worauf Gharîb hundert Ritter als Wächter über ihn setzte. Als aber Gharîb der Züchtigung seines Bruders ein Ende gemacht hatte, hörten sie plötzlich Lā-ilâha-illāllâhû- und Allāh-akbar-Geschrei im Lager der Heiden. Die Ursache hiervon aber lag darin, daß der König Ed-Dâmigh, Gharîbs Oheim, zehn Tage nach Gharîbs Abzug von El-Dschesîre sich mit zwanzigtausend Mann zu Pferd aufgemacht und, in der Nähe des Schlachtfelds angelangt, seinen Leibkurier auf Kundschaft ausgesandt hatte. Nach eintägiger Abwesenheit war der Kurier wieder zurückgekehrt und hatte dem König Ed-Dâmigh mitgeteilt, wie es Gharîb mit seinem Bruder ergangen war, worauf er bis zur Nacht gewartet hatte und dann mit dem Feldgeschrei »Allāh akbar!« über die Heiden hergefallen war und ihnen des Schwertes Schneide zu kosten gegeben hatte. Als nun Gharîb und seine Leute das Feldgeschrei hörten, rief Gharîb seinem Bruder Sahîm el-Leil zu und sprach zu ihm: »Verkundschafte uns jenes Heer und die Ursache des Feldgeschreis.« Da machte sich Sahîm auf den Weg, bis er sich dem Schlachtfeld näherte, wo er die Sklaven befragte, die ihm zur Auskunft gaben: »Der König Ed-Dâmigh, Gharîbs Oheim, kam inmitten von zwanzigtausend Reitern und sprach: »Bei dem Freunde Abraham, ich will meines Bruders Sohn nicht verlassen. sondern will ein 111 ritterlich Werk thun; ich will den Heiden wehren, dem allmächtigen König zu Ehren.« Alsdann fiel er während der Nacht über das Volk des Unglaubens her.« Mit solchem Bescheid kehrte Sahîm zu seinem Bruder Gharîb wieder zurück und teilte ihm seines Oheims That mit, worauf Gharîb den Seinigen zurief: »Zu den Waffen! Aufs Pferd, und zu Hilfe meinem Oheim!« Da saßen die Reiter auf, und, sich auf die Heiden stürzend, gaben sie ihnen des Schwertes Schneide zu kosten; und, ehe noch der Morgen anbrach, hatten sie gegen fünfzigtausend Heiden erschlagen und gegen dreißigtausend gefangen genommen, worauf sich der Rest zur Flucht wandte und weit und breit über die Erde zerstreute. Dann kehrten die Moslems siegreich und im Triumph zurück, während Gharîb seinem Oheim Ed-Dâmigh zum Empfang entgegenritt und ihm nach dem Salâm für seine wackere That dankte. Ed-Dâmigh versetzte: »Ob wohl dieser Hund in der Schlacht gefallen ist?« Gharîb erwiderte: »Oheim, sei guten Mutes und kühlen Auges und wisse, er ist bei mir gebunden.« Da freute sich Ed-Dâmigh mächtig, und nun ritten sie ins Lager. Als aber die beiden Könige abstiegen und in das Königszelt traten, fanden sie Adschîb nicht. Da rief Gharîb: »O Ruhm Abrahams des Freundes, – Frieden sei auf ihm! – wie unheilvoll endet dieser große Tag!« Dann schrie er die Zeltaufschläger an und sprach: »Weh euch, wo ist mein Feind?« Sie entgegneten: »Als du aufsaßest und in unserer Mitte auszogst, befahlst du uns nicht ihn einzusperren.« Da rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Sein Oheim aber versetzte: »Übereile dich nicht und nimm es dir nicht zu Herzen, denn wohin könnte er fliehen, wo wir ihm nachsetzen?«

Nun hatte Adschîbs Flucht dessen Diener Sajjâr bewerkstelligt. Er hatte sich nämlich im Lager versteckt und konnte es kaum glauben, als Gharîb aufsaß und keinen im Lager zur Bewachung seines Widersachers zurückließ. Nachdem er 112 noch eine Weile gewartet hatte, lud er Adschîb auf seinen Rücken und trug ihn, besinnungslos wie er war vor Schmerzen infolge der Züchtigung, ins offene Land; aus Leibeskräften wanderte er mit ihm vom Anbruch der Nacht an bis zum nächsten Tag, bis er zu einer Wasserquelle unter einem Apfelbaum gelangte. Hier nahm er ihn von seinem Rücken herunter und wusch ihm das Gesicht, worauf er die Augen öffnete und Sajjâr gewahrte. Da sagte er zu ihm: »Sajjâr, schaffe mich nach Kûfa, daß ich mich dort erhole und Reisige und Mannschaften um mich schare, um meinen Feind niederzuzwingen. Und wisse, Sajjâr, ich bin hungrig.« Da eilte Sajjâr ins Dickicht und fing ein Straußenjunges für seinen Herrn, das er schlachtete und zerschnitt. Dann sammelte er Brennholz und machte mit Hilfe von Hölzern, die er aneinander rieb, Feuer, worauf er das Fleisch briet und seinem Herrn zu essen gab. Nachdem er ihm dann noch Wasser aus dem Quell zu trinken gereicht und er sich wieder erholt hatte, begab er sich zu einem der Beduinenlager und stahl ein Pferd, das er Adschîb brachte. Hierauf setzte er ihn auf dasselbe und ritt mit ihm mehrere Tage lang, bis sie in die Nähe von Kûfa gelangten, wo der Vicekönig von Kûfa dem König Adschib zur Begrüßung entgegenkam, doch fand er ihn schwach infolge der Schläge, die er von seinem Bruder erhalten hatte; dann zog der König Adschîb in die Stadt ein und ließ die Ärzte zu sich entbieten, zu denen er sprach: »Heilet mich in weniger als zehn Tagen.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und pflegten ihn, bis er genas und von seiner Krankheit und Züchtigung wieder hergestellt war. Alsdann befahl er seinem Wesir an alle Vicekönige Briefe zu schreiben, und so schrieb er einundzwanzig Briefe und schickte sie an dieselben, worauf dieselben ihre Truppen rüsteten und in Eilmärschen nach Kûfa zogen. 113

Sechshundertundeinundvierzigste Nacht.

Inzwischen bekümmerte sich Gharîb über Adschîbs Flucht und schickte tausend Degen hinter ihm aus, die sich nach allen Richtungen hin zerstreuten und, nachdem sie einen Tag und eine Nacht lang geritten waren und nichts von ihm gehört hatten, wieder zu Gharîb zurückkehrten und es ihm meldeten. Da verlangte er nach seinem Bruder Sahîm, doch fand er ihn nicht, so daß er sich schwer betrübte und für ihn vor den Wechselfällen der Zeit bangte, als mit einem Male Sahîm bei ihm eintrat und die Erde vor ihm küßte. Bei seinem Anblick erhob sich Gharîb und fragte ihn: »Wo bist du gewesen, Sahîm?« Er versetzte: »O König der Zeit, ich war in Kûfa und fand, daß der Hund Adschîb in der Stätte seiner Macht eingetroffen und durch seine Ärzte wiederhergestellt ist; ferner hat er Briefe an seine Vicekönige geschrieben, und diese sind mit Truppen bei ihm eingetroffen.« Da erteilte Gharîb Befehl zum Aufbruch, worauf sie die Zelte abbrachen und gen Kûfa zogen. Als sie daselbst anlangten, fanden sie die Stadt rings von einem Heere gleich der brandenden See umgeben, das weder Anfang noch Ende hatte. Gharîb lagerte sich mit seinen Streitern den Heiden gegenüber, die Zelte wurden aufgeschlagen, die Banner aufgepflanzt, und die Finsternis brach über beide Heere herein, worauf sie die Feuer anzündeten und bis zum Anbruch des Tages Wache hielten. Alsdann erhob sich der König Gharîb, vollzog die Waschung und betete nach dem Ritus unsers Vaters des Freundes Abraham – Frieden sei auf ihm! – das Gebet der zweimaligen Niederwerfung. Hierauf befahl er die Kriegstrommeln zu rühren, und die Trommeln wirbelten, die Banner flatterten, die Ritter wappneten sich mit ihren Panzern, sprangen auf ihre Rosse und sprengten, sich selber zur Schau stellend, auf das Schlachtgefild. Der erste aber, der des Kampfes Pforte öffnete, war der König Ed-Dâmigh, Gharîbs Oheim, indem er auf seinem Prachtroß 114 zwischen die beiden Schlachtreihen setzte und mit den Lanzen und Schwertern spielte, daß die Ritter verwirrt wurden und die beiden Heere sich über ihn verwunderten. Alsdann rief er: »Ist einer, der wider mich auf den Plan tritt? Kein Feigling sei's und kein Schwächling, ich bin der König Ed-Dâmigh, König Kundamirs Bruder.« Da ritt einer der Heidendegen wider ihn auf den Plan, ein Recke gleich einer Feuersflamme, und griff Ed-Dâmigh, ohne ein Wort zu sagen, an. Ed-Dâmigh aber empfing ihn mit einem Lanzenstoß in die Brust, daß das Speereisen zur Schulter herauskam; und Gott jagte seine Seele ins höllische Feuer, eine schlimme Stätte! Hierauf trat ein zweiter wider ihn auf den Plan, den er ebenfalls tötete, und ein dritter und so fort, bis er ihrer sechsundsiebzig Degen gefällt hatte. Als infolge dessen die Mannen und Degen wider ihn herauszutreten zauderten, rief der KâfirKâfir, der Ungläubige, der Heide, woher unser Kaffer. Adschîb seinem Kriegsvolk zu und sprach: »Wehe euch, ihr Leute! Wenn ihr alle einer nach dem andern wider ihn antretet, so läßt er keinen einzigen von euch weder stehen noch sitzen. Greift ihn alle auf einmal an, daß ihr die Erde von ihnen säubert und ihre Häupter unter die Hufe eurer Rosse werfet!« Da schüttelten sie das schreckenverbreitende Banner, Heer stürmte wider Heer, das Blut rann in Strömen zu Boden, der Richter der Schlacht waltete unter ihnen, in dessen Richtspruch kein Unrecht ist, der Tapfere stand festgewurzelten Fußes auf dem Kampfgefild, der Feigling aber kehrte den Rücken und floh und konnte kaum des Tages Ende erwarten, daß die Nacht mit ihrer Finsternis hereinbrach. So tobte die Schlacht, Hieb wider Hieb, bis der Tag zur Rüste ging und das Dunkel der Nacht sie umfing. Da ließen die Heiden die Rückzugstrommel schlagen, Gharîb aber, der hierzu keine Lust verspürte, stürmte wider die Polytheisten, und die Gläubigen, die Unitarier, setzten ihnen nach. Wie viele Häupter und 115 Hände säbelten sie ab, wie viele Hälse und Sehnen durchschnitten sie, wie viele Kniee und Rückgrate zermalmten sie, wie vielen Männern und Bürschlein gaben sie den Tod zu kosten! Und ehe noch der Morgen kam, neigten sich die Heiden zur Flucht und flohen beim Anbruch der strahlenden Morgenröte; die Moslems aber setzten ihnen bis zum Mittag nach und nahmen ihrer mehr als zwanzigtausend gefangen, die sie mit auf dem Rücken gebundenen Händen einbrachten. Dann setzte sich Gharîb neben das Thor von Kûfa und befahl einem Herold in der Stadt allen, die den Götzendienst aufgeben und die Einheit des allwissenden Königs, des Schöpfers der Geschöpfe und des Lichts und der Finsternis, bekennen würden, Gnade und Schutz zu verkünden. Infolge dessen ward der Pardon, so wie er es ihnen angesagt hatte, verkündet, und alle, die sich in der Stadt befanden, Groß und Klein, wurden gläubig, worauf sie herauskamen und ihr Bekenntnis zum Islam vor dem König Gharîb erneuerten, der sich außerordentlich über sie freute, so daß sich seine Brust weit und froh ausdehnte. Als er sich dann nach Mardâs und seiner Tochter Mahdîje erkundigte, sagten sie ihm, daß er sich hinter dem roten Berge niedergelassen hätte. Da schickte er nach seinem Bruder Sahîm und sprach zu ihm, als er vor ihm erschien: »Suche zu erfahren, wo dein Vater hingekommen ist.« Sahîm saß sofort auf, und, seine braune Lanze einsetzend, machte er sich ohne Säumen auf den Weg nach dem roten Berge, wo er seinen Vater suchte, ohne daß er etwas von ihm gehört oder eine Spur von seinem Stamm geschaut hätte; an ihrer Stelle fand er einen hochbetagten, infolge seiner Jahre zusammengeschrumpften Araberscheich, der ihm auf seine Frage, wohin die Leute gezogen wären, antwortete: »Mein Sohn, als Mardâs vernahm, daß sich Gharîb vor Kûfa gelagert hätte, wurde er von mächtiger Furcht gepackt und zog mit seiner Tochter, seinem Stamm und allen seinen Sklavinnen und Sklaven in die Steppen und Wüsten, ohne daß ich wüßte wohin.« 116 Als Sahîm des Scheichs Worte vernommen hatte, kehrte er zu seinem Bruder zurück und teilte es ihm mit, worüber er sich schwer bekümmerte. Alsdann setzte er sich auf den Thron seines väterlichen Reiches und, die Schatzkammern öffnend, verteilte er an alle Degen Geld und Gut. Er blieb in Kûfa wohnen und schickte Späher nach Adschîb aus, die Großen des Reiches aber ließ er vor sich kommen, und nicht nur sie, sondern auch die Stadtbewohner erschienen huldigend vor ihm, und er verlieh ihnen Ehrenkleider und legte ihnen die Sorge für die Unterthanen ans Herz.

Sechshundertundzweiundvierzigste Nacht.

Da begab es sich, daß er eines Tags inmitten von hundert Reitern eine Pürschfahrt antrat, auf welcher er zu einem baum- und obstreichen Wadi gelangte, das von Bächen durchströmt und von Vögeln belebt wurde. Es war ein Weideplatz für Antilopen und Gazellen, ein Ruheplatz für die Seelen, dessen Düfte die Ermatteten wieder erfrischten. Sie rasteten den Tag über, der heiter und sonnig war, in diesem Wadi und verbrachten auch daselbst die Nacht. Als Gharîb aber am andern Morgen nach der Waschung das Gebet der zweimaligen Niederwerfung verrichtet und Gott, den Erhabenen, gelobt und ihm gedankt hatte, erhob sich mit einem Male auf jener Wiese lautes Geschrei und Getümmel, worauf Gharîb Sahîm befahl, nachzuschauen, was es gäbe. Sahîm machte sich sofort auf und ritt, bis er geplündertes Gut, Leitpferde, gefangene Weiber und schreiende Kinder gewahrte. Da fragte er einen der Hirten, was das zu bedeuten hätte, worauf sie ihm zur Auskunft gaben: »Das ist der Harem des Mardâs, des Fürsten der Banû Kahtân, und sein und seines Stammes Gut; gestern hat El-Dschamrkân Mardâs erschlagen, sein Gut erbeutet, seine Weiber und Kinder gefangen genommen und all seines Stammes Habe an sich gebracht. Es ist nämlich El-Dschamrkâns Brauch, Raubzüge zu unternehmen und Wegelagerei zu treiben, denn er 117 ist ein widerspenstiger Tyrann, dem weder die Araber noch die Könige gewachsen sind, und er ist des Landes Plage.« Als Sahîm vernahm, daß sein Vater erschlagen, sein Harem gefangen genommen und sein Gut geraubt war, kehrte er zu seinem Bruder Gharîb zurück und teilte es ihm mit. Da kam Feuer zu Feuer und in brennendem Verlangen die Schande zu tilgen und Blutrache zu nehmen, saß er inmitten seines Volkes auf und setzte den Raubgesellen nach. Als er sie eingeholt hatte, attackierte er sie mit dem Ruf: »Allāh akbar über den Rebellen, den Empörer und Kâfir!« und erschlug in einem einzigen Angriff ihrer einundzwanzig Degen. Dann hielt er auf dem weiten Plan mit unverzagtem Herzen an und rief: »Wo ist El-Dschamrkân? Er trete wider mich an, daß ich ihm zu kosten gebe den Becher der Schande und von ihm befreie die Lande!« Kaum hatte Gharîb seine Worte beendet, da setzte El-Dschamrkân wie ein gewaltiges Unheil oder ein Stück von einem Berge, starrend von Eisen, wider ihn auf den Plan. Er war ein riesiger Amalekiter, und er berannte Gharîb ohne Wort oder Gruß wie ein widerspenstiger Tyrann. Gharîb aber setzte gleichfalls wider ihn wie ein blutgieriger Löwe. Nun hatte El-Dschamrkân eine Keule aus chinesischem Eisen bei sich, die so schwer und gewichtig war, daß er damit einen Berg hätte zertrümmern können. Mit dieser Keule holte er zu einem Streich nach Gharîbs Haupt aus, doch wich Gharîb dem Hieb aus, so daß die Keule vorbeiging und eine halbe Elle tief in die Erde fuhr. Da langte Gharîb nach seiner Keule und versetzte El-Dschamrkân einen Schlag auf die Hand, der ihm die Finger zermalmte, so daß ihm die Keule aus der Hand fiel. Dann neigte sich Gharîb von seinem Sattelsitz, und, sie schneller wie der blendende Blitz auffangend, gab er El-Dschamrkân einen Schlag auf die Rippen, daß er wie eine langstämmige Palme zu Boden stürzte, worauf Sahîm ihn packte, fesselte und mit einem Seile fortschleifte, während Gharîbs Reiter gegen El-Dschamrkâns Trupp lossprengten 118 und fünfzig erschlugen. Die übrigen flohen und hielten in ihrer Flucht nicht eher an als bis sie zu ihrem Lager gelangten, wo sie lautes Klagegeschrei erhoben, worauf alle, die sich in der Burg befanden, aufsaßen und ihnen entgegenritten, um sie zu fragen, was es gäbe. Als sie vernahmen, daß ihr Herr gefangen war, ritten sie nach dem Wadi um die Wette, um ihren Herrn zu befreien.

Inzwischen aber war König Gharîb nach El-Dschamrkâns Gefangennahme und der Flucht seiner Degen von seinem Schlachtroß abgestiegen und hatte befohlen, ihm El-Dschamrkân vorzuführen. Als er vor ihm erschien, sprach er unterwürfig zu ihm: »Ich begebe mich in deinen Schutz, o Ritter der Zeit.« Gharîb entgegnete ihm: »Araberhund, lauerst du den Dienern Gottes, des Erhabenen, an den Wegen auf und fürchtest dich nicht vor dem Herrn der Welten?« Da fragte El-Dschamrkân: »Mein Herr, und was ist der Herr der Welten?« Gharîb versetzte: »Hund, welches Unheil betest du denn an?« El-Dschamrkân erwiderte: »Mein Herr, ich bete einen aus Datteln mit Butter und Honig zusammengekneteten Gott an, und zuzeiten esse ich ihn und mache mir einen andern.« Da lachte Gharîb, daß er auf den Rücken fiel und sagte: »Unseliger, kein anderer Gott ist anzubeten als Gott, der Erhabene, der dich und alle Dinge erschaffen hat und alles, was Leben hat, versorgt, vor dem nichts verborgen ist, und der Macht hat über alle Dinge.« Nun fragte El-Dschamrkân: »Und wo ist dieser große Gott, daß ich ihn anbete?« Gharîb versetzte: »O du, wisse, daß dieser Gott den Namen Allāh, d. i. der Gott, führt und daß er es ist, der erschaffen hat alle die Himmel und die Erde, der da läßt die Bäume sprießen und die Wasser fließen. Er hat die wilden Tiere und die Vögel, das Paradies und das höllische Feuer erschaffen, und er verhüllt sich vor aller Augen, so daß er wohl schaut aber nicht geschaut wird; er ist das höchste Wesen, er ist unser Schöpfer und Versorger, – Preis ihm, es giebt keinen Gott außer ihm!« Als 119 El-Dschamrkân Gharîbs Worte vernommen hatte, wurden seines Herzens Ohren aufgethan; seine Haut erschauderte, und er rief: »Mein Herr, was soll ich sprechen, auf daß ich der Eure werde, und daß dieser große Herr Gefallen an mir findet?« Gharîb erwiderte: »Sprich: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham der Freund ist der Gesandte Gottes.« Da legte El-Dschamrkân das Bekenntnis ab und ward verzeichnet unter das Volk der Glückseligkeit; Gharîb aber fragte ihn: »Hast du des Islams Süße geschmeckt?« Er entgegnete: »Jawohl.« Da sprach Gharîb: »Löset seine Fesseln.« Und so lösten sie ihm die Fesseln, worauf er vor Gharîb die Erde küßte, um dann seine Füße zu küssen. Während sich dieses zutrug, erhob sich mit einem Male eine Staubwolke und verhüllte die Gegend.

Sechshundertunddreiundvierzigste Nacht.

Da sprach Gharîb: »Sahîm, schau nach, was die Staubwolke da bedeutet.« Sahîm flog davon wie ein Vogel und kehrte nach einiger Zeit wieder zurück und meldete: »O König der Zeit, diese Staubwolke rührt von den Banû Amir her, den Gefährten El-Dschamrkâns.« Da befahl Gharîb El-Dschamrkân: »Sitz auf, reite deinem Volk entgegen und setz ihnen den Islam auseinander. Gehorchen sie dir, so sollen sie unversehrt bleiben, widersetzen sie sich jedoch, so wollen wir das Schwert unter ihnen arbeiten lassen.« Da saß El-Dschamrkân auf und trieb sein Roß mit lauten Rufen auf sie zu, worauf sie, ihn erkennend, von ihren Pferden abstiegen und ihm zu Fuß entgegengingen und sprachen: »Wir freuen uns über deine Rettung, o unser Herr.« Er versetzte: »Ihr Leute, wer mir gehorcht, entgeht dem Tode, wer sich mir jedoch widersetzt, den zerhaue ich mit diesem Schwert.« Da erwiderten sie: »Befiehl uns, was du willst, wir wollen uns deinem Befehl nicht widersetzen.« Er entgegnete: »So sprecht mit mir: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Da fragten 120 sie ihn: »Herr, woher hast du diese Worte?« Und nun erzählte er ihnen sein Abenteuer mit Gharîb und sprach zu ihnen: »Ihr Leute, wisset ihr nicht, daß ich euch aufwiege im weiten Plan und auf der Schwert- und Lanzenstätte? Und doch hat mich ein einzelner Mann gefangen genommen und mir Schmach und Schande zu kosten gegeben!« Als seine Stammesgenossen seine Worte vernahmen, sprachen sie das Bekenntnis der Einheit Gottes und folgten El-Dschamrkân zu Gharîb, vor dem sie die Erde küßten; dann erneuerten sie vor ihm ihr Bekenntnis zum Islam und wünschten ihm Sieg und Ruhm. Gharîb freute sich über sie und befahl ihnen: »Kehret zu euerm Lager zurück und legt euerm Volk den Islam vor;« El-Dschamrkân aber und seine Streiter erwiderten: »O unser Herr, wir wollen uns hinfort nicht mehr von dir trennen, sondern wollen nur fortziehen, um unsere Kinder zu holen und zu dir zu bringen.« Gharîb versetzte: »So ziehet fort, ihr Leute, und stoßet bei der Stadt Kûfa wieder zu mir.« Da ritten El-Dschamrkân und seine Gefährten zu ihrem Stammlager und legten ihren Frauen und Kindern den Islam vor, die alle ohne Ausnahme gläubig wurden. Dann rissen sie ihre Wohnungen und Zelte ein und machten sich auf den Weg nach Kûfa, ihre Pferde, Kamele und Schafe vor sich hertreibend, während Gharîb inzwischen in Kûfa eingetroffen war, wo ihn die Reiter festlich einholten. Alsdann betrat er den Königspalast und setzte sich auf den Thron seines Vaters, während die Degen zur Rechten und Linken vor ihm standen. Da traten die Späher zu ihm ein und meldeten ihm, daß sein Bruder bei Dschaland, dem Sohn des Karkar, dem Herrn der Stadt Omân, und des Landes El-Jemen eingetroffen wäre. Als Gharîb diese Kunde von seinem Bruder erhielt, rief er seinen Streitern zu: »Ihr Leute, macht euch bereit in drei Tagen aufzubrechen.« Dann legte er den Dreißigtausend, welche in der ersten Schlacht gefangen genommen waren, den Islam vor und forderte sie auf mit ihm zu marschieren. 121 Zwanzigtausend von ihnen gehorchten, die andern zehntausend aber erschlug er, da sie sich weigerten. Dann erschienen El-Dschamrkân und seine Streiter und küßten die Erde vor ihm, worauf er ihnen kostbare Ehrenkleider verlieh und El-Dschamrkân zum Heeresführer machte, indem er zu ihm sprach: »Dschamrkân, sitz auf inmitten der Großen deines Stammes und zieh mit zwanzigtausend Mann zu Pferd als Vorhut ins Land Dschalands, des Sohnes Karkars, des Herrn der Stadt Omân.« El-Dschamrkân erwiderte: »Ich höre und gehorche;« und, ihre Weiber und Kinder in der Stadt Kûfa zurücklassend, saßen sie auf und zogen ab. Alsdann musterte Gharîb Mardâs' Harem, und, als hierbei seine Augen auf Mahdîje, die sich unter den Weibern befand, fielen, sank er in Ohnmacht. Da sprengten sie ihm Rosenwasser ins Gesicht, und wie er nun wieder zu sich kam, umarmte er sie und führte sie in ein Zimmer, wo er bei ihr saß. Dann schliefen beide keusch beisammen. Am andern Morgen ging er hinaus und setzte sich auf den Thron seines Königreiches, worauf er seinem Oheim Ed-Dâmigh ein Ehrenkleid verlieh und ihn zum Vicekönig über den ganzen Irâk einsetzte, indem er ihm zugleich Mahdîje anempfahl, bis er von der Kriegsfahrt gegen seinen Bruder Adschîb heimgekehrt wäre. Ed-Dâmigh gehorchte seinem Befehl, und nun brach er inmitten von zwanzigtausend Reitern und zehntausend Mann zu Fuß nach Omân und dem Lande El-Jemen auf.

Als nämlich Adschîb auf der Flucht sich mit seinen Streitern der Stadt Omân nahte und man dort die von ihnen verursachte Staubwolke sah, hatte El-Dschaland, der Sohn des Karkar, seinen Kurieren befohlen Kundschaft einzuziehen, worauf dieselben nach einer Weile wieder zurückkehrten und ihm mitteilten, daß die Staubwolke von einem König, Namens Adschîb, des Herrn vom Irâk, herrühre. El-Dschaland war über Adschîbs Kommen in sein Land verwundert, doch befahl er seinen Leuten, als er dessen gewiß war, ihm zum Empfang entgegenzuziehen. Infolgedessen zogen sie 122 Adschîb zum Empfang entgegen und schlugen Zelte für ihn neben dem Stadtthor auf, worauf Adschîb weinend und bekümmerten Herzens zu El-Dschaland hinauf in den Palast stieg. Nun aber war Adschîbs Vaterbruders Tochter El-Dschalands Gemahlin, die ihm Kinder geboren hatte. Als er daher seinen Schwäher in solchem Zustande sah, sprach er zu ihm: »Sag an, was dir widerfahren ist.« Da erzählte er ihm von Anfang bis zu Ende, wie es ihm mit seinem Bruder ergangen war, und fügte hinzu: »O König der Zeit, er befiehlt dem Volk den Herrn des Himmels anzubeten und untersagt den Leuten die Anbetung der Idole und anderer Götzen.« Als El-Dschaland diese Worte vernahm, tobte und wütete er und rief: »Bei der Sonne, der Spenderin des Lichts, ich will keine Seele von deines Bruders Volk am Leben lassen! Wo hast du sie verlassen, und wie viele sind ihrer?« Er erwiderte: »Bei Kûfa, und es sind ihrer fünfzigtausend Mann zu Pferd.« Da rief er seine Streiter und seinen Wesir Dschawâmard und befahl ihm: »Nimm dir siebzigtausend Reiter, zieh mit ihnen wider die Moslems aus und bringe sie mir lebendig, daß ich ihnen die verschiedenen Folterqualen zu kosten gebe.« Und so saß denn Dschawâmard mit seinen Mannen auf und zog gen Kûfa einen Tag und noch einen bis zum siebenten Tage, bis er zu einem Wadi, das reich an Bäumen, Bächen und Früchten war, gelangte und seinem Heere befahl sich zu lagern.

Sechshundertundvierundvierzigste Nacht.

Nachdem sie bis Mitternacht geruht hatten, befahl Dschawâmard ihnen wieder aufzubrechen, und er selber bestieg sein Schlachtroß und ritt ihnen bis zum Morgengrauen voran, als sie in ein reich mit Bäumen bestandenes Wadi hinabstiegen, dessen Blumen süß dufteten, während die Vögel auf schwankendem Gezweig liebliche Weisen sangen. Da blies der Satan ihn auf, daß er die Verse sprach: 123

»Mit meinem Heere durchwate ich das wogende Meer,
Und treibe die Feinde gefangen einher.
Die Degen im Lande, die kennen mich wohl
Als ein Grausen dem Feinde, dem Freund eine Wehr.
Und in eiserne Fesseln auch leg' ich Gharîb,
Und in Siegesjubel zurück ich kehr'.«

Ehe er aber noch seine Verse beendet hatte, trat ein stolz dreinschauender Ritter, starrend von Eisen, zwischen den Bäumen hervor und rief Dschawâmard entgegen: »Steh, du Araberschelm, zieh deine Kleider und deine Rüstung aus und steig von deinem Gaul herunter, daß du mit dem Leben davonkommst!« Als Dschawâmard diese Worte vernahm, ward das helle Licht Finsternis in seinem Angesicht, und, sein Schwert ziehend, sprengte er wider El-Dschamrkân und rief: »Du Araberschelm, willst du mir den Weg verlegen, wo ich El-Dschaland bin Karkars Heerführer bin und auszog, Gharîb und sein Heer gefesselt vor ihn zu bringen?« Als El-Dschamrkân diese Worte vernahm, rief er: »Welch eine Kühlung für mein Herz!« Hierauf setzte er wider Dschawâmard mir den Versen:

»Ich bin der Ritter, berühmt im Schlachtgefild,
Des Klinge und Speer die Feinde mit Schrecken erfüllt.
Ich bin El-Dschamrkân, gefürchtet im Streit,
Meiner Lanze Stoß ist bekannt den Degen der Welt.
Gharîb ist mein Fürst, nein, mein Imâm und mein Herr,
Der Löwe der Schlacht, wann Kämpe mit Kämpe sich mißt.
Ein Glaubensimâm und Asket voll stürmischem Mut,
Der die Feinde vertilgt im weiten Tunnelgefild.
Den Glauben des Freundes predigt er aller Welt,
Den falschen, doppelzüngigen Götzen zum Trotz.«

El-Dschamrkân war nämlich mit seinem Heer zehn Tage lang von Kûfa marschiert, worauf sie am elften Tage bis Mitternacht Halt gemacht hatten; dann hatte El-Dschamrkân wieder Befehl zum Aufbruch erteilt, und er selber war ihnen vorangezogen und in jenes Wadi hinabgestiegen, als er mit einem Male Dschawâmard die oben erwähnten Verse sprechen 124 hörte. Da sprengte er wider ihn wie ein reißender Löwe und spaltete ihn mit einem Schwertstreich auseinander, worauf er wartete, bis die Anführer kamen. Alsdann teilte er ihnen sein Abenteuer mit und sagte zu ihnen: »Verteilet euch so, daß je fünf von euch fünftausend Mann nehmen, und umzingelt das Wadi, während ich die Banû Amir bei mir behalte. Stoßen wir auf die Spitze der Feinde, so greifen wir sie mit dem Ruf »Allāh Akbar« an, und, so ihr unser Feldgeschrei hört, so greifet sie mit demselben Schlachtruf an und hauet mit dem Schwert drein.« Sie erwiderten ihm: »Wir hören und gehorchen,« und kehrten zu ihren Degen zurück, ihres Führers Befehl ihnen mitteilend. Hierauf verteilten sie sich beim Anbruch der Morgenröte rings um die Seiten des Wadi, als mit einem Male das Heer wie eine Schafherde ankam und Thal und Gebirg erfüllte. Da brach El-Dschamrkân mit den Banû Amir unter dem Ruf »Allāh Akbar« wider sie hervor, daß es die Heiden und die Gläubigen hörten, worauf die Moslems von allen Seiten riefen: »Gott ist groß, er hilft uns und giebt uns den Sieg und macht die Ungläubigen zu schanden!« Und der Ruf widerhallte von Berg und Hügel, und alles, Trocknes und Grünes, gab ihn zurück. Da fielen die Heiden bestürzt und verwirrt mit des Schwertes Schneide übereinander her, während die Moslems, die Reinen, sie wie eine Feuersflamme attackierten, so daß man nur fliegende Köpfe, spritzendes Blut und bebende Feiglinge sah. Als sie wieder ihre Gesichter sehen konnten, waren bereits zwei Drittel der Heiden vernichtet, und Gott jagte ihre Seelen hinab ins höllische Feuer, eine schlimme Stätte! Der Rest floh und zerstob in die Wüste, die Moslems aber setzten ihnen nach, sie teils niederhauend, teils gefangennehmend, bis sie gegen Mittag siebentausend Gefangene gemacht hatten, während von den Heiden nur sechsundzwanzigtausend, von denen noch die Mehrzahl verwundet war, heimkehrte. Dann kehrten die Moslems siegreich und im Triumph zurück und sammelten die Pferde, die Waffen, 125 das Gepäck und die Zelte, worauf sie die ganze Beute mit einer Bedeckung von tausend Reitern nach Kûfa sendeten.

Sechshundertundfünfundvierzigste Nacht.

El-Dschamrkân aber und die Streiter des Islams stiegen von den Pferden ab und setzten den Islam den Gefangenen auseinander; und, als dieselben mit Herz und Mund Moslems geworden waren, lösten sie ihnen die Stricke und umarmten sie voll Freude. Dann ließ El-Dschamrkân die große Heeresmasse einen Tag und eine Nacht ruhen, worauf er am nächsten Morgen wieder aufbrach und seinen Marsch nach El-Dschaland bin Karkars Stadt nahm.

Als nun die tausend Streiter mit der Beute in Kûfa anlangten und dem König Gharîb das Vorgefallene meldeten, freute er sich über die frohe Botschaft und befahl dem Ghûl vom Berge: »Sitz auf mit zwanzigtausend Mann und folge El-Dschamrkân.« Da saß Saadân der Ghûl mit seinen Söhnen inmitten von zwanzigtausend Mann auf und machte sich auf nach der Stadt Omân, wo inzwischen die Heiden auf ihrer Flucht weinend und mit Ach und Wehegeschrei eingetroffen waren, so daß El-Dschaland bin Karkar sie bestürzt fragte: »Welches Unheil hat euch betroffen?« Als sie ihm das Vorgefallene gemeldet hatten, rief er: »Wehe euch, und wie viele waren ihrer?« Sie erwiderten: »O König, es waren zwanzig Banner und unter jedem Banner standen tausend Mann zu Pferd.« Da rief El-Dschaland: »Keinen Segen sende die Sonne auf euch hernieder! Wehe euch! Laßt ihr euch von zwanzigtausend Mann schlagen, wo ihr siebzigtausend seid, und wo euer Führer Dschawâmard allein seine dreitausend Mann im Feld steht?« Und im Übermaß seines Kummers zog er sein Schwert und rief den Anwesenden zu: »Los auf sie!« Da zogen sie das Schwert wider die Flüchtlinge und hieben sie bis auf den letzten Mann nieder, worauf sie sie den Hunden zum Fraß vorwarfen. Alsdann rief El-Dschaland seinem Sohn zu und sprach: 126 »Sitz' mit hunderttausend Mann auf, zieh nach dem Irâk und mache das Land zu einer einzigen Wüstenei.«

Nun hieß der Sohn des Königs El-Dschaland El-Kūrdschân, und es gab im ganzen Heere seines Vaters keinen ritterlicheren Degen, da er es mir dreitausend Rittern aufnahm. Und so holte El-Kūrdschân seine Zelte heraus, und die Degen und Mannen rüsteten sich um die Wette und legten ihre Wehr an und brachen auf, Reihe hinter Reihe, mit El-Kūrdschân an der Spitze der Truppen, der voll Hoffart die Verse sprach:

»Ich bin El-Kūrdschân, der berühmte Held,
Der die Steppen und Städtebewohner gefällt.
Wie viele Degen schon schlug mein Schwert,
Daß sie brüllend wie Stiere sich wälzten im Feld!
Wie viele Streiter auch hab' ich zersprengt,
In den Staub ihre Schädel wie Bälle geschnellt!
Zum Irâk nun fahr' ich mit reisigem Volk
Und tränke mit Blut wie mit Regen das Feld.
Gharîb und die Degen, ich fang' sie mir ein,
Zum Exempel den Klugen in aller Welt.«

Zwölf Tage lang ritt das Heer, als es mit einem Male eine Staubwolke aufsteigen und den Horizont verhüllen sah. Da rief El-Kūrdschân die Späher und befahl ihnen die Staubwolke zu verkundschaften, worauf dieselben sich auf den Weg machten, bis sie unter die Banner der Feinde zogen; dann kehrten sie wieder zu El-Kūrdschân zurück und meldeten ihm: »O König, diese Staubwolke rührt von den Moslems her.« Erfreut hierüber fragte er sie: »Habt ihr sie gezählt?« Sie antworteten: »Wir zählten ihrer zwanzig Banner.« Da rief er: »Bei meinem Glauben, ich will keinen einzigen wider sie aussenden, sondern will selber allein wider sie ausziehen und will ihre Häupter unter die Hufe ihrer Rosse legen.«

Jene Staubwolke aber rührte von El-Dschamrkân her, welcher, sobald er die Heerscharen der Heiden gewahrte und sah, daß sie wie die brandende Flut herankamen, seinem 127 Heere Halt zu machen befahl, worauf sie die Zelte aufschlugen und die Banner aufpflanzten, indem sie dabei den allwissenden König, den Schöpfer des Lichts und der Finsternis anriefen, den Herrn aller Dinge, der schaut und nicht geschaut wird, das höchste Wesen, – Preis Ihm, dem Erhabenen, außer dem es keinen Gott giebt! In gleicher Weise machten die Heiden Halt und schlugen die Zelte auf, und El-Kūrdschân sprach zu ihnen: »Wappnet und rüstet euch und schlafet in Wehr und Waffen, denn bei Anbruch des letzten Drittels der Nacht wollen wir aufsitzen und diese Hand voll Leute in Grund und Boden stampfen.« El-Dschamrkâns Späher aber stand da und belauschte den Plan der Heiden, worauf er zu El-Dschamrkân zurückkehrte und es ihm mitteilte. Da wendete er sich zu seinen Degen und befahl ihnen: »Wappnet euch und, so die Nacht anbricht, bringt mir die Maultiere und Kamele und alle die Glöckchen, die Schellen und Klingeln und bindet sie den Kamelen und Maultieren um den Hals.« Es waren aber mehr als zwanzigtausend Kamele und Maultiere. Nachdem sie so lange gewartet hatten, bis sich die Heiden zur Ruhe gelegt hatten, befahl El-Dschamrkân seinen Leuten aufzusitzen, worauf sie im Vertrauen auf Gott aufsaßen und von dem Herrn der Welten Sieg erflehten. Alsdann befahl er ihnen: »Treibt die Kamele und die Saumtiere wider die Heiden und stachelt sie mit den Lanzenspitzen an.« Da gehorchten sie seinem Befehl und trieben alle Maultiere und Kamele auf die Heiden los; und die Glöckchen, Schellen und Klingeln läuteten und rasselten, während sie ihnen mit dem Feldgeschrei »Allāh Akbar!« folgten, daß die Berge und Hügel von dem Namen des allerhöchsten Königs, des Herrn der Herrlichkeit und Ehren widerhallten. Als nun die Pferde diesen gewaltigen Lärm hörten, brachen sie aus und trampelten die Zelte samt den Schläfern in Grund und Boden. 128

Sechshundertundsechsundvierzigste Nacht.

Verstört erhoben sich die Polytheisten und griffen, übereinander herfallend, zu den Waffen, bis die Mehrzahl von ihnen erschlagen war. Als sie dann einander anschauten und unter den Erschlagenen keine Moslems fanden, dieselben vielmehr in Wehr und Waffen hoch zu Pferd erblickten, erkannten sie, daß dies eine List von ihnen gewesen war, und El-Kūrdschân rief dem Rest seiner Streiter zu: »Ihr Dirnensöhne, den Streich, den wir ihnen spielen wollten, haben sie uns gespielt, und ihre List hat unsere List übertrumpft.« Hierauf schickten sie sich zum Angriff an, als mit einem Male eine Staubwolke aufwirbelte und die Gegend verhüllte; dann packte sie der Wind, daß sie sich wie ein Zelt ausbreitete und hoch in der Luft hing, worauf man unter ihr glitzernde Helme, blitzende Panzer und lauter freisliche Degen gewahrte, die ihre Indierschwerter umgehängt und die geschmeidigen Lanzen eingesetzt hatten. Als die Heiden die Staubwolke erblickten, enthielten sie sich des Kampfes, und jedes Heer schickte einen Späher aus, die unter die Staubwolke ritten und zusahen und dann zurückkehrten und meldeten, daß es Moslems wären.

Das herannahende Heer war aber das Heer des Ghûls vom Berge, das Gharîb ausgesandt hatte; und Saadân zog selber an der Spitze seiner Truppen einher. Als er zum Heer der wahren Gläubigen stieß, attackierte El-Dschamrkân mit seinen Streitern die Heiden wie eine Feuersflamme und ließ des Schwertes Schneide und die zitternde rudeinische Lanze unter ihnen arbeiten. Da verfinsterte sich der Tag, die Blicke wurden von dem dichten Staub geblendet, der Tapfere wich und wankte nicht, der Feigling suchte sein Heil in der Flucht und lief in die Steppen und Wüsten, das Blut strömte in Sturzbächen auf die Erde, und der Kampf währte unerbittlich, bis der Tag zur Rüste ging und das Dunkel der Nacht sie umfing. Alsdann ließen die Moslems von den Kâfirs ab 129 und kehrten in ihre Zelte ein, wo sie aßen und Nachtruhe hielten. Als aber die Finsternis wich und der Tag lächelnd nahte, verrichteten die Moslems das Morgengebet und saßen wieder zum Streit auf. Nun hatte El-Kūrdschân zu seinen Streitern gesagt, als dieselben, zum größten Teil verwundet und zu zwei Dritteilen von Schwert und Lanze vernichtet, aus der Schlacht zurückgekehrt waren: »Ihr Leute, morgen werde ich auf den Plan und die Schwert- und Lanzenstätte zum Zweikampf heraustreten und mich mit den Tapfern messen.« Als nun der Morgen kam und es licht ward und tagte, saßen die beiden Heere auf, unter lautem Feldgeschrei die Schwerter entblößend und die braunen Lanzen reckend, worauf sie sich in Schlachtreihe ordneten. Und der erste, welcher des Kampfes Thor öffnete, war El-Kūrdschân bin El-Dschaland bin Karkar, indem er rief: »Kein Feigling trete heute heraus und kein Schwächling!« Alles dies aber geschah, während El-Dschamrkân und Saadân der Ghûl unter den Bannern hielten. Da trat ein Häuptling der Banû Amir heraus ins Feld zum Zweikampf wider El-Kūrdschân, und die beiden berannten einander eine Zeit lang wie zwei bockende Widder. Dann aber stürzte sich El-Kūrdschân auf den Häuptling, packte ihn an seinem Panzerhemd, zerrte und riß ihn von seinem Sattel und warf ihn zu Boden, ihn sich selber überlassend, worauf ihn die Kâfirs fesselten und ihn in ihr Lager führten. Hierauf tummelte sich El-Kūrdschân rings umher und forderte neue Kämpen heraus, bis ein anderer Häuptling wider ihn antrat; doch nahm er bis zur Mittagszeit sieben hintereinander gefangen. Da stieß El-Dschamrkân einen so gewaltigen Schrei aus, daß das Gefild davon wiederhallte und beide Heere ihn hörten, und stürzte sich mit zornentbranntem Herzen auf El-Kūrdschân, und nun hieben beide mit ihren Schwertern aufeinander los und stachen sich unter lautem Hallo mit ihren Lanzen, daß die beiden Heere bangend für sie schrieen. So tobte der Kampf unter ihnen bis über die Zeit des Nachmittagsgebets hinaus, 130 als bereits der Tag sich neigte; da aber stürzte sich El-Dschamrkân auf El-Kūrdschân und versetzte ihm mit seiner Keule einen Schlag auf die Brust, daß er wie eine langstämmige Palme zu Boden fiel, worauf ihn die Moslems fesselten und ihn an einem Strick wie ein Kamel fortschleiften. Als die Kâfirs ihren Herrn gefangen sahen, packte sie ein heidenmäßiger Zornesbrand, und, sich auf die Moslems stürzend, suchten sie ihren Herrn zu befreien. Aber die moslemitischen Degen empfingen sie und ließen die Mehrzahl von ihnen auf dem Platz liegen, worauf die Überlebenden den Rücken kehrten und ihr Heil in der Flucht suchten, während ihnen die Schwerter in den Nacken sausten und die Moslems ihnen so lange nachsetzten, bis sie sie über die Berge und Wüsten zerstreut hatten. Dann ließen sie von ihnen ab und kehrten zur Beute zurück, unter der sich eine große Menge von Pferden und Zelten und andern Dingen befand; in der That eine Beute, die sich sehen lassen konnte! Hierauf setzte El-Dschamrkân El-Kūrdschân den Islam auseinander, indem er ihn bedrohte und in Furcht zu setzen suchte; da er sich jedoch weigerte Moslem zu werden, schlugen sie ihm das Haupt ab und pflanzten es auf eine Lanzenspitze, worauf sie wieder aufbrachen und den Marsch nach der Stadt Omân fortsetzten.

Inzwischen aber waren die Kâfirs bereits bei ihrem König eingetroffen und hatten ihm den Tod seines Sohnes und die Vernichtung seines Heeres gemeldet. Als El-Dschaland diese Unglücksbotschaft vernahm, warf er seine Krone auf die Erde und schlug sich so lange ins Gesicht, bis ihm das Blut aus der Nase strömte und er ohnmächtig zu Boden stürzte. Da sprengten sie ihm Rosenwasser ins Gesicht, und, als er nun wieder zu sich kam, rief er seinem Wesir zu: »Schreibe an alle Vicekönige Briefe und befiehl ihnen, daß sie jeden, der Schwert, Lanze und Bogen zu führen weiß, bis auf den letzten Mann zu mir bringen.« Infolge dessen schrieb der Wesir die Briefe und schickte sie mit Kurieren ab, 131 und die Vicekönige rüsteten sich und brachten ihm ein mächtiges Heer von einhundertundachtzigtausend Mann zusammen. Dann beschafften sie sich die Kamele, Zelte und Schlachtrosse und wollten gerade aufbrechen, als bereits El-Dschamrkân und Saadân der Ghûl mir siebzigtausend Mann zu Pferd gleich trotzig dreinschauenden Löwen, von denen jeder von Eisen starrte, angezogen kamen. Als El-Dschaland die Moslems heranziehen sah, freute er sich und sprach: »Bei der Sonne, der Spenderin des Lichts, ich will keinen einzigen von meinen Feinden am Leben lassen, daß keiner die Nachricht heimbringen kann, und will den Irâk verwüsten und Blutrache nehmen für meinen Sohn, den Ritter so kampfesfroh; und nicht soll mein Feuer sich kühlen.« Dann wendete er sich zu Adschîb und sprach: »Du Hund von Irâk, du bist's, der diese Not über uns gebracht hat; aber, bei dem, was ich anbete, wenn ich mich nicht an meinem Feinde räche, so sollst du des übelsten Todes sterben!« Als Adschîb diese Worte vernahm, bekümmerte er sich schwer und machte sich selber Vorwürfe. Dann wartete er, bis die Nacht dunkelte und die Moslems sich gelagert und ihre Zelte aufgeschlagen hatten, worauf er zu dem Rest seines Clans, mit dem er aus dem Lager gewiesen war, sprach: »Ihr Söhne meines Oheims, wisset, daß El-Dschaland und ich über die Ankunft der Moslems in großer Furcht sind, und ich weiß, daß er nicht imstande ist mich, sei es vor meinem Bruder oder irgend einem andern, zu schützen. Mein Vorschlag geht deshalb dahin, daß wir, sobald die Augen schlafen, aufbrechen und bei dem König Jaarub bin Kahtân Zuflucht suchen, da er mehr Truppen hat und ein mächtigerer Sultan ist.« Als seine Leute seine Worte vernommen hatten, versetzten sie: »Das ist das Rechte.« Hierauf befahl ihnen Adschîb die Feuer neben den Zeltthüren anzuzünden und unter dem Dunkel der Nacht aufzubrechen; und sie gehorchten seinem Befehle, so daß sie bei Tagesanbruch bereits ein weites Stück Land durchmessen hatten. El-Dschaland aber erhob sich am Morgen 132 mit zweihundertundsechzigtausend gepanzerten Streitern, starrend in Eisen und in engmaschigen Panzern, die Kriegstrommeln wirbelten und die Reihen zogen auf, bereit zum Hauen und Stechen. Dann kamen auch El-Dschamrkân und Saadân inmitten von vierzigtausend trotzigen Degen herangeritten, mit tausend trotzigen, tüchtigen Kämpen, Drauflosgängern im Streit, unter jedem Banner. Alsdann zogen die beiden Heere in Schlachtreihe auf, begierig zum Hauen und Stechen, und zogen die Schwerter und reckten die geschmeidigen Speere, den Becher des Todes zu trinken. Und der erste, welcher des Kampfes Pforte öffnete, war Saadân, wie ein Berg aus Quarz oder ein Mârid von den Dschânn. Ein Degen von den Kâfirs sprengte wider ihn los, doch fällte er ihn und warf ihn auf den Plan, worauf er seinen Söhnen und Burschen zurief: »Zündet Feuer an und bratet mir diesen Erschlagenen.« Da thaten sie nach seinem Geheiß und brachten ihm denselben gebraten, worauf er ihn fraß und seine Knochen zermalmte, während die Kâfirs dastanden und, ihm von ferne zuschauend, riefen: »O Sonne, du Spenderin des Lichts!« und bei dem Gedanken, von Saadân erschlagen zu werden, von Grausen erfaßt wurden. Da schrie El-Dschaland seinem Heere zu und rief: »Schlagt dieses Stück Vieh tot.« Und so sprengte ein anderer Hauptmann von den Heiden wider ihn los, doch tötete ihn Saadân gleichfalls und fällte er einen Ritter nach dem andern, bis er ihrer dreißig erschlagen hatte. Da ließen die feigen Kâfirs vom Kampf mit Saadân ab und sprachen: »Wer soll hier auch kämpfen wider die Dschânn und Ghûle!« El-Dschaland aber rief: »Greifet ihn zu hundert Rittern auf einmal an und bringt ihn mir, gefangen oder tot.« Da attackierten Saadân hundert Ritter auf einmal mit Schwert und Lanze, er aber empfing sie mit einem Herzen härter als Quarz, die Einheit des vergeltenden Königs bekennend, den kein Ding von einem andern Ding abbringt, und laut »Allāh akbar!« rufend. Dann schlug er mit dem Schwert unter 133 sie drein, daß die Köpfe nur so flogen, und mit einem einzigen Satz erschlug er ihrer vierundsiebzig, worauf die übrigen flohen. Da rief El-Dschaland zehn Häuptlinge, unter deren jedem tausend Degen standen, und sprach zu ihnen: »Beschießet sein Roß so lange mir Pfeilen, bis es unter ihm zusammenbricht, und dann legt Hand an ihn.« Da griffen zehntausend Reiter Saadân auf einmal an, doch empfing er sie mir festem Herzen. Wie nun El-Dschamrkân und die Moslems die Kâfirs Saadân angreifen sahen, warfen sie sich ihnen mit dem Feldgeschrei »Allāh akbar!« entgegen, doch ehe sie noch Saadân erreichten, hatten die Kâfirs bereits sein Roß getötet und ihn gefangen genommen; sie hörten jedoch nicht eher auf wider die Ungläubigen zu streiten, bis sich der Tag verfinsterte und die Augen nichts mehr sehen konnten; und des Schwertes Schneide sauste, die schlachtenfrohen Reiter standen fest, während die Feiglinge zusammenbrachen; und es waren die Moslems unter den Kâfirs wie ein weißes Mal auf einem schwarzen Stier.

Sechshundertundsiebenundvierzigste Nacht.

Erst als die Finsternis hereinbrach, brachen sie das Gefecht ab und trennten sich, nachdem von den Kâfirs eine zahllose Menge gefallen war. El-Dschamrkân und seine Streiter waren aufs tiefste über Saadân bekümmert und weder Speise noch Schlaf schmeckte ihnen; als sie aber ihre Mannschaft musterten, fanden sie, daß noch nicht tausend Mann von ihnen gefallen waren. Da sprach El-Dschamrkân: »Leute, ich werde auf den Plan zum Zweikampf heraustreten, und ich will ihre Degen erschlagen und ihre Weiber und Kinder erbeuten und gefangen nehmen und mit ihnen mit der Erlaubnis des vergeltenden Königs, den ein Ding nicht von einem andern abbringt, Saadân loskaufen.« Und so beruhigten sich ihre Herzen, und froh gingen sie auseinander zu ihren Zelten.

El-Dschaland aber erhob sich und begab sich in sein Zelt, 134 wo er sich, rings von seinem Volk umgeben, auf den Thron seines Königreiches setzte. Dann ließ er Saadân vor sich kommen und sprach zu ihm: »Du gemeinster Hund, du Araberlump, du Holzträger, wer hat meinen Sohn El-Kūrdschân erschlagen, den Tapfersten seiner Zeit, den Heldentöter und Degenbezwinger?« Saadân erwiderte ihm: »El-Dschamrkân hat ihn erschlagen, der Heerführer des Königs Gharîb, der Herr der Ritter, und ich hab' ihn gebraten und gefressen, da ich hungrig war.« Als El-Dschaland Saadâns Worte vernahm, sanken ihm die Augen tief ins Haupt, und er befahl ihm den Kopf abzuschlagen. Infolge dessen trat der Schwertmeister an Saadân heran, als sich Saadân in seinen Banden reckte und streckte und sie zerriß, worauf er sich auf den Schwertmeister stürzte, ihm das Schwert entriß und ihm den Kopf abschlug. Dann stürzte er sich auf El-Dschaland, doch warf sich dieser von seinem Thron und floh, so daß Saadân nun über die Anwesenden herfiel und unter ihnen zwanzig von der nächsten Umgebung des Königs erschlug, worauf die übrigen Hauptleute flohen. Während sich nun lautes Geschrei im Heer des Kâfirs erhob, stürzte sich Saadân auf alle Ungläubigen, die ihm in den Weg kamen und schlug nach links und rechts mit dem Schwert unter sie, so daß sie vor ihm flohen und ihm freie Bahn machten. Und so teilte er in einem fort Schwerthiebe unter die Feinde aus, bis er aus ihrem Lager herausgekommen war und zum Lager der Moslems eilte, welche beim Geschrei der Ungläubigen sprachen: »Vielleicht hat sie irgend ein Unglück betroffen.« Während sie aber noch ratlos dastanden, erschien mit einem Male Saadân, über dessen Ankunft sie mächtig erfreut waren; am meisten aber freute sich El-Dschamrkân, der ihn samt den andern Moslems mit dem Salâm begrüßte und ihn zu seiner Rettung beglückwünschte.

Soviel mit Bezug auf die Moslems; was aber die Kâfirs anlangt, so kehrten dieselben samt ihrem König wieder nach Saadâns Fortgang zum Königszelt zurück, und der 135 König sprach zu ihnen: »Ihr Leute, bei der Sonne, der Spenderin des Lichts, bei der Finsternis der Nacht, bei dem Licht des Tages und den Wandelsternen, ich glaubte heute nicht dem Tode zu entrinnen, und, wäre ich in seine Hand gefallen, so hätte er mich gefressen und ich wäre für ihn nicht einmal soviel wie ein Weizen- oder Gersten- oder sonst irgend ein Korn gewesen.« Sie versetzten: »O König, nie sahen wir an einem solches Thun wie an diesem Ghûl.« Da erwiderte der König: »Ihr Leute, greift morgen zu euern Waffen, sitzet auf und stampfet sie unter eurer Rosse Hufen.«

Inzwischen hatten sich die Moslems, erfreut über den Sieg und Saadâns des Ghûls Befreiung, versammelt, und El-Dschamrkân sprach: »Morgen will ich euch auf dem Plan zeigen, was ich vermag, und was einem Degen wie mir ansteht. Bei dem Freunde Abraham, ich will sie aufs übelste niedermetzeln und will sie mit des Schwertes Schneide bearbeiten, daß alle Vernünftigen den Verstand verlieren sollen. Jedoch beabsichtige ich beide Flügel, den rechten und den linken, anzugreifen, und, wenn ihr seht, daß ich mich auf den König unter den Bannern werfe, dann greifet hinter mir wacker an, damit Gott beschließt, was geschehen soll.« Hierauf verbrachten die beiden Heere wohlbewacht die Nacht; als aber der Tag anbrach und die Sonne dem Auge sichtbar wurde, saßen die beiden Heere schneller wie ein Augenblick wieder auf, der Wüstenrabe krächzte, und die Gegner schauten sich an mit dem bösen Auge und reihten sich auf zur Schlacht. Und der erste, welcher des Kampfes Pforte öffnete, war El-Dschamrkân, der sich auf dem Blachgefild tummelte und zu fechten begehrte; und schon waren El-Dschaland und seine Leute zur Attacke bereit, als mit einem Male eine Staubwolke aufwirbelte und, den Horizont verhüllend, den Tag verfinsterte. Dann wurde sie von den vier Winden gepackt und zerrissen, worauf unter ihr lauter gepanzerte Reiter und fürstliche Degen sichtbar wurden, hauende Schwerter und stoßende Lanzen und Mannen wie Löwen ohne Furcht 136 und Grausen. Als die beiden Heere die Staubwolke gewahrten, enthielten sie sich des Kampfes und schickten Kundschafter aus, um festzustellen, von welchem Volke jene kämen, die dort den Staub erregten. Da zogen die Späher aus, bis sie unter die Staubwolke gelangten und den Blicken entschwanden, worauf sie nach einer Weile wieder zurückkehrten; und der Bote der Kâfirs meldete, daß die Ankömmlinge eine Heerschar Moslems wäre unter ihrem König Gharîb. Als nun die Moslems von ihrem Kundschafter ebenfalls die Nachricht von dem Nahen ihres Königs Gharîb und seiner Streiter vernahmen, freuten sie sich und trieben ihre Rosse ihrem König zum Empfang entgegen, worauf sie abstiegen, die Erde vor ihm küßten und ihn begrüßten.

Sechshundertundachtundvierzigste Nacht.

Alsdann scharten sie sich rings um ihn, und er begrüßte sie und freute sich, daß sie wohlbehalten waren. Hierauf zogen sie mit ihm ins Lager und errichteten Zelte für ihn und pflanzten die Banner auf; und der König Gharîb setzte sich auf den Thron seines Reiches, rings umgeben von den Großen, worauf sie ihm erzählten, wie es ihnen und Saadân ergangen war. Inzwischen hatten sich die Kâfirs versammelt und Adschîb gesucht; als sie ihn aber weder in ihrer Mitte noch in ihrem Lager fanden, teilten sie sein Entweichen El-Dschaland bin Karkar mit, der von den Schrecken des jüngsten Tages befallen wurde und, seine Finger beißend, rief: »Bei der Sonne, der Spenderin des Lichts, er ist ein treuloser Hund, der mit seinen erbärmlichen Gesellen in die Steppen und Wüsten geflohen ist; jedoch bleibt uns nichts anderes als grimmer Kampf übrig, um diese Feinde zu vertreiben. Nehmt daher euern Mut zusammen, stärkt eure Herzen und hütet euch vor den Moslems.« Der König Gharîb aber sprach zu seinem Kriegsvolk: »Nehmt euern Mut zusammen, stärkt eure Herzen, rufet euern Herrn um Hilfe an und bittet ihn, daß er euch den Sieg über eure Feinde 137 verleiht.« Und sie erwiderten: »O König, du sollst unsere Thaten auf dem Plan und der Schwert- und Lanzenstätte schauen.« Hierauf verbrachten beide Heere die Nacht. Am andern Morgen aber, als es hell ward und tagte, und als die Sonne auf die Häupter der Hügel und in die Kiesgründe schaute, verrichtete Gharîb nach dem Ritus des Freundes Abraham – Frieden sei auf ihm! – das Gebet der zweimaligen Niederwerfung und schrieb dann einen Brief, den er durch seinen Bruder Sahîm den Kâfirs schickte. Als Sahîm zu ihnen gelangte, fragten sie ihn: »Was wünschest du?« Er versetzte: »Ich will zu euerm Herrscher.« Sie entgegneten: »Bleib hier stehen, bis wir ihn deswegen befragt haben.« Da blieb er stehen, während sie El-Dschaland über ihn Bericht erstatteten und seinen Rat einholten. Der König aber rief: »Her mit ihm!« Als sie ihn nun vor El-Dschaland führten, fragte ihn dieser: »Wer hat dich hergeschickt?« Sahîm antwortete: »Der König Gharîb, welchen Gott zum Herrscher über die Araber und Adschamer gemacht hat. Nimm sein Schreiben und gieb ihm Antwort.« Da nahm El-Dschaland das Schreiben, brach es auf und las folgendes darin: Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen, des Herrn vom Urbeginn, des Einen, des Hocherhabenen, des Allwissenden, des Herrn Noahs und Sâlihs und Hûds und Abrahams, des Herrn aller Dinge! Der Frieden auf alle, so da folgen der rechten Leitung und der Schlechtigkeit Folgen fürchten und dem höchsten König gehorchen, dem Weg der rechten Leitung folgen und das Jenseits dem Diesseits vorziehen! Des Ferneren: O Dschaland, keiner ist wert der Anbetung als allein Gott, der Einige, der Allbezwinger, der Schöpfer der Nacht und des Tages und der kreisenden Sphäre, der die reinen Propheten ausgesendet hat und hat laufen lassen die Ströme, der den Himmel hoch erhöht und die Erde wie einen Teppich ausgebreitet hat, der die Bäume wachsen lässet, der die Vögel versorgt in den Nestern und das Wild in den Wüsten, denn 138 er ist der allmächtige Gott, der Allvergebende, Allmilde, der Verhüller, den die Blicke nicht erreichen, der die Nacht folgen lässet auf den Tag, und der die Gesandten entsendet und die Schriften geoffenbart hat. Wisse, o Dschaland, es giebt keinen Glauben außer dem Glauben des Freundes, darum werde gläubig, auf daß du der Schneide des Schwerts entrinnst und der Feuerspein im Jenseits. So du aber den Islam verschmähst, so freue dich der Botschaft der Vernichtung und Verwüstung und Vertilgung deiner Spur; und schicke mir den Hund Adschîb, daß ich das Blut meines Vaters und meiner Mutter an ihm räche.

Als El-Dschaland das Schreiben gelesen hatte, sagte er zu Sahîm: »Sprich zu deinem Herrn: Adschîb ist mit seinen Leuten geflohen, und wir wissen nicht, wohin er seinen Weg genommen hat; was aber El-Dschaland anlangt, so wird er nimmermehr seinen Glauben aufgeben. Morgen soll der Kampf anheben zwischen uns, und die Sonne wird uns den Sieg verleihen.« Da kehrte Sahîm zu seinem Bruder zurück und teilte ihm El-Dschalands Worte mit, worauf sie Nachtruhe hielten. Am nächsten Morgen aber griffen die Moslems zu ihren Waffen und bestiegen die kräftigen Gäule, indem sie den Namen des allsiegenden Königs, des Schöpfers von Leib und Seele, anriefen und laut das Feldgeschrei »Allāh akbar!« erhoben. Dann wirbelten die Trommeln, daß die Erde erbebte, und alle die fürstlichen Ritter und kühnen Degen ritten hinein ins Feld. Der erste aber, welcher das Thor des Kampfes öffnete, war El-Dschamrkân, indem er sein Roß antrieb und mit Schwert und Speer spielte, bis die Beherztesten verwirrt wurden. Dann rief er: »Wer mißt sich mit mir, wer tritt wider mich auf den Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling heut! Ich bin's, der El-Kūrdschân, El-Dschalands Sohn, erschlug. Wer tritt wider mich an, Blutrache zu nehmen?« Als El-Dschaland seines Sohnes Namen hörte, rief er seinen Streitern zu: »Ihr Dirnensöhne, bringt mir jenen Ritter, der meinen Sohn 139 erschlagen hat, auf daß ich sein Fleisch esse und sein Blut trinke.« Da griffen ihn hundert Degen auf einmal an, doch erschlug er die Mehrzahl derselben und trieb ihren Führer in die Flucht. Als El-Dschaland dies gewahrte, rief er seinen Streitern zu: »Greifet ihn alle auf einmal an.« Da schüttelten sie das Furcht einjagende Banner, und ein Heer warf sich über das andere; Gharîb stürmte vor mit seiner Schar und ebenso El-Dschamrkân, die beiden Heere prallten zusammen wie zwei Meere, und das jemenische Schwert und die Lanze arbeiteten, Brüste und Leiber wurden aufgeschlitzt, beide Schlachtreihen sahen den Engel des Todes von Angesicht zu Angesicht, und der Staub wirbelte zu den Wolken auf; so währte die Schlacht, bis der Tag wich, worauf die Rückzugstrommeln geschlagen wurden und beide Heere, sich voneinander trennend, zu ihren Zelten zurückkehrten.

Sechshundertundneunundvierzigste Nacht.

Als die Schlacht beendet war und beide Heere in ihre Zelte zurückkehrten, setzte sich der König Gharîb auf den Thron seines Reiches und der Stätte seiner Macht, während sich seine Gefährten rings um ihn reihten. Alsdann sprach er zu seinem Volk: »Mich ärgert die Flucht dieses Hundes Adschîb schwer, zumal ich nicht weiß, wohin er entkommen ist; und wenn ich ihn nicht einhole und die Blutrache an ihm vollstrecke, so sterbe ich vor Ärger.« Da trat sein Bruder Sahîm el-Leil herzu, küßte die Erde und sprach: »O König, ich will zum Heer der Kâfirs gehen und schauen, was aus diesem treulosen Hund Adschîb geworden ist.« Gharîb versetzte: »Geh und vergewissere dich über dieses Schwein.« Da legte Sahîm die Tracht der Kâfirs an, daß er ganz wie einer der ihrigen ward, und machte sich nach den Zelten der Feinde auf. Er fand sie alle trunken von der Schlacht schlafen und niemand außer den Wächtern wach. An ihnen vorübergehend, eilte er zum Königszelt, in welchem er den König ebenfalls schlafend fand, ohne daß jemand bei ihm 140 gewesen wäre. Da trat er herzu und gab ihm pulverisierten Bendsch zu riechen, so daß er wie ein Toter ward. Dann ging er hinaus und holte ein Maultier, worauf er den König in die Bettdecke einwickelte und auf das Maultier legte; nachdem er dann noch eine Rohrmatte auf ihn gelegt hatte, kehrte er mit dem Maultier zu Gharîbs Zelt zurück und trat bei dem König ein. Die Anwesenden, die ihn nicht erkannten, fragten ihn: »Wer bist du?« Da lachte Sahîm und enthüllte sein Gesicht, worauf sie ihn erkannten. Gharîb aber fragte ihn: »Was hast du da für eine Last, Sahîm?« Er erwiderte ihm: »O König, das ist El-Dschaland bin Karkar.« Hierauf öffnete er das Tuch, und Gharîb sagte, ihn erkennend: »Sahîm, wecke ihn auf.« Da gab er ihm Essig und Weihrauch, worauf er den Bendsch aus seiner Nase stieß und die Augen öffnete. Als er sich nun unter den Moslems fand, sagte er: »Was ist das für ein schändlicher Traum!« worauf er die Augen wieder schloß und weiter schlief. Da gab ihm Sahîm einen Fußtritt und rief: »Öffne die Augen, Verruchter!« Nun öffnete er die Augen wieder und fragte: »Wo bin ich?« Sahîm erwiderte: »Du bist in der Gegenwart Gharîbs, des Sohnes Kundamirs, des Königs vom Irâk.« Als El-Dschaland diese Worte vernahm, rief er: »O König, ich begebe mich unter deinen Schutz; und wisse, ich habe keine Schuld, vielmehr war es dein Bruder, der uns zum Kampf herauslockte und floh, nachdem er Feindschaft zwischen uns geworfen hatte.« Da fragte Gharîb: »Weißt du, welchen Weg er genommen hat?« Er erwiderte: »Nein, bei der Sonne, der Spenderin des Lichts, ich weiß es nicht.« Hierauf befahl Gharîb ihn in Fesseln zu legen und zu bewachen, und die Führer begaben sich alle in ihre Zelte, während El-Dschamrkân beim Heimgang zu seinen Leuten sprach: »Ihr Söhne meines Oheims, ich beabsichtige heute Nacht eine That zu thun, durch die ich mein Gesicht vor König Gharîb weiß mache.« Sie versetzten: »Thue, was du willst, wir hören und gehorchen deinem Befehl.« 141 Da sagte er: »Wappnet euch und folget mir, doch dämpfet eure Schritte und lasset keine Ameise etwas von euch hören. Verteilet euch rings um die Zelte der Kâfirs und, so ihr mich »Allāh akbar!« rufen höret, so fallet gleichfalls ein und rufet laut »Allāh akbar!« Dann weichet zurück und eilet zum Stadtthor; und von Gott, dem Erhabenen, erbitten wir den Sieg.« Da wappneten sie sich vom Scheitel bis zur Sohle und harrten bis Mitternacht, worauf sie die Kâfirs umzingelten und eine Weile warteten, bis El-Dschamrkân mit einem Male mit seinem Schwert auf den Schild schlug und »Allāh akbar!« rief, daß das Wadi wiederhallte. Dann fielen sie in den Ruf ein und schrieen »Allāh akbar!« daß das Thal, die Berge, Hügel, Sandsteppen und alle Ruinen wiederhallten, worauf die Kâfirs bestürzt erwachten und, übereinander herfallend, das Schwert die Runde unter sich machen ließen. Alsdann wichen die Moslems zurück und eilten zu den Stadtthoren, durch die sie, nachdem sie die Thorwächter niedergehauen hatten, eindrangen, die Stadt nebst ihrem ganzen Inhalt an Gut und Seide in Besitz nehmend.

Soviel mit Bezug auf El-Dschamrkân; als aber der König Gharîb das Geschrei und Allāh-akbar-Rufen vernahm, saß er mit seinem Heere bis zum letzten Mann auf und schickte Sahîm voraus, welcher, als er dem Schlachtfeld nahe kam, sah, daß El-Dschamrkân und die Banû Amir die Kâfirs überfallen und ihnen den Becher des Todes zu kosten gegeben hatten. Da kehrte er um und teilte seinem Bruder das Vorgefallene mit, der deshalb auf El-Dschamrkân Segen herabflehte.« Die Kâfirs aber hörten nicht eher auf, einander mit des Schwertes Schneide zu bearbeiten und ihren Eifer zu vergeuden, bis der Tag anbrach und sein Licht über das Land ergoß, als Gharîb seinen Leuten zurief: »Vorwärts, ihr Edlen, zur Attacke, dem allwissenden König zu Gefallen!« Da griffen die Gerechten die Kâfirs an, des Schwertes Schneide spielte, und die zitternde Lanze sauste in die Brust jedes heuchlerischen Kâfirs. Als diese aber in die Stadt 142 fliehen wollten, brach El-Dschamrkân mit seinen Vettern aus ihr hervor und trieb sie zwischen zwei Bergzügen in die Enge, wo sie eine zahllose Menge von ihnen erschlugen, während der Rest in die Steppen und Wüsten floh.

Sechshundertundfünfzigste Nacht.

Die Moslems setzten den Kâfirs mit dem Schwert nach und ließen nicht eher von ihnen ab, als bis sie sich über Ebene und Gestein zerstreut hatten, worauf sie wieder in die Stadt Omân zurückkehrten. Hierauf betrat der König Gharîb El-Dschalands Schloß und setzte sich auf den Thron seines Königreiches, während ihn seine Gefährten zur Rechten und Linken umgaben. Dann verlangte er nach El-Dschaland und setzte ihm, nachdem sie ihn eilig vor ihn gebracht hatten, den Islam auseinander; da er ihn aber zurückwies, befahl Gharîb ihn an das Stadtthor schlagen zu lassen, und sie schossen mit Pfeilen nach ihm, bis er wie ein Stachelschwein aussah. Hierauf verlieh Gharîb El-Dschamrkân ein Ehrenkleid und sprach zu ihm: »Du sollst der Herr dieser Stadt und ihr Regent sein mit der Macht zu binden und zu lösen, denn du hast sie mit deinem Schwert und deinen Mannen erobert.« Und El-Dschamrkân küßte des Königs Fuß und dankte ihm und erflehte ihm ewigen Sieg und Ruhm und dauerndes Glück. Alsdann öffnete Gharîb El-Dschalands Schatzkammern und besah sich ihren Inhalt, worauf er Geschenke unter die Anführer, die Streiter und Bannerträger, ja selbst an die Mädchen und Knaben zehn Tage lang austeilte. Da begab es sich, daß er eines Nachts einen schrecklichen Traum träumte, aus dem er in Furcht und Grausen erwachte. Er weckte seinen Bruder Sahîm und sprach zu ihm: »Mir träumte, ich befände mich in einem weiten Wadi, als mit einem Male zwei Raubvögel, wie ich in meinem ganzen Leben keine größern sah, mit Beinen wie Lanzen auf uns niederschießen sah, so daß wir uns vor ihnen entsetzten. Das ist mein Traumgesicht.« Als Sahîm dies vernahm, 143 versetzte er: »O König, das ist gewiß ein mächtiger Feind, sei daher auf deiner Hut.« Gharîb vermochte den Rest der Nacht nicht mehr zu schlafen, und, als der Morgen anbrach, bestellte er sein Pferd und saß auf. Da fragte ihn Sahîm: »Wohin willst du reiten, mein Bruder?« Er versetzte: »Meine Brust ist beklommen, und ich möchte für zehn Tage fortreiten, auf daß mir wieder leicht ums Herz wird.« Sahîm erwiderte: »Nimm tausend Degen mit.« Gharîb versetzte jedoch: »Ich will mit dir allein ausreiten.« Da saß auch Sahîm auf, und beide ritten nach den Thälern und Wiesen und zogen von Wadi zu Wadi und von Wiese zu Wiese, bis sie zu einem Wadi gelangten, das reich an Bäumen, Früchten, Gewässern und duftigen Blumen war. Die Vögel schmetterten dort im Gezweig ihre Weisen, der Sprosser antwortete mit süßem Schall, der Turteltaube Gegirr erfüllte weit und breit den Ort, die Nachtigall weckte mit ihrer Stimme den Schläfer, die Amsel pfiff wie ein Mensch, und der Ringeltaube antwortete der Papagei mit wohlberedter Zunge. Die Bäume waren mit allerlei kostbaren Früchten immer paarweise vorhanden, und, da ihnen das Wadi gefiel, aßen sie von seinen Früchten und tranken aus seinen Bächen, worauf sie sich in den Schatten der Bäume setzten und, von Müdigkeit überwältigt, einschliefen, – Preis Ihm, der nimmer schläft! Während sie aber schliefen, schossen zwei gewaltige Mâride auf sie herab und luden ein jeder einen von ihnen auf ihren Rücken, worauf sie sich wieder hoch in die Luft erhoben, bis sie über den Wolken schwebten. Als nun Sahîm und Gharîb beim Erwachen sich zwischen Himmel und Erde fanden und ihre Träger anschauten, sahen sie, daß es zwei Mâride waren, von denen der eine einen Hundskopf und der andere den Kopf eines Affen hatte und lang wie Palmbäume waren. Außerdem hatten sie Haare wie Roßschweife und Nägel wie Löwenkrallen. Als Gharîb und Sahîm dies gewahrten, riefen sie: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« 144

Die Ursache hiervon war aber folgende: Ein König der Dschânn, Namens Murasch, hatte einen Sohn, Namens Sâik, welcher eine junge Dschinnîje, Namens Nadschme, liebte, und beide pflegten in jenem Wadi in Gestalt von zwei Vögeln zusammenzukommen. Als nun Gharîb und Sahîm Sâik und Nadschme sahen, glaubten sie, es wären zwei Vögel, und schossen Pfeile nach ihnen, doch trafen sie nur Sâik, daß ihm das Blut lief. Da packte Nadschme bekümmert Sâik und flog mit ihm, in der Furcht, es könnte ihr ebenso wie Sâik ergehen, zu seines Vaters Schloß, vor dessen Thür sie ihn niederwarf, worauf ihn die Pförtner aufhoben und vor seinen Vater warfen. Als nun Murasch seinen Sohn betrachtete und den Pfeil in seiner Rippe stecken sah, rief er: »Ach, mein Sohn, wer ist's, der dir das angethan hat, damit ich seine Wohnungen verwüste und seinen Untergang beschleunige, und wäre es auch der größte König der Dschânn?« Da öffnete Sâik die Augen und sprach: »Mein Vater, niemand anders hat mich ermordet als ein Mensch im Quellenthal.« Und kaum hatte er seine Worte beendet, als er auch schon seinen Geist aufgab. Da schlug sich sein Vater ins Gesicht, bis ihm das Blut aus dem Munde lief, und rief zwei Mâride, denen er befahl: »Macht euch auf nach dem Quellenthal und bringt mir alle, die sich dort befinden.« Als nun die Mâride nach dem Quellenthal kamen und Gharîb und Sahîm dort schlafen sahen, packten sie sie und trugen sie zu Murasch, dem König der Dschinn, –

Sechshundertundeinundfünfzigste Nacht.

der auf dem Thron seines Reiches wie ein gewaltiger Berg saß und auf seinem Rumpfe vier Häupter hatte, das Haupt eines Löwen, eines Elefanten, eines Panthers und eines Luchses. Indem sie nun Gharîb und Sahîm vor den König führten, sprachen sie zu ihm: »O König, diese beiden hier sind es, die wir im Quellenthal fanden.« Da schaute er sie mit dem Auge des Zornes an, und, indem er schnarchte 145 und schnaubte, daß die Funken aus seinen Nüstern sprühten und sich alle Anwesenden vor ihm fürchteten, rief er: »Ihr Hunde von Menschen, ihr habt meinen Sohn ermordet und habt ein Feuer in meinem Herzen angezündet.« Gharîb versetzte: »Wer ist denn dein Sohn, daß wir ihn getötet hätten, und wer hat deinen Sohn überhaupt gesehen?« Der König erwiderte: »Seid ihr nicht im Quellenthal gewesen und habt ihr dort nicht meinen Sohn in der Gestalt eines Vogels gesehen und mit Holzpfeilen nach ihm geschossen, daß er starb?« Gharîb entgegnete hierauf: »Ich weiß nicht, wer ihn getötet hat; bei dem hocherhabenen Herrn, dem Einigen, Urewigen, der alle Dinge weiß, und bei dem Freunde Abraham, wir sahen weder einen Vogel noch töteten wir einen Vogel oder ein Wild.« Als Murasch vernahm, wie Gharîb bei Gott und seiner Herrlichkeit und bei seinem Propheten, dem Freunde Abraham, schwur, wußte er, daß er ein Moslem war. Da er selber aber das Feuer anbetete und nicht den allmächtigen König, rief er seinen Leuten zu und sprach: »Bringt mir meine Göttin.«Das Feuer ist im Arabischen weiblich. Da brachten sie ihm einen goldenen Ofen und stellten ihn vor ihn hin; dann zündeten sie Feuer in ihm an und warfen Drogen darauf, worauf eine grüne, eine gelbe und eine blaue Lohe aufstieg, vor denen sich der König und die Anwesenden niederwarfen, während Gharîb und Sahîm bei alledem die Einheit Gottes, des Erhabenen, bezeugten, »Allāh akbar!« riefen und bekannten, daß Gott über alle Dinge mächtig sei. Als nun der König sein Haupt hob und Gharîb und Sahîm dastehen und nicht anbetend auf dem Boden liegen sah, rief er: »Ihr Hunde, warum werfet ihr euch nicht nieder?« Gharîb erwiderte: »Wehe euch, Ihr Verruchten, Niederwerfung gebührt allein dem anbetungswürdigen König, der alles Existierende aus dem Nichts in Existenz ruft, der das Wasser aus hartem Gestein quellen läßt, der das Herz des Vaters zum Sohn 146 neigt, und von dem man nicht sagen kann, er stehe oder sitze; der Herr Noahs und Sâlihs und Hûds und des Freundes Abraham, der das Paradies und das höllische Feuer erschaffen hat, und die Bäume und Früchte, denn er ist Gott, der Einige, der Allbezwinger.« Als Murasch diese Worte vernahm, rief er seinen Leuten zu, während sich ihm die Augen, tief in den Kopf einsinkend, verkehrten: »Fesselt diese beiden Hunde und opfert sie meiner Göttin.« Da fesselten sie Sahîm und Gharîb und wollten sie ins Feuer werfen, als mit einem Male eine der Zinnen des Palastes auf den Ofen stürzte und ihn zerschlug, so daß das Feuer ausgelöscht wurde und als Asche in die Luft flog. Da rief Gharîb: »Gott ist groß! Er hat geholfen und den Sieg verliehen und die Ungläubigen zu schanden gemacht! Allāh akbar wider die Feueranbeter, die den allmächtigen König verwerfen!« Der König versetzte: »Du bist ein Zauberer und hast meine Göttin verzaubert, daß ihr dies Unheil widerfahren ist.« Gharîb versetzte: »Verrückter, wenn das Feuer Seele oder Verstand hätte, so hätte es, was ihr Schaden brachte, selber abgewehrt.« Als Murasch diese Worte vernahm, tobte und brüllte er und schmähte das Feuer und rief: »Bei meinem Glauben, ich verbrenne euch!« Hierauf ließ er sie einsperren und befahl hundert Mâriden eine Menge Holz zusammenzutragen und es anzuzünden. Die Mâride thaten es, und das Feuer flammte in mächtiger Lohe auf und brannte bis zum Morgen, worauf Murasch, umgeben von den Stämmen der Dschinn in ihren verschiedenen Arten, einen Elefanten bestieg, der einen goldenen, mit Edelsteinen besetzten Sitz trug. Hierauf ließen sie Gharîb und Sahîm herbeiführen, die beim Anblick der Feuerlohe den Einigen, den Allbezwinger, den Schöpfer von Nacht und Tag, um Hilfe anriefen, den Allmächtigen, den die Blicke nicht erreichen, während er die Blicke erreicht, dieweil er der Allgütige, Allwissende ist. Und sie ließen nicht ab, sich mit Bitten an ihn zu wenden, bis mit einem Male eine Wolke 147 aufstieg, sich von Westen nach Osten ausbreitete und einen Regen gleich der brandenden See herabsandte, der das Feuer löschte. Da fürchteten sich der König und seine Truppen, und, mit ihnen in ihren Palast zurückkehrend, wendete er sich zu seinem Wesir und den Großen des Reiches und sprach zu ihnen: »Was sagt ihr zu diesen beiden Männern?« Sie erwiderten: »O König, wenn sie nicht recht hätten, so wäre dem Feuer dies nicht widerfahren; wir sagen deshalb, sie haben recht und sprechen die Wahrheit.« Und der König versetzte: »Die Wahrheit und der offenbare Weg sind mir nunmehr kund geworden, und die Anbetung des Feuers ist ein eitel Ding, denn wäre es eine Göttin, so hätte es den Regen, der es auslöschte, von sich abgewehrt wie auch den Stein, der seinen Ofen zertrümmerte und es zu Asche machte. Ich glaube deshalb an den, der das Feuer und Licht, den Schatten und die Hitze erschaffen hat; was aber sagt ihr dazu?« Sie erwiderten: »O König, wir folgen desgleichen und hören und gehorchen.« Alsdann ließ er Gharîb rufen, und als dieser vor ihm erschien, erhob er sich vor ihm, umarmte ihn und küßte ihn zwischen die Augen; ebenso küßte er Sahîm, worauf die Truppen sich um Gharîb und Sahîm drängten und ihnen die Hände und das Haupt küßten.

Sechshundertundzweiundfünfzigste Nacht.

Hierauf setzte sich König Murasch auf den Thron seines Reiches, zur Rechten Gharîb und zur Linken Sahîm sitzen heißend, und sprach zu ihnen: »Ihr Menschen, was müssen wir sprechen, auf daß wir Moslems werden?« Gharîb versetzte: »Sprechet: Es ist kein Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Da ward der König samt seinem Volk mit Herz und Mund gläubig, worauf Gharîb dasaß und sie beten lehrte. Dann aber gedachte er seines Volkes und seufzte, so daß der König der Dschinn sprach: »Die Sorge ist gewichen und Freude und Fröhlichkeit ist genaht.« Gharîb aber erwiderte ihm: »O König, ich habe 148 viele Feinde und ich fürchte für mein Volk;« und nun erzählte er ihm von Anfang bis zu Ende, wie es ihm mit seinem Bruder Adschîb ergangen war, worauf der König der Dschinn zu ihm sagte: »O Menschenkönig, ich will jemand aussenden, der dir Nachricht von deinem Volk bringen soll, denn ich lasse dich nicht eher fortziehen, als bis ich mich an deinem Antlitz sattgesehen habe.« Hierauf rief er zwei gewaltige Mâride, von denen der eine El-Keildschân und der andere El-Kūrdschân hieß. Als sie vor ihn traten und die Erde vor ihm geküßt hatten, sprach er zu ihnen: »Machet euch auf nach El-Jemen und schauet nach, wie es den Truppen und Streitern dieser beiden ergeht.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« worauf sie sich aufmachten und gen El-Jemen flogen.

Soviel von Gharîbs und Sahîms Abenteuer; was nun aber die moslemischen Streiter anlangt, so saßen sie am Morgen mit ihren Führern auf und ritten zum Schloß des Königs Gharîb, um ihm aufzuwarten, als die Eunuchen zu ihnen sagten: »Der König ist mit seinem Bruder ums Morgengrauen ausgeritten.« Da ritten die Führer nach den Wadis und den Bergen und folgten ihrer Spur in einem fort, bis sie zum Quellenthal gelangten, wo sie Gharîbs und Sahîms Waffen am Boden liegen und ihre Rosse grasen sahen. Da riefen die Führer: »Der König ist von dieser Stätte verschwunden, bei dem Ruhm des Freundes Abraham!« Hierauf verteilten sie sich und durchsuchten drei Tage lang das Wadi und die Berge, ohne daß ihnen irgend eine Spur von ihnen zu Gesicht kam, so daß sie die Trauerceremonie begannen und die Kuriere mit dem Auftrag aussendeten, sich über die Städte, die Festen und Burgen zu verteilen und nach dem König zu forschen. Die Kuriere erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und zerstreuten sich, indem sich ein jeder nach einem andern Klima aufmachte.

Als nun Adschîb durch seine Späher vernahm, daß sein Bruder verschwunden war und daß man keine Spur von 149 ihm hatte finden können, begab er sich, erfreut über diese gute Botschaft, zu König Jaarub bin Kahtân und flehte ihn um Schutz an, worauf ihn derselbe aufnahm und ihm zweihunderttausend Amalekiter gab, mit denen er auszog, bis er die Stadt Omân erreichte, vor der er das Lager bezog. El-Dschamrkân und Saadân zogen wider sie aus und stritten wider sie, doch wurde viel Volks von den Moslems erschlagen, so daß sie wieder in die Stadt zurückwichen, die Thore verriegelten und die Wälle sicherten. Da kamen gerade die beiden Mâride El-Keildschân und El-Kūrdschân an, und als sie die Moslems eingeschlossen sahen, warteten sie bis zur Nacht, worauf sie über die Kâfirs mit ihren scharfen Dschinnenschwertern herfielen, von denen jedes elf Ellen lang war, und mit denen ein Mensch einen Felsen gespalten hätte. Sie griffen sie an mit dem Feldgeschrei: »Gott ist groß, er hilft und verleiht den Sieg und macht die Ungläubigen zu schanden, die den Glauben des Freundes Abrahams verwerfen!« Und während sie die Kâfirs überfielen und sie niedermetzelten, sprühte ihnen aus Mund und Nüstern Feuer. Da eilten die Kâfirs aus ihren Zelten ins Feld, doch erschauerte ihnen beim Anblick der wunderbaren Dinge die Haut und, von Wahnsinn gepackt und ihres Verstandes beraubt, griffen sie zu den Waffen und fielen übereinander her, während die beiden Mâride ihnen die Köpfe abmähten und dabei riefen: »Gott ist groß! Wir sind die Diener des Königs Gharîb, des Freundes des Königs Murasch, des Königs der Dschânn.« So kreisten die Schwerter unter ihnen bis Mitternacht, während die Kâfirs alle Berge ringsum für Ifrîte hielten und, die Zelte, das Gepäck und ihr Geld und Gut auf die Kamele packend, sich zur Flucht wandten, allen voran Adschîb.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist diese Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht 150 erzählen werde, so ich am Leben bleibe, und mich der König verschont.« Und der König sprach bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertunddreiundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, als die Heiden sich zur Flucht wandten, allen voran Adschîb, versammelten sich die Moslems, verwundert über das Geschehene, und in Furcht vor den Dschânn; die beiden Mâride aber ließen nicht eher von der Verfolgung der Kâfirs ab, als bis sie sie über die Steppen und Wüsten zerstreut hatten; und nur fünfzigtausend von zweihunderttausend Amalekitern entkamen den Mâriden und kehrten geschlagen und verwundet heim. Alsdann sprachen die Mâride zu den Truppen: »Ihr Truppen, König Gharîb und sein Bruder lassen euch grüßen; sie sind die Gäste des Königs der Dschânn Murasch und werden binnen kurzem wieder bei euch sein.« Als die Truppen vernahmen, daß Gharîb sich wohl befand, freuten sie sich mächtig und sprachen zu ihnen: »Gott erfreue euch mit guter Nachricht, ihr edlen Geister!« Hierauf kehrten die beiden Mâride wieder zu den Königen Gharîb und Murasch zurück, die sie im Palast sitzend antrafen, und erzählten ihnen das Vorgefallene, worauf Gharîb ihnen beruhigten Herzens reichen Gotteslohn wünschte. Dann sprach der König Murasch: »Mein Bruder, ich möchte dir unser Land zeigen und die Stadt Japhets, des Sohnes Noahs, – Frieden sei auf ihm!« Gharîb versetzte: »O König, thue, was dir beliebt.« Da ließ er für Gharîb und Sahîm zwei Prachtrosse kommen und ritt mit ihnen aus, begleitet von tausend Mâriden, als wären sie ein der Länge nach gespaltenes Stück von einem Berge. Unterwegs beschauten sie sich die Thäler und Berge, bis sie zur Stadt Japhets, des Sohnes Noahs, – Frieden sei auf ihm! – kamen. Die Bewohner der Stadt, Groß und Klein, kamen zu Muraschs Empfang heraus, und der König zog mit großem 151 Pomp ein und stieg hinauf ins Schloß Japhets, des Sohnes Noahs, wo er sich auf den Thron seines Reiches setzte, der aus Marmor war, zehn Stufen hoch, mit goldenen Stäben vergittert und mit allerlei bunter Seide bedeckt. Wie nun das Volk der Stadt vor ihm stand, sprach er zu ihnen: »Sprößlinge Japhets, des Sohnes Noahs, was haben eure Väter und Vorväter angebetet?« Sie erwiderten: »Wir fanden unsere Väter das Feuer anbeten und folgten ihnen, wie du es am besten weißt.« Da sprach er: »Ihr Leute, wir haben gesehen, daß das Feuer gleich andern Dingen von Gott, dem Erhabenen, erschaffen ist, der da alle Dinge erschaffen hat. Als ich dies erkannte, ergab ich mich Gott, dem Einen, dem Allbezwinger, dem Schöpfer von Nacht und Tag und der kreisenden Sphäre, den die Blicke nicht erreichen, während er die Blicke erreicht, denn er ist der Allgütige, Allweise. Bekennet euch daher zum Islam, auf daß ihr vor dem Zorne des Allmächtigen und vor der Feuerspein im Jenseits errettet werdet.« Und so wurden sie Moslems mit Herz und Zunge.

Alsdann faßte Murasch Gharîb bei der Hand und zeigte ihm das Schloß Japhets und seine Bauart und alle die Wunderdinge, die es enthielt, worauf er Gharîb auch in die Rüstkammer führte und ihm Japhets Waffen zeigte. Da gewahrte Gharîb ein Schwert, das an einem goldenen Pflock hing, und fragte ihn: »O König, wem gehört das da?« Er erwiderte: »Das ist das Schwert Japhets, des Sohnes Noahs, mit welchem er gegen die Menschen und Dschinn stritt; der Weise Dschardûm schmiedete es und grub auf seine Rückseite mächtige Namen ein. Würde man es wider einen Berg schwingen, so würde es ihn zusammenschlagen, weshalb es El-Mâhik, der Vertilger, heißt; auf nichts fährt es nieder, ohne es zu vertilgen und selbst die Dschinn vernichtet es.« Als Gharîb seine Worte vernahm und ihn die Vorzüge dieses Schwertes rühmen hörte, sprach er: »Ich möchte mir das Schwert einmal besehen.« Murasch versetzte: »Thu nach 152 deinem Belieben.« Da streckte Gharîb seine Hand nach dem Schwert aus und, es nehmend, zog er es aus der Scheide, worauf es blitzte, und der Tod kroch gleißend über seine Schneide. Seine Länge aber betrug zwölf und seine Breite drei Spannen. Da nun Gharîb Verlangen trug, es zu behalten, sagte der König Murasch zu ihm: »Behalt es, so du es zu schwingen vermagst.« Gharîb versetzte: »Schön.« Alsdann nahm er es in die Hand, und es war in seiner Hand wie ein Stecken, so daß sich alle anwesenden Menschen und Dschinn verwunderten und riefen: »Bravo, o Herr der Ritter!« Alsdann sprach Murasch: »Lege deine Hand an diesen Schatz, nach welchem die Könige der Erde vergeblich seufzen, und sitz auf, damit ich dir weitere Augenweide verschaffen kann.« Da saß er auf und Murasch desgleichen, und die Menschen und Dschinn geleiteten sie zu Fuß.

Sechshundertundvierundfünfzigste Nacht.

So zogen sie aus der Stadt Japhets zwischen Schlössern und leeren Wohnungen, durch Straßen und vergoldete Thore hinaus zu Gärten mit Fruchtbäumen, laufenden Bächen und singenden Vögeln, welche den Allmächtigen, Ewigen lobpreisten, und ergötzten sich bis zum Abend, worauf sie wieder umkehrten und im Schlosse Japhets, des Sohnes Noahs, übernachteten. Dort angelangt, brachte man ihnen den Speisetisch, und, als sie gegessen hatten, wendete sich Gharîb zum König der Dschânn und sprach zu ihm: »O König, ich möchte nunmehr zu meinem Volk und meinem Heer heimkehren, denn ich weiß nicht, wie es um sie steht, seitdem ich fern von ihnen bin.« Als Murasch Gharîbs Worte vernahm, erwiderte er ihm: »Mein Bruder, bei Gott, ich möchte mich nicht von dir trennen und lasse dich erst nach einem vollen Monat ziehen, bis ich mich an dir satt gesehen habe.« Da ihm nun Gharîb nicht gut widersprechen konnte, blieb er bei ihm einen vollen Monat lang in der Stadt Japhets und aß und trank und der König Murasch gab ihm allerlei 153 Geschenke, wie kostbare Raritäten, Edelmetalle, Juwelen, Smaragde, Ballasrubine, Diamanten, Gold- und Silberbarren, sowie Moschus, Ambra und golddurchwirkte Seidenstoffe. Ferner gab er Gharîb und Sahîm seidene golddurchwirkte Ehrenkleider und eine mit Perlen und Edelsteinen besetzte Krone von unbezahlbarem Wert. Alles dies packte er ihm in Ballen und rief fünfhundert Mâride, denen er befahl: »Macht euch auf morgen reisefertig, damit wir den König Gharîb und seinen Bruder Sahîm in ihr Land heimbringen.« Und sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen,« und verbrachten die Nacht, mit der Absicht aufzubrechen, wann die Stunde des Aufbruchs kam, als mit einem Male Rosse herantrabten, Trommeln wirbelten und Hörner schmetterten, bis die ganze Erde von Mâriden, fliegenden und tauchenden, siebzigtausend an der Zahl, wimmelte, die unter ihrem König Barkân herangezogen kamen. Die Ursache hiervon war aber wunderbar und ganz merkwürdig, die wir vorschriftsgemäß erzählen wollen. Dieser Barkân war nämlich der Herr der Karneolstadt und des goldenen Schlosses und gebot über fünf Bergfesten, in deren jeder sich fünfhunderttausend Mâride befanden; und der König und sein Volk beteten das Feuer an und nicht den allmächtigen König. Dieser König nun war ein Vetter von Murasch, und unter dem Volke Muraschs hatte sich ein ungläubiger Mârid befunden, der nur zum Schein gläubig geworden war. Dieser Mârid schlich sich heimlich aus seinem Volke fort zum Karneolthal, wo er den Palast des Königs Barkân betrat und, die Erde vor ihm küssend, ihm dauernden Ruhm und ewige Wohlfahrt wünschte. Dann erzählte er ihm, daß Murasch Moslem geworden wäre, worauf Barkân ihn fragte: »Wie konnte er von seinem Glauben abtrünnig werden?« Da erzählte er ihm alles, was sich zugetragen hatte, und, als Barkân seinen Bericht vernommen hatte, schnaubte und schnarchte er und schmähte Sonne, Mond und das Feuer, das funkensprühende, und rief: »Bei meinem Glauben, ich 154 will meinen Vetter, sein Volk und jenen Menschen erschlagen und keinen einzigen von ihnen übrig lassen!« Alsdann rief er die Stämme der Dschinn herbei und erwählte sich siebzigtausend Mâride aus ihnen, mit denen er sich nach der Stadt Dschâbarsā aufmachte, bis er bei ihr anlangte und sie rings umgab, wie oben erzählt, worauf er das Lager vor dem Stadtthor aufschlug. Da rief Murasch einen Mârid und befahl ihm: »Geh zu jenem Heer, schau, was sie wünschen, und komm schnell zurück.« Wie nun der Mârid zum Lager Barkâns eilte, kamen die Mâride von allen Seiten auf ihn zugestürzt und fragten ihn: »Wer bist du?« Er versetzte: »Ich bin ein Gesandter vom König Murasch.« Da nahmen sie ihn und stellten ihn vor Barkân, worauf er sich vor ihm niederwarf und zu ihm sprach: »Mein Gebieter, mein Herr hat mich zu euch entsandt, auf daß ich schaue, wer ihr seid und was ihr begehrt.« Barkân versetzte: »Kehre zu deinem Herrn zurück und sprich zu ihm: »Dies ist dein Vetter Barkân, der gekommen ist dich zu begrüßen!«

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist diese Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Und der König sprach bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundfünfundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, so kehrte denn der Mârid zu seinem Herrn zurück und teilte ihm Barkâns Worte mit, worauf Murasch zu Gharîb sprach: »Bleib auf deinem Thron sitzen, bis ich meinen Vetter begrüßt habe und wieder zurückgekehrt bin.« Alsdann saß er auf und machte sich auf den Weg zu Barkâns Lager. Barkân aber hatte diese List angewendet, 155 um ihn herauszulocken und dann Hand an ihn zu legen; weshalb er zu den Mâriden seiner Umgebung gesprochen hatte: »Wenn ihr mich ihn umarmen seht, so packt und bindet ihn,« und sie hatten ihm erwidert: »Wir hören und gehorchen.« Als nun der König Murasch seines Vetters Zelt betrat, und dieser sich erhob und ihn umarmte, stürzten sich die Dschânn auf ihn und banden und fesselten ihn. Da schaute Murasch Barkân an und fragte ihn: »Was soll das heißen?« Barkân erwiderte: »Du Dschânnenhund, willst du deinen Glauben und den Glauben deiner Väter und Vorväter aufgeben und einen Glauben annehmen, den du nicht kennst?« Murasch versetzte: »O Sohn meines Oheims, ich fand, daß der Glaube des Freundes Abraham die Wahrheit und daß jeder andere Lüge ist.« Nun fragte Barkân: »Wer hat dir das gesagt?« Murasch entgegnete: »Der König vom Irâk, den ich über alles ehre.« Da rief Barkân: »Bei dem Feuer und dem Licht, beim Schatten und der Hitze, ich töte euch allzumal!« und sperrte ihn ein. Als nun Muraschs Page sah, was seinem Herrn widerfuhr, floh er zur Stadt und teilte es den Mâriden des Königs Murasch mit, worauf dieselben mit lautem Hallo aufsaßen. Da fragte Gharîb: »Was giebt's?« Als sie ihm den Vorfall mitteilten, rief er Sahîm und sprach zu ihm: »Sattele mir eines der beiden Prachtrosse, die mir König Murasch schenkte.« Da fragte ihm Sahîm: »Mein Bruder, willst du etwa mit den Dschânn kämpfen.« Gharîb erwiderte: »Jawohl; ich will mit dem Schwerte Japhets, des Sohnes Noahs, wider sie streiten und will zu dem Herrn des Freundes Abraham – Frieden sei auf ihm! – um Hilfe rufen, denn er ist der Herr und der Schöpfer aller Dinge.« Hierauf sattelte er ihm einen Fuchs von den Pferden der Dschânn, hoch wie eine Burg, und Gharîb wappnete sich und schritt hinaus und saß auf, gefolgt von den Stämmen der Mâride, die mit Panzern angethan waren. Desgleichen saß Barkân mir seinem Heer auf, und die beiden Schlachtreihen stellten sich auf zum 156 Kampf. Der erste aber, welcher des Kampfes Thor öffnete, war König Gharîb, der, mir seinem Roß mitten hinein ins Blachgefild sprengend, das Schwert Japhets, des Sohnes Noahs, – Frieden sei auf ihm! – zückte, daß es mit seinem Gleißen und Blitzen die Augen der Dschânn blendete und ihre Herzen mit Grausen erfüllte, und mit ihm spielte, bis sich ihre Sinne verwirrten. Dann rief er: »Allāh akbar! Ich bin der König Gharîb, der König vom Irâk, es giebt keinen Glauben außer dem Glauben des Freundes Abraham.« Als Barkân Gharîbs Worte vernahm, rief er: »Dieser ist's, der meines Vetters Glauben verkehrt und ihn abtrünnig gemacht hat; aber, bei meinem Glauben, ich will mich nicht eher auf meinen Thron setzen, bis ich ihm das Haupt abgeschlagen und den Odem erstickt und meinen Vetter und sein Volk zu seinem Glauben zurückgeführt habe! Und wer mir widerspricht, den bringe ich um.« Alsdann bestieg er einen Elefanten, weiß wie Papier, gleich einem weißangestrichenen Turm, und trieb ihn an mit Geschrei und mit einem stählernen Stachel, ihn tief in sein Fleisch bohrend, daß der Elefant trompetend auf den Plan zur Schwert- und Lanzenstätte trottete. Als er Gharîb nahe kam, rief er ihm zu: »Du Menschenhund, was hat dich in unser Land geführt, daß du meinen Vetter und sein Volk verderbst und sie von einem Glauben zum andern kehrst? Wisse, heute ist dein letzter Tag auf Erden genaht.« Als Gharîb seine Worte vernahm, entgegnete er ihm: »Hinweg, du gemeinster Dschânnenlump!« Da zog Barkân einen Speer, schüttelte ihn und schleuderte ihn nach Gharîb; da er ihn jedoch verfehlte, schleuderte er einen zweiten Speer nach ihm, den Gharîb in der Luft auffing, schüttelte und zurück nach seinem Elefanten schleuderte, daß er ihm die Flanke durchbohrte und auf der andern Seite wieder herausfuhr, so daß der Elefant tot zu Boden fiel und Barkân wie eine langstämmige Palme hinstürzte; und, bevor er sich von seinem Platze zu rühren vermochte, hatte ihm Gharîb mit dem Schwerte Japhets, des Sohnes Noahs, 157 einen flachen Hieb in den Nacken versetzt, daß er ohnmächtig wurde, worauf die Mâride auf ihn stürzten und ihn fesselten. Als dies die Leute Barkâns sahen, eilten sie herbei und wollten ihren König befreien; Gharîb aber und die gläubigen Dschânn attackierten sie, und wie herrlich focht Gharîb! Fürwahr, er gefiel dem erhörenden Herrn und stillte seinen Rachedurst mit dem Talismanschwert. Jeden, den er traf, spaltete er, und, ehe er noch seinen Geist aufgab, ward er ein Aschenhaufen im Feuer. Und die gläubigen Dschinn stürzten sich auf die ungläubigen und warfen feurige Schnuppen nach ihnen, daß alles von Rauch eingehüllt ward, während Gharîb sich nach rechts und links unter ihnen tummelte, und sie vor ihm auswichen, bis er zu König Barkâns Zelt gelangte, begleitet von El-Keildschân und El-Kūrdschân. Dann rief er ihnen zu: »Bindet euern Herrn los!« worauf sie seine Stricke lösten und seine Fesseln zerbrachen.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist diese Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundsechsundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, als die beiden Mâride ihren Herrn losgebunden und seine Fesseln gebrochen hatten, sprach der König Murasch zu ihnen: »Bringt mir meine Rüstung und mein geflügeltes Pferd.« Der König hatte nämlich zwei geflügelte Pferde, von denen er das eine Gharîb geschenkt hatte, so daß ihm ebenfalls eines verblieben war. Als er sich nun gewappnet hatte, bestieg er dieses Pferd und sauste mit Gharîb durch die Luft wider die Feinde, gefolgt von ihren 158 Streitern, und laut »Allāh akbar! Allāh akbar!« rufend, daß die Erde, die Berge, die Thäler und Hügel wiederhallten. Erst nachdem sie eine zahllose Menge, mehr als dreißigtausend Mâride und Satane erschlagen hatten, kehrten sie von der Verfolgung des Feindes in die Stadt Japhets zurück, wo sich beide Könige auf ihre Staatspolster setzten und nach Barkân verlangten; doch fanden sie ihn nicht, da sie ihn nach seiner Gefangennahme des Kampfes wegen außer acht gelassen hatten, so daß ein Ifrît von seinen Dienern zu ihm kam und ihn befreite, worauf er ihn zu seinem Volk trug, das er teils erschlagen, teils auf der Flucht fand. Da flog er mit ihm gen Himmel und setzte ihn in der Karneolstadt im goldenen Schloß ab, wo sich der König Barkân auf den Thron seines Königreiches setzte. Dann trafen seine dem Tode entronnenen Leute ein und wünschten ihm, bei ihm eintretend, Heil; er aber versetzte: »Ihr Leute, wo ist das Heil? Mein Herr ist erschlagen, und mich nahmen sie gefangen und zerrissen meine Ehre unter den Stämmen der Dschânn.« Sie entgegneten: »O König, so lange es Könige giebt, siegen sie oder werden sie besiegt.« Er erwiderte jedoch: »Ich muß Rache nehmen und den Schimpf tilgen, sonst bleibe ich ein Schandfleck unter den Stämmen der Dschânn.« Alsdann schrieb er Briefe und schickte sie zu den Stämmen in den Burgen, welche sich daraufhin gefügig und gehorsam zu ihm begaben, und, als er sie musterte, fand er ihrer dreihundertundzwanzigtausend trotzige Mâride und Satane, die ihn fragten: »Was ist dein Begehr?« Er versetzte: »Macht euch bereit in dreien Tagen aufzubrechen;« und sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.«

Soviel mit Bezug auf den König Barkân; als nun aber Murasch zurückgekehrt war und Barkân gesucht aber nicht gefunden hatte, fiel es ihm schwer auf die Seele, und er rief: »Hätten wir ihm hundert Mâride zu Hütern bestellt, so wäre er nicht geflohen; jedoch, wohin könnte er von uns seinen Weg genommen haben?« Alsdann sprach er zu 159 Gharîb: »Wisse, mein Bruder, Barkân ist ein Verräter, der nicht ruhen wird Rache zu nehmen. Sicherlich wird er seine Scharen versammeln und wieder ausziehen; ich möchte ihm deswegen zuvorkommen und seiner Spur folgen, wo er noch von der Flucht geschwächt ist.« Gharîb versetzte: »Das ist ein rechter Rat und ein tadellos Wort.« Hierauf sprach Murasch zu Gharîb: »Mein Bruder, lasset die Mâride euch nunmehr heimbringen in euer Land und lasset mich streiten den Glaubensstreit wider die Kâfirs, daß ich leicht mache meine Sündenlasten.« Gharîb aber versetzte: »Nein; bei dem Gnädigen und Gütigen und dem Schützer, ich will diese Stätten nicht eher verlassen, als bis ich alle ungläubigen Dschânn vertilgt habe und Gott ihre Seelen ins höllische Feuer gejagt hat, eine schlimme Stätte! Und niemand soll entrinnen als allein wer an Gott glaubt, den Einigen, den Allbezwinger! Indessen sende du Sahîm nach der Stadt Omân, daß er vielleicht von seiner Krankheit genest;« – Sahîm war nämlich erkrankt. Da rief Murasch den Mâriden zu und sprach zu ihnen: »Ladet Sahîm auf und traget ihn und diese Lasten und Geschenke nach der Stadt Omân.« Sie versetzten: »Wir hören und gehorchen,« worauf sie ihn samt den Geschenken aufluden und sich gen Menschenheim auf den Weg machten. Hierauf schrieb Murasch an seine Burgen und an alle seine Statthalter Briefe, die alsdann mit einhundertundsechzigtausend Mann vor ihm erschienen. Dann rüsteten sie sich und machten sich auf den Weg nach der Karneolstadt und dem goldenen Schloß, indem sie an einem Tage den Weg einer Jahresreise zurücklegten. In einem Wadi machten sie Halt und ruheten daselbst die Nacht über; als sie aber am nächsten Morgen wieder aufbrechen wollten, erschien mit einem Male die Vorhut der feindlichen Dschânn, worauf die Dschinn laut schrieen, und die beiden Heere im Wadi aufeinanderstießen und einander angriffen. Das Gemetzel begann, das Gefecht nahm zu und tobte, als erbebte die Erde, gut Ding ward übel, Ernst nahte heran, 160 von hinnen wich der Wahn, und eitel Rufen von hüben und drüben hob an; manch langes Leben ward kurz abgethan und Schimpf und Verderben kam über die ungläubigen Dschânn. Und Gharîb griff sie an, indem er die Einheit des Einigen, des Anbetungswürdigen, des anzurufenden Helfers verkündete, die Nacken durchschnitt und die Köpfe in den Staub springen ließ: und ehe noch der Abend hereinbrach, waren von den Kâfirs ihrer siebzigtausend erschlagen, worauf die Rückzugstrommeln geschlagen wurden und die Heere sich trennten.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist diese Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundsiebenundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, als die beiden Heere sich voneinander getrennt und zurückgezogen hatten, kehrten Murasch und Gharîb, nachdem sie ihre Waffen abgewischt hatten, in ihr Lager zurück, worauf man ihnen das Abendessen vorsetzte; und beide aßen und beglückwünschten einander zu ihrem Heil, da weniger als zehntausend Mâride auf ihrer Seite gefallen waren. Barkân aber kehrte betrübt über die Gefallenen von seinen Kämpen in sein Lager zurück und sprach: »Ihr Leute, wenn wir länger hierbleiben und nur noch drei Tage lang gegen jenes Volk streiten, so vernichten sie uns bis auf den letzten Mann.« Sie versetzten: »Und was sollen wir thun, o König?« Er erwiderte: »Wir wollen sie in der Nacht, wenn sie schlafen, überfallen und keinen von ihnen übrig lassen, Kunde von ihnen zu geben. Greift daher zu den Waffen und fallet über eure Feinde wie ein Mann her.« 161 Sie entgegneten darauf: »Wir hören und gehorchen,« und rüsteten sich zum Überfall. Nun aber befand sich unter ihnen ein Mârid, Namens Dschandal, dessen Herz sich dem Islam zuneigte. Als dieser den Entschluß der Kâfirs sah, stahl er sich aus ihrer Mitte zu Murasch und dem Könige Gharîb und teilte ihnen den Plan der Kâfirs mit, worauf sich Murasch zu Gharîb wendete und zu ihm sprach: »Mein Bruder, was soll geschehen?« Er erwiderte: »Wir wollen sie selber zur Nacht überfallen und durch die Hilfe des allmächtigen Königs über die Steppen und Wüsten zerstreuen.« Hierauf lud er die Häuptlinge der Dschânn vor sich und sprach zu ihnen: »Greifet zu den Waffen, ihr und eure Streiter, und wenn die Finsternis ihren Schleier herabhängen läßt, dann verlasset eure Zelte und schleichet verstohlen ein Hundert nach dem andern zwischen die Berge in den Hinterhalt; schauet ihr dann eure Feinde zwischen den Zelten, so überfallet sie von allen Seiten mit festem Herzen und im Vertrauen auf euern Herrn; so werdet ihr siegen, und sehet, ich bin bei euch.« Als nun die Nacht anbrach, überfielen die Kâfirs das Lager, indem sie zum Licht und Feuer um Hilfe riefen; sobald sie aber zwischen die Zelte gelangten, stürzten die Gläubigen auf die Kâfirs, indem sie zum Herrn der Welten um Hilfe flehten und riefen: »O barmherzigster Erbarmer, o Schöpfer aller Geschöpfe!« bis sie sie niedergemäht und vertilgt hatten. Und ehe noch der Morgen anbrach, lag die Mehrzahl der Kâfirs als Leiber ohne Seele da, während die Übriggebliebenen in die Steppen und Gründe flohen, worauf Murasch und Gharîb siegreich und im Triumph heimkehrten, mit dem Gut der Kâfirs als Beute. Nachdem sie bis zum Morgen geruht hatten, machten sie sich auf den Weg nach der Karneolstadt und dem goldenen Schloß, während Barkân, nachdem sich das Kriegsglück wider ihn gedreht hatte und die Mehrzahl seines Volkes in dem Dunkel der Nacht gefallen war, mit dem Rest nach seiner Stadt floh und seinen Palast betrat, worauf er seine Scharen versammelte und zu ihnen 162 sprach: »Wer irgend etwas zu Hause hat, der hole es und stoße auf dem Berge Kâf bei dem blauen König, dem Herrn des scheckigen Schlosses, zu mir, denn er ist's, der uns rächen wird.« Da nahmen sie ihren Harem, ihre Kinder und ihr Hab und Gut und begaben sich zum Berge Kâf, während Murasch und Gharîb inzwischen in der Karneolstadt und dem goldenen Schloß anlangten, deren Thore sie offen fanden, ohne daß jemand im Schloß gewesen wäre, ihnen Auskunft zu geben. Da nahm Murasch Gharîb und zeigte ihm die Stadt und das Schloß; und es bestanden die Fundamente der Stadtmauern aus Smaragd, ihre Thore aus rotem Karneol mit silbernen Nägeln, und die Dächer der Häuser und Schlösser aus Aloe- und Sandelholz. Sie lustwandelten durch die Straßen und Gassen der Stadt und besichtigten sie, bis sie zum goldenen Schloß gelangten und durch eine Vorhalle nach der andern schritten, bis sie zu einem Bau aus königlichem Ballasrubin gelangten, dessen Fußboden aus Smaragd und Hyazinth bestand. Indem beide dieses Schloß betraten und sich über seine Schönheit verwunderten, schritten sie von Vorhalle zu Vorhalle, bis sie durch die siebente Vorhalle in das Schloß selber gelangten, in dessen Hof sie vier voneinander verschiedene Lîwâne erblickten mit einem von goldenen wasserspeienden Löwen umgebenen Springbrunnen aus rotem Gold in der Mitte, ein sinnverwirrender Anblick. Der Lîwân, der ihnen gegenüberlag, war mit buntseidenen Brokaten belegt, und außerdem standen dort zwei perlen- und edelsteinbesetzte Throne aus rotem Gold, auf die sich Murasch und Gharîb setzten, worauf sie im goldenen Schloß mit Pomp die Cour abhielten.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sprach zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist diese Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde. so ich am Leben bleibe und der König mich 163 verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundachtundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, nachdem sich Murasch und Gharîb auf Barkâns Thron gesetzt und mit Pomp die Cour abgehalten hatten, sprach Gharîb zu Murasch: »Welchen Plan hast du gefaßt?« Murasch erwiderte: »O Menschenkönig, ich habe hundert Reiter auf Kundschaft hinter Barkân ausgeschickt, ihn aufzuspüren, auf daß wir ihm nachsetzen.« Alsdann verweilten sie drei Tage im goldenen Schloß, bis die Mâride zurückkehrten und die Kunde brachten, daß Barkân nach dem Berge Kâf geflohen sei und bei dem blauen König Zuflucht gesucht und gefunden habe. Da sprach Murasch zu Gharîb: »Was sagst du, mein Bruder?« Gharîb versetzte: »Fallen wir nicht über ihn her, so fällt er über uns her.« Hierauf befahlen Murasch und Gharîb den Truppen sich zum Aufbruch nach drei Tagen bereit zu machen, und schon hatten sie sich beschickt und waren im Begriff abzuziehen, als die Mâride, welche Sahîm und die Geschenke nach Omân gebracht hatten, zurückkehrten und vor Gharîb die Erde küßten. Da fragte er sie nach seinem Volk, und sie erwiderten ihm: »Als dein Bruder Adschîb aus der Schlacht geflohen war, machte er sich von Jaarub bin Kahtân nach Indien auf, dessen König er aufsuchte und um Schutz anging, nachdem er ihm erzählt hatte, wie es ihm von seinem Bruder ergangen war. Der König gewährte ihm Zuflucht, und, an alle seine Statthalter Briefe schreibend, versammelte er ein Heer wie die brandende Flut, das weder Anfang noch Ende hatte, und will nun mit ihm den Irâk verwüsten.« Als Gharîb die Worte des Mârids vernahm, rief er: »Verderben über die Kâfirs! Gott, der Erhabene, wird dem Islam den Sieg verleihen, und ich werde ihnen schon zeigen, was Hauen und Stechen heißt.« Hierauf sagte Murasch: 164 »O Menschenkönig, bei dem höchsten Namen, ich will mit dir in dein Reich ziehen und deine Widersacher vernichten, auf daß du deinen Wunsch erreichst.« Gharîb dankte ihm hierfür, und mit dieser Absicht verbrachten sie die Nacht bis zum Anbruch des Morgens, worauf sie aufbrachen und ihren Weg nach dem Berge Kâf zur Marmorstadt und dem scheckigen Schloß nahmen. Nun war jene Stadt aus Marmor und anderm Gestein von Bârik bin Fâkia, dem Vater der Dschinn, erbaut, der ebenfalls der Erbauer des scheckigen Schlosses war, welches diesen Namen daher führte, daß ein Ziegel abwechselnd immer von Gold und der andere von Silber war, wie es kein dem ähnliches Gebäude in der ganzen Welt gab.

Als sie sich nach längerm Marsche der Marmorstadt näherten und zwischen ihr und ihnen nur noch ein halber Tagesmarsch lag, machten sie Rast, und Murasch entsandte einen Späher auf Kundschaft aus, welcher nach kurzer Abwesenheit wieder zurückkehrte und meldete: »O König, in der Marmorstadt sind Scharen von Dschinn, zahllos wie Blätter an den Bäumen und wie Regentropfen.« Da fragte Murasch: »Was ist zu thun, o Menschenkönig!« Gharîb versetzte: »O König, teile dein Heer in vier Trupps und stelle sie rings um das Heer der Kâfirs. Um Mitternacht laß sie »Allāh akbar!« rufen und sich dann wieder zurückziehen, während du schaust, was unter den Stämmen der Dschinn vorgeht.« Da versammelte Murasch sein Volk und teilte es, wie Gharîb es geraten hatte, worauf sie zu den Waffen griffen und bis Mitternacht warteten. Dann umzingelten sie das Heer und riefen: »Allāh akbar! Hoch der Glauben des Freundes Abraham, – Frieden sei auf ihm!« worauf die Kâfirs, entsetzt über diesen Ruf, erwachten und, zu den Waffen greifend, übereinander herfielen, bis die Morgenröte anbrach und die Mehrzahl bis auf einen kleinen Rest vertilgt war. Da rief Gharîb den gläubigen Dschinn zu: »Attackiert den Rest der Kâfirs; siehe, ich bin unter euch, und Gott ist euer Heiland.« Alsdann stürmten Murasch und Gharîb zum 165 Angriff vor, und Gharîb zog sein Dschinnenschwert El-Mâhik, die Nasen heruntersäbelnd, daß sich die Schlachtreihen zur Flucht kehrten, bis ihm Barkân unter die Finger kam und er ihm mit einem Schwertstreich den Garaus machte, daß er von seinem Blut gefärbt zu Boden stürzte. Hierauf verfuhr er mit dem blauen König in gleicher Weise, und, als der Morgen anbrach, war von den Kâfirs kein einziger mehr am Leben, von ihnen Kunde zu geben. Alsdann betraten Murasch und Gharîb das blaue Schloß, dessen Mauern sie abwechselnd immer von einem goldenen und einem silbernen Ziegel erbaut fanden, während die Fußschwellen aus Krystall und die Schwibbögen aus Smaragd bestanden.

Im Schlosse befand sich ein Springbrunnen und eine Estrade, die mit edelsteinbesetzter goldgestickter Seide belegt war; daneben fanden sie zahlloses und unbeschreibliches Gut. Von hier begaben sie sich in den Frauenhof, in dem sie einen prächtigen Harem fanden; und als nun Gharîb den Harem des blauen Königs in Augenschein nahm, fand er unter den jungen Mädchen eines, wie er kein schöneres geschaut hatte, gekleidet in einen Anzug im Werte von tausend Dinaren und von hundert Sklavinnen umgeben, welche ihr die Säume mir goldenen Haken hoben, in deren Mitte sie erstrahlte wie der Mond unter den Sternen. Beim Anblick dieses Mädchens verlor Gharîb seine Sinne, und verwirrt fragte er eine der Sklavinnen nach ihr, worauf ihm dieselben erwiderten: »Das ist Kaukab es Sabâh,Morgenstern. des blauen Königs Tochter.«

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sprach zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie lieb, wie süß und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch morgen erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte erfahren habe.« 166

Sechshundertundneunundfünfzigste Nacht.

»Glückseliger König, als Gharîb von den Sklavinnen vernommen hatte, daß es Kaukab es-Sabâh, die Tochter des blauen Königs, wäre, wendete er sich zu Murasch und sprach zu ihm: »O König der Dschânn, ich möchte dieses Mädchen heiraten.« Der König Murasch versetzte: »Das Schloß und all sein Inhalt an Gut und Blut ist deiner Hand Gewinn. Hättest du nicht eine List zur Vernichtung Barkâns, des blauen Königs, und seines Volkes ersonnen, so wären wir alle bis auf den letzten Mann umgekommen. Das Gut ist dein Gut, und seine Leute sind deine Sklaven.« Da dankte ihm Gharîb für seine gütigen Worte und, an das Mädchen herantretend, schaute er sie an. Als er aber seinen Blick auf sie heftete, entbrannte er in heißer Liebe zu ihr, daß er Fachr Tâdsch, die Tochter Sābûrs, des Königs der Perser, Türken und Deilamiten, und ebenso Mahdîje vergaß. Die Mutter von Kaukab es-Sabâh aber war die Tochter des Königs von China, die der blaue König aus ihrem Schloß geraubt und vergewaltigt hatte, und sie ward schwanger von ihm und brachte diese Tochter von ihm zur Welt, welche er wegen ihrer Schönheit und Anmut Morgenstern benannte; denn sie war in der That die Herrin der Schönen. Ihre Mutter starb, als sie ein Kindlein von vierzig Tagen war, worauf die Ammen und Eunuchen sie erzogen, bis sie siebzehn Jahre zählte, als diese Sache geschah, und ihr Vater, den sie haßte, zu ihrer Freude erschlagen wurde; sie aber liebte Gharîb inniglichst, und Gharîb legte seine Hand in die ihrige und suchte sie noch in derselbigen Nacht heim; und er fand in ihr ein jungfräulich Mägdelein.

Hierauf befahl Gharîb das scheckige Schloß einzureißen, und, da sie es gethan hatten, verteilte er es unter die Dschânn, und es fielen auf sein Teil einundzwanzigtausend goldene und silberne Ziegel und sonstiges Geld und Edelmetall in zahlloser unberechenbarer Menge. Alsdann nahm der König Murasch Gharîb und zeigte ihm den Berg Kâf und seine 167 Wunder, worauf sie wieder zu Barkâns Burg zurückkehrten. Dort angelangt, rissen sie sie ebenfalls ein und verteilten die Schätze, worauf sie dann nach Muraschs Burg heimkehrten, wo Gharîb nach einem Aufenthalt von fünf Tagen hermzuziehen verlangte. Murasch versetzte: »O Menschenkönig, ich will neben deinem Steigbügel reiten und dich heimgeleiten.« Gharîb erwiderte jedoch: »Nein, beim Freunde Abraham, du sollst dir keine Mühe machen, ich will von deinem Volke nur El-Keildschân und El-Kūrdschân mitnehmen.« Murasch entgegnete: »O König, so nimm doch wenigstens zehntausend berittene Dschânn zur Bedienung mit.« Gharîb versetzte jedoch: »Nein, es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.« Da befahl Murasch tausend Mâriden Gharîbs Beuteanteil aufzuladen und ihn in sein Reich zu geleiten, worauf er den beiden Mâriden El-Keildschân und El-Kūrdschân den Auftrag gab Gharîb zu begleiten und ihm zu gehorchen. Alsdann sprach Gharîb zu den Mâriden: »Ladet das Gut und Kaukab es-Sabâh auf,« und wollte nunmehr aufbrechen und sich auf sein Flügelroß setzen, als Murasch zu ihm sagte: »Dieses Roß, mein Bruder, lebt nur in unserm Lande, kommt es aber ins Land der Menschen, so stirbt es. Jedoch habe ich ein Seepferd, desgleichen im Irâk und in allen Landen keines gefunden wird.« Hierauf befahl er es vorzuführen, und, als Gharîb es erblickte, verwirrten sich ihm die Sinne; dann banden sie ihm die Füße, El-Keildschân lud es auf, El-Kūrdschân nahm so viel, als er zu tragen vermochte, und der König Murasch umarmte Gharîb und sprach, weinend über die Trennung, zu ihm: »Mein Bruder, wenn dir etwas zustößt, dem du nicht gewachsen bist, so schicke zu mir, und ich will mit einem Heere zu dir kommen und die ganze Erde mit allem, was darauf ist, verwüsten.« Gharîb dankte ihm für seine Güte und seinen schönen Islam, worauf die beiden Mâride mit Gharîb und dem Pferd in zwei Tagen und einer Nacht einen Weg von fünf Jahren zurücklegten, bis sie sich der Stadt Omân näherten. Nahe bei derselben 168 kehrten sie ein und machten Rast, worauf sich Gharîb zu El-Keildschân wendete und zu ihm sprach: »Zieh aus und bringe mir Nachricht von meinem Volke.« Da machte sich der Mârid auf den Weg und, wieder zurückgekehrt, sprach er: »O König, die Stadt ist von einem Kâfirheer gleich der brandenden Flut belagert; dein Volk streitet wider sie, die Kriegstrommeln wirbeln, und El-Dschamrkân ist wider sie hinausgetreten auf den Plan.« Als Gharîb diese Worte vernahm, rief er: »Allāh akbar!« und sprach: »Keildschân, sattle mir den Hengst und bringe mir Rüstung und Speer; heute soll man auf der Schwert- und Lanzenstätte schauen, wer ein Rittersmann und wer ein Feigling ist.« Da erhob sich El-Keildschân und brachte ihm das Verlangte, worauf Gharîb sich wappnete, das Schwert Japhets, des Sohnes Noahs, umhängte, und, das Seepferd besteigend, wider die Haufen und Heerscharen sprengte, während El-Keildschân und El-Kūrdschân zu ihm sprachen: »Beruhige dein Herz und laß uns wider die Kâfirs ziehen, daß wir sie in die Steppen und Wüsten zerstreuen, bis mit Gottes, des Erhabenen, des Allmächtigen, Hilfe keine Seele und keiner zum Feueranblasen übrig bleibt.« Gharîb versetzte jedoch: »Beim Freunde Abraham, ich lasse euch nicht streiten, es sei denn, daß ich auf dem Rücken meines Rosses sitze.«

Nun hatte es aber mit dem Kommen dieses Heeres eine wunderbare Bewandtnis.

Sechshundertundsechzigste Nacht.

Als nämlich Adschîb mit Jaarub bin Kahtâns Heer die Moslems belagert hatte und von El-Dschamrkân und Saadân, zu denen noch El-Keildschân und El-Kūrdschân stießen, in die Flucht geschlagen war, sprach er: »Ihr Leute, wenn ihr zu Jaarub bin Kahtân zurückkehrt, nachdem sein Volk erschlagen ist, so wird er sagen: »Ihr Leute, nur um euretwillen ist mein Volk erschlagen,« und wird uns bis auf den letzten Mann niedermachen. Mein Rat daher dahin, 169 daß wir nach dem Lande Indien zum König Tarkanân ziehen; derselbige wird uns rächen;« und sie erwiderten: »Wohlan, ziehen wir zu ihm, und das Feuer segne dich!« Hierauf zogen sie Tage und Nächte lang, bis sie zur Hauptstadt Indiens gelangten und um Audienz beim König Tarkanân nachsuchten. Nach empfangener Erlaubnis trat dann Adschîb bei ihm ein, küßte die Erde vor ihm und wünschte ihm den, Königen gegenüber üblichen, Wunsch, worauf er zu ihm sprach: »O König, schütze mich, daß dich das funkensprühende Feuer schützt und die Finsternis mit ihrem Dunkel beschirmt.« Da schaute der König von Indien Adschîb an und fragte ihn: »Wer bist du und was ist dein Begehr?« Er erwiderte: »Ich bin Adschîb, der König vom Irâk, und mein Bruder hat mir Unrecht angethan; nicht nur daß er den Islam angenommen hat, gehorchen ihm auch die Leute, und er hat das Land erobert und jagt mich von Land zu Land, daß ich nunmehr zu dir gekommen bin und von dir und deiner Hochherzigkeit Schutz erflehe.« Als der König von Indien Adschîbs Worte vernahm, sprang er auf, setzte sich wieder und rief: »Beim Feuer, ich will dich rächen und niemand etwas anderes als das Feuer anbeten lassen.« Hierauf rief er seinen Sohn und sprach zu ihm: »Mein Sohn, mach dich bereit, zieh aus zum Irâk, bringe alle seine Bewohner um, binde alle, die nicht ans Feuer glauben, peinige sie und statuiere ein Exempel an ihnen; töte sie jedoch nicht, sondern bringe sie zu mir, daß ich sie auf verschiedene Weisen foltern, ihnen die Erniedrigung zu kosten gebe und sie zu einer Lehre mache für alle, die sich in dieser Zeit belehren lassen.« Alsdann wählte er ihm achtzigtausend Streiter zu Pferd und achtzigtausend Giraffenreiter aus und schickte außerdem noch zehntausend Elefanten mit, von denen jeder Elefant einen Sitz aus Sandelholz mit goldenen Gitterstäben trug, der mir goldenen und silbernen Platten und Nägeln beschlagen war und einen Thron aus Gold und Smaragden trug; ferner gab er ihnen Kriegswagen mir, in jedem von 170 denen acht mit den verschiedensten Waffen kämpfende Streiter saßen. Der Sohn des Königs aber war der Degen seiner Zeit, der an Tapferkeit seinesgleichen nicht hatte, und sein Name war Raad Schâh. Nachdem er sich binnen zehn Tagen gerüstet hatte, brach das ganze Heer auf, als wäre es eine Wolkenwand, und marschierte zwei Monate lang, bis es zur Stadt Omân gelangte und sich rings um die Stadt lagerte, zur Freude Adschîbs, welcher des Sieges gewiß war. Und eben waren El-Dschamrkân, Saadân und alle die Degen auf das Schlachtfeld hinausgezogen, die Trommeln wirbelten und die Rosse wieherten, als El-Keildschân herzukam, worauf er wieder umkehrte und es dem König Gharîb mitteilte, welcher daraufhin aufsaß und, wie oben erwähnt, sein Roß zwischen die Kâfirs trieb, um zu schauen, wer wider ihn auf den Plan treten und die Pforte des Kampfes öffnen würde. Da sprengte Saadân der Ghûl vor und forderte die Gegner zum Zweikampf heraus, worauf einer der indischen Degen wider ihn setzte; doch ehe er noch vor ihm hielt, hatte ihm Saadân bereits mit einem Keulenstreich die Knochen zermalmt, daß er der Länge nach auf dem Boden lag. Darauf sprengte ein zweiter wider ihn hervor, den er ebenfalls niederschlug, und ein dritter, den er zu Boden fällte, und so fort, bis er dreißig Degen erschlagen hatte. Da sprengte wider ihn ein indischer Degen, Namens Battâsch el-Akrân, auf den Plan, der Oheim des Königs Tarkanân und der Ritter der Zeit, der seine fünftausend Ritter auf dem Plan und der Schwert- und Lanzenstätte stand. Indem dieser wider Saadân heransprengte, rief er: »Du Araberschelm, bist du so vermessen, daß du Indiens Könige und Degen erschlägst und seine Ritter gefangen nimmst? Der heutige Tag ist der letzte deiner irdischen Tage.« Als Saadân diese Worte vernahm, unterliefen seine Augen rot mit Blut und, sich auf Battâsch stürzend, holte er zu einem Streich wider ihn mit der Keule aus. Aber der Streich verfehlte ihn, so daß Saadân von der Keule mit zu Boden gerissen wurde; und ehe er noch 171 wieder zu sich kam, war er auch schon gebunden und gefesselt, und die Kâfirs schleiften ihn in ihr Lager. Wie nun El-Dschamrkân seinen Gefährten gefangen sah, rief er: »Hoch der Glauben des Freundes Abraham!« und spornte sein Roß wider Battâsch el-Akrân; eine Weile tummelten sie sich umher, bis Battâsch sich plötzlich auf El-Dschamrkân stürzte, ihn an seinem Panzerhemd packte und ihn aus dem Sattel riß und zu Boden warf, worauf ihn die Kâfirs banden und zu ihrem Lager schleiften. Und so berannte ein Führer nach dem andern Battâsch, bis er vierundzwanzig Führer der Moslems gefangen genommen hatte, worüber die Moslems sich schwer bekümmerten. Als aber Gharîb sah, was über seine Degen hereingebrochen war, zog er unter seinem Knie eine goldene Keule von einem Centner und zwanzig Pfund Gewicht hervor, welche dem König der Dschânn Barkân gehört hatte.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr erstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad entgegnete: »Was ist das im Vergleich zu dem, was ich euch morgen erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundeinundsechzigste Nacht.

»Glückseliger König, als der König Gharîb sah, was über seine Degen hereingebrochen war, zog er unter seinem Knie eine goldene Keule von einem Centner und zwanzig Pfund Gewicht hervor, welche dem König der Dschânn Barkân gehört hatte, und spornte sein Seepferd an, das ihn wie die Windsbraut mitten auf den Plan trug, wobei er laut rief: »Allāh akbar! Gott hilft und verleiht Sieg und macht alle zu schanden, die den Glauben des Freundes Abraham verwerfen!« Alsdann attackierte er Battâsch und versetzte ihm einen Keulenstreich, daß er zu Boden fiel, worauf er sich zu 172 den Moslems wendete und zu seinem Bruder Sahîm el-Leil, den er gerade erblickte, sagte: »Binde diesen Hund.« Als Sahîm Gharîbs Worte vernahm, stürzte er sich auf Battâsch und band ihn mit festen Banden, worauf er ihn forttrug, während die Degen der Moslems sich über den Rittersmann verwunderten und die Kâfirs zu einander sprachen: »Wer mag jener Ritter sein, der zwischen ihnen herauskam und unsern Gefährten gefangen nahm?« Inzwischen fuhr Gharîb fort die Degen zum Kampf herauszufordern, und es sprengte ein indischer Häuptling wider ihn auf den Plan, den Gharîb mit einem Keulenstreich niederschlug, daß er der Länge nach auf dem Boden lag, worauf ihn El-Keildschân und El-Kūrdschân fesselten und Sahîm übergaben, während Gharîb einen Degen nach dem andern gefangen nahm, bis er zweiundfünfzig der vornehmsten und wackersten Häuptlinge gefangen genommen hatte. Dann ging der Tag zu Ende, die Rückzugstrommeln wirbelten, und Gharîb verließ das Schlachtfeld und begab sich zum Heer des Moslems. Der erste, der ihm entgegentrat, war Sahîm, der seinen Fuß im Steigbügel küßte und zu ihm sprach: »Mögen deine Hände nimmer verdorren, o Ritter der Zeit! Sag an, wer bist du unter den Kämpen?« Da lüftete er das Panzervisir, und nun rief Sahîm, als er ihn erkannte: »Ihr Leute, dies ist euer König und Herr Gharîb, der aus dem Lande der Dschânn heimgekehrt ist.« Als die Moslems den Namen ihres Königs hörten, stürzten sie sich von den Rücken ihrer Rosse und eilten zu ihm, ihm die Füße im Steigbügel zu küssen und ihn zu begrüßen. Erfreut über seine wohlbehaltene Heimkehr, führten sie ihn dann in die Stadt Omân, wo er sich auf den Thron seines Königreiches setzte, während sein Volk ihn in höchster Freude umgab. Alsdann trugen sie das Essen auf, und nach beendetem Mahl erzählte er ihnen alles, was ihm mit den Stämmen der Dschânn auf dem Berge Kâf widerfahren war, so daß sie sich aufs äußerste verwunderten und Gott für seine Errettung priesen. Hierauf befahl Gharîb 173 seinem Volk ihn zu verlassen und ihre Schlafstätten aufzusuchen; und, als sie sich in ihre Zelte begeben hatten und niemand weiter bei ihm war, als die beiden Mâride El-Keildschân und El-Kūrdschân, die ihn noch nicht verlassen hatten, sprach er zu ihnen: »Könnt ihr mich nach Kûfa bringen, daß ich mich meines Harems erfreue, und mich dann gegen Ende der Nacht wieder zurücktragen?« Sie erwiderten: »Unser Herr, was du verlangst, ist das leichteste Ding.« Zu dem Weg zwischen Kûfa und Omân aber braucht ein schneller Reiter sechzig Tage. El-Keildschân sagte nun zu El-Kūrdschân: »Ich will ihn hin- und du magst ihn zurücktragen.« Und so lud ihn El-Keildschân auf und flog mit ihm, von El-Kūrdschân begleitet, fort; und kaum war eine Stunde verflossen, da waren sie auch schon in Kûfa angelangt und setzten ihn am Palastthor ab, worauf Gharîb bei seinem Oheim Ed-Dâmigh eintrat. Als dieser ihn erblickte, erhob er sich vor ihm und begrüßte ihn; dann aber fragte ihn Gharîb: »Wie geht es meinen Gemahlinnen Fachr Tâdsch und Mahdîje?« Er erwiderte: »Sie sind gesund und wohlbehalten.« Hierauf begab sich der Eunuch in den Harem und teilte den Frauen Gharîbs Ankunft mit, die vor Freuden laut jubelten und dem Eunuchen seinen Botenlohn schenkten. Als dann der König Gharîb bei ihnen eintrat, erhoben sie sich, begrüßten ihn und plauderten miteinander, bis Ed-Dâmigh erschien, worauf Gharîb zur Verwunderung Ed-Dâmighs und des Harems ihnen alle seine Erlebnisse mit den Dschinn erzählte. Den Rest der Nacht ruhte er bei Fachr Tâdsch, bis der Anbruch der Morgenröte nahte, worauf er zu den beiden Mâriden hinausging und, nachdem er sich von seinem Harem und seinem Oheim Ed-Dâmigh verabschiedet hatte, El-Kūrdschâns Rücken bestieg, der ihn, von El-Keildschân begleitet, ehe noch die Finsternis wich, nach Omân zurücktrug.Der Erzähler vergißt hier ganz Fachr Tâdschs Schicksal. Vgl. darüber das Fernere. Nachdem er sich dann mit 174 seinem Kriegsvolk gewappnet hatte, befahl er die Thore zu öffnen, als mit einem Male von dem Heer der Kâfirs ein Ritter mit El-Dschamrkân, Saadân dem Ghûl und all den gefangenen Häuptlingen ankam, die er befreit hatte, und Gharîb, dem König der Moslems, übergab. Erfreut über ihre Befreiung, legten die Moslems ihre Panzer an und saßen auf, die Trommeln riefen zur Schlacht und zum Hauen und Stechen, und die Ungläubigen saßen ebenfalls auf und reihten sich auf.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist das im Vergleich zu dem, was ich euch morgen erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertundzweiundsechzigste Nacht.

»Glückseliger König, als das Heer der Moslems auf den Plan zum Hauen und Stechen geritten war, da war der erste, welcher des Kampfes Pforte öffnete, der König Gharîb, welcher sein Schwert El-Mâhik, das Schwert Japhets, des Sohnes Noahs, – Frieden sei auf ihm! – zückte und, sein Roß zwischen die beiden Schlachtreihen treibend, rief: »Wer mich kennt, der hat genug des Unheils von mir, wer mich aber nicht kennt, dem will ich kundthun, wer ich bin; ich bin der König Gharîb, der König vom Irâk und von El-Jemen; ich bin Gharîb, der Bruder Adschîbs.« Als Raad Schâh, der Sohn des Königs von Indien, dies von Gharîb vernahm, rief er seinen Häuptlingen zu: »Bringet mir Adschîb.« Sie thaten es, und Raad Schâh sprach zu ihm: »Du weißt, daß dieser Krieg dein Krieg ist, und daß du die Veranlassung desselben bist. Nun steht dein Bruder mitten auf dem Plan und der Schwert- und Lanzenstätte, und du tritt hinaus 175 wider ihn und bring ihn gefangen her, daß ich ihn verkehrt auf ein Kamel setze und ihn zum Exempel paradieren lassen, um ihn dann nach Indien mitzunehmen.« Adschîb versetzte: »O König, schicke einen andern wider ihn heraus, denn ich bin heute früh unwohl.« Als Raad Schâh seine Worte vernahm, schnaubte und schnarchte er und rief: »Bei dem Feuer, dem funkensprühenden, bei dem Licht, dem Schatten und der Hitze, wenn du nicht wider deinen Bruder heraustrittst und ihn mir stracks bringst, so haue ich dir den Kopf ab und ersticke deinen Odem!« Da stärkte Adschîb sein Herz, und, wider seinen Bruder Gharîb sein Roß mitten hinaus auf den Plan treibend, rief er, als er ihm nahe kam: »Du Araberhund und gemeinster der Zeltpflockeinschläger, willst du dich wider Könige vermessen? Nimm, was dir zukommt, und vernimm die frohe Botschaft von deinem Tod.« Als der König Gharîb seine Worte vernahm, fragte er ihn: »Wer bist du unter den Königen?« Da versetzte er: »Ich bin dein Bruder Adschîb, und der heutige Tag ist der letzte deiner irdischen Tage.« Als nun Gharîb sicher war, daß es sein Bruder Adschîb war, rief er laut: »Blutrache für meinen Vater und meine Mutter!« Dann reichte er El-Keildschân sein Schwert,Er giebt das Zauberschwert aus Ritterlichkeit fort. und, auf ihn losstürmend, versetzte er ihm mit der Keule einen trotzigen Reckenhieb, der ihm beinahe die Rippen herausgeholt hätte; dann packte er ihn an seinen Kragen und warf ihn, ihn aus dem Sattel reißend, zu Boden, worauf sich die beiden Mâride auf ihn stürzten und ihn, nachdem sie ihn in feste Bande gelegt hatten, in Schimpf und Schande abführten, während Gharîb aus Freude über die Gefangennahme seines Feindes das Wort des Dichters sprach:

»Erreicht ist mein Wunsch und die Mühe beendet,
Dir sei das Lob und der Preis, o unser Herr!
Aufwuchs ich niedrig, arm und verachtet,
Doch Gott gewährte mir alle meine Wünsche. 176
Die Lande hab' ich erobert und die Menschen gebändigt,
Doch ohne dich wäre ich nichts, o unser Herr!«

Als Raad Schâh sah, wie es Adschîb mit seinem Bruder ergangen war, wappnete er sich, und, sein Roß mitten auf den Plan und die Schwert- und Lanzenstätte treibend, rief er, als er Gharîb nahe kam: »Du gemeinster Araber und Holzträger, erfrechst du dich Könige und Degen gefangen zu nehmen? – Herunter vom Pferd, binde dich selbst, küsse meine Füße, laß meine Degen los und folge mir in Ketten und Fesseln in mein Reich, daß ich dir verzeihe und dich zum Scheich unsers Landes mache, damit du dort einen Bissen Brot essen kannst.« Als Gharîb diese Worte von ihm vernahm, lachte er, daß er auf den Rücken fiel, und entgegnete ihm: »Du hündischester Hund und räudiger Wolf, du sollst sofort schauen, gegen wen sich das Schicksal wenden wird!« Alsdann rief er Sahîm zu und sprach zu ihm: »Bringe mir die Gefangenen;« und, als er sie ihm gebracht hatte, schlug er allen die Köpfe ab. Da stürmte Raad Schâh wie ein hochgemuter Fürst an und traf mit ihm wie ein trotziger Recke zusammen, worauf sie unverdrossen miteinander fochten, indem sie bald wichen, bald wieder aufeinander lossprengten und zusammenprallten, bis die Nacht hereinbrach und die Rückzugstrommeln wirbelten.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, das ich euch morgen erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte vernommen habe.«

Sechshundertunddreiundsechzigste Nacht.

»Glückseliger König, nachdem die Rückzugstrommeln geschlagen waren und beide Kämpfer sich getrennt hatten, kehrte 177 jeder König an seinen Platz zurück, wo sie von ihren Streitern beglückwünscht wurden; und die Moslems sprachen zu ihrem König Gharîb: »O König, sonst ist es nicht deine Gewohnheit, so lange zu kämpfen.« Gharîb erwiderte: »Ihr Leute, ich habe Könige und Kämpen bestanden, doch einen rührigeren Haudegen als diesen hab' ich noch nicht gesehen. Hätte ich das Japhetsschwert wider ihn gezogen und ihm damit einen Streich versetzt, so hätte ich ihm die Knochen zermalmt und seinen Tagen ein Ende gemacht, jedoch machte ich es so lange mit ihm, da ich ihn gefangen zu nehmen und ihn am Islam teilnehmen zu lassen gedachte.« Soviel in Bezug auf Gharîb; als aber Raad Schâh sein Zelt aufgesucht und sich auf seinen Thron gesetzt hatte, und wie nun die Großen seines Volkes bei ihm eintraten und ihn nach seinem Gegner fragten, sprach er zu ihnen: »Beim Feuer, dem funkensprühenden, mein Lebenlang erschaute ich nicht einen Degen gleich diesem; jedoch werde ich ihn morgen gefangen nehmen und ihn in Schimpf und Schanden heimführen.« So verbrachten sie die Nacht; am Morgen aber wirbelten wieder die Schlachttrommeln, die Streiter rüsteten sich zum Hauen und Stechen und hängten die Schwerter um, und mit lautem Geschrei ging's auf den glatthaarigen kraftstrotzenden Rossen aus dem Lager hinaus, bis die Reiter die Hügel und Thäler und weiten Gefilde bedeckten. Der erste aber, welcher das Thor zum Hauen und Stechen öffnete, das war der Ritter voran im Feld, der Löwe kraftgeschwellt, der König Gharîb. Über das Feld sich tummelnd, rief er: »Wer tritt wider mich an, wer mißt sich mit mir auf dem Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling heut!« Kaum hatte er seine Worte beendet, da trottete auch schon Raad Schâh wider ihn ins Feld, auf einem Elefanten gleich einer mächtigen Kuppel, in einem Sitz, der auf seinem Rücken mit seidenen Gurten festgeschnallt war, während der Elefantenlenker zwischen seinen Ohren saß und in seiner Hand einen Haken hielt, mit dem er den Elefanten stachelte und nach 178 rechts und links leitete. Als der Elefant sich Gharîbs Pferd näherte, scheute es vor ihm, da es etwas sah, was es zuvor noch nie gesehen hatte, weshalb Gharîb abstieg und es El-Keildschân überreichte. Alsdann zog er sein Schwert El-Mâhik und schritt zu Fuß auf Raad Schâh los, bis er vor dem Elefanten stand. Nun aber pflegte Raad Schâh, sobald er sah, daß er einem der Degen nicht gewachsen war, in einer Haudah sitzend auf einem Elefanten zu reiten und ein Ding, Lasso genannt, in der Gestalt eines weiten Netzes bei sich zu führen, unten weit und oben eng, mit Ringen am Saum, durch die ein seidener Strick ging. So pflegte er Pferd und Reiter zu jagen, das Fangnetz über beide zu werfen und den Strick zuzuziehen, worauf er den Reiter vom Roß riß und ihn gefangen nahm. Auf solche Weise hatte er manch einen Rittersmann bezwungen. Als ihm nun Gharîb nahe gekommen war, erhob er seine Hand mit dem Lasso und warf das Netz über ihn, daß es ihn umstrickte; alsdann zog er ihn zu sich auf den Elefanten und schrie diesem zu, zu seinem Heere zurückzutrotten. El-Keildschân und El-Kūrdschân waren jedoch nicht von Gharîb gewichen, und, als sie nun sahen, wie es ihrem Herrn erging, packten sie den Elefanten, während Gharîb selber im Netz arbeitete, bis er es zerrissen hatte, worauf El-Keildschân und El-Kūrdschân auf Raad Schâh stürzten und ihn mit einem Strick ans Palmenfasern banden und fesselten. Da griffen die beiden Heere einander an, als wären es zwei ineinander brandende Meere oder zwei zusammenprallende Berge, der Staub erhob sich bis zu den Wolken des Himmels, und beide Heere verspürten, was Blindheit heißt. Und das Gefecht ward heiß, das Blut rann in Strömen, und nicht eher ruhte der grimme Streit und das mächtige Stechen und wilde Hauen, bis der Tag zur Rüste ging, und das Dunkel der Nacht die Streiter umfing, als die Rückzugstrommeln wirbelten und die beiden Heere sich trennten. Von den Moslems aber wurden an diesem Tage eine große Anzahl 179 erschlagen und die Mehrzahl verwundet, woran die Elefanten- und Giraffenreiter schuld waren. Gharîb, dem dies schwer auf die Seele fiel, befahl die Verwundeten zu pflegen und sprach, sich zu den Häuptlingen seines Heeres wendend: »Was ist eure Meinung?« Sie versetzten: »O König, allein die Elefanten und die Giraffen thun uns Schaden; wären wir nur sicher vor ihnen, so wollten wir sie schon überwinden.« Da sagten El-Keildschân und El-Kūrdschân: »Wir beide wollen unsere Schwerter ziehen, wollen uns auf sie stürzen und den größten Teil niederhauen.« Nun aber trat ein Mann aus dem Volke Omâns herzu, welcher ein Ratgeber El-Dschalands gewesen war, und sprach: »O König, ich will für das Heer einstehen, so du mir gehorchst und auf mich hörst.« Da wendete sich Gharîb zu den Häuptlingen und sprach: »Was dieser Meister euch sagt, das befolget;« und sie antworteten: »Wir hören und gehorchen.«

Sechshundertundvierundsechzigste Nacht.

Hierauf wählte jener Mann zehn Häuptlinge aus und fragte sie: »Was an Degen ist unter eurer Hand?« Sie versetzten: »Zehntausend.« Da führte er sie in das Zeughaus und gab fünftausend von ihnen Musketen und lehrte sie schießen. Als dann das Morgenrot aufleuchtete, rüsteten sich die Kâfirs, und die Degen kamen in voller Rüstung auf den Elefanten und Giraffen an der Spitze des Heeres herangeritten, worauf Gharîb und seine Streiter ebenfalls aufsaßen und sich in Reihen ordneten; alsdann wirbelten die Pauken, und als nun die Degen auf den Elefanten und Giraffen herangetrabt kamen, riefen die Moslems ihren Schützen zu, worauf dieselben Pfeile und Kugeln von Blei schossen, die den Tieren in die Flanken drangen, daß sie sich laut brüllend wider die Kämpen und Streiter kehrten und sie mit ihren Füßen zertrampelten. Da stürzten sich die Moslems auf die Kâfirs und überflügelten sie auf der rechten und linken Seite, während die Elefanten sie zertrampelten 180 und in die Steppen und Wüsten zerstreuten; die Moslems aber blieben ihnen mit den Indierschwertern im Nacken, und nur wenige der Elefanten und Giraffen entkamen, worauf der König Gharîb mir den Seinigen, erfreut über den Sieg, umkehrte. Am nächsten Morgen verteilten sie die Beute und ruhten fünf Tage; dann aber setzte sich der König Gharîb auf den Thron seines Reiches, und, seinen Bruder vor sich bringen lassend, sprach er zu ihm: »Du Hund, warum hast du die Könige wider uns versammelt? Doch der Allmächtige hat mir den Sieg über dich verliehen. Werde Moslem und du sollst gerettet sein, und ich will dir das Blut meines Vaters und meiner Mutter erlassen und dich zum König machen, wie du es zuvor warst, und will selber unter deiner Hand stehen.« Als Adschîb Gharîbs Worte vernommen hatte, versetzte er: »Ich will mich nicht von meinem Glauben trennen.« Da ließ er ihn in eiserne Fesseln legen und betraute hundert stramme Sklaven mit seiner Hut. Hierauf wendete er sich zu Raad Schâh und sprach zu ihm: »Was sagst du zu dem Glauben des Islams?« Er erwiderte: »Mein Herr, ich will in euern Glauben eintreten, denn wäre es kein wahrer und schöner Glauben, so hättet ihr uns nicht überwunden. Strecke deine Hand aus, und ich will bezeugen, daß es keinen Gott giebt außer Gott und, daß der Freund Abraham der Gesandte Gottes ist.« Da freute sich Gharîb über seine Bekehrung zum Islam und sprach zu ihm: »Ist des Glaubens Süße in deinem Herzen fest gegründet?« Er erwiderte: »Jawohl, mein Herr.« Alsdann sagte Gharîb zu ihm: »Raad Schâh, möchtest du heimkehren in dein Land und Königreich?« Er versetzte: »O König, mein Vater würde mich dafür töten, daß ich seinen Glauben aufgegeben habe.« Da sprach Gharîb: »Ich will mit dir ziehen und will dich zum König über dein Land einsetzen, daß dir mit Gottes, des Allgütigen, Allgebenden Hilfe Land und Leute gehorchen.« Und Raad Schâh küßte ihm hierfür Hand und Fuß. Nachdem Gharîb dann noch den Ratgeber, dem die 181 Niederlage des Feindes zu verdanken war, belohnt und ihm viel Geld geschenkt hatte, wendete er sich zu El-Keildschân und El-Kūrdschân und rief: »Ihr Dschinn!« Sie erwiderten: »Zu Diensten.« Da sagte er: »Ich wünsche, daß ihr mich nach Indien tragt.« Sie versetzten: »Wir hören und gehorchen;« und nun luden El-Kūrdschân El-Dschamrkân und Saadân und El-Keildschân Gharîb und Raad Schâh auf und flogen mit ihnen gen Indien.

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad entgegnete: »Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte gehört habe.«

Sechshundertundfünfundsechzigste Nacht.

»Glückseliger König, als die beiden Mâride Gharîb, El-Dschamrkân, Saadân den Ghûl und Raad Schâh aufgeladen hatten, flogen sie mit ihnen um Sonnenuntergang nach Indien fort, und, ehe noch das Ende der Nacht nahte, waren sie bereits in Kaschmir und setzten sie dort auf Tarkanâns Palast ab. Nun hatte aber Tarkanân von den Flüchtlingen vernommen, wie es seinem Sohn und seinem Heer ergangen war, daß sie in schweren Sorgen wären, und daß sein Sohn weder schliefe noch an irgend etwas Freude nähme, worüber er sich trübe Gedanken machte, als mit einem Male die Gesellschaft die Palasttreppe hinuntergestiegen kam und zu ihm eintrat. Als der König seinen Sohn und dessen Begleiter gewahrte, wurde er bestürzt und von Grausen vor den Mâriden erfaßt. Da wendete sich sein Sohn Raad Schâh zu ihm und sprach: »Wie lange soll's noch währen, du Verräter, du Feuerbeter? Wehe dir, gieb die Anbetung des Feuers auf und bete an den allmächtigen König, den Schöpfer 182 der Nacht und des Tages, den die Blicke nicht erreichen.« Als sein Vater diese Worte von ihm vernahm, schleuderte er eine eiserne Keule, die er bei sich hatte, nach ihm; doch verfehlte sie ihn und traf einen Pfeiler des Schlosses, aus dem sie drei Steine ausschlug. Hierbei rief er: »Du Hund, du hast die Truppen zu Grunde gerichtet, hast deinen Glauben verleugnet und kommst nun, mich ebenfalls abtrünnig zu machen?« Da trat Gharîb auf ihn zu und versetzte ihm einen Faustschlag ins Genick, daß er zu Boden fiel, worauf El-Keildschân und El-Kūrdschân ihn in feste Banden legten, während der ganze Harem floh. Alsdann setzte sich Gharîb auf den Thron seines Königreiches und sprach zu Raad Schâh: »Richte deinen Vater.« Da wendete er sich zu ihm und sprach: »Verkehrter Scheich, werde Moslem, und du sollst vom Feuer und dem Zorn des Allmächtigen gerettet sein.« Tarkanân erwiderte jedoch: »Ich sterbe nicht anders als in meinem Glauben.« Infolge dessen zog Gharîb sein Schwert El-Mâhik und versetzte ihm damit einen Streich, daß er in zwei Hälften zu Boden fiel; und Gott jagte seine Seele ins höllische Feuer, eine schlimme Stätte! Alsdann befahl Gharîb ihn ans Schloßthor zu hängen, und sie hängten eine Hälfte zur Rechten und die andere zur Linken auf. Nachdem sie dann noch den Rest der Nacht verbracht hatten, befahl Gharîb Raad Schâh den Königsornat anzulegen und sich auf den Thron seines Vaters zu setzen, während er sich selber zu seiner Rechten setzte und El-Keildschân, El-Kūrdschân, El-Dschamrkân und Saadân der Ghûl sich zur Rechten und Linken von ihm aufstellten. Dann sprach der König Gharîb zu ihnen: »Jeden König, der eintritt, fesselt und lasset auch keinen Heereshäuptling entkommen.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.« Als nun die Heerführer zum Palast des Königs zur Dienstleistung kamen, und zwar zuerst von allen der oberste Anführer, und die beiden Hälften des Königs Tarkanân hängen sah, ward er bestürzt und verstört und von Staunen überwältigt, als El-Keildschân ihn packte, ihn an 183 seinem Kragen zerrte und zu Boden warf, worauf er ihn fesselte und in den Palast hineinschleifte; und, ehe noch die Sonne aufging, hatte er dreihundertundfünfzig Hauptleute gefesselt und sie vor Gharîb gestellt, der zu ihnen sprach: »Ihr Leute, habt ihr euern König am Schloßthor hängen sehen?« Sie versetzten: »Wer ist also mit ihm verfahren?« Gharîb erwiderte: »Ich hab' es mit der Hilfe Gottes, des Erhabenen, gethan, und, wer sich mir widersetzt, mit dem verfahre ich in gleicher Weise.« Da fragten sie: »Was begehrst du von uns?« Er entgegnete: »Ich bin Gharîb, der König vom Irâk, der eure Degen vernichtet hat; und, sehet, Raad Schâh ist eingetreten in den Islam und ist ein mächtiger König geworden und Herrscher über euch. So werdet Moslems, auf daß ihr mit dem Leben davon kommet, und widersprechet nicht, auf daß ihr es nicht bereut.« Da legten sie das Bekenntnis ab und wurden verzeichnet unter das Volk der Glückseligkeit. Dann fragte Gharîb: »Ist des Glaubens Süße fest in euern Herzen gegründet?« Sie versetzten: »Jawohl.« Da befahl er ihre Fesseln zu lösen, und, als sie befreit waren, sprach er zu ihnen: »Gehet nun zu euern Leuten und setzet ihnen den Islam auseinander; wer da gläubig wird, den verschonet, und wer nicht gläubig wird, den tötet.«

Da bemerkte Schehersad den Morgen und brach das ihr verstattete Wort ab. Ihre Schwester aber sagte zu ihr: »Ach Schwester, wie schön ist deine Geschichte, wie süß, wie lieb und entzückend!« Schehersad erwiderte: »Was ist dies im Vergleich zu dem, das ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, so ich am Leben bleibe und der König mich verschont.« Da sprach der König bei sich: »Bei Gott, ich töte sie nicht eher, als bis ich das Ende ihrer Geschichte gehört habe.«

Sechshundertundsechsundsechzigste Nacht.

»Glückseliger König, nachdem Gharîb den Hauptleuten Raad Schâhs befohlen hatte, zu ihren Leuten zu gehen und 184 ihnen den Islam auseinanderzusetzen, die Gläubigen zu verschonen und die Ungläubigen zu töten, gingen sie fort und versammelten die Männer, die unter ihrer Hand und ihrem Befehl standen, und setzten ihnen, nachdem sie ihnen das Geschehene erzählt hatten, den Islam auseinander, worauf dieselben Moslems wurden, mit wenig Ausnahmen, die sie niederhieben. Hierauf teilten sie es Gharîb mit, welcher Gott, den Erhabenen, lobte und pries und sprach: »Gelobt sei Gott, der es uns leicht gemacht hat, daß es keines Kampfes bedurfte!« Vierzig Tage lang verblieb dann noch Gharîb in Indien, bis er das Land in Ordnung gebracht und die Feuerhäuser und Stätten eingerissen hatte, an deren Stelle er Moscheen und Kathedralen erbaute, während Raad Schâh ihm eine unbeschreibliche Menge Geschenke und Kostbarkeiten einpackte und sie in Schiffen fortsandte. Alsdann setzte sich Gharîb auf El-Keildschâns Rücken, während Saadân und El-Dschamrkân auf El-Kūrdschâns Rücken stiegen. Nachdem sie von Raad Schâh Abschied genommen hatten, flogen sie bis zum Ende der Nacht, und, ehe noch die Morgenröte aufleuchtete, da befanden sie sich auch schon in der Stadt Omân, wo ihnen ihre Leute entgegenkamen und sie erfreut begrüßten. Hernach machte er sich nach Kûfa auf, und, als er an das Stadtthor gelangte, befahl er seinen Bruder Adschîb zu holen und zu hängen; da holte sein Bruder Sahîm eiserne Haken, und, dieselben in seine Flechsen einschlagend, hängten sie ihn über das Stadtthor auf; dann befahl er nach ihm mit Pfeilen zu schießen, und sie spickten ihn mit Pfeilen, bis er wie ein Stachelschwein aussah.

Hierauf zog Gharîb in Kûfa ein, und, seinen Palast betretend, setzte er sich auf den Thron seines Reiches und waltete den Tag über seines Amtes; dann aber begab er sich in seinen Harem, wo Kaukab es-Sabâh sich vor ihm erhob und ihn umarmte; desgleichen beglückwünschten ihn alle Sklavinnen zu seiner wohlbehaltenen Wiederkehr. Den Tag und die Nacht über verbrachte er bei Kaukab es-Sabâh, am 185 andern Morgen aber, nachdem er die Waschung und das Morgengebet verrichtet hatte, setzte er sich auf den Thron und begann die Vorkehrungen zu seiner Hochzeit mit Mahdîje zu treffen, zu welchem Zweck er dreitausend Haupt Schafe, zweitausend Rinder, tausend Ziegen, fünfhundert Kamele, viertausend Hühner, eine große Menge Gänse und fünfhundert Pferde schlachten ließ. Eine solche Hochzeit wie diese ward nimmer im Islam in jener Zeit gefeiert. Alsdann suchte Gharîb Mahdîje heim und nahm ihr die Mädchenschaft, worauf er sich noch zehn Tage in Kûfa aufhielt. Nachdem er dann seinem Oheim Gerechtigkeit gegen seine Unterthanen anempfohlen hatte, zog er mit seinem Harem und seinen Degen zu den Schiffen, welche die Geschenke und Kostbarkeiten gebracht hatten, und verteilte sie mit allem Inhalt, so daß die Kämpen Gut in Hülle und Fülle bekamen. Dann zogen sie weiter, bis sie nach der Stadt Babel gelangten, wo er seinem Bruder ein Ehrenkleid schenkte, indem er ihn zugleich zum Sultan über die Stadt einsetzte.

Sechshundertundsiebenundsechzigste Nacht.

Nach einem Aufenthalt von zehn Tagen bei Sahîm brach er wieder auf und marschierte ununterbrochen, bis er zur Burg Saadâns des Ghûls gelangte, wo sie eine Rast von fünf Tagen machten. Hierauf sprach Gharîb zu El-Keildschân und El-Kūrdschân: »Macht euch auf nach Isbānîr el-Madâin, gehet in den Palast des Chosroen und schauet nach, wie es Fachr Tâdsch ergeht; bringt mir auch einen Mann aus des Königs Verwandtschaft, der mich von allem, was sich zugetragen hat, unterrichtet.« Die beiden Mâride antworteten: »Wir hören und gehorchen,« und machten sich sofort nach Isbānîr el-Madâin aus. Während sie aber zwischen Himmel und Erde schwebten, gewahrten sie mit einem Male ein mächtiges Heer gleich der brandenden Flut, und El-Keildschân sagte zu El-Kūrdschân: »Laß uns niederschweben und schauen, was es mir diesem Heere auf sich hat.« Da 186 ließen sie sich nieder, und, zwischen den Truppen hindurchschreitend, fanden sie, daß es Perser waren. Als sie dann einige Streiter fragten, wem das Heer gehöre und wohin es ziehe, antworteten sie ihnen: »Wir ziehen wider Gharîb, um ihn und alle seine Begleiter zu töten.« Als sie dies vernahmen, nahmen sie ihren Weg zum Zelt des Königs, der sie befehligte, und dessen Namen Rostem war, und warteten, bis alle Adschamer auf ihren Lagern schliefen. Dann luden sie Rostem mitsamt dem Bett, auf dem er ruhte, auf und kehrten zu Gharîbs Burg zurück. Um Mitternacht trafen sie bereits in Gharîbs Lager wieder ein und begaben sich zur Thür des Königszeltes, wo sie riefen: »Erlaubnis!« Als Gharîb den Ruf vernahm. richtete er sich auf und rief: »Tretet ein.« Als sie nun mit dem Bett, auf dem Rostem schlief, eintraten, fragte Gharîb: »Wer ist das?« Sie versetzten: »Das ist ein Perserkönig, der mit einem mächtigen Heere ausgezogen ist, dich und dein Volk zu töten. Wir haben ihn zu dir gebracht, damit er dir sagen kann, was du begehrst.« Da befahl Gharîb: »Holt mir hundert Degen.« Als dieselben erschienen gebot er: »Ziehet eure Schwerter und stellet euch zu Häupten dieses Adschamers.« Sie thaten es, und, als sie ihn nunmehr weckten, öffnete er seine Augen; als er aber über seinem Haupte eine Wölbung von Schwertern erblickte, zwinkerte er mit den Augen und sprach: »Was ist das für ein gemeiner Traum!« Da piekte ihn El-Keildschân mit der Schwertspitze, so daß er sich aufrichtete und ihn fragte: »Wo bin ich?« Er versetzte: »Du bist in Gegenwart des Königs Gharîb, des Schwiegersohnes des Perserkönigs; wie heißest du und wohin willst du?« Als Rostem Gharîbs Namen hörte, dachte er nach und sprach bei sich: »Schlafe ich oder bin ich wach?« Da versetzte ihm Sahîm einen Schlag und sagte: »Warum giebst du nicht Antwort?« Nun hob er den Kopf und fragte: »Wer hat mich mitten aus meinen Leuten aus meinem Zelt fortgeholt?« Gharîb erwiderte: »Diese beiden Mâride haben dich hierher gebracht.« 187 Als er nun seinen Blick auf El-Keildschân und El-Kūrdschân warf, machte er sich in die Hosen, während sich die Mâride auf ihn warfen, und, ihre Hauer entblößend und die Schwerter zückend, ihn anschrieen: »Kommst du nicht her und küssest die Erde vor dem König Gharîb?« Da erkannte er, entsetzt vor den beiden Mâriden, daß er nicht träumte, und, auf seine Füße springend, küßte er die Erde und sprach: »Das Feuer segne dich, und lange währe dein Leben, o König!« Gharîb versetzte jedoch: »Du Adschamerhund, das Feuer verdient keine Anbetung, da es zu weiter nichts als zum Kochen nützt.« Da fragte er: »Und wer soll dann angebetet werden?« Gharîb entgegnete: »Anbetungswürdig ist Er, der dich geschaffen und gebildet hat und erschaffen hat den Himmel und die Erde.« Nun fragte der Perser: »Und was muß ich sprechen, daß ich zur Gemeinde dieses Herrn gehöre und eintrete in euern Glauben?« Gharîb versetzte: »Du mußt sprechen: Es giebt keinen Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Da sprach er das Bekenntnis und ward verzeichnet unter das Volk der Glückseligkeit. Hierauf sagte er: »Wisse, mein Herr, dein Schwiegervater, der König Sābûr, steht dir nach dem Leben und hat mich mit hunderttausend Mann ausgeschickt, keinen einzigen von euch übrig zu lassen.« Als Gharîb dies vernahm, sprach er: »Ist das mein Lohn dafür, daß ich seine Tochter aus Drangsal und Tod befreite? Jedoch wird Gott ihm sein Vorhaben lohnen.« Hierauf fragte er ihn: »Wie heißest du?« Er erwiderte: »Rostem, Sābûrs Heerführer.« Da sagte Gharîb zu ihm: »Du sollst auch mein Heerführer sein; wie aber, o Rostem, ergeht es der Königin Fachr Tâdsch?« Er versetzte: »Dein Haupt möge leben, o König der Zeit!« Da fragte Gharîb: »Was ist die Ursache ihres Todes?« Rostem erwiderte: »Mein Herr, als du wider deinen Bruder zogst, kam eine Sklavin zu deinem Schwiegervater, dem König Sābûr, und sprach zu ihm: »Mein Herr, hattest du Gharîb geheißen bei meiner Herrin Fachr Tâdsch zu ruhen?« Er 188 erwiderte: »Nein, beim Feuer!« Alsdann begab er sich mit gezücktem Schwert zu ihr und fuhr sie an: »Verworfene, wie kannst du diesen Beduinen bei dir schlafen lassen, ohne Morgengabe und Hochzeit?« Sie versetzte: »Mein Vater, du hattest ihm doch erlaubt bei mir zu ruhen.« Da fragte er: »Ist er dir etwa zu nahe gekommen?« Als sie nun schwieg und das Haupt zu Boden senkte, rief er die Ammen und Sklavinnen und befahl ihnen: »Fesselt diese Dirne und untersucht sie.« Da banden sie ihr die Hände auf dem Rücken zusammen und untersuchten sie, worauf sie zum König sprachen: »O König, sie hat ihre Mädchenschaft verloren.« Da stürzte er sich auf sie und hätte sie ermordet, wenn sich nicht ihre Mutter erhoben und sie vor ihm geschützt hätte, indem sie dabei sagte: »O König, töte sie nicht, damit wir nicht für immer entehrt sind, sperre sie lieber bis zu ihrem Tode in eine Zelle ein.« Da warf er sie bis zur Nacht ins Gefängnis, worauf er sie mit zwei seiner Vertrauten fortschickte, denen er befahl: »Bringt sie weit fort von hier und werfet sie in den Dscheihûnstrom,Der Oxus. ohne es jemand wissen zu lassen.« Da thaten sie nach seinem Geheiß, und nunmehr ist ihr Name vergessen und ihre Zeit verschollen.

Sechshundertundachtundsechzigste Nacht.

Als Gharîb dies vernahm, ward die Welt schwarz in seinem Angesicht, und in grimmem Zorn rief er: »Bei dem Freund, ich will zu diesem Hunde ziehen und ihn umbringen und will seine Wohnungen verwüsten!« Hierauf schickte er Briefe an El-Dschamrkân und zu den Statthaltern von Majāfârikîn und Mossul, und, sich zu Rostem wendend, fragte er: »Wieviel Truppen hast du in deinem Heer?« Er versetzte: »Hunderttausend Adschamer zu Pferd.« Da befahl er ihm: »Zieh mit zehntausend zu deinem Volk und mach ihnen mit Krieg zu schaffen, ich folge dir auf den Fersen nach.« 189 Da saß Rostem mit zehntausend Reitern auf und sprach bei sich: »Ich will eine That thun, die mein Angesicht weiß machen soll vor dem König Gharîb.« Alsdann ritt er sieben Tage lang, bis er dem Heer der Perser nahe kam und zwischen ihm und den Adschamern nur noch ein halber Tag lag. Dann teilte er seine Truppen in vier Abteilungen und sprach zu ihnen: »Umzingelt das Heer und haut mit dem Schwert drein.« Sie antworteten: »Wir hören und gehorchen,« worauf sie vom Abend bis zur Mitternacht ritten, bis sie das Heer umzingelt hatten, das sich trotz Rostems Verschwinden aus ihrer Mitte in Sicherheit fühlte. Da stürzten die Moslems mit dem Feldgeschrei »Allāh akbar!« über sie her, worauf die Perser aus dem Schlaf aufsprangen, als auch schon das Schwert unter ihnen die Runde machte, so daß ihre Füße ausglitten; der allwissende König zürnte ihnen, und Rostem fuhr unter ihnen einher wie Feuer in dürrem Brennholz; und, ehe noch die Nacht endete, war das Heer der Adschamer teils erschlagen, teils in die Flucht gejagt, teils verwundet, und die Moslems erbeuteten das Gepäck, die Zelte, Geldkisten, Pferde und Kamele. Alsdann bezogen sie das Lager der Adschamer und rasteten, bis der König Gharîb ankam. Als er sah, was Rostem gethan und durch welche List er die Adschamer vernichtet und getötet hatte, schenkte er ihm ein Ehrenkleid und sprach zu ihm: »O Rostem, du bist's, der die Adschamer in die Flucht geschlagen hat, die ganze Beute sei daher die deine.« Da küßte er des Königs Hand und dankte ihm; dann rasteten sie noch den Tag über, worauf sie sich wieder auf den Weg zum Perserkönig machten. Inzwischen trafen die Flüchtlinge beim König Sābûr ein und klagten Ach! und O! und Zetermordio, worauf der König sie fragte: »Was giebt's, und von wem hat euch ein Übel befallen?« Da erzählten sie ihm das Vorgefallene und den nächtlichen Überfall, und Sābûr fragte: »Wer ist's denn, der euch überfallen hat?« Sie versetzten: »Kein anderer als dein eigener Heerführer, 190 dieweil er Moslem geworden ist; Gharîb dagegen kam nicht zu uns.« Als der König dies vernahm, warf er seine Krone auf die Erde und rief: »Wir haben allen Wert verloren.« Alsdann wendete er sich zu seinem Sohn Ward Schâh und sagte: »Mein Sohn, für diese Sache giebt es keinen als dich« Ward Schâh erwiderte: »Bei deinem Leben, mein Vater, ich werde dir ganz bestimmt Gharîb und die Großen seines Volkes in Stricken vorführen und sein ganzes Heer niederhauen.« Hierauf zählte er seine Truppen und fand ihrer zweihundertundzwanzigtausend Mann; und mit der Absicht am nächsten Morgen aufzubrechen verbrachten sie die Nacht.

Als nun aber der Morgen anbrach und sie abmarschieren wollten, wirbelte mit einem Male eine Staubwolke auf und verrammelte den Horizont, daß niemand etwas schauen konnte. Da aber Sābûr sein Roß bestiegen hatte, um von seinem Sohne Abschied zu nehmen, rief er, als er diesen mächtigen Staub sah, einem Läufer zu und sprach: »Schau nach, was jener Staub bedeutet.« Da machte sich der Läufer auf den Weg, und kehrte mit der Botschaft zurück, daß Gharîb mir seinen Degen eingetroffen sei. Bei dieser Nachricht nahmen sie das Gepäck wieder ab und ordneten sich zum Gefecht. Als nun Gharîb vor Isbānîr el-Madâin anlangte und die Adschamer kampfbereit dastehen sah, rief er seinen Streitern zu: »Greifet an, und Gott segne euch!« Da schwangen sie die Banner, und Araber und Adschamer legten sich wider einander; das Blut floß in Strömen, die Seelen schauten den Tod vor Augen, die Tapfern stürmten vor, die Feiglinge kehrten den Rücken und flohen, und der Kampf währte ohne Unterlaß, bis der Tag sich neigte, worauf die Rückzugstrommeln wirbelten und beide Heere voneinander abließen. Alsdann befahl der König Sābûr die Zelte vor dem Stadtthor aufzuschlagen, und der König Gharîb schlug sein Lager gegenüber dem Lager der Perser auf, worauf ein jeder sein Zelt aufsuchte. 191

Sechshundertundneunundsechzigste Nacht.

Am nächsten Morgen griffen sie wieder zu den Lanzen und legten ihr Schlachtgewand an; dann bestiegen sie ihre glatthaarigen kräftigen Rosse, und erhoben das Feldgeschrei, und alle die ritterlichen Degen und kühnen Löwen erschienen auf dem Plan. Der erste aber, welcher des Kampfes Pforte öffnete, war Rostem, indem er mitten auf den Plan gesprengt kam und rief: »Allāh akbar! Ich bin Rostem, der Führer der Araber- und Adschamerkämpen. Wer tritt wider mich an, wer mißt sich mit mir auf dem Plan? Kein Feigling sei's und kein Schwächling heut!« Da trat ein Adschamerdegen wider ihn ins Feld, und beide griffen einander an und kämpften erbittert miteinander, bis Rostem auf seinen Gegner sprang und ihm mit seiner Keule, die ein Gewicht von siebzig Pfund hatte, einen Schlag versetzte, der ihm das Haupt in die Brust schlug, daß er rot und ganz in Blut getaucht zu Boden stürzte. Dies fiel dem König Sābûr nicht leicht zu tragen und so befahl er seinem Heere anzugreifen, worauf sie die Moslems attackierten, indem sie zur Sonne, der Lichtspenderin, um Hilfe flehten, während die Moslems sich an den Allmächtigen König wendeten. Da aber die Adschamer die Araber an Zahl übertrafen und ihnen den Becher des Todes zu trinken reichten, zog Gharîb sein Schwert El-Mâhik, das Japhetsschwert, und stürzte sich kühn, das Feldgeschrei erhebend, mit El-Keildschân und El-Kūrdschân neben seinem Steigbügel auf die Adschamer. Nicht eher ruhte er, als bis er sich mit dem Schwerte zum Bannerträger Bahn gebrochen hatte und ihm einen Schlag mir der flachen Klinge versetzte, daß er ohnmächtig zu Boden fiel, worauf die beiden Mâride ihn zu ihren Zelten trugen. Als die Adschamer aber ihr Banner stürzen sahen, kehrten sie den Rücken und flohen zu den Stadtthoren, während die Moslems mit den Schwertern hinter ihnen dreinsetzten, so daß sie sich in den Stadtthoren zusammendrängten und hierbei in großer Anzahl 192 totgedrückt wurden, ohne daß sie die Thore zu verriegeln vermochten. Da stürzten sich Rostem, El-Dschamrkân, Saadân, Sahîm, Ed-Dâmigh, El-Keildschân, El-Kūrdschân und alle die Degen der Moslems und die Ritter der Unitarier auf die ketzerischen, in den Thoren zusammengedrängten Adschamer, daß das Blut der Kâfirs in den Gassen in Strömen lief und sie, Wehr und Waffen fortwerfend, um Gnade flehten, worauf die Moslems ihre Schwerter hemmten und sie wie Schafe zu ihren Zelten trieben. Inzwischen war auch Gharîb zu seinem Zelt zurückgekehrt, hatte seine Wehr abgelegt und sich, nachdem er sich das Blut der Kâfirs abgewaschen hatte, in seinen Ornat gekleidet, worauf er sich auf den Thron seines Reiches setzte und nach dem König der Adschamer verlangte. Als sie ihn gebracht und vor ihn gestellt hatten, sprach er zu ihm: »Du Perserhund, was hat dich bewogen also mit deiner Tochter zu verfahren? Wie kannst du mich für unwürdig ansehen ihr Gatte zu sein?« Er entgegnete: »O König, nimm mir meine That nicht übel, denn ich bereue sie, und nur aus Furcht vor dir trat ich dir zum Kampf entgegen.« Als Gharîb seine Worte vernahm, befahl er ihn niederzuwerfen und zu schlagen, und sie vollzogen sein Geheiß und schlugen ihn so lange, bis sein Gewimmer erstickte, worauf sie ihn zu den Eingekerkerten thaten. Alsdann rief Gharîb die Adschamer herbei und setzte ihnen den Islam auseinander; ihrer hundertundzwanzigtausend wurden gläubig, der Rest aber sprang über die Klinge; ebenso wurden alle Adschamer in der Stadt Moslems. Hierauf hielt Gharîb mit großem Pomp seinen Einzug in die Stadt Isbānîr el-Madâin und, sich auf den Thron Sābûrs, des Königs der Perser, setzend, verlieh er Ehrenkleider, machte Geschenke und verteilte die Beute und das Gold, auch den Adschamern ihren Anteil gebend, so daß sie ihn liebten und ihm Sieg, Ruhm und langes Leben wünschten. Fachr Tâdschs Mutter gedachte nun aber wieder ihrer Tochter und trauerte um sie, so daß der Palast mit Klagen und Geschrei 193 erfüllt wurde. Als Gharîb dies vernahm, begab er sich zu den Frauen und fragte sie, was ihnen fehlte, worauf Fachr Tâdsch' Mutter herzutrat und zu ihm sprach: »Mein Herr, siehe, als du kamst, mußte ich wieder meiner Tochter gedenken, wie sie sich wohl über dein Kommen gefreut haben würde, falls sie noch am Leben gewesen wäre.« Da beweinte sie Gharîb, und, sich auf den Thron setzend, befahl er: »Führet Sābûr vor mich.« Als sie ihn, in seinen Fesseln strauchelnd, vor ihn geführt hatten, sprach er zu ihm: »Adschamerhund, was hast du mit deiner Tochter gethan?« Er erwiderte: »Ich übergab sie dem und dem und dem und dem und sprach zu ihnen: »Ertränket sie im Dscheihûnstrom.« Da rief Gharîb die beiden Männer und fragte sie: »Hat er die Wahrheit gesprochen?« Sie versetzten: »Jawohl; jedoch, o König, haben wir sie nicht ertränkt, sondern wir ließen sie aus Mitleid am Ufer des Dscheihûn, indem wir zu ihr sprachen: Rette dich und kehre nicht wieder zur Stadt zurück, damit er nicht dich und uns mit dir tötet. Das ist's, was wir zu sagen haben.«

Sechshundertundsiebzigste Nacht.

Als Gharîb dies vernahm, ließ er die Sterndeuter vor sich bringen und sprach zu ihnen: »Zeichnet mir eine geomantische Figur und schauet nach, wie es sich mit Fachr Tâdsch verhält, ob sie noch in den Fesseln des Lebens weilt oder ob sie tot ist.« Da zeichneten sie eine geomantische Figur und sprachen: »O König der Zeit, es hat sich uns ergeben, daß die Königin noch in den Fesseln des Lebens ist, und daß sie ein Knäblein zur Welt gebracht hat. Beide leben bei einem Stamm der Dschânn, und sie wird zwanzig Jahre von dir getrennt sein; rechne daher aus, wie viele Jahre du im Felde warst.« Da berechnete er die Zeit seiner Abwesenheit, und, als er fand, daß es erst acht Jahre waren, rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft, außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen!« Alsdann schickte Gharîb zu allen 194 Burgen und Festen Sābûrs Boten aus, und die Statthalter kamen ihm zu huldigen, als er eines Tages, da er in seinem Palast saß, eine Staubwolke aufwirbeln und die Gegend weit und breit verrammeln sah, daß der ganze Horizont verfinstert ward. Da rief er El-Keildschân und El-Kūrdschân zu: »Bringt mir Kunde von dieser Staubwolke,« worauf die Mâride sich auf den Weg machten und unter die Staubwolke drangen, wo sie einen Reiter zu packen bekamen, den sie Gharîb brachten und mit den Worten vor ihn hinstellten: »Frag ihn, er ist aus dem Heer.« Da fragte ihn Gharîb: »Wem gehört jenes Heer?« Er erwiderte: »O König, das ist der König Chirad Schâh,Im Text irrtümlich Ward Schâh. der Herr von Schiras, der zum Kampf wider dich ausgezogen ist.« Die Ursache seines Kommens aber bestand darin, daß der Sohn des Königs Sābûr von Persien nach der Niederlage und den weitern Ereignissen mit einer Handvoll Leute von seines Vaters Heer zum König der Stadt Schiras geflohen war und, bei ihm eintretend, weinend die Erde vor ihm küßte. Da sprach er zu ihm: »Erhebe dein Haupt, Jüngling, und erzähl' mir, warum du weinst.« Darauf sprach Ward Schâh: »O König, ein Araberkönig, Namens Gharîb, kam zu uns und eroberte meines Vaters Reich, nachdem er die Perser ermordet und ihnen den Becher des Todes zu trinken gegeben.« Hierauf erzählte er ihnen alles von Anfang bis zu Ende. Als Chirad Schâh Ward Schâhs Worte vernommen hatte, fragte er ihn: »Ist meine Gemahlin wohl?« Er erwiderte: »Gharîb hat sie genommen.« Da rief Chirad Schâh: »Bei meines Hauptes Leben, ich will auf dem Angesichte der Erde weder einen Beduinen noch Moslem leben lassen!« Alsdann schrieb er Briefe und schickte sie an seine Vicekönige, worauf sich dieselben mit ihren Truppen in der Stärke von fünfundachtzigtausend Mann bei ihm einfanden. Dann öffnete er die Rüstkammern und verteilte unter den Streitern Panzer 195 und Waffen, worauf er mit ihnen aufbrach, bis er gen Isbānîr el-Madâin gelangte, wo sich alle gegenüber dem Stadtthor lagerten. Da traten El-Keildschân und El-Kūrdschân herzu und baten, indem sie Gharîbs Knie küßten: »O unser Herr, heile unser Herz und gieb uns dieses Heer als unsern Anteil.« Und Gharîb versetzte: »Vorwärts, los auf sie!« Da flogen die beiden Mâride fort und fuhren nieder in Chirad Schâhs Zelt, den sie auf seinem Thron sitzen sahen, ihm zur Rechten Ward Schâh, der Sohn des Königs Sābûr, und rings um ihn in zwei Reihen die Hauptleute, wie er gerade mit ihnen über die Vernichtung der Moslems beratschlagte. Indem El-Keildschân Ward Schâh und El-Kūrdschân Chirad Schâh packte, flogen beide mit den Königen wieder zu Gharîb zurück, der sie bis zur Bewußtlosigkeit schlagen ließ. Dann flogen die Mâride wieder fort und, ihre Schwerter zückend, die kein Mensch hätte schwingen können, fielen sie über die Kâfirs her, und Gott jagte ihre Seelen ins höllische Feuer, eine schlimme Stätte! Die Kâfirs aber, die nichts weiter sahen als zwei blitzende Schwerter, welche die Streiter wie Korn mähten, liefen aus ihren Zelten und flohen auf den nackten Pferden, während die Mâride ihnen noch zwei Tage lang nachsetzten und eine große Menge niederhieben. Alsdann kehrten sie zurück und küßten Gharîbs Hand, der sich bei ihnen bedankte und zu ihnen sprach: »Die Beute der Kâfirs ist die eure; keiner soll sie mit euch teilen.« Da segneten sie ihn und machten sich daran ihr Gut zu sammeln, worauf sie sicher und in Frieden in ihrem Heim lebten. Soviel, was Gharîb und sein Volk anlangt.

Sechshundertundeinundsiebzigste Nacht.

Inzwischen hatten die Kâfirs in ihrer Flucht nicht eher innegehalten als bis sie nach Schiras gelangten, wo sie die Gefallenen betrauerten. Nun hatte aber der König Chirad Schâh einen Bruder, Namens Strân der Zauberer, den größten Zauberer in seiner Zeit, welcher getrennt von seinem 196 Bruder in einer Burg hauste, die reich an Bäumen, Bächen, Vögeln und Blumen war und eine halbe Tagereise von Schiras entfernt lag. Zu dieser Burg begaben sich die Flüchtlinge und traten weinend und schreiend bei dem Zauberer Strân ein, so daß er sie fragte: »Warum weint ihr, ihr Leute?« worauf sie ihm das Vorgefallene meldeten und ihm auch mitteilten, wie die beiden Mâride seinen Bruder Chirad Schâh und Ward Schâh, den Sohn des Königs Sābûr, entführt hatten. Als der Zauberer Strân dies von ihnen vernahm, ward das helle Licht Finsternis in seinem Angesicht, und er rief: »Bei meinem Glauben, ich will Gharîb und alle seine Leute umbringen und keine Seele von ihnen übrig lassen, Kunde hiervon zu geben!« Alsdann beschwor er durch Hersagung von gewissen Worten den roten König und befahl ihm: »Mach dich auf nach Isbānîr el-Madâin und stürz' dich auf Gharîb, so wie er auf seinem Throne sitzt.« Er erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und machte sich sogleich auf den Weg zum König Gharîb. Als Gharîb ihn aber erblickte, zog er sein Schwert El-Mâhik und er und El-Keildschân und El-Kūrdschân griffen ihn und sein Heer an und erschlugen fünfhundertunddreißig Mann, während sie ihm selber eine gehörige Wunde beibrachten. Da kehrte der rote König mit seinem verwundeten Volk den Rücken und hielt nicht eher in der Flucht an, als bis er zur Obstburg gelangte, wo sie mit Ach- und Wehgeschrei bei dem Zauberer Strân eintraten und zu ihm sagten: »O Hakîm, Gharîb hat das Talismanschwert Japhets, des Sohnes Noahs, bei sich, das jeden, den er damit trifft, in zwei Teile haut; außerdem aber hat er noch zwei Mâride vom Berge Kâf bei sich, welche ihm der König Murasch geschenkt hat. Er ist es auch, der Barkân und den blauen König erschlagen hat, als er in den Berg Kâf eindrang, und eine große Menge Dschânn vertilgte.« Als der Zauberer die Worte des roten Königs vernahm, sprach er zu ihm: »Geh,« worauf er seines Weges ging. Alsdann beschwor der Zauberer einen Mârid, Namens 197 Suâsia, und sprach zu ihm, indem er ihm eine Drachme pulverisierten Bendsch gab: »Geh nach Isbānîr el-Madâin zum Palast Gharîbs in der Gestalt eines Sperlings und warte, bis er schläft und niemand bei ihm ist; alsdann nimm den Bendsch, steck ihn in seine Nase und bring ihn selber hierher.« Der Mârid versetzte: »Ich höre und gehorche,« und machte sich sogleich nach Isbānîr el-Madâin auf, wo er in Gestalt eines Sperlings in Gharîbs Palast flog und sich auf eines der Fenster setzte und wartete, bis die Nacht hereinbrach und die Könige sich in ihre Schlafgemächer zurückzogen, worauf sich Gharîb auf sein Bett zur Ruhe legte. Nachdem er dann noch so lange gewartet hatte, bis er eingeschlafen war, flog er herunter und streute ihm den pulverisierten Bendsch in die Nase, bis sein Odem erlosch. Hierauf wickelte er ihn in die Bettdecke ein, und, ihn aufladend, flog er mit ihm wie die Windsbraut von dannen, daß er noch vor Mitternacht in der Obstburg bei dem Zauberer Strân wieder eintraf, der sich hierfür bei ihm bedankte und Gharîb im Zustande der Betäubung sofort töten wollte. Einer aus seiner Umgebung hinderte ihn jedoch daran, indem er zu ihm sprach: »O Hakîm, wenn du ihn tötest, werden die Dschânn unser Land verwüsten, da uns sein Freund der König Murasch mit allen seinen Ifrîten bekriegen wird.« Da fragte er: »Was sollen wir denn mit ihm thun?« Und der Mann erwiderte: »Wirf ihn in den Dscheihûn, so lange er noch betäubt ist und nichts gewahr wird, daß er ertrinkt, ohne daß jemand etwas von ihm weiß.« Da befahl er dem Mârid Gharîb aufzuladen und in den Dscheihûn zu werfen.

Sechshundertundzweiundsiebzigste Nacht.

Als ihn jedoch der Mârid zum Dscheihûn getragen hatte, kam es ihm hart an ihn zu ertränken, weshalb er ein Floß aus Holz machte und ihn daran mit Stricken festband, worauf er das Floß mit Gharîb in die Strömung stieß, die ihn forttrug. Soviel was Gharîb anlangt; als nun aber seine 198 Leute am nächsten Morgen zur Dienstleistung bei ihm erschienen, fanden sie ihn nicht; da sie aber seinen Rosenkranz auf dem Thron liegen sahen, warteten sie, daß er herauskommen sollte, bis sie schließlich, als er nicht kommen wollte, den Kämmerling aufsuchten und zu ihm sprachen: »Geh in den Harem und schau nach dem König, denn es ist sonst nicht seine Gewohnheit bis zu dieser Zeit auszubleiben.« Da begab sich der Kämmerling in den Harem und fragte dort nach dem König, doch sagten die Frauen zu ihm: »Seit gestern haben wir ihn nicht mehr gesehen,« worauf er wieder zu ihnen zurückkehrte und es ihnen mitteilte. Da sprachen sie bestürzt zu einander: »Laßt uns schauen, ob er sich zur Erholung in die Gärten begeben hat.« Alsdann erkundigten sie sich bei den Gärtnern, ob der König bei ihnen vorübergekommen wäre, doch erwiderten dieselben: »Wir haben ihn nicht gesehen.« Da suchten sie bekümmert alle Gärten nach ihm ab und kehrten gegen Abend weinend zurück, während El-Keildschân und El-Kūrdschân rings in der Stadt nach ihm suchten, jedoch nach drei Tagen ebenfalls, ohne die geringste Spur von ihm gefunden zu haben, heimkehrten. Hierauf kleidete sich das Volk in Schwarz und klagte zu dem Herrn der Menschen, der da thut, was er will.

Soviel in Bezug auf sie; was nun Gharîb anlangt, so lag er auf dem Floß und wurde auf ihm von der Strömung fünf Tage lang getragen, bis ihn der Strom ins Salzmeer trug, dessen Wogen ihn hin und her warfen, daß sein Magen infolge des Rüttelns den Bendsch auswarf, worauf er, die Augen öffnend, sich mitten im Meere von den Wogen hin- und hergeworfen fand. Da rief er: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Wer hat mir dies angethan?« Während er aber noch verwirrt über seinen Zustand dalag, gewahrte er mit einem Male ein vorübersegelndes Schiff und winkte den Schiffsleuten mit seinem Ärmel, worauf sie zu ihm steuerten und ihn zu sich aufnahmen. Alsdann fragten sie 199 ihn: »Wer und aus welchem Lande bist du?« Er versetzte: »Gebt mir erst etwas zu essen und zu trinken, daß ich mich wieder erhole, dann will ich euch sagen, wer ich bin.« Da brachten sie ihm Wasser und Zehrung, und, als er gegessen und getrunken und von Gott wieder seinen vollen Verstand erhalten hatte, fragte er sie: »Ihr Leute, von welchem Volk seid ihr, und welches ist euer Glaube?« Sie versetzten: »Wir sind aus El-KaradschEine Stadt im persischen Irâk. und wir beten ein Götzenbild, Minkâsch geheißen, an.« Da rief Gharîb: »Verderben über euch und euern Götzen! Ihr Hunde, niemand ist der Anbetung wert als allein Gott, der alle Dinge erschaffen hat, und der zu einem Dinge spricht »Werde« und es ist da.« Da erhoben sie sich wider ihn in wildem Zorn und wollten Hand an ihn legen; wiewohl er aber ohne Waffen war, schlug er jeden, den er traf, mit seiner Faust zu Boden, bis er vierzig Mann niedergestreckt und ihnen den Garaus gemacht hatte; da aber überwältigten sie ihn durch ihre Überzahl und, ihn in feste Bande legend, sprachen sie: »Wir wollen ihn erst in unserm Lande töten, daß wir ihn unserm König zuvor zeigen.« Hierauf zogen sie weiter, bis sie zur Stadt El-Karadsch gelangten.

Sechshundertunddreiundsiebzigste Nacht.

Diese Stadt aber hatte ein gewaltiger Amalekiter erbaut, und er hatte an jedes der Stadtthore eine kunstvolle Gestalt aus Kupfer aufgestellt, welche, sobald ein Fremder die Stadt betrat, ins Horn stieß, so daß es alle Bewohner hörten und ihn packten und töteten, falls er nicht ihren Glauben annahm. Als nun Gharîb die Stadt betrat, stieß die Gestalt so gewaltig ins Horn, daß der König entsetzten Herzens aufsprang und sich zu seinem Götzen begab, der aus Mund, Nase und Augen Feuer und Rauch sprühte. Es war nämlich ein Satan in den Leib des Götzen eingedrungen und 200 sprach nun als wie mit seiner Zunge: »O König, es ist jemand, Namens Gharîb, zu dir gekommen, der König vom Irâk, der allen Leuten befiehlt ihren Glauben aufzugeben und seinen Herrn anzubeten. Wenn sie ihn dir bringen, so laß ihn nicht am Leben.« Da ging der König hinaus und setzte sich auf seinen Thron, als sie mit einem Male mit Gharîb eintraten, ihn vor den König stellten und zu ihm sprachen: »O König, wir fanden diesen jungen Burschen schiffbrüchig auf dem Meer, und er verleugnet unsere Götter;« und so erzählten sie ihm Gharîbs Geschichte. Der König erwiderte: »Bringt ihn ins Haus des großen Götzen und schlachtet ihn vor ihm, daß er Gefallen an uns finde.« Der Wesir versetzte jedoch: »O König, ihn zu schlachten ist nicht gut, da er sogleich tot sein würde; besser sperren wir ihn ein und errichten für ihn einen Scheiterhaufen, den wir anzünden.« Alsdann sammelten sie Holz und hielten es bis zum Morgen in Brand, worauf der König und die Bewohner der Stadt herauskamen und Gharîb zu holen befahlen. Als sie ihn aber holen wollten, fanden sie ihn nicht, so daß sie wieder zum König zurückkehrten und ihm seine Flucht meldeten. Da fragte er: »Wie ist er entflohen?« Und sie erwiderten: »Wir fanden die Ketten und Fesseln am Boden liegen und die Thüren verriegelt.« Verwundert hierüber, sagte der König: »Ist er denn zum Himmel geflogen oder in die Erde getaucht?« Sie versetzten: »Wir wissen es nicht.« Alsdann sagte der König: »Ich will zu meinem Gott gehen und ihn nach ihm fragen, er wird mir sagen, wo er geblieben ist.« Und so erhob er sich und begab sich zum Götzen, um sich vor ihm niederzuwerfen, doch fand er ihn nicht. Da rieb er sich die Augen und sprach: »Schläfst du oder bist du wach!« Dann wendete er sich zu seinem Wesir und fragte ihn: »Wesir, wo ist mein Gott, und wo mein Gefangener? Bei meinem Glauben, du Hund von Wesir, hättest du mir nicht geraten ihn zu verbrennen, so hätte ich ihm den Hals abgeschnitten; nun hat er meinen 201 Gott gestohlen und ist davongelaufen; aber ich muß Rache für ihn nehmen.« Mit diesen Worten zog er sein Schwert und holte dem Wesir mit einem Streich das Haupt herunter.

Mit dem Verschwinden Gharîbs und des Götzen hatte es aber eine wundersame Bewandtnis. Nachdem nämlich Gharîb in einer Zelle neben dem Kuppelbau, unter welchem das Götzenbild stand, eingesperrt war, erhob er sich, um Gottes, des Erhabenen, Namen anzurufen und zu Gott, dem Mächtigen und Herrlichen, zu beten. Als ihn aber der Mârid hörte, der mit dem Götzenbild betraut war und für dasselbe zu sprechen hatte, fürchtete er sich im Herzen und sprach: »O die Scham! Wer ist denn der, der mich schaut, während ich ihn nicht schaue?« Darauf trat er herein zu Gharîb und, sich über seine Füße neigend, fragte er ihn: »Mein Herr, was muß ich sprechen, daß ich zu deiner Gemeinde gehöre und in deine Religion eintrete?« Er erwiderte: »Sprich: Es ist kein Gott außer Gott, und Abraham ist der Freund Gottes.« Da legte der Mârid das Glaubensbekenntnis ab und ward verzeichnet ins Volk der Glückseligkeit. Der Name des Mârids aber war Salsâl, der Sohn des El-Musalsil, und sein Vater war einer der großen Könige der Dschânn. Hierauf befreite er Gharîb von seinen Fesseln, und, ihn und den Götzen aufladend, flog er hoch in den Luftraum empor.

Sechshundertundvierundsiebzigste Nacht.

Soviel mit Bezug auf den Mârid; als aber die Truppen des Königs sahen, was vorgefallen war, wendeten sie sich von der Anbetung des Götzen ab und, ihre Schwerter ziehend, ermordeten sie den König, worauf sie übereinander herfielen und drei Tage lang das Schwert unter sich kreisen ließen, bis sie sich bis auf zwei Mann niedergehauen hatten, von denen der eine den andern überwältigte und ihn erschlug. Dann fielen die Knaben über den Mann her, und, als sie ihn erschlagen hatten, machten sie sich selber bis auf den 202 letzten nieder, worauf die Weiber und Mädchen zu den Weilern und Burgen flohen, so daß die Stadt menschenleer dastand und nur noch Eulen darin hausten.

Inzwischen hatte Salsâl bin el-Musalsil mit Gharîb die Richtung nach seinem Lande, den Kampferinseln, dem Krystallschloß und dem Lande des verzauberten Kalbs, eingeschlagen. Der König El-Musalsil hatte nämlich ein scheckiges Kalb, das er mit Schmucksachen und Gewändern, die mit rotem Gold durchwirkt waren, bekleidet hatte und als Gott verehrte. Eines Tages nun trat El-Musalsil mit seinem Volke wieder bei seinem Gott ein und fand ihn von Unruhe gequält, so daß er ihn fragte: »Mein Gott, was beunruhigt dich?« Da schrie der Satan, der im Bauch des Kalbs hauste: »O Musalsil, dein Sohn ist durch Gharîb, den Herrn des Irâks, zum Glauben des Freundes Abraham übergetreten.« Hierauf erzählte er ihm alles Vorgefallene von Anfang bis zu Ende, und, als er die Worte des Kalbs vernommen hatte, ging er bestürzt hinaus, und, sich auf den Thron seines Königreiches setzend, ließ er die Großen seines Reiches vor sich kommen und trug ihnen die Worte, die er vom Götzen vernommen hatte, vor, worauf sie ihn verwundert fragten: »Was sollen wir thun, o König?« Er versetzte: »Wenn mein Sohn kommt und ihr mich ihn umarmen seht, so legt Hand an ihn.« Sie erwiderten: »Wir hören und gehorchen.« Nach zween Tagen kam denn auch Salsâl mit Gharîb und dem Götzen des Königs von El-Karadsch zu seinem Vater; als er aber durchs Palastthor eintrat, stürzten sie sich auf ihn und Gharîb und legten Hand an sie, worauf sie beide vor den König El-Musalsil stellten, der seinen Sohn mit dem Auge des Zornes anblickte und zu ihm sprach: »Du Dschânnenhund, hast du deinen Glauben und den Glauben deiner Väter und Vorväter verlassen?« Er versetzte: »Ich habe den wahren Glauben angenommen, und ebenso werde du – wehe dir! – Moslem, auf daß du dem Zorn des allgewaltigen Königs 203 entrinnst, des Schöpfers der Nacht und des Tages.« Da ergrimmte der König über seinen Sohn und rief: »Du Dirnensohn, wagst du mir mit solchen Worten ins Gesicht zu treten?« Hierauf befahl er ihn einzukerkern, und, als sie seinen Befehl ausgeführt hatten, wendete er sich zu Gharîb und sprach zu ihm: »Du Menschenwicht, was hast du mit meines Sohnes Verstand gespielt und ihn seinem Glauben abtrünnig gemacht?« Gharîb erwiderte: »Ich führte ihn aus dem Irrtum auf den rechten Weg, aus dem Feuer ins Paradies und aus dem Unglauben zum Glauben.« Da rief der König einem Mârid, Namens Sajjâr, zu: »Nimm diesen Hund und wirf ihn in das Feuerthal, daß er dort umkommt.« In jenem Wadi konnte nämlich wegen seiner übermäßigen Hitze und Kohlenglut keiner auch nur eine Stunde leben, ohne umzukommen, und es war von hohen und glatten Bergen eingeschlossen, durch die kein Ausgang führte. Und so trat denn der verruchte Sajjâr herzu und, Gharîb aufladend, flog er mit ihm nach dem »wüsten Viertel« der Welt; als aber zwischen ihm und dem Wadi nur noch eine Stunde lag, ließ er sich, ermüdet von seiner Last, in einem baum-, bach- und fruchtreichen Wadi nieder und schlief, nachdem er Gharîb in seinen Fesseln vom Rücken abgeladen hatte, vor Müdigkeit ein. Als aber Gharîb ihn schnarchen hörte, arbeitete er so lange, bis er sich aus seinen Fesseln befreit hatte, worauf er einen schweren Stein nahm und ihm mit demselben den Kopf zermalmte, daß er sofort tot war; alsdann schritt er in jenes Wadi hinein –

Sechshundertundfünfundsiebzigste Nacht.

und fand, daß er sich auf einer Insel mitten im Meer befand, einem weiten Eiland, auf dem alle Früchte anzutreffen waren, die nur Lippe und Zunge begehren. Und so aß denn Gharîb von den Früchten und trank aus den Bächen der Insel und fing sich Fische, und Tage und Jahre strichen über ihn hin, bis er sieben Jahre in völliger 204 Einsamkeit verbracht hatte. Da begab es sich eines Tages, daß sich, als er dasaß, zwei Mâride zu ihm niederließen, von denen jeder einen Menschen trug. Als sie Gharîb erblickten, fragten sie ihn: »Du da, was bist du, und zu welchem der Stämme gehörst du?« Gharîbs Haar war nämlich lang gewachsen, so daß sie glaubten, er gehöre ebenfalls zu den Dschânn und ihn nach seiner Herkunft fragten. Gharîb versetzte: »Ich bin kein Dschinnî,« und erzählte ihnen seine ganzen Erlebnisse. Sie bekümmerten sich über ihn, und einer der Mâride sprach zu ihm: »Bleib auf deinem Platz, bis wir diese beiden Lämmer unserm König gebracht haben, damit er eins zum Frühstück und eins zum Abend verspeist; dann wollen wir wieder zu dir zurückkommen und dich in dein Land tragen.« Gharîb dankte ihnen, doch fragte er sie: »Wo sind die beiden Lämmer?« Sie erwiderten: »Diese beiden Menschen.« Da rief er: »Ich nehme meine Zuflucht zum Gott Abrahams des Freundes, dem Herrn aller Dinge, der über alle Dinge Macht hat!« Alsdann flogen sie fort, und Gharîb saß da und wartete auf sie, bis nach zween Tagen einer der Mâride mit einem Anzug zurückkehrte, in den er ihn kleidete. Dann lud er ihn auf und flog mit ihm so hoch in den Luftraum empor, bis Gharîb die Erde aus dem Gesicht verlor und die Engel im Himmel Gott preisen hörte; und ein feuriger Pfeil fuhr sausend von ihnen nach dem Mârid, der vor ihm erdenwärts floh. Schon lag zwischen ihm und der Erde nur noch eines Lanzenwurfes Weite, da sprang Gharîb von seinem Rücken, während der Pfeil ihn einholte und traf, so daß er zu Asche ward. Gharîb aber war gerade ins Meer gesprungen und versank zwei Klaftern tief, worauf er wieder auftauchte und nun den Tag und die Nacht und den zweiten Tag über schwamm, bis er schwach wurde und seines Todes gewiß war. Am dritten Tage jedoch, als er bereits am Leben verzweifelt hatte, gewahrte er einen hohen Berg und schwamm auf ihn zu, bis er ans Land stieg, worauf er in die Insel hineinging und 205 sich von den Pflanzen der Erde nährte. Nachdem er sich einen Tag und eine Nacht ausgeruht hatte, erstieg er den Gipfel des Berges und klomm auf der andern Seite wieder herunter, bis er nach einem Marsch von zwei Tagen zu einer Stadt mit Bäumen, Bächen, Mauern und Türmen gelangte. Am Stadtthor packten ihn die Thorwächter und führten ihn vor ihre Königin, deren Namen Dschânschāh war. Dieselbe zählte fünfhundert Jahre, und jeden, der ihre Stadt betrat, brachten sie zu ihr, und sie nahm ihn und zwang ihn bei ihr zu schlafen, worauf sie ihn tötete; und so hatte sie bereits eine Menge Menschen ums Leben gebracht. Als sie nun Gharîb vor sie brachten, gefiel er ihr, und sie fragte ihn: »Wie ist dein Name, was ist dein Glaube, und aus welchem Lande kommst du?« Er erwiderte: »Mein Name ist Gharîb, der König vom Irâk, und mein Glauben ist der Islam.« Da sagte sie zu ihm: »Gieb deinen Glauben auf und nimm meinen Glauben an; ich will dich auch heiraten und dich zum König machen.« Gharîb aber schaute sie mit dem Auge des Zornes an und sprach zu ihr: »Verderben über dich und deinen Glauben!« Da schrie sie ihn an und rief: »Schmähst du meinen Götzen, der aus rotem Karneol ist, besetzt mit Perlen und Edelsteinen?« Alsdann rief sie: »Ihr Männer, sperrt ihn in den Götzentempel ein, damit der Götze ihm das Herz besänftigt.« Und so sperrten sie ihn zum Götzen ein und verschlossen hinter ihm die Thüren.

Sechshundertundsechsundsiebzigste Nacht.

Als sie dann wieder ihres Weges gegangen waren, betrachtete Gharîb den roten Karneolgötzen, welcher um seinen Hals Bänder aus Perlen und Edelsteinen trug. Dann trat er an ihn heran, hob ihn auf und warf ihn zu Boden, daß er in Stücke zerbrach, worauf er bis Tagesanbruch schlief. Als nun der Morgen kam, setzte sich die Königin auf ihren Thron und sprach: »Ihr Männer, bringt mir den Gefangenen.« Da gingen sie zu Gharîb und öffneten den 206 Götzentempel; als sie aber beim Eintreten den Götzen zerbrochen daliegen sahen, schlugen sie sich vors Gesicht, bis ihnen das Blut aus den Augenwinkeln strömte. Dann traten sie an Gharîb heran und wollten ihn packen, er aber gab dem einen einen Faustschlag, daß er tot hinstürzte, und so noch einem und noch einem, bis er fünfundzwanzig erschlagen hatte, worauf der Rest laut schreiend zur Königin Dschânschāh floh, so daß sie fragte: »Was giebt's?« Sie versetzten: »Der Gefangene hat deinen Götzen zerbrochen und deine Leute erschlagen,« und erzählten ihr so das Vorgefallene. Da warf sie ihre Krone zu Boden und rief: »Die Götzenbilder haben keinen Wert mehr.« Hierauf ritt sie inmitten von tausend Degen nach dem Götzentempel und traf Gharîb gerade dabei an, wie er vor dem Heiligtum die Degen mit einem Schwerte niederschlug und die Kämpen fällte. Als sie seine Tapferkeit gewahrte, versank sie völlig in Liebe zu ihm und sprach: »Ich bedarf nicht mehr der Götzen und will weiter nichts als, daß dieser Gharîb für den Rest meiner Tage an meinem Busen ruht.« Hierauf befahl sie ihren Streitern: »Haltet euch fern von ihm und gehet fort.« Alsdann trat sie herzu und murmelte etwas, worauf sein Arm erstarrte und erschlaffte, und das Schwert aus seiner Hand fiel; dann packten und fesselten sie ihn und führten ihn in Schimpf und Schanden und verwirrt fort. Nachdem die Königin Dschânschāh wieder zurückgekehrt war, setzte sie sich auf den Thron ihres Reiches und befahl ihren Leuten fortzugehen, so daß sie ganz allein mit Gharîb zurückblieb; dann sprach sie zu ihm: »Du Araberhund, zerbrichst du meinen Götzen und schlägst meine Leute tot?« Er versetzte: »Verruchte, wäre er ein Gott, so hätte er sich gewehrt.« Da sprach sie zu ihm: »Liege bei mir, und ich will dir deine That vergeben.« Er erwiderte jedoch: »Ich thue nichts von dem.« Da sprach sie: »Bei meinem Glauben, ich will dich aufs grausamste foltern!« Und so nahm sie Wasser und, es besprechend, besprengte sie ihn damit, worauf er ein Affe 207 ward; dann gab sie ihm zu essen und zu trinken, bis sie ihn in eine Zelle sperrte und jemand mit seiner Obhut betraute. Zwei Jahre lang saß er eingesperrt, bis sie ihn eines Tages wieder vor sich kommen ließ und ihn fragte: »Willst du mir jetzt gehorchen?« Er bejahte es durch Kopfnicken. Da befreite sie ihn erfreut von seinem Zauber und setzte ihm Essen vor, worauf er mir ihr aß und tändelte und sie küßte, so daß sie ihm Vertrauen schenkte. Als dann die Nacht anbrach, legte sie sich nieder und sprach zu ihm: »Komm und verrichte dein Geschäft.« Er versetzte: »Jawohl«; alsdann kniete er auf ihre Brust und zerbrach ihr durch einen Griff das Genick, doch stand er nicht eher von ihr auf, als bis sie den Geist aufgegeben hatte. Dann schaute er um sich, und, als er eine offene Kammer gewahrte, ging er in sie hinein und fand in ihr ein damasciertes Schwert und einen Schild aus chinesischem Eisen. Da rüstete er sich vom Scheitel bis zur Sohle und wartete bis zum Morgen, worauf er hinausging und sich an das Palastthor stellte. Als nun die Emire kamen und sich zur Dienstleistung hineinbegeben wollten, fanden sie Gharîb in Wehr und Waffen; und er sprach zu ihnen: »Ihr Leute, gebt den Götzendienst auf und dienet dem allwissenden König, dem Schöpfer von Nacht und Tag, dem Herrn der Kreatur, der das Gebein zum Leben erweckt, der alle Dinge erschaffen hat und Macht hat über alle Dinge.« Als die Kâfirs dies vernahmen, stürzten sie sich auf ihn, er aber griff sie an wie ein reißender Löwe und, unter ihnen einhertobend, erschlug er eine große Menge von ihnen.

Sechshundertundsiebenundsiebzigste Nacht.

Als aber die Nacht hereinbrach, stürzten sich alle in ihrer Überzahl auf ihn und wollten ihn ergreifen, als mit einem Male tausend Mâride mit tausend Schwertern unter ihrem Anführer Salsâl bin el-Musalsil auf die Kâfirs niedergesaust kamen, er selber an der Spitze, und, auf sie einhauend, 208 ihnen den Becher des Todes zu trinken gaben; und Gott, der Erhabene, jagte ihre Seelen hinab ins höllische Feuer. So ließen sie von Dschânschāhs Volk keinen am Leben Kunde zu geben, bis die Streiter riefen: »Gnade! Gnade!« und an den vergeltenden König glaubten, den ein Ding nicht von einem andern abbringt, den Vernichter der Chosroen und den Vertilger der alten Recken, den Herrn des Diesseits und Jenseits. Alsdann begrüßte Salsâl Gharîb und beglückwünschte ihn zu seiner Rettung, worauf Gharîb ihn fragte: »Wer hat dir von mir Kunde gebracht?« Er erwiderte: »Mein Herr, als dich mein Vater nach dem Feuerwadi geschickt hatte, hielt er mich zwei Jahre eingesperrt, bis er mich wieder freiließ, worauf ich ein Jahr bei ihm lebte; als er aber wieder mit mir versöhnt war, erschlug ich ihn und die Truppen gehorchten mir. Ein Jahr lang hatte ich über sie geherrscht, als ich dich im Traum gegen Dschânschāhs Volk kämpfen sah. Da nahm ich diese tausend Mâride zu mir und kam zu dir.« Gharîb verwunderte sich über dieses Zusammentreffen, dann aber nahm er das Gut Dschânschāhs und ihres Volkes und setzte über die Stadt einen Regenten ein, worauf die Mâride Gharîb und die Schätze aufluden und die Nacht bereits in Salsâls Stadt verbrachten. Als Gharîb sechs Monate Salsâls Gast gewesen war und nunmehr heimkehren wollte, brachte Salsâl Geschenke herbei und sandte dreitausend Mâride aus, die Beute aus der Stadt El-Karadsch zu holen und sie zu Dschânschāhs Gut zu legen. Hierauf befahl er ihnen die Geschenke und all das Gut aufzuladen, während er selber Gharîb auf seinen Rücken nahm; und so flogen sie nach der Stadt Isbānîr el-Madâin, wo sie noch vor Mitternacht anlangten. Als aber Gharîb um sich schaute, sah er die Stadt rings eingeschlossen und von einem großen Heere gleich der brandenden Flut belagert, so daß er Salsâl fragte: »O mein Bruder, was ist der Grund dieser Belagerung und woher ist dieses Heer?« Alsdann stieg er auf das Dach 209 seines Palastes ab und rief: »Kaukab es-Sabâh! Mahdîje!« Da erwachten sie verwundert aus ihrem Schlaf und sprachen: »Wer ruft uns zu dieser Zeit?« Er versetzte: »Ich bin's, euer Herr Gharîb, der Herr der Thaten wunderbar!« Als die beiden Fürstinnen ihres Gebieters Worte vernahmen, freuten sie sich, und desgleichen die Sklavinnen und Eunuchen. Dann kam Gharîb zu ihnen heruntergestiegen, und sie warfen sich an seine Brust und frohlockten, daß das Schloß wiederhallte und die Heerführer von ihrem Lager aufsprangen und riefen: »Was ist los?« und, ins Schloß hinaufsteigend, die Eunuchen fragten: »Hat etwa eine der Sklavinnen geboren?« Sie erwiderten: »Nein; aber freuet euch, denn der König Gharîb ist zu euch zurückgekehrt.« Da freuten sich die Emire, und, als nun Gharîb nach der Begrüßung seines Harems zu seinen Gefährten herauskam, warfen sie sich auf ihn, küßten ihm Hände und Füße und lobten und priesen Gott, den Erhabenen. Alsdann setzte sich Gharîb auf seinen Thron, umgeben von seinen Gefährten, und fragte sie nach dem Heer, das sie belagerte. Sie erwiderten: »O König, sie kamen vor drei Tagen an und sie haben sowohl Menschen als Dschinn unter sich; jedoch wissen wir nicht, was ihr Begehr ist, und wir haben bisher weder Fehde noch Rede mir ihnen geführt.« Da versetzte Gharîb: »So will ich ihnen morgen einen Brief übersenden, und wir wollen schauen, was sie von uns wollen.« Da setzten sie noch hinzu: »Ihr König heißt Murâd Schâh und unter seiner Hand stehen hunderttausend Reiter, dreißigtausend Mann zu Fuß und zweihundert Dschinn.« Mir dem Kommen dieses Heeres hatte es aber eine wunderbare Bewandtnis:

Sechshundertundachtundsiebzigste Nacht.

Als nämlich der König Sābûr den beiden Leuten befohlen hatte seine Tochter im Dscheihûn zu ertränken, waren sie mit ihr fortgezogen, hatten aber zu ihr gesagt: »Geh 210 deines Weges und komm deinem Vater nie wieder zu Gesicht, daß er nicht uns und dich umbringt.« Da wanderte Fachr Tâdsch verstört in die Welt, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte, indem sie dabei klagte: »Ach Gharîb, wo ist dein Auge, daß du mein Elend schaust!« Und so wanderte sie von Land zu Land und von Wadi zu Wadi, bis sie an einem baum- und wasserreichen Wadi vorüberkam, in dessen Mitte ein hochragendes und fest fundamentiertes Schloß stand, gleich einem Schloß in einer Paradiesesaue. Da öffnete Fachr Tâdsch die Burg, und, in sie hineintretend, fand sie ihre Räume mit seidenen Decken und Teppichen ausgestattet und gewahrte in ihnen goldene und silberne Gefäße in großer Menge, sowie hundert schöne Mädchen. Als die Mädchen Fachr Tâdsch erblickten, erhoben sie sich vor ihr und begrüßten sie, da sie sie für ein Dschinnenfräulein hielten. Dann fragten sie sie, wer sie wäre, und sie erwiderte: »Ich bin die Tochter des Königs von Persien,« und erzählte ihnen, was ihr widerfahren war. Als die Mädchen ihre Geschichte vernommen hatten, bekümmerten sie sich um sie, dann aber sprachen sie ihr Trost zu und sagten: »Sei guten Mutes und kühlen Auges, du sollst Speise und Trank und Kleidung haben, und wir alle stehen zu deinen Diensten.« Da wünschte sie ihnen Gottes Segen, während sie ihr Speise brachten, worauf sie aß, bis sie genug hatte. Dann fragte Fachr Tâdsch die Mädchen: »Wer ist der Herr dieses Schlosses und euer Gebieter?« Sie erwiderten: »Unser Herr ist der König Salsâl, der Sohn des Dâl; alle Monate kommt er auf eine Nacht hierher, worauf er am Morgen wieder zur Regierung der Stämme der Dschânn fortzieht.«

Nachdem sich Fachr Tâdsch fünf Tage bei ihnen verweilt hatte, gebar sie ein Knäblein gleich dem Mond, worauf sie ihn von der Nabelschnur abschnitten, ihm die Augen schminkten und ihn Murâd Schâh nannten; und er wuchs auf in seiner Mutter Schoß. Kurze Zeit darauf kam der König Salsâl auf einem papierweißen Elefanten, gleich einem 211 weißgetünchten Turm, rings von den Scharen der Dschânn umgeben, herangeritten. Als er den Palast betrat, kamen ihm die hundert Mädchen, unter ihnen auch Fachr Tâdsch, zum Empfang entgegen und küßten die Erde vor ihm; sobald er aber Fachr Tâdsch gewahrte, fragte er sie: »Wer ist jenes Mädchen?« Sie versetzten: »Die Tochter Sābûrs, des Königs der Perser, Türken und Deilamiten.« Da fragte er: »Wer hat sie hierhergebracht?« Und nun erzählten sie ihm ihre Geschichte, worauf er sich über sie bekümmerte und zu ihr sagte: »Betrübe dich nicht und gedulde dich, bis dein Sohn herangewachsen und groß geworden ist; dann will ich ins Land der Perser ziehen, will deinem Vater das Haupt zwischen den Schultern herunterholen und deinen Sohn auf den Thron der Perser, Türken und Deilamiten setzen.« Da erhob sich Fachr Tâdsch ihm die Hände zu küssen und segnete ihn, worauf sie ihren Sohn mit den Kindern des Königs erzog; und die Knaben pflegten sich aufs Pferd zu setzen und zur Pürsche auszureiten, so daß Murâd Schâh geschickt ward in der Jagd des Wildes und blutdürstigen Raubgetiers; und er aß von ihrem Fleisch, bis sein Herz härter als Felsen ward. Als er das Alter von fünfzehn Jahren erreicht hatte, ward seine Seele stark in ihm, und er sprach zu seiner Mutter: »Mutter, wer ist mein Vater?« Sie versetzte: »Mein Sohn, dein Vater ist der König Gharîb, der König vom Irâk, und ich bin die Tochter des Königs von Persien.« Hierauf erzählte sie ihm alles, und, als er ihre Worte vernommen hatte, fragte er sie: »Hat mein Großvater wirklich Befehl gegeben, dich und meinen Vater umzubringen?« Sie erwiderte: »Ja.« Da sprach er zu ihr: »Bei dem Anrecht der Erziehung, das du an mich hast, ich will zu deines Vaters Stadt ziehen und ihm sein Haupt abschlagen und es dir überbringen!« Und sie freute sich über seine Worte. 212

Sechshundertundneunundsiebzigste Nacht.

Murâd Schâh pflegte aber mit zweihundert Mâriden auszureiten, bis er herangewachsen war, worauf sie auf Raub auszogen und Wegelagerei betrieben, bis sie auf ihren Fahrten einmal nach Schiras gelangten und die Stadt überfielen. Hierbei drang Murâd Schâh ins Schloß des Königs ein und schlug ihm den Kopf ab, während er auf seinem Throne saß. Dann erschlug er eine große Menge seiner Truppen, bis der Rest rief: »Gnade! Gnade!« und seine Kniee küßte. Da zählte er sie und fand ihrer zehntausend Reiter, worauf er mit ihnen nach Balch ritt, dessen König und Truppen sie erschlugen, während sie ihr Gut an sich nahmen; von hier zog Murâd Schâh inmitten von dreißigtausend Reitern nach Nūrein, dessen Herr huldigend zu ihm herauskam und ihnen Geld und kostbare Geschenke überbrachte. Alsdann ritt er weiter mit seinen dreißigtausend Mann nach Samarkand in Adschamland, und nach seiner Eroberung nach Achlât, das er ebenfalls einnahm. Und so zog er von Stadt zu Stadt, eine jede erobernd, indem er all das Gut, die Kostbarkeiten und die Städte unter seine Streiter verteilte, die ihn wegen seiner Tapferkeit und Freigebigkeit liebten, bis er schließlich mit einem großen Heer nach Isbānîr el-Madâin gelangte. Hier sprach er zu seinen Truppen: »Wartet, bis der Rest meines Heeres kommt, dann will ich meinen Großvater packen und das Herz meiner Mutter heilen, indem ich ihn vor sie führe und ihm den Kopf abschlage.« Alsdann ließ er seine Mutter holen, weswegen der Kampf während drei Tagen ruhte, als mit einem Male Gharîb mir Salsâl und vierzigtausend Mâriden, welche die Beute und Geschenke trugen, ankam und nach dem belagernden Heere fragte, worauf sie ihm antworteten: »Wir wissen nicht woher sie sind, und seit drei Tagen haben wir weder mit ihnen noch sie gegen uns gestritten.«

Als nun Fachr Tâdsch eintraf, umarmte sie ihr Sohn 213 und sprach zu ihr: »Bleib in deinem Zelte, bis ich dir deinen Vater bringe.« Da erflehte sie ihm Sieg vom Herrn der Welten, dem Herrn der Himmel und Erden. Am nächsten Morgen ritt Murâd Schâh mit den zweihundert Mâriden zur Rechten und den Menschenkönigen zur Linken ins Feld, die Trommeln wirbelten zum Kampf, und Gharîb, der dies vernahm, saß ebenfalls auf und ritt, sein Volk zur Schlacht rufend, ins Feld, mit den Dschinn zur Rechten und den Menschen zur Linken. Da kam Murâd Schâh, vom Scheitel bis zur Sohle gewappnet, auf den Plan gesprengt und, sein Roß nach rechts und links tänzeln lassend, rief er: »Ihr Leute, kein anderer als euer König trete wider mich auf den Plan! Besiegt er mich, so soll er der Herr der beiden Heere sein, besiege ich ihn jedoch, so töte ich ihn wie die andern.« Als Gharîb Murâd Schâhs Worte vernahm, rief er: »Hinweg mit dir, Araberhund!« Hierauf griffen beide einander an und stachen sich mit den Lanzen, bis sie zerbrachen; worauf sie mit den Schwertern aufeinander loshieben, bis sie schartig wurden; so fochten sie miteinander, bald ansprengend, bald weichend, und sich hin- und hertummelnd, bis der Mittag nahte und die Pferde unter ihnen zusammenbrachen. Alsdann stiegen sie ab und packten einander, wobei sich Murâd Schâh auf Gharîb stürzte, ihn packte und, ihn hochhebend, zu Boden werfen wollte, als Gharîb ihn an seinen Ohren zu packen bekam und sie so heftig zerrte, das Murâd Schâh glaubte, der Himmel wäre auf die Erde gestürzt, und aus vollstem Munde schrie: »Ich begebe mich in deinen Schutz, o Ritter der Zeit,« worauf Gharîb ihm die Hände auf dem Rücken zusammenband.

Sechshundertundachtzigste Nacht.

Als nun Murâd Schâhs Mâride sich auf ihn stürzen und ihn befreien wollten, stürmte Gharîb mit tausend Mâriden wider sie, so daß dieselben ebenfalls »Gnade! Gnade!« riefen und ihre Waffen fortwarfen, worauf sich Gharîb in 214 sein Zelt setzte, das aus grüner, mit rotem Gold gestickter und mit Perlen und Edelsteinen besetzter Seide bestand, und Murâd Schâh vor sich führen ließ. Als er, stolpernd in seinen Fesseln und Handeisen herbeikam und Gharîb erblickte, ließ er sein Haupt beschämt zu Boden hängen, während Gharîb zu ihm sprach: »Du Araberhund, was bist du, daß du dich aufsetzest und wider Könige vermissest?« Er erwiderte: »Mein Herr, nichts für ungut, ich bin zu entschuldigen.« Da fragte ihn Gharîb: »Welchen Entschuldigungsgrund hast du?« Murâd Schâh entgegnete: »Mein Herr, wisse, ich zog aus, um Blutrache für meinen Vater und meine Mutter an Sābûr, dem König von Persien, zu nehmen, der beide erschlagen wollte; meine Mutter entkam zwar, ob er aber meinen Vater getötet hat oder nicht, das weiß ich nicht.« Als Gharîb seine Worte vernahm, rief er: »Bei Gott, du bist zu entschuldigen; wer aber ist dein Vater und deine Mutter, und wie heißen sie?« Er versetzte: »Meines Vaters Namen ist Gharîb, König vom Irâk, und meine Mutter heißt Fachr Tâdsch, Tochter Sābûrs, des Königs von Persien.« Bei diesen Worten stieß Gharîb einen gewaltigen Schrei aus und sank in Ohnmacht; da sprengten sie ihm Rosenwasser ins Gesicht, und, als er nun wieder zu sich kam, fraget er ihn: »Bist du wirklich Gharîbs Sohn von Fachr Tâdsch?« Er erwiderte: »Jawohl,« und Gharîb versetzte: »Du bist ein Ritter, eines Ritters Sohn; löset meines Sohnes Fesseln.« Da traten Sahîm und El-Keildschân herzu und befreiten ihn, worauf Gharîb ihn umarmte, ihn an seiner Seite sitzen ließ und ihn fragte: »Wo ist deine Mutter?« Er erwiderte: »Sie ist bei mir im Zelte.« Da sagte Gharîb: »Bringe sie her.« Und so saß denn Murâd Schâh auf und ritt zu seinem Lager, wo ihn seine Gefährten, erfreut über seine Rettung, empfingen und ihn fragten, wie es mit ihm stünde. Er aber versetzte: »Jetzt ist keine Zeit zum Fragen;« dann trat er bei seiner Mutter ein, erzählte ihr das Vorgefallene und brachte sie, erfaßt von mächtiger 215 Freude, zu seinem Vater, worauf sich beide umarmten und einer am andern erfreute. Alsdann nahmen Fachr Tâdsch und Murâd Schâh den Islam an und setzten ihn den Truppen auseinander, welche ebenfalls insgesamt mit Herz und Mund Moslems wurden, so daß sich Gharîb über ihren Islam freute. Hierauf ließ er Sābûr und seinen Sohn Ward Schâh holen und schalt Sābûr für sein Thun, worauf er ihnen den Islam unterbreitete; da sie ihn aber zurückwiesen, kreuzigte er beide am Stadtthor. Und nun schmückten sie die Stadt, das Stadtvolk feierte Freudenfeste, Murâd Schâh wurde mit der Chosroenkrone zum König der Perser, Türken und Deilamiten gekrönt, Gharîb schickte seinen Oheim Ed-Dâmigh als König nach dem Irâk, und alle Lande und Unterthanen gehorchten Gharîb, der in Gerechtigkeit in seinem Königreiche über seine Unterthanen herrschte, daß er von jedermann geliebt ward. Und so führten sie das angenehmste Leben, bis der Zerstörer aller Freuden und der Trenner aller Vereinigungen sie heimsuchte, – Preis Ihm, dessen Ruhm und Leben ewig währt und dessen Wohlthaten alle seine Geschöpfe umfaßt!

Das ist alles, was von Gharîbs und Adschîbs Geschichte auf uns gekommen ist.

 


 

Ende des elften Bandes.

 


 << zurück