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»Ich, meine Schwestern und meine Mutter sind nicht in dieser Stadt geboren, sondern in einer Residenz im Irâk, wo mein Vater König war und Truppen, Garden, Wesire und Eunuchenkämmerlinge besaß; meine Mutter aber war die schönste Frau ihrer Zeit, so daß ihre Schönheit sprichwörtlich in allen Landen geworden war. Nun traf es sich, daß, als ich und meine Schwestern noch kleine Kinder waren, unser Vater auf die Jagd und den Fang auszuziehen pflegte, und Raubtiere erlegte und sich in den Gärten außerhalb der Stadt vergnügte. Er ließ dann seinen Wesir kommen und ernannte 85 und setzte ihn zum Viceregenten an seiner Statt ein mit voller Autorität Befehl zu erteilen und gnädig gegen seine Unterthanen zu sein, worauf er sich fertig machte und auszog, während der Vicekönig sein Amt antrat. Einmal nun war es die heiße Jahreszeit, und meine Mutter begab sich auf das Dach des Palastes, um die Luft zu genießen und das Wehen einzuatmen. Zu derselbigen Stunde aber saß der Wesir nach dem Ratschluß des Beschließers im Kiosk, dem bedachten Balkon, der sich an seiner obern Wohnung befand, und hielt in der Hand einen Spiegel, in dem er beim Hineinschauen das Bild meiner Mutter erblickte, ein Blick, der ihm tausend Seufzer erweckte, so daß er von Stund' an durch ihre Schönheit und Anmut verstört und krank ward und sich ins Bett legen mußte. Eine vertraute Amme, die zu ihm eintrat, fühlte ihm den Puls und sprach zu ihm, da der Puls keine Krankheit verriet: »Das hat nichts zu bedeuten; du sollst bald wieder wohl sein und nimmer irgend welchen Kummer erleiden.« Da sagte er: »O meine Amme, kannst du ein Geheimnis bewahren?« Sie versetzte: »Ich kann's.« Alsdann erzählte er ihr von all der Liebe, die er für meine Mutter gefaßt hatte, und sie versetzte: »Das ist ein leichtes Ding, und es steht ihm nichts im Wege; ich will diese Sache für dich ins reine bringen und dich bald mit ihr vereinigen.« Hierauf packte er ihr einige der kostbarsten Kleider, die sich in seinem Schatz befanden, ein und sprach zu ihr: »Begieb dich zu ihr und sprich: Der Wesir schickt dir dies als ein Liebeszeichen, und sein Wunsch ist, das du entweder zu ihm für ein paar Stunden zum Plaudern kommst, oder daß er die Erlaubnis erhält dich zu besuchen.« Die Amme versetzte: »Ich höre und gehorche,« und machte sich auf den Weg zu meiner Mutter, die sie, mit uns Kleinen vor sich, antraf, ohne daß sie etwas von der Sache ahnte. Die Alte begrüßte sie und holte die Kleider hervor, worauf meine Mutter aufstand und das Paket öffnete. Als sie die kostbaren Sachen und unter andern Pretiosen auch ein Edelsteinhalsband 86 erblickte, sagte sie zur Amme: »Das ist in der That eine prächtige Zier, insbesondere aber das Halsband«; worauf die Amme versetzte: »O meine Herrin, diese Sachen sind von deinem Sklaven, dem Wesir, als ein Liebeszeichen, denn er sehnt sich nach dir über die Maßen, und sein einzigster Wunsch ist mit dir zusammenzukommen und für ein paar Stunden zu plaudern, sei es in seiner Wohnung oder in der deinigen, wohin er kommen will.« Als meine Mutter diese Worte von der Amme vernahm, erhob sie sich und ein Schwert ziehend, das in der Nähe lag, holte sie in ihrem jähen Zorn das Haupt der Alten vom Rumpf herunter, worauf sie ihren Sklavinnen befahl die Stücke aufzuheben und in den Abtritt des Palastes zu werfen. Die Sklavinnen thaten ihr Geheiß und wischten das Blut ab, während der Wesir vergeblich auf die Rückkehr seiner Amme wartete. Am nächsten Tage schickte er eine andre Sklavin zu meiner Mutter, die zu ihr sprach: »O meine Herrin, unser Gebieter der Wesir schickte dir einen Anzug zum Geschenk durch seine Amme, doch kehrte sie nicht zu ihm zurück.« Da befahl meine Mutter ihren Eunuchen die Sklavin zu erdrosseln und ihren Leichnam in denselben Abtritt zu werfen, in den sie die Amme geworfen hatten. Die Eunuchen vollzogen ihren Befehl, während sie bei sich sprach: »Vielleicht kehrt der Wesir von dem Weg des Unrechts zurück,« und sein Benehmen geheim hielt. Er fuhr jedoch fort ihr Tag für Tag Sklavinnen mit demselben Auftrag zu schicken, während meine Mutter eine nach der andern tötete und ihm nicht das geringste Zeichen von Nachgiebigkeit zeigte, vielmehr, o unser Herr Sultan, ihr Geheimnis bei sich behielt und unserm Vater nichts davon sagte, indem sie fortwährend bei sich sprach: Vielleicht wird der Wesir auf den Weg des Rechts zurückkehren.« Bald darauf kehrte mein Vater von der Jagd und dem Vergnügen heim, und die Großen des Reiches empfingen und begrüßten ihn zugleich mit dem Wesir, dessen Aussehen sich verändert hatte. Einige Jahre später, o König der Zeit, entschloß sich unser Vater zur Pilgerfahrt zum heiligen 87 Haus in Mekka und setzte denselben Wesir zum Vicekönig an seiner Statt ein zu befehlen, verbieten und vollstrecken. Da sprach der Wesir bei sich: »Nun hab' ich meinen Wunsch am Harem des Sultans erreicht,« während sich der König bereit machte und zu Gottes heiligem Haus wallfahrtete, nachdem er uns der Obhut seines Wesirs anvertraut hatte. Als er aber zehn Tage unterwegs war und der Wesir wußte, daß er fern von der Stadt sein mußte, wo er mich, meine Schwestern und meine Mutter zurückgelassen hatte, siehe, da trat einer der Eunuchen des Wesirs bei uns ein und sprach zur Königin, indem er die Erde vor ihr küßte: »Um Gott, meine Herrin, erbarme dich meines Herrn des Wesirs, denn sein Herz ist aus Liebe zu dir geschmolzen, und seine Sinne und sein Verstand sind irre geworden, so daß er ward wie einer, der nicht mehr ist. Habe Mitleid mit ihm, mach' sein Herz wieder lebendig und gieb ihm die Gesundheit wieder.« Als meine Mutter diese Worte vernahm, befahl sie ihren Eunuchen jenen Hämling zu ergreifen, ihn aus dem Zimmer mitten in den Diwanhof zu führen und ihn dort niederzuhauen; dies that sie jedoch, ohne ihre Gründe zu offenbaren. Die Eunuchen vollzogen ihr Geheiß; als aber die Großen des Reiches und andere den Leichnam eines Mannes sahen, der von den Palasteunuchen erschlagen war, teilten sie es dem Wesir mit, indem sie zu ihm sprachen: »Was ist das für eine abscheuliche Sache, die nach des Sultans Abreise geschehen ist?« Auf des Wesirs Frage, was vorgefallen wäre, erzählten sie ihm, daß sein Hämling von einer Anzahl der Palasteunuchen erschlagen sei, worauf er zu ihnen sagte: »In eurer Hand bleibt das Zeugnis hiervon, wenn der Sultan heimkehrt und ihr es bezeugen sollt.«
Des Wesirs Leidenschaft für unsre Mutter, o König, kühlte sich jedoch nach dem Tod der Amme, der Sklavinnen und des Eunuchen ab, und unsre Mutter schwieg ebenfalls und ließ kein Wort davon verlauten. In dieser Weise verstrich die Zeit, und der Wesir saß an meines Vaters Statt, 88 bis des Sultans Heimkehr nahe rückte, als der Wesir Furcht bekam, daß unser Vater ihn hinrichten lassen könnte, wenn er von seinen Missethaten erführe. Infolgedessen plante er eine List und schrieb einen Brief an den König folgenden Inhalts: »Nach dem Gruß sei dir kundgethan, daß dein Harem nicht einmal, sondern fünfmal während deiner Abwesenheit zu mir geschickt hat, von mir eine schimpfliche That heischend, in die ich mich weigerte einzuwilligen, indem ich erwiderte: »Bei Gott, so sehr sie auch wünschen mag meinen Herrn zu verraten, so will ich, beim Allmächtigen, kein Verräter werden, da ich von dir zum Schützer des Reiches nach deinem Fortgang zurückgelassen ward.« Und so fügte er Worte zu Worten, worauf er das Papier versiegelte und es einem Eilboten mit dem Befehl übergab, den Weg stracks zu durchlaufen. Der Bote nahm das Schreiben und machte sich mit ihm zum Lager des Sultans auf, das sich acht Tage von der Stadt entfernt befand; und, da er ihn in seinem Prunkzelt sitzend fand, überreichte er es ihm. Der Sultan nahm es, öffnete und las es, und. als er seine geheime Bedeutung begriffen hatte, veränderte sich sein Gesicht, seine Augen sanken zurück, und er befahl die Zelte zur Weiterfahrt abzubrechen. Alsdann zogen sie in Eilmärschen weiter, bis zwischen ihm und seiner Hauptstadt nur noch zwei Stationen lagen. Hier ließ er zwei Kämmerlinge vor sich kommen und befahl ihnen, ihm nach der Stadt vorauszuziehen, meine Mutter und uns drei Mädchen eine Tagesreise weit von der Stadt fortzuführen und uns daselbst umzubringen. Und so nahmen sie uns vier hinaus ins offne Feld, um uns dort zu töten, während meine Mutter keine Ahnung hatte, was sie beabsichtigten, bis sie den bestimmten Platz erreichten. Nun hatte die Königin aber in früheren Zeiten die beiden Kämmerlinge mit Almosen und Geschenken überhäuft, so daß ihnen die Sache sehr schwer fiel und sie zu einander sprachen: »Bei Gott, wir können sie nicht umbringen, nein, nimmermehr!« Alsdann erzählten sie meiner Mutter von dem Brief, den der Wesir an unsern 89 Vater mit dem und dem Inhalt geschrieben hatte, und sie rief: »Er hat gelogen, bei Gott, der Erzverräter! Nicht anders als so und so trug es sich zu.« Hierauf erzählte sie ihnen alles, was sie gethan hatte, aufs wahrheitsgetreuste. Die Leute erwiderten: »Du hast die Wahrheit gesprochen,« und, ohne Aufschub und Verzug sich erhebend, fingen sie eine Gazelle und schlachteten sie, indem sie mit ihrem Blut vier Flaschen füllten; alsdann brieten sie etwas von dem Fleisch über Kohlen und gaben es meiner Mutter, damit wir unsern Hunger stillten. Als sie dann von uns Abschied nahmen, sprachen sie: »Wir geben euch unter die Obhut dessen, der nimmer die seiner Fürsorge Anvertrauten verläßt.« Hierauf zogen sie ihres Weges und ließen uns allein in der Wildnis zurück. Wir aßen nun von den Gräsern der Wüste und tranken aus den Regenlachen, indem wir bald wanderten, bald wieder ruhten, ohne irgend eine Stadt oder eine bewohnte Gegend zu finden; schon waren wir ermüdet, o König der Zeit, als wir plötzlich zu einer Stelle am Abhang eines Hügels gelangten, die an bunten Kräutern und hübschen Quellen überreich war. Wir verweilten hier zehn Tage, als mit einem Male eine Karawane nahte und sich dicht bei uns lagerte; jedoch sahen sie uns nicht, da wir uns vor ihren Blicken versteckten. Als die Nacht hereinbrach, begab ich mich zu ihnen und fragte einige Eunuchen, von denen ich erfuhr, daß eine Stadt zwei Tagereisen von uns entfernt läge, worauf ich wieder zurückkehrte und es meiner Mutter berichtete, die über die gute Nachricht hocherfreut war. Sobald der Morgen anbrach, zog die Karawane wieder ab, während wir vier uns erhoben und gemächlich den ganzen Tag und den folgenden bis zum fünften Tage wanderten, als endlich am Nachmittag desselben eine Stadt vor unsern Blicken auftauchte, die all unser Sehnen erfüllte, so daß wir riefen: »Gelobt sei Gott, der uns die Kraft gab sie zu erreichen!« Wir wanderten weiter bis zum Sonnenuntergang, worauf wir sie betraten und fanden, daß es eine stolze Residenz war. 90
So erging es uns und unserer Mutter; als aber unser Vater der Sultan nach der Rückkehr von der Pilgerfahrt seiner Heimat nahte, zogen die Großen des Reiches und die Häupter der Stadt herauf ihn zu empfangen, und die Bewohner der Stadt folgten einander ihn zu begrüßen, und die Armen und Elenden beglückwünschten ihn zu seiner wohlbehaltenen Heimkehr, während zuletzt von allen der Wesir erschien. Der Sultan, der mit ihm allein zu sein wünschte, sprach zu ihm, nachdem sich beide zurückgezogen hatten: »O Wesir, was fiel zwischen dir und meinem Harem vor?« Der Wesir versetzte: »O König der Zeit, sie schickte nicht einmal sondern fünfmal zu mir, ich aber enthielt mich ihrer und erschlug jeden Eunuchen, den sie zu mir schickte, indem ich bei mir sprach: »Vielleicht giebt sie dies Thun auf und unterläßt ihr böses Vorhaben.« Da sie jedoch keine Reue empfand, fürchtete ich für deine Ehre und schickte zu dir, dich von dem Vorfall zu benachrichtigen.« Der Sultan senkte sein Haupt für eine Weile zu Boden, dann aber erhob er es wieder und befahl die beiden Kämmerlinge vorzuladen, die er ausgeschickt hatte seine Gattin und seine drei Kinder zu ermorden. Als sie erschienen, fragte er sie: »Was habt ihr in der Vollstreckung meines Befehls gethan?« Die Kämmerlinge antworteten: »Wir thaten, was du uns befahlst,« und zeigten ihm die vier Flaschen, die sie mit Blut gefüllt hatten, indem sie sprachen: »Dies ist ihr Blut, von jeder eine Flasche voll.« Der Sultan nahm die Flaschen in die Hand und, der Liebe, der Zuneigung und Vereinigung gedenkend, die zwischen ihm und seiner Gattin bestanden hatte, weinte er bitterlich und sank in Ohnmacht. Nach einer Weile kam er wieder zu sich und, sich zum Wesir wendend, sprach er zu ihm: »Sag mir, hast du die Wahrheit gesprochen?« Der Wesir versetzte: »Jawohl, ich sprach die Wahrheit.« Da wendete sich der Sultan zu den beiden Kämmerlingen und fragte sie: »Habt ihr meine Töchter und ihre Mutter umgebracht?« Sie schwiegen jedoch und erteilten keine Antwort. Infolgedessen rief er: 91 »Was veranlaßt euch, daß ihr nicht Rede und Antwort steht?« Da entgegneten sie: »Bei Gott, o König der Zeit, ein ehrlicher Mann kann keine Unwahrheit sprechen, denn Lügen und Leugnen sind die Merkmale von Heuchlern und Verrätern.« Als aber der Wesir die Worte der Kämmerlinge vernahm, ward seine Farbe gelb, seine Gestalt erbebte, seine Glieder zitterten, und der König kehrte sich zu ihm und merkte, daß diese Symptome von den Worten der beiden Beamten verursacht waren. Er sprach deshalb zu ihnen: »Was meint ihr mit den Worten, ihr Kämmerlinge, daß Lügen und Leugnen die Merkmale von Heuchlern und Verrätern sind? Könnte es sein, daß ihr sie nicht umgebracht habt? Wo ihr den Anspruch erhebt wahrhaftige Leute zu sein, habt ihr sie entweder umgebracht und ihr sagt dies, oder ihr seid Lügner. Aber bei dem, der mich über die Nacken seiner Diener gesetzt hat, wenn ihr mir nicht die Wahrheit ansagt, so lasse ich euch beide des schimpflichsten Todes sterben.« Da entgegneten sie: »Bei Gott, o König der Zeit, als du uns befahlst, sie zu nehmen und umzubringen, gehorchten wir deinem Befehl, während sie nicht wissen und ahnen konnten, was geschehen sollte, bis wir mit ihnen mitten in die Wüste gelangten, wo sie am breitesten war. Als wir ihnen hier mitteilten, was der Wesir gethan hatte, rief dein Harem: »Es giebt keine Macht und keine Kraft außer bei Gott, dem Hohen und Erhabenen! Fürwahr, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück! Wenn ihr uns tötet, so bringt ihr uns ungerechterweise um und wisset nicht weshalb. Bei dem Herrn, dieser Wesir hat aufs gemeinste gelogen und uns vor dem Allmächtigen fälschlich beschuldigt.« Da sprachen wir zu ihr, o König der Zeit: »So sag' uns, was in Wirklichkeit stattfand;« worauf die Mutter der Prinzessinnen erwiderte: »So geschah es.« Alsdann erzählte sie uns die ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende von der Amme, die zu ihr geschickt worden war, von den Sklavinnen und dem Eunuchen.« Da rief der Sultan: »Und habt ihr sie umgebracht oder nicht?« 92 Die Kämmerlinge versetzten: »Bei Gott, o König der Zeit, als die Treue deines Harems uns erwiesen war, fingen wir eine Gazelle und füllten, nachdem wir ihr den Hals abgeschnitten hatten, diese vier Flaschen mit ihrem Blut; hierauf brieten wir etwas von dem Fleisch auf Kohlen und gaben es deinem Harem und ihren Kindern mit den Worten: »Wir geben dich unter die Obhut dessen, der die seiner Fürsorge Anvertrauten nimmerdar verläßt«; indem wir dann noch hinzufügten: »Eure Wahrhaftigkeit wird euch retten,« verließen wir sie mitten in der Wüste und kehrten hierher zurück.« Als der Sultan diese Worte vernahm, kehrte er sich zum Wesir und rief: »Du hast mein Weib und meine Kinder von mir gerissen.« Der Wesir brachte jedoch kein Wort hervor und entgegnete nichts, sondern zitterte an allen Gliedern wie ein von Fieberschauern Befallener. Als nun der König die Wahrhaftigkeit der Kämmerlinge und die Verräterei des Wesirs erkannte, befahl er Brennholz zu sammeln und anzuzünden, und als sie sein Geheiß vollzogen hatten, befahl er ihnen dem Wesir die Hände mit den Füßen zusammen zu fesseln, ihn dann auf ein Katapult zu binden und ihn mitten in den Feuerstoß zu schleudern, der seine Knochen vor dem Fleisch schmelzen ließ. Schließlich befahl er dann noch seinen Palast zu plündern, sein Gut fortzunehmen und die Frauen seines Harems als Sklavinnen zu verkaufen. Nachdem dies geschehen war, sagte er zu den Kämmerlingen: »Ihr müßt die Stelle kennen, wo ihr die Königin und die Prinzessinnen zurück ließt.« Die Kämmerlinge versetzten: »O König der Zeit, wir kennen sie wohl, als wir sie jedoch verließen und heimkehrten, befanden sie sich mitten in der Wildnis und wir können nicht sagen, was mit ihnen geschah, oder ob sie noch leben oder tot sind.«
In dieser Weise verhielt es sich mit ihnen; was uns drei Mädchen jedoch und unsre Mutter anlangt, so sprach ich, die Jüngste, zu ihnen, nachdem wir gegen Sonnenuntergang die Stadt betreten hatten: »Wir sind drei Prinzessinnen und eine 93 Königin-Mutter; wir können uns deshalb in unsrer jetzigen Lage nicht zeigen und müssen in einem Chân Unterkunft suchen; außerdem ist's meine Ansicht, daß wir am besten thun, wenn wir Knabentracht anlegen.« Da alle hierin einwilligten, thaten wir dies und kehrten in einer Karawanserei ein, wo wir uns ein abgelegenes Zimmer in einem der Flügel mieteten. Wir gingen nun Tag für Tag auf Dienst aus und zum Abend kamen wir wieder zusammen und holten uns, was uns zum Lebensunterhalt genügte; unser Aussehen hatte sich jedoch von den Strapazen der Reise verändert, so daß alle, die uns sahen, sagen mußten: »Dies sind Knaben.« In dieser Lage verbrachten wir ein volles Jahr, bis wir drei eines Tages wieder wie gewöhnlich zu unserm Tagewerk ausgingen, als uns unterwegs ein junger Mann begegnete, der sich zu mir kehrte und mich fragte: »Knabe, willst du in meinem Hause dienen?« Ich erwiderte: »O mein Oheim, ich muß erst um Rat fragen.« Da sagte er: »Mein Junge, frag' deine Mutter und komm dann und diene in unserm Hause.« Dann blickte er meine Schwestern an und fragte mich: »Knabe, sind dies deine Gefährten?« Ich versetzte: »Nein, es sind meine Brüder.« Hierauf gingen wir drei zu unsrer Mutter in den Chân und sagten zu ihr: »Der junge Mann da will den jüngsten von uns in Dienst nehmen,« worauf sie erwiderte: »Das kann nichts schaden.« Da erhob sich der junge Mann und geleitete mich, mich bei der Hand fassend, nach seinem Hause, wo er mich zu seiner Mutter und seiner Frau führte. Als mich aber die alte Frau erblickte, öffnete sich mir ihr Herz, während der junge Mann zu ihr sagte: »Ich habe dir den Knaben gebracht, damit er in unserm Hause dient; er hat zwei Brüder, und seine Mutter wohnt bei ihnen.« Die Alte erwiderte: »Mag es dir Glück bringen, o mein Sohn!« So blieb ich denn dort, ihnen bis zum Sonnenuntergang dienend, und, als das Abendessen verzehrt war, gaben sie mir eine Schüssel mit Fleisch und drei große Laibe Feinbrot. Ich nahm dies und brachte es meiner Mutter, die ich mit meinen 94 Schwestern dasitzen sah; als ich ihnen aber das Fleisch und Brot vorsetzte und meine Mutter es sah, weinte sie bitterlich und rief: »Die Zeit hat uns übersehen; zuvor gaben wir den Leuten Speise und jetzt schicken die Leute uns welche.« Ich erwiderte: »Verwundere dich nicht über die Werke des Schöpfers; denn, fürwahr, Gott hat für uns dies und für andre das verhängt, und die Welt hat für keinen Bestand.« Alsdann ließ ich nicht nach, das Herz meiner Mutter zu trösten, bis es frei von Kummer ward, worauf wir aßen und Gott, den Erhabenen, priesen. Von da an ging ich nun jeden Tag zum Dienst in das Haus des jungen Mannes und brachte zur Abendzeit meiner Mutter und meinen Schwestern genug zum Abendessen, Frühstück und Mittagsmahl; und wenn mir der junge Mann irgend welche Sachen zum Essen brachte, verteilte ich sie unter meine Familie. Er aber sah eifrig nach unsern Bedürfnissen und zuzeiten versah er mich, meine Schwestern und meine Mutter mit Kleidung, so daß aller Herzen in unsrer Wohnung von ihm eingenommen waren. Schließlich sagte seine Mutter einmal: »Weshalb soll der Knabe jeden Abend von uns fortgehen und die Nacht bei seinen Angehörigen zubringen? Laß ihn in unserm Hause schlafen und jeden Tag um die Nachmittagszeit seiner Mutter und seinen Brüdern das Abendessen hintragen, um dann wieder zu uns zurückzukehren und mir Gesellschaft zu leisten.« Ich versetzte: »O meine Herrin, laß mich zuvor mit meiner Mutter darüber sprechen, zu der ich sofort gehen will, um es ihr mitzuteilen.« Meine Mutter machte jedoch Einwendungen und sagte: »O meine Tochter, wir fürchten, du könntest entdeckt werden und sie könnten merken, daß du ein Mädchen bist.« Ich versetzte: »Unser Herr wird unser Geheimnis verhüllen;« worauf sie erwiderte: »So gehorche ihnen.« Hierauf schlief ich bei der Mutter des jungen Mannes, und niemand merkte, daß ich ein Mädchen war, wiewohl seit der Zeit, daß ich in den Dienst des Jünglings getreten war, meine Kraft und Schönheit zugenommen hatte. Eines Nachts jedoch, als ich 95 nach dem Abendessen bei meinem Dienstherrn schlafen ging und seine Mutter zufällig in der Richtung zu mir blickte, gewahrte sie mein aufgelöstes Haar, das bunt wie eines Pfauen Kleid gleißte und schimmerte. Am nächsten Morgen erhob ich mich, und, meine Locken zusammenfassend, setzte ich die Kappe darüber, worauf ich mich wie gewöhnlich an meinen Dienst im Hause machte, ohne eine Ahnung zu haben, daß seine Mutter mein Haar gesehen hatte. Mit einem Male aber sagte sie zu ihrem Sohn: »Ich wünsche, daß du mir einige frische Rosen kaufst.« Er fragte: »Willst du Konserven machen?« Sie entgegnete: »Nein.« Da fragte er: »Wozu brauchst du denn Rosen?« Sie erwiderte nun: »Bei Gott, o mein Sohn, ich wünsche damit unsern Diener auf die Probe zu stellen, da ich ihn für ein Mädchen und keinen Knaben halte; ich will unter ihn ins Bett Rosenblätter streuen; wenn sie am andern Morgen welk sind, so ist er ein Knabe, bleiben sie aber, wie sie sind, so ist er ein Mädchen.« Infolgedessen ging er aus und kehrte mit den Rosen zu seiner Mutter zurück; und, als die Schlafenszeit kam, ging sie und legte sie in mein Bett. Ich schlief gut, und am andern Morgen, als ich aufstand, kam sie zu mir und fand, daß sich die Blumenblätter nicht verändert hatten, vielmehr hatten sie an Glanz gewonnen. Sie war dadurch überzeugt, daß ich ein Mädchen war, jedoch verbarg sie ihr Geheimnis vor ihrem Sohn und war voll Güte und Aufmerksamkeit zu mir, indem sie mich in ihrer Herzensgüte früh zu meiner Mutter und meinen Schwestern zurückschickte. Eines Tages traf es sich dann, daß der Jüngling wie gewöhnlich um die Mittagszeit heimkehrte und mich antraf, wie ich mit bis zu den Ellbogen aufgeschlagenen Ärmeln beschäftigt war ein Bündel Hemden und Turbane zu waschen; da ich nicht auf mich acht gab, trat er an mich heran und sah meine rosig schimmernden Wangen und meine Augen, die den Augen der dürstenden Gazelle glichen, sowie meine Skorpionslocken, die mir seitwärts am Gesicht niederhingen. Es war aber gerade die 96 Sommerszeit, und, als er mich so sah, verwirrte sich sein Verstand, seine Besinnung schwand ihm und seine Überlegung wich, so daß er zu seiner Mutter ging und zu ihr sprach: »O meine Mutter, dieser Diener ist in der That kein Knabe, sondern ein Mädchen, und ich wünsche, daß du mir ihren Fall und ihre Lage entdeckst und klarstellst und mich mit ihr verheiratest, da mein Herz von Liebe zu ihr erfüllt ist.« Nach Gottes Ratschluß aber belauschte ich sie und hörte alles, was sie von mir sprachen, so daß ich mich, nachdem ich die Kleider und die andern Sachen, die sie mir gegeben hatten, gewaschen hatte, sofort erhob; jedoch hatte sich mein Zustand infolge ihres Gesprächs verändert, und ich wußte und war fest davon überzeugt, daß der Jüngling und seine Mutter mich als Mädchen erkannt hatten. Zur Abendzeit nahm ich das Essen und kehrte zu meiner Familie zurück, und, als alle genug gegessen hatten, erzählte ich ihnen mein Abenteuer und meinen Verdacht. Da fragte mich meine Mutter: »Was ist zu thun?« Ich erwiderte: »O meine Mutter, laß uns alle drei aufstehen, bevor noch die Nacht hereinbricht, und fortgehen, ehe sie den Chân verschließen. Wenn uns der Pförtner fragt, so wollen wir sagen, wir gingen aus, die Nacht im Hause des Jünglings, in dem ich diene, zu verbringen.« Meine Mutter sagte hierzu: »Das ist das rechte.« Alsdann gingen wir alle vier zur gleichen Zeit aus, und als der Pförtner sagte: »Es ist jetzt Nachtzeit; wohin wollt ihr gehen?« antworteten wir: »Wir sind von dem jungen Mann, bei dem unser Sohn dient, eingeladen, denn er feiert ein SiebenerEin Fest, das am siebenten Tage nach einer Geburt, einer Hochzeit oder nach der Heimkehr von der Pilgerfahrt gefeiert wird. und ein Hochzeitsfest; wir wollen deshalb die Nacht bei ihm verbringen und am Morgen wieder heimkehren.« Da sagte er: »Das kann nichts schaden,« während wir hinausgingen und uns seitwärts nach der Wüste kehrten; der Verhüller aber verhüllte uns, und wir wanderten unverdrossen fürbaß, bis der Tag anbrach und wir sehr ermüdet waren. Bis zum 97 Sonnenaufgang saßen wir und rasteten, worauf wir wieder aufsprangen und den ersten, zweiten und dritten Tag bis zum siebenten wacker weiter wanderten. Am siebenten Tage erreichten wir dann diese Stadt und nahmen hier Obdach; jedoch haben wir bis zu dieser Stunde keine Nachricht von unserm Vater, nachdem er den Wesir verbrannt hatte, und wir wissen nicht ob er gesund oder tot ist. Wir sehnen uns aber nach ihm, und du, o König der Zeit, schicke deshalb in deiner übergroßen Huld und vollendeten Güte einen Boten aus, Nachricht von ihm einzuziehen und ihn von unserer Lage zu benachrichtigen, daß er schickt uns zu holen.«
Hier hörte sie auf zu sprechen, und beide, der König und der Wesir, verwunderten sich über ihre Worte und riefen: »Gepriesen sei Er, der seinen Dienern Trennung und Wiedervereinigung verhängt!« Alsdann erhob sich der Sultan von Kairo ohne Aufschub und Verzug und schrieb Briefe an den König vom Irâk, den Vater der Mädchen, in denen er ihm mitteilte, daß er sie und ihre Mutter unter seinen Schutz genommen hätte, worauf er das Schreiben dem Scheich der Kuriere übergab und einen Eilboten mit ihm nach der Wüste ausschickte. Nach diesem nahm der König die drei Mädchen und ihre Mutter zu sich in den Palast, wo er ihnen ein besonderes Gemach einräumte und ihnen anwies, was sie bedurften. Inzwischen aber durchmaß der Läufer mit dem Brief unverdrossen zwei Monate lang die Wüste, bis er zur Stadt des verwaisten Königs vom Irâk gelangte. Hier erkundigte er sich nach dem Aufenthalt des Königs, und, als man ihm einen Lustgarten zeigte, begab er sich dorthin und trat bei ihm ein, worauf er, die Erde vor ihm küssend und seine Dienste ihm anbietend, ihn segnete und ihm den Brief überreichte. Der König nahm ihn und öffnete das Blatt, indem er das Siegel erbrach; als er ihn jedoch gelesen und den Inhalt begriffen hatte, stand er auf und fiel mit einem lauten Aufschrei ohnmächtig zu Boden. Seine hohen Beamten drängten sich um ihn und hoben ihn auf, und, als er nach einer 98 Weile wieder zu sich kam, fragten sie ihn nach der Ursache hiervon. Da erzählte er ihnen die Abenteuer seiner Gattin und seiner Kinder, und wie sie noch wohl und gesund in den Banden des Lebens wären; alsdann befahl er unverzüglich ein Schiff für sie auszurüsten und stapelte in ihm Gaben und Geschenke für den Schutzherrn der Königin und seiner Töchter auf, ohne zu wissen, was für sie in der Zukunft verborgen lauerte. Und so zog das Schiff ab, während alle an Bord nach der ersehnten Stadt verlangten, und es erreichte sie ohne Verzug, da die Winde leicht und günstig wehten. Dann feuerten sie die Kanonen zur wohlbehaltenen Ankunft ab, und der Sultan schickte aus, über das Schiff Erkundigungen einzuziehen, als der Kapitän auch schon an das Land trat und, den König anredend, ihm den Brief überreichte und ihm von der Ankunft der Gaben und Geschenke Mitteilung machte. Hierauf befahl der Sultan allen Leuten, die sich an Bord befanden, ans Land zu kommen und für einen Zeitraum von drei Tagen im Gasthaus einzukehren, bis die Spuren der Reise von ihnen gewichen wären. Nach dieser Frist machte er gemäß seinem Rang Geschenke zurecht, entsprechend denen, die ihm der Vater der Mädchen geschickt hatte, und brachte sie im Schiff unter, wo er gleichfalls an Lebensmitteln und Proviant so viel verladen ließ, daß alle Reisenden daran genug hatten. Am vierten Tage nach Sonnenuntergang wurden die Mädchen und ihre Mutter an Bord getragen, und in gleicher Weise begab sich der Kapitän an Bord, nachdem sie sich vom König verabschiedet und ihm den Salâm entboten und Wohlergehen erfleht hatten. Als dann am Morgen in der Frühe der Wind frei und günstig wehte, lösten sie die Segel und zogen aufs Meer hinaus, worauf sie am ersten und zweiten Tage wohlbehalten einhersegelten. Am dritten Tage brach jedoch ein heftiger Sturm wider sie los, daß die Segel zu Fetzen gerissen wurden und die Maste über Bord fielen. Die Mannschaft war des Todes gewiß, und das Schiff ward fortwährend ohne Mast und Segel bis 99 Mitternacht auf und nieder geworfen, während alle Leute, samt den Mädchen und ihrer Mutter untereinander lamentierten, bis das Wrack an eine Insel getrieben wurde und dort in Trümmer ging. Hier kam der, dessen Lebenstermin kurz bemessen war, sofort um, während die, deren Lebenstermin noch hinausgeschoben war, am Leben blieben; und die einen kletterten auf Planken, die andern auf Stückfässer, wieder andre auf Mengen von Holz, wobei alle voneinander getrennt wurden. Die Mutter und zwei der Töchter erklommen Planken, die sie zufällig fanden, und suchten ihr Heil, die jüngste der Schwestern aber, die ein Fäßchen bestiegen hatte und nichts von ihrer Mutter und ihren Schwestern wußte, ward von den Wogen fünf Tage lang auf und nieder geworfen, bis sie an einem weiten Meeresgestade landete, wo sie hinreichend zu essen und trinken fand. Sie saß eine Stunde lang am Strand, bis sie sich erholt hatte und ihr Herz ruhig geworden und ihre Furcht gewichen war. Wieder Mut schöpfend, erhob sie sich und schritt durch den Sand, ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollte, und überall, wo sie auf Kräuter stieß, aß sie von ihnen. Dies währte den ersten und zweiten Tag bis zum Vormittag des dritten, als mit einem Male ein Ritter mit einem Falken auf der Hand und gefolgt von einem Windhund auf sie zukam. Drei Tage lang war er durch die Wüste gewandert, um Wild, sei es Vögel oder Tiere, zu erjagen, ohne auf das eine oder andere zu stoßen, als er mit einem Male das Mädchen antraf, bei dessen Anblick er bei sich sprach: »Bei Gott, jenes Mädchen ist heute meine Beute.« Dann ritt er auf sie zu und tauschte mit ihr den Salâm aus, worauf er sie über ihre Lage ausfragte und sie ihm ihr Mißgeschick erzählte. Da neigte sich ihr sein Herz zu und, indem er sie hinten auf sein Pferd nahm, kehrte er mit ihr nach Hause zurück.
Von dieser jüngsten Schwester wäre viel zu erzählen, doch wollen wir es am rechten Ort berichten. Was nun die zweite Prinzessin anlangt, so schwamm sie acht Tage lang auf der 100 Planke, bis sie von der Strömung des Meeres hart unter die Mauern einer Stadt getrieben wurde; jedoch war sie wie trunken von Wein, als sie den Strand emporkroch, und ihre Kleidung war zu Lumpen zerrissen und ihre Farbe im Übermaß der Schrecken verblichen. Sie schritt jedoch langsam vorwärts, bis sie die Stadt erreichte. Als sie hier zu einem Haus mit niedrigen steinernen Wänden gelangte, trat sie ein und fand darin eine alte Frau, die dasaß und Garn spann. Sie wünschte derselben guten Abend, worauf diese ihr den Gruß erwiderte und sie fragte: »Wer bist du, meine Tochter, und woher kommst du?« Sie versetzte: »O meine Tante, ich bin vom Himmel gefallen und auf die Erde gekommen; du brauchst mich nach nichts zu fragen, denn mein Herz ist vom Feuer des Kummers völlig geschmolzen. Wenn du mich aus Liebe und Güte aufnehmen willst, so ist's gut, wenn nicht, so will ich weiter wandern.« Als die Alte diese Worte von ihr vernahm, empfand sie Mitleid mit dem Mädchen, und ihr Herz neigte sich ihr zärtlich zu, so daß sie sprach: »Sei willkommen, meine Tochter; setz' dich nieder.« Und so setzte sie sich neben ihre Wirtin nieder, und die beiden begannen Garn zu spinnen, um ihr täglich Brot dadurch zu verdienen; die Alte aber war über sie erfreut und sprach: »Sie soll die Stelle meiner Tochter einnehmen.«
Nun wäre von dieser zweiten Prinzessin ebenfalls viel zu erzählen, jedoch wollen wir es zur rechten Zeit berichten. Was aber die älteste Schwester anlangt, so klammerte sie sich an die Planke und schwamm mit ihr sechs Tage lang auf dem Meer, bis sie am siebenten Tage an einer Stelle ans Land geworfen wurde, wo sich in einer Entfernung von sechs Meilen von der Stadt Gärten befanden. Infolgedessen ging sie in dieselben, und, als sie dort Früchte in dichten Büscheln stehen sah, nahm sie von ihnen und aß und zog weggeworfene Mannskleider an, die sie dort in der Nähe fand. Dann wanderte sie zur Stadt und streifte durch die Bazare, bis sie zum Laden eines Kanâfebäckers kam, der seine Vermicelli 101 kochte. Als dieser einen hübschen Jüngling in Mannskleidern erblickte, sagte er zu ihm: »Jüngling, willst du mein Diener sein?« Sie erwiderte: »Jawohl, mein Onkel, ich will es;« und so setzte er als ihren Tageslohn einen Faddah fest, die Beköstigung nicht eingerechnet. In jener Stadt befanden sich aber gegen fünfzehn Läden, in denen Kanâfe gemacht wurde. Das Mädchen blieb nun bei dem Pastetenbäcker den ersten, zweiten und dritten Tag bis zum zehnten, als die Spuren der Reise von ihr wichen, und die Furcht aus ihrem Herzen schwand, so daß sich ihr Gesicht und ihre Farbe wieder zum bessern änderten und sie wie der Mond ward, ohne daß jemand hinter dem Knaben ein Mädchen vermutet hätte. Jener Mann aber pflegte jeden Tag ein halbes Viertel Mehl zu kaufen, das er für seine Vermicelli verbrauchte; als jedoch der angebliche Jüngling zu ihm kam, nahm er jeden Morgen drei Viertel; und das Stadtvolk, das von diesem Wechsel hörte, hob an zu sagen: »Wir wollen nur von der Kanâfe des Pastetenbäckers, der in seinem Hause den Jüngling hat, essen.«
So erging es der ältesten Prinzessin, von der gleichfalls viel zu erzählen wäre, was wir am gehörigen Ort thun werden; was jedoch die Königin anlangt, die Mutter der Mädchen, so fand sie der Kapitän, der in seinem Boot mit drei Mann saß, als sie nach dem Schiffbruch die Holzmasse bestiegen hatte, und nahm sie auf, worauf sie drei Tage ruderten, bis sie ein mit seinem Gipfel hoch in die Luft ragendes Eiland gewahrten, das ihr Sehnen erfüllte. Sie steuerten auf dasselbe zu, bis sie an dasselbe herankamen und an einem flachen Gestade landeten, wo sie das Boot verließen. Dann wanderten sie den Rest des Tages über und die folgenden, bis sich eines Tages plötzlich eine Staubwolke vor ihnen erhob und hoch zum Himmel emporstieg. Da schritten sie auf dieselbe zu und gewahrten, als sie sich nach einer Weile hob, unter ihr ein Heer mit blitzenden Schwertern, blinkenden Lanzenspitzen und tanzenden und sich bäumenden 102 Schlachtrossen, die von Streitern gleich Adlern geritten wurden, und Banner und Fahnen flatterten um den Sultan, der das Heer befehligte. Als dieser König den Kapitän gefolgt von den Schiffern und der Frau, sah, lenkte er sein Roß auf sie zu, um zu hören, was sie für Nachricht brächten, und ritt zu den Fremden und fragte sie aus, worauf die Schiffbrüchigen ihnen erzählten, daß ihr Schiff unter ihnen in Trümmer gegangen wäre. Der Grund aber, daß dieses Heer ins Feld gezogen war, war der, daß sich der König vom Irâk, der Vater der drei Mädchen, nach der Ausrüstung und Abfahrt des Schiffs im Herzen beklommen fühlte, da er Übles ahnte und vor den Wechseln der Zeit bangte. Infolgedessen zog er mit den Großen seines Reiches und seinem Heer aus und zog zum Strand hinab, bis er nach Gottes Ratschluß plötzlich und ganz unerwartet auf die Königin stieß, die sich unter der Obhut des Schiffskapitäns befand. Als dieser den Reitertrupp und die Fahnen erblickte, ging er auf ihn zu und eilte, als er den König erkannte, auf ihn los und küßte ihm den Steigbügel und die Füße. Der Sultan erkannte ihn, und, sich zu ihm wendend, fragte er ihn, wie es ihm ergangen sei, worauf dieser ihm alle seine Widerfahrnisse erzählte. Da befahl der König seinen Truppen an jenem Platz abzusteigen, und die Truppen thaten es und schlugen ihre Zelte auf, während sich der Sultan in das Königszelt setzte und seine Königin vor ihn zu führen befahl; und als sich nun Auge und Auge begegnete, begrüßten sie einander zärtlich, und der Vater erkundigte sich nach seinen drei Kindern, worauf sie ihm erzählte, daß sie nach dem Schiffbruch nichts mehr von ihnen vernommen hätte und nicht wüßte, ob sie noch lebten oder tot wären. Da weinte der König bitterlich und rief: »Fürwahr, wir sind Gottes, und zu Ihm kehren wir zurück!« Alsdann befahl er, von jenem Platz nach seiner Residenz aufzubrechen, und sie zogen vier Tage lang, bis sie die Stadt erreichten, und er seinen Palast betrat. Zu allen Zeiten und Stunden beschäftigten sich jedoch seine Gedanken mit den drei 103 Prinzessinnen, und er sprach in einem fort: »Wüßte ich doch, ob sie ertranken oder dem Meer entrannen! Und wenn sie sich retteten, wüßte ich dann doch, ob sie verstreut wären oder bei einander wohnten, und was ihnen sonst widerfuhr!« So brütete er in einem fort über den Ausgang der Dinge und sprach fortwährend mit sich; und weder Speise noch Trank behagte ihm.
So stand es mit ihm; was nun aber die jüngste der Schwestern anlangt, so ritt der Ritter, nachdem er ihr begegnet war und sie hinter sich aufs Pferd genommen hatte, bis er seine Stadt erreichte und sich in seinen Palast begab. Der Ritter aber war der Sohn eines vor kurzem verstorbenen Sultans; ein Usurpator hatte jedoch die Zügel der Herrschaft an seiner Statt ergriffen, und die Zeit hatte sich dem Jüngling gegenüber tyrannisch erwiesen, der sich infolgedessen der Jagd und dem Fang überließ. Nach dem Ratschluß Gottes war er an jenem Tage wieder ausgeritten und hatte die Prinzessin getroffen und hinter sich aufs Pferd genommen. Am Ende des Rittes, als er zu seiner Mutter zurückgekehrt war, war er von ihren Reizen bezaubert, so daß er sie in die Obhut seiner Mutter gab und sie mit den höchsten Ehren auszeichnete; und in beiden wuchs die zärtliche Neigung zu einander. Als das Mädchen einen vollen Monat bei ihm verweilt hatte, nahm sie an Schönheit und Lieblichkeit, ebenmäßigem Wuchs und vollendeter Anmut zu, und das Herz des Jünglings ward von Liebe zu ihr erfüllt, wie auch das ihrige zu ihm, so daß sie Mutter und Schwestern vergaß. Von dem Augenblick aber, daß das Mädchen seinen Palast betreten hatte, besserte sich die Lage des jungen Ritters, so daß die Welt ihm wieder hold ward und die Herzen der Unterthanen sich ihm zuneigten. Infolgedessen hielten diese einen Rat ab und sprachen: »Wir wollen keinen andern zum Herrscher und Sultan über uns haben als den Sohn unsers verstorbenen Königs; unser jetziger Herrscher hat weder großes Gut noch gerechten Anspruch auf die Herrschaft.« All dieser 104 Gewinn aber, der dem jungen König erwuchs, rührte von dem segensreichen Kommen der Prinzessin her, und so kam es, daß eines Tages alle Bewohner der Stadt übereinkamen, am nächsten Morgen den Ursurpator zu entthronen und ihn zu ihrem Herrscher einzusetzen. Als sie sich jedoch am nächsten Tage zu dem Ursurpator begaben und ihm mitteilten, daß sie ihn absetzen wollten, weigerte er sich und verschwor sich hoch und teuer, nicht eher als nach einem Kampf darin einzuwilligen. Infolgedessen gingen sie zu dem jungen König und teilten es ihm mit, den die Sache schwer bedrückte und mit Sorgen erfüllte; jedoch sprach er zu ihnen: »Wenn durchaus gestritten werden und Blut fließen soll, so habe ich Schätze genug ein Heer auszuheben.« Mit diesen Worten ging er fort und holte ihnen die Gelder, die sie unter die Truppen verteilten. Alsdann begaben sie sich auf den Kampfplan außerhalb der Stadt, wohin der Usurpator ebenfalls mit seiner ganzen Heeresmacht ritt. Als sich die beiden Heere kampfbereit in Schlachtordnung aufgestellt hatten, griff der Usurpator mit seinen Truppen den jungen König an, und auf beiden Seiten erhob sich ein hitziger Kampf und ein heißes Gefecht. Der Usurpator trug jedoch den Sieg davon und wollte bereits den jungen König mitten in seiner Schar gefangen nehmen, als plötzlich ein Ritter auf kohlschwarzer Mähre erschien, der von Kopf bis zu Fuß gepanzert war und Schwert und Keule führte. Mit diesen Waffen sprengte er wieder den Usurpator und hieb ihm den rechten Vorderarm ab, daß er von seinem Schlachtroß fiel, worauf ihm der Ritter, der dies sah, einen zweiten Schwertstreich versetzte, der ihm das Haupt vom Rumpf trennte. Als das Heer des Usurpators seinen Führer fallen sah, suchten alle ihr Heil in der Flucht, das Heer des jungen Königs setzte ihnen jedoch nach und ließ das Schwert auf sie niederfallen, daß von ihnen nur diejenigen entkamen, denen längeres Leben bestimmt war. Während nun die Sieger keine Zeit verloren, die Beute und die Pferde aufzulesen und zu sammeln, stand 105 der junge König da, den Retter betrachtend und seine Tapferkeit bewundernd; jedoch erkannte er ihn nicht, und nach einer Weile verschwand der Fremde wieder, den Sieger zurücklassend, den es schwer verdroß, daß er ihn nicht kannte, und daß er es versäumt hatte, mit ihm zusammenzukommen. Hierauf kehrte der junge König vom Schlachtfeld zurück, während seine Musikerschar hinter ihm spielte, und zog ein in den Sitz seiner Macht, wo er von den Unterthanen zur Stätte seines Vaters erhoben wurde. Die dem Gemetzel Entronnenen zerstreuten sich nach allen Seiten, die Anhänger des jungen Königs aber, die ihn auf den Thron gehoben hatten, scharten sich um ihn und wünschten ihm Glück zugleich mit der Bevölkerung der Stadt, deren Freude hierdurch erhöht ward. Mit dem Erscheinen des vorher erwähnten Ritters aber hatte es eine wundersame Bewandtnis. Als sich nämlich der rechtmäßige König kampfbereit machte, fürchtete die Prinzessin für sein Leben, und, da sie mit der Führung einer jeglichen Waffe vertraut war, legte sie unbemerkt von der Königin-Witwe ihr Kriegsgewand und Rüstzeug an und begab sich zum Stall, wo sie eine Mähre sattelte, worauf sie dieselbe bestieg und zwischen die beiden Heere sprengte. Sobald als sie dann den Usurpator wider den jungen König anstürmen sah, um sein Lebensblut zu vergießen, kam sie ihm zuvor und riß ihm das Leben aus den Rippen. Hierauf kehrte sie wieder zu ihrem Gemach zurück ohne daß jemand von der That wußte, die sie ausgeführt hatte. Gegen Abend kehrte der junge König, nachdem er sich die Nachfolge im Königtum gesichert hatte, in den Palast zurück, noch immer voll Ärger und Verdruß darüber, daß er den Ritter nicht kannte. Seine Mutter empfing ihn und beglückwünschte ihn zu seiner wohlbehaltenen Heimkehr und Nachfolge im Sultanat, doch antwortete er ihr: »Ach, meine Mutter, mein Leben verdanke ich einem Reitersmann, der plötzlich erschien und sich uns in unsrer schwersten Bedrängnis anschloß, mir in meiner höchsten Not zur Seite stehend und mich vom Tode errettend.« 106 Sie versetzte: »O mein Sohn, hast du ihn erkannt?« Er entgegnete: »Es war mein höchster Wunsch ihn zu erkennen und zu meinem Wesir einzusetzen, jedoch versäumte ich dies zu thun.« Als aber die Prinzessin dies vernahm, lachte sie vor Freude und sprach lachend: »Was willst du dem geben, der dich mit ihm bekannt macht?« Da fragte er sie: »Kennst du ihn?« Sie erwiderte: »Ich kenne ihn nicht.« Nun sagte er: »Was bedeuten denn deine Worte?« worauf sie ihm in folgenden Kadenzen Antwort gab:
»O mein Herr, mag ich dein Opfer sein,
Und mögen deine Feinde nimmer über deine Sorgen frohlocken!
Könnte Unbehagen und Krankheit von andern getragen werden,
So trüge der Sklave die Last, die seinen Herrn beschwert.
Alles will ich tragen, was dir Klagen verursacht,
Und sei mein Leib zuerst dem Tode verfallen!«
Als er diese Worte vernahm, fragte er von neuem: »Kennst du ihn?« Sie versetzte: »Ihn? Fürwahr, wir kennen ihn nicht,« und widerholte ihm noch einmal die Worte, ohne daß er sie irgendwie verstanden hätte. Da sagte sie: »Wie kannst du das Sultanat verwalten und nicht einmal meine einfachen Worte verstehen? Denn, in der That, ich habe dir die Sache deutlich gemacht.« Nun erst ahnte er den geheimen Sinn ihrer Worte und flog in seiner Freude zu ihr, sie an die Brust ziehend und auf die Wangen küssend. Seine Mutter kehrte sich jedoch zu ihm und sprach: »O mein Sohn, thue nicht also, denn alles hat seine Zeit; wer eine Sache übereilt, ehe der rechte Zeitpunkt kam, wird mit Verlust derselben bestraft.« Er versetzte: »Bei Gott, meine Mutter, dein Verdacht ist nicht am Platz; ich handelte nur so in meiner Dankbarkeit zu ihr, denn sicherlich ist sie der Ritter, der mir zu Hilfe kam und mich vom Tode errettete.« Da entschuldigte ihn seine Mutter, und sie verbrachten die Nacht im Geplauder miteinander. Am andern Tage um die Mittagszeit begab sich der König in den Diwan, seine Befehle zu erteilen; als die Versammlung jedoch den Raum erfüllte und wie ein 107 Blumengarten ward, sprachen die Großen des Reiches zu ihm: »O König der Zeit, es wäre nicht geziemend für dich unser Sultan zu werden, wenn du dir nicht eine Frau nimmst; und gelobt sei Gott, der dich über die Nacken seiner Diener gesetzt und dir als dem Nachfolger deines Vaters das Reich wiedergegeben hat! Jedoch mußt du unbedingt heiraten.« Da entgegnete er: »Ich höre und gehorche;« und, sich ohne Aufschub und Verzug erhebend, begab er sich zu seiner Mutter und berichtete ihr den Vorfall. Seine Mutter erwiderte: »O mein Sohn, thu', was dir geziemt, und Gott segne dein Thun!« Nun aber sprach er zu ihr: »O meine Mutter, nimm das Mädchen beiseite und überrede es zur Heirat, denn ich begehre keine andre und liebe sie allein.« Da versetzte sie: »Recht gern.« Während er sie nun verließ, erhob sie sich und nahm das Mädchen beiseite, indem sie zu ihm sprach: »O meine Herrin, der König wünscht dich zu heiraten und begehrt keine andre, da er dich allein haben will.« Die Prinzessin erwiderte jedoch, als sie diese Worte vernahm: »Wie soll ich heiraten, wo ich meine Sippe und meine Lieben verloren habe und vertrieben bin von meiner Heimat und der Stätte meiner Geburt? Das wär' ungehörig! Wenn es jedoch sein muß, dann soll es allein sein, wenn ich das Glück gehabt habe wieder mit meiner Mutter, meinen Schwestern und meinem Vater vereint zu sein.« Da sagte die Mutter: »Warum dieser Aufschub, meine Tochter? Die Großen des Reiches haben sich in der Heiratsangelegenheit wider den König erhoben, und, so die Heirat unterbleibt, fürchten wir, daß er abgesetzt wird. Mädchen aber giebt's viel, und ihre Angehörigen verlangen danach ein jedes Mädchen mit meinem Sohn verheiratet zu sehen, daß sie eine Königin wird kraft ihres Gatten Ranges; er begehrt und liebt jedoch keine andre als dich. Willst du also Mitleid mit ihm haben und ihn durch deine Einwilligung vor dem Drängen der Großen beschützen, so geruhe ihn zum Gatten anzunehmen.« In dieser Weise ließ die Mutter des Sultans nicht nach ihr freundlich 108 zuzureden und sie mit sanften Worten zu begütigen, bis sie sich entschloß ihm ihre Einwilligung zu geben. Hierauf begannen sie sofort Vorkehrungen für die Ceremonie zu treffen und ließen den Kadi und die Zeugen kommen, die das Eheband rechtmäßig knüpften, und um die Abendzeit verbreitete sich die frohe Kunde von der Hochzeit. Der König befahl Hochzeitsfestlichkeiten und Bankette anzurichten und lud seine Großwürdenträger und die Großen des Reiches ein, worauf er in derselben Nacht das Mädchen heimsuchte, und Freude und Fröhlichkeit wuchs und Sorge und Leid wich. Alsdann ließ er in der Hauptstadt und allen Flecken den Unterthanen ankündigen, die Straßen mit kostbaren Teppichen aller Art zu Ehren des Sultanats zu schmücken, worauf sie die Hauptstraßen in der Residenz und den Vorstädten vierzig Tage lang dekorierten, und der Jubel wuchs, als der König die Witwen und Armen und Elenden speiste und Gold ausstreute und Ehrenkleider verlieh und Gaben und Geschenke austeilte, bis die Tage der Ausschmückung verstrichen waren. Auf diese Weise ward der Himmel seines Glückes durch die Ergebenheit seiner Unterthanen klar, und er erteilte Befehl, nach der Weise der frühern Sultane, d. h. der Chosroen und Cäsaren, Recht zu sprechen; und dieser Zustand währte drei Jahre lang, innerhalb welcher Frist ihm Gott von der Prinzessin zwei Knaben gleich Monden bescherte.
So erging es der jüngsten Prinzessin; was aber die zweite anlangt, so begann sie, als sie von der alten Frau an Tochterstatt angenommen war, mit ihr zu spinnen und von ihrer Hände Werk zu leben. Jene Stadt beherrschte aber gerade ein Pascha, der auf den Tod erkrankt war, und die Weisen und Ärzte hatten eine Menge Medizinen für ihn angefertigt, die ihm jedoch nichts nutzten. Schließlich kam die Kunde hiervon auch der Prinzessin zu Ohren, die bei der alten Frau lebte, worauf sie zu ihr sprach: »O meine Mutter, ich will eine Tasse Brühe zurecht machen, und du bring' sie dem Pascha und laß ihn von ihr trinken; vielleicht macht ihn 109 Gott, der Erhabene, dadurch gesund und wir gewinnen dadurch etwas Gutes.« Die Alte entgegnete: »O meine Tochter, wie soll ich Zutritt zu ihm erhalten, und wer wird ihm die Brühe vorsetzen?« Das Mädchen versetzte: »O meine Mutter, hoff' auf Gott;« worauf die Alte erwiderte: »So thu', was du willst.« Infolgedessen erhob sich das Mädchen und kochte eine Tasse Brühe, die sie mit starken Gewürzen als Nelkenpfeffer vermischte, und außerdem nahm sie gewisse Blättchen vom sogenannten Windbaum, von denen sie eine kleine Portion hinzuthat, die Ingredienzen kunstvoll vermischend. Alsdann nahm die Alte die Brühe und machte sich auf den Weg zur Wohnung des Paschas, wo die Diener und Eunuchen ihr entgegentraten und fragten, was sie bei sich hätte. Sie erwiderte: »Dies ist eine Tasse Brühe, die ich für den Pascha brachte, damit er so viel, als er will, von ihr trinkt; vielleicht gewährt ihm Gott, der Erhabene, Genesung.« Da gingen sie zum Pascha herein und teilten es ihm mit, worauf dieser rief: »Bringt sie her zu mir.« Infolgedessen führten sie die Alte herein, und sie reichte ihm die Tasse Brühe, worauf er sich aufrecht hinsetzte und den Deckel von der Tasse nahm, der nun ein angenehmer Duft entstieg; da nahm er sie und nippte einen Löffel voll von ihr und noch einen und einen dritten, und nun öffnete sich ihr sein Herz, und er trank so viel, bis er nicht mehr konnte. Dies war aber am Vormittag und, nachdem er die Suppe verzehrt hatte, gab er ihr einige Dinare, mit denen sie erfreut zum Mädchen heimkehrte, ihr die Goldstücke einhändigend. Der Pascha aber fühlte sich gleich nach dem Trinken der Brühe schläfrig und ruhte in tiefem Schlaf bis zum Nachmittag, als er beim Erwachen fand, daß seit der Zeit, in welcher er die Brühe getrunken hatte, Gesundheit in seinen Leib eingekehrt war. Infolgedessen verlangte er wieder nach der Alten und befahl, daß sie ihm noch eine Tasse Brühe gleich der ersten machen sollte; jedoch sagte man ihm, daß niemand ihre Wohnung wüßte. Als aber die Alte heimgekehrt war, fragte das Mädchen 110 ob die Brühe dem Pascha geschmeckt hätte oder nicht, und, als nun die Alte sagte, sie wäre ganz nach seinem Gust gewesen, machte sie noch eine Portion fertig, jedoch ohne all die strengen Ingredienzen der ersten. Dann gab sie die Brühe der Alten, worauf diese sie nahm und gerade beim Pascha anlangte, als er nach ihr fragte. Da nahmen sie die Diener und führten sie zum Gouverneur, der sich bei ihrem Anblick aufrecht hinsetzte und nach andrer Speise verlangte, von der er aß, bis er genug hatte, wiewohl er seit langer Zeit sich weder zu rühren noch zu gehen vermocht hatte. Von dem Augenblick an, in dem er all die Brühe trank, roch er den Duft der Genesung und konnte sich wie früher bewegen, als er wohl und gesund gewesen war. Infolgedessen fragte er die Alte und sprach: »Hast du diese Brühe gekocht?« Sie versetzte: »O mein Herr, meine Tochter bereitete sie und schickte mich mit ihr zu dir.« Da rief er: »Bei Gott, dieses Mädchen kann nicht deine Tochter sein, alte Frau; sie ist nichts andres als eine Königstochter. Befiehl ihr jedoch nur alle Tage in der Morgenfrühe eine Tasse von derselben Brühe zu kochen.« Die Alte erwiderte: »Ich höre und gehorche;« worauf sie mit dieser Botschaft zum Mädchen zurückkehrte, das nun sieben Tage lang that, wie der Pascha es ihr befohlen hatte. Der Pascha aber fühlte sich von Tag zu Tag gekräftigter, und nach Ablauf der Woche stieg er zu Pferd und ritt nach seinem Lustgarten. Seine Kraft und Frische nahm fortwährend zu, bis er eines Tages nach der Alten schickte und sie nach dem Mädchen, das bei ihr wohnte, ausfragte, worauf sie ihm über sie Auskunft gab und ihm von ihrer Schönheit, Lieblichkeit und vollendeten Anmut berichtete. Da verliebte sich der Pascha in das Mädchen vom Hörensagen, ohne es gesehen zu haben, und verließ, nachdem er seine Kleider gewechselt und Derwischtracht angelegt hatte, seine Wohnung, die Straßen durchstreifend und von Haus zu Haus wandernd, bis er das Haus der Alten erreichte. Er pochte hier an die Thür, worauf sie herauskam und 111 fragte: »Wer ist an der Thür?« Er erwiderte: »Ein Derwisch und zugleich ein Fremdling, der keine Seele in dieser Stadt kennt und hungrig ist.« Nun war die Alte von Natur geizig und hätte ihn gern abgewiesen, das Mädchen sagte jedoch zu ihr: »Schick' ihn nicht fort; laß ihn ein, denn den Fremdling zu ehren ist Pflicht.« Da ließ sie ihn herein und lud ihn zum Sitzen ein, worauf das Mädchen ihm etwas zu essen brachte und dienend vor ihm stand. Bei jedem Bissen blickte er zehnmal nach dem Mädchen, bis er sich satt gegessen hatte und sich die Hände wusch, worauf er sich wieder erhob und, das Haus verlassend, seines Weges ging. Sein Herz war jedoch in Liebe zur Prinzessin entbrannt und, als er sein Haus erreicht hatte, schickte er nach der Alten und ließ sie vor sich bringen. Als sie vor ihn geführt wurde, holte er eine Menge Geld und einen kostbaren Anzug und bat sie, das Mädchen darin zu kleiden, worauf die Alte mit den Sachen zu ihrem Schützling zurückkehrte, indem sie bei sich sprach: »Bei Gott, wenn das Mädchen den Pascha annimmt und ihn heiratet, so hat sie ebensoviel Verstand als Glück; wenn sie dies jedoch nicht thun will, so jag' ich sie zur Thür hinaus.« Als sie bei ihr eintrat, gab sie ihr den Anzug und bat sie ihn anzulegen; das Mädchen weigerte sich jedoch dies zu thun, bis die Alte sie durch Schmeichelworte überredete ihn anzuprobieren. Als die Alte aber den Pascha verlassen hatte, zog er insgeheim Frauenkleider an und folgte ihren Fußstapfen, dicht hinter ihr in ihr Haus eintretend, daß er die Prinzessin in dem kostbaren Anzug gewahrte. Hierbei loderte die Glut der Sehnsucht in seinem Herzen nur um so höher auf, und die Geduld ging ihm aus, sich von ihr zu trennen, so daß er mit ganz benommenen Gedanken und voll Sehnsucht im Herzen heimkehrte. Er ließ die Alte sofort wieder vor sich kommen und hielt inständigst um das Mädchen bei ihr an, indem er rief: »Es muß unbedingt sein.« Da kehrte sie wieder heim und teilte dem Mädchen den Vorfall mit, wobei sie hinzufügte: »O meine Tochter, fürwahr, 112 der Pascha liebt dich, und es ist sein Wunsch, dich zu heiraten. Er ist unser Wohlthäter gewesen, und nimmer wirst du seinesgleichen finden, denn er ist völlig in dich verliebt, und das Sprichwort sagt: Des Liebenden Lohn ist Erwiderung der Liebe.« So ließ die Alte nicht nach ihr freundlich zuzureden, bis sie besänftigt war und ihre Einwilligung gab, worauf sie zum Pascha zurückkehrte und ihm von ihrem Erfolg Mitteilung machte. Hocherfreut hierüber, ließ der Pascha sofort Rinder schlachten und Hochzeitsfestlichkeiten und Bankette anrichten, zu denen er die Vornehmen seines Amtsbezirks einlud; alsdann ließ er den Kadi kommen, der das Eheband knüpfte, und suchte sie in derselbigen Nacht heim. Im Übermaß seiner Liebe zu ihr, verließ er sie nicht eher, als bis sieben Tage verstrichen waren, und er lebte mit ihr fünf Jahre lang, während welcher Zeit Gott ihm von ihr einen Knaben und zwei Töchter bescherte.
So erging es der zweiten Prinzessin; was aber die älteste Schwester anlangt, so ward sie, als sie in der Kleidung eines Jünglings die Stadt betrat, von dem Pastetenbäcker angeredet und für einen Tagelohn von einem Faddah außer ihrer Beköstigung an Speise und Trank in seinem Hause in Dienst genommen. Jener Mann pflegte aber an jedem Tage einen halben Viertel Mehl zu kaufen und davon seine Vermicelli zu backen; als aber der Jüngling zu ihm kam, kaufte und verarbeitete er drei Viertel, und alle Leute, die von ihm Pasteten kauften, strömten zu seinem Laden, um sich an der Schönheit und Lieblichkeit des Jünglings zu weiden, und riefen: »Gepriesen sei Er, der diesen Jüngling so vollkommen erschuf!« Nach dem Ratschluß Gottes gingen aber die Gitterfenster des Sultanspalastes gerade auf den Laden des Pastetenbäckers, und eines Tages traf es sich, daß die Tochter des Königs aus dem Fenster schaute und den Jüngling mit zurückgeschlagenen Ärmeln dastehen sah, so daß seine Arme wie Silberbarren glänzten. Da verliebte sich die Prinzessin in den Jüngling; da sie aber nicht wußte, wie sie mit ihm 113 zusammenkommen sollte, ward sie von Sehnsucht und heißem Verlangen erfaßt und ward aus Liebe zum Jüngling krank, daß sie sich niederlegen mußte. Wie nun ihre Amme zu ihr eintrat und sie stöhnend und seufzend auf ihrem Bett liegen sah, rief sie: »Werde gesund von allem, was dir fehlt!« Alsdann nahm sie ihre Hand und fühlte ihr den Puls; da sie jedoch keine Anzeichen von einer Leibeskrankheit finden konnte, sagte sie: »O meine Herrin, dir fehlt keine Krankheit als allein was deines Auges Blick über dich gebracht hat.« Die Prinzessin versetzte: »O meine Mutter, halt mein Geheimnis heilig und, wenn deine Hand so weit reicht, mir meinen Wunsch zu bringen, so bitte ich dich, thue es.« Die Amme erwiderte hierauf: »O meine Herrin, wer kann wie ich ein Geheimnis hüten! Vertraue mir dein Sehnen an, und Gott gewähre dir deine teuerste Hoffnung!« Da sagte die Prinzessin: »O meine Mutter, ich hab' mein Herz an den Jüngling verloren, der im Laden des Kanâfenbäckers arbeitet, und, wenn ich nicht mit ihm vereint werde, so sterbe ich vor Gram.« Die Amme entgegnete: »Bei Gott, o meine Herrin, er ist der Schönste seiner Zeit, und neulich ging ich an ihm vorüber, als seine Ärmel über seine Vorderarme zurückgeschlagen waren, wodurch er mich meiner Sinne beraubte; mich verlangte es, ihn anzureden, jedoch überkam mich die Scham in Gegenwart der Leute, die sich rings um ihn befanden, von denen die einen Kanâfe kauften, während sich die andern an seiner Schönheit und Lieblichkeit, seinem ebenmäßigen Wuchs und seiner vollendeten Anmut weideten. Ich aber, o meine Herrin, will dir einen Dienst erweisen und dich in Bälde mit ihm zusammenbringen.« Das Herz der Prinzessin ward hierdurch getröstet, und sie versprach der Amme alles Gute. Die Alte aber verließ sie nun und begann darüber nachzudenken, wie sie es anstellen sollte, um eine Zusammenkunft zwischen ihr und dem Jüngling zustande zu bringen oder ihn in den Palast zu führen. Dann ging sie zum Laden des Bäckers und sagte zu ihm, indem sie einen Aschrafī 114 hervorholte: »Nimm dieses Goldstück, Meister, und mach' mir eine Schüssel der feinsten Vermicelli; schick' sie mir durch diesen Jüngling nach meiner Wohnung, die ganz in der Nähe ist, denn ich kann sie nicht selber tragen.« Da sprach der Bäcker bei sich: »Bei Gott, dies Goldstück ist ein guter Preis; eine Kanâfe ist zehn Silberlinge wert, und der ganze Rest ist Reingewinn.« Alsdann versetzte er: »Auf Kopf und Auge, meine Herrin,« und, den Aschrafī nehmend, machte er ihr eine Platte Vermicelli und befahl seinem Diener, sie nach ihrem Hause zu tragen. Der Diener nahm sie und folgte der Amme, bis sie den Palast der Prinzessin erreichte, wo sie den Jüngling in einer abgelegenen Kammer sich setzen ließ. Dann begab sie sich zu ihrem Zögling und sprach: »Steh' auf, meine Herrin, ich habe dir deinen Wunsch gebracht.« Da sprang die Prinzessin hastig auf ihre Füße und eilte zur Kammer wo sie nun den Jüngling, der die Kanâfe niedergestellt hatte, dastehen und auf die Rückkehr der Amme warten sah, damit er und sie heimgehen könnten. Mit einem Male aber trat die Tochter des Sultans herein und forderte den Jüngling auf sich neben sie zu setzen, und, als sie sich gesetzt hatte, zog sie ihn in ihrem Verlangen an ihre Brust und begann ihn auf Mund und Wangen zu küssen, bis ihre Glut gestillt war, indem sie ihn immer noch für eine Mannsperson hielt. Hierauf gab sie ihm zwanzig Golddinare und sprach zu ihm: »O mein Herr und mein Augentrost, komm jeden Tag hierher, damit wir uns beide vergnügen.« Der Jüngling erwiderte: »Ich höre und gehorche,« und verließ sie, kaum an sein Entkommen glaubend, da er erkannt hatte, daß sie die Tochter des Sultans war. Als er den Laden seines Dienstherrn betrat, gab er ihm die zwanzig Dinare; sobald aber der Bäcker das Gold sah, ward sein Herz von Furcht und Schrecken erfaßt, und er fragte seinen Diener, woher er zu dem Gold gekommen wäre. Als dieser ihm dann sein Abenteuer erzählte, wuchs sein Schrecken und seine Bestürzung nur um so mehr, und er sprach bei sich: »Wenn dies so weiter 115 geht, wird der Sultan entweder hören, daß dieser Jüngling seiner Tochter nachstellt, oder sie wird schwanger, und es endet mit unserm Tod und dem Ruin unsers Landes. Der Bursche muß diesen übeln Pfad verlassen.« Alsdann sprach er zu dem Jüngling: »Von heute an unterlaß es dorthin zu gehen.« Der Jüngling versetzte jedoch: »Ich mag es nicht unterlassen, denn ich fürchte für mein Leben, wenn ich nicht hingehe.« Da sagte der Mann: »So thu' was dir beliebt.« Und so ging denn die Prinzessin in Männerkleidung jeden Morgen zur Tochter des Sultans, bis sie eines Tages wieder einmal zu ihr ging, und die beiden dasaßen und lachten und sich vergnügten, als mit einem Male der König eintrat. Sobald er den Jüngling erblickte und ihn neben seiner Tochter sitzen sah, befahl er, ihn festzunehmen, worauf sie Hand an ihn legten und gleichfalls die Prinzessin packten und ihre Arme mit den festesten Stricken an ihre Seiten banden. Alsdann ließ der König den Scharfrichter kommen und befahl ihm, beiden die Köpfe abzuschlagen, worauf der Scharfrichter sie nahm und mit ihnen zum Richtplatz hinunterstieg. Als aber der Kanâfenbäcker hiervon Kunde bekam, verschloß er ohne Aufschub und Verzug seinen Laden und lief fort. Der König sprach jedoch bei sich: »Ich möchte den Jüngling zur Rede stellen, wie er hierher kam, und ihn fragen, wer ihn zu meiner Tochter führte, und wie er Zutritt zu ihr erhielt.« Infolgedessen ließ er die beiden wieder holen und sperrte sie bis zum Anbruch der Nacht ein, worauf er sich in seinen Harem begab und den Leib seiner Tochter untersuchen ließ, wobei es sich herausstellte, daß sie eine reine Maid war. Der König verwunderte sich hierüber, da er geglaubt hatte, der Jüngling hätte ihr die Mädchenschaft genommen, und ließ ihn vor sich kommen; als er dann vor ihm erschien und er ihn betrachtete, fand er ihn noch schöner als seine Tochter, ja, bei weitem schöner und anmutiger, so daß er rief: »Bei Gott, dies ist ein wundersames Ding! Fürwahr, meine Tochter ist für ihre Liebe zu diesem Jüngling zu entschuldigen, und nach 116 meinem Urteil gleicht sie ihm nicht einmal an Liebreiz; nichtsdestoweniger ist diese Sache ein Schimpf für uns und der größte Schandfleck, und beide müssen morgen in der Frühe hingerichtet werden.« Mit diesen Worten befahl er dem Kerkermeister, den Jüngling wieder fortzunehmen und ihn bei sich zu behalten, während er das Mädchen mit der Amme einsperrte. Der Kerkermeister führte den ihm Anbefohlenen sofort zum Gefängnis; da aber die Thür desselben niedrig war und der Jüngling durch sie eintreten sollte, neigte er sein Haupt, um leichter einzutreten, wobei sein Turban an die Oberschwelle stieß und von seinem Kopf fiel. Da kehrte sich der Kerkermeister um, um nach ihm zu sehen, und siehe, sein Haar war geflochten, und die losen Zöpfe schimmerten wie ein Goldbarren. Er ward hierdurch überzeugt, daß der Jüngling ein Mädchen war und kehrte deshalb eilig wieder zum König zurück und rief: »Vergebung, o unser Herr Sultan!« Der König versetzte: »Gott vergebe uns und dir!« Alsdann sagte der Mann: »O König der Zeit, jener Jüngling ist kein Knabe sondern eine Jungfrau.« Da sprach der Sultan: »Was sagst du da?« Der Kerkermeister entgegnete: »Bei Ihm, der dich zum Herrscher über die Nacken seiner Diener gemacht hat, o König der Zeit, fürwahr, es ist ein Mädchen.« Infolgedessen befahl der Sultan dem Kerkermeister das Mädchen zu bringen und vor ihn zu führen, worauf er mit ihr unverzüglich zurückkehrte, während sie nunmehr gefällig wie eine Gazelle einherschritt und ihr Gesicht verhüllte, da sie sah, daß der Kerkermeister ihr Geschlecht erkannt hatte. Der König aber befahl nun, sie nach dem Harem zu führen, und folgte ihr dorthin, worauf er, nachdem er ebenfalls seine Tochter hatte holen lassen, diese fragte, wie sie mit dem angeblichen Jüngling zusammengekommen wäre. Da erzählte sie ihm alles der Wahrheit gemäß, und er richtete ebenfalls an die in Männertracht verkleidete Prinzessin Fragen, während sie in ihrer Scham stumm vor ihm dastand und kein einziges Wort sprechen konnte. Als dann der Morgen 117 anbrach, fragte der König, wo der Jüngling gewohnt hätte, und, als man ihm sagte, daß er bei einem Kanâfenbäcker gewohnt hätte, befahl er den Mann zu holen, worauf man ihm berichtete, daß er fortgelaufen sei. Der Sultan bestand jedoch darauf, daß man ihn suchte, und nach zweitägigen Nachforschungen fanden sie ihn und führten ihn vor den König. Als er ihn nun nach den Verhältnissen des Jünglings ausfragte, versetzte der Bäcker: »Bei Gott, o König der Zeit, zwischen mir und ihm fanden keine Fragen statt, und ich weiß nicht, woher er stammt.« Da sagte der König: »O Mann, ich verpfände dir mein Wort für deine Sicherheit, führe also dein Geschäft weiter wie zuvor, und geh' jetzt deines Weges.« Alsdann wendete er sich wieder zu dem Mädchen und wiederholte seine Fragen, worauf sie ihm antwortete und sprach: »O mein Herr, meine Geschichte ist wunderbar und meine Erlebnisse seltsam.« Da fragte er: »Wie sind sie?« Und nun hob sie an, ihm ihre ganze Geschichte und alle Abenteuer, die sie, ihre Schwestern und ihre Mutter betroffen hatten, zu berichten; insbesondre, wie sie mitten im Meer Schiffbruch erlitten hätten, und wie sie ans Land gekommen wäre; dann erzählte sie auch von dem Wesir, den ihr Vater verbrannt hatte, dem Verräter, der die Kinder vom Vater getrennt hatte, kurz alle ihre Erlebnisse von Anfang bis zu Ende. Als aber der Sultan ihre sanfte Rede und ihre seltsame Mär vernahm, verwunderte er sich, und, da sich sein Herz ihr zuneigte, gab er sie unter die Obhut der Frauen im Palast und überhäufte sie mit Gunstbezeugungen und Wohlthaten. Als er aber auf ihre Schönheit und Lieblichkeit, ihren Glanz und ihre vollendete Anmut schaute, verliebte er sich über die Maßen in sie, und seine Tochter rief, als sie die Unfälle vernahm, die dem Vater der Prinzessin widerfahren waren: »Bei Gott, die Geschichte dieses Mädchens sollte in ein Buch geschrieben werden, damit die Nachwelt davon redet und sie als ein Beispiel von der Allmacht Gottes, des Erhabenen, citiert; denn Er ist es, der da 118 trennt und zerstreut und wieder vereinigt.« Mit diesen Worten nahm sie die Prinzessin und führte sie in ihr eigenes Zimmer, wo sie ihr Aufmerksamkeiten erwies, während das Mädchen, nachdem es einen Monat im Palast zugebracht hatte, an Reizen aufs doppelte und noch mehr verschönt war. Eines Tages nun, als sie neben der Tochter des Königs in ihrem Zimmer um die Abendzeit saß, während die Sonne nach einem schwülen Sommerstag heiß schien und ihre Wangen rosenrot geworden waren, trat mit einem Male der Sultan auf seinem Weg zum Harem ins Zimmer ein, und unabsichtlich fiel sein Blick auf die Prinzessin, die im Hauskleid war. Der eine Blick erweckte ihm tausend Seufzer, und staunend stand er regungslos da, ohne zu wissen, ob er kommen oder gehen sollte; als ihn aber seine Tochter in diesem Zustand gewahrte, ging sie auf ihn zu und fragte ihn: »Was ist dir widerfahren, und was hat dich in diesen Zustand gebracht?« Er erwiderte: »Bei Gott, dieses Mädchen hat mir die Sinne aus der Seele gestohlen; ich liebe sie innig, und wenn du mir nicht bei der Bewerbung hilfst, und ich sie nicht heiraten kann, so werde ich völlig verstört.« Da kehrte die Tochter des Königs zum Mädchen zurück und sagte zu ihr, nahe zu ihr herantretend: »O meine Herrin und mein Augenlicht, mein Vater hat dich im Hauskleid gesehen und hat all seine Hoffnungen an dich gehängt; widersprich daher nicht meinen Worten und dem Rat, den ich dir zu erteilen habe.« Das Mädchen fragte sie nun: »Und was ist's, meine Herrin?« Die Prinzessin erwiderte: »Es ist mein Wunsch, dich mit meinem Vater zu vermählen, daß du seine Gemahlin wirst und er dein Gemahl.« Als aber das Mädchen diese Worte vernahm, weinte es bitterlich und schluchzte laut und rief: »Die Zeit hat uns vergewaltigt und Trennung über uns verhängt; ich weiß nichts von Vater, Mutter und Schwestern, ob sie leben oder tot sind, oder ob sie ertranken oder ans Land kamen; wie sollte ich da ein Hochzeitsfest feiern, wo sie in Todestrauer und Trübsal sein mögen?« Die 119 Prinzessin ließ jedoch nicht nach sie zu beschwichtigen und ihr gute Worte zu geben und zärtliche Freundschaft zu bezeigen, bis sie in die Hochzeit einwilligte, worauf die Prinzessin ihr die Sachen, die zu der festlichen Gelegenheit paßten, brachte, indem sie immer noch mit anmutigem Geplauder ihr Herz tröstete. Hierauf benachrichtigte sie ihren Vater, der sofort die Großen und Vornehmen seines Reiches kommen ließ. Dann wurde das Eheband zwischen ihnen geknüpft, und der Sultan suchte sie noch in derselbigen Nacht heim und fand einen Hort in ihr, von dem der Zauber soeben erst gelöst war. In seiner Sehnsucht und seinem Verlangen nach ihr, verblieb er zwei Wochen bei ihr, ohne sie weder bei Tag noch bei Nacht zu verlassen, so daß die Würdenträger seines Reiches darüber schwer verdrossen wurden, daß ihr Sultan es unterließ im Diwan zu erscheinen und unter dem Volk Befehl zu erteilen. Seine Tochter begab sich deshalb zu ihm und teilte es ihm mit, worauf er sie fragte, wie lange er sich nicht gezeigt hätte. Sie versetzte und sprach: »Weißt du, wie lange du im Palast verzogen hast?« Er erwiderte: »Nein.« Da rief sie: »Vierzehn ganze Tage!« worauf er entgegnete: »Bei Gott, meine Tochter, ich glaubte, ich hätte bei ihr nur fünf Tage und nicht mehr zugebracht.« Und seine Tochter verwunderte sich über seine Worte.
Also erging es der ältesten Tochter; was nun aber den König anlangt, den Vater der Mädchen, so entschloß er sich, als er wieder mit der Mutter seiner drei Töchter zusammengetroffen war und sie ihm von dem Schiffbruch und dem Verlust ihrer Kinder erzählt hatte, zum Reisen, um nach den drei Mädchen zu suchen, und verkleidete sich samt seinem Wesir als Derwisch. Nachdem er dann die Regierung seiner Gemahlin anvertraut hatte, machte er sich auf den Weg, und die beiden suchten zuerst die Städte am Meeresgestade ab, indem sie mit der nächstgelegenen begannen, ohne jedoch zu wissen, was für sie in der Zukunft verborgen ruhte. Einen Monat lang waren sie bereits unterwegs, als sie zu einer 120 Stadt gelangten, deren Sultan einen Platz, Namens Ed-DidschleEd-Didschle ist das arabische Wort für Tigris. besaß, wo er einen Palast erbaut hatte. Die beiden Derwische gingen dorthin und fanden den König in seinem Kiosk sitzend mit zwei Knaben, von denen der ältere acht Jahre alt war, während der jüngere sechs Jahre zählte. Indem sie an ihn herantraten und ihn begrüßten, boten sie ihm ihre Dienste an und segneten ihn, ihm langes Leben wünschend, wie es bei der Anrede königlicher Persönlichkeiten Brauch ist, und der König erwiderte ihnen den Salâm und ließ sie näher treten, ihnen seine Huld bezeugend; ebenso befahl er zur Abendzeit seinen Leuten ihnen etwas zum Essen vorzusetzen. Am nächsten Tage begab sich der König wieder zum Tigrisufer und setzte sich mit den beiden Knaben in seinen Kiosk. Die Derwische aber hatten sich eine Kammer in dem Chân gemietet und pflegten täglich auszugehen und die Stadt zu durchstreifen, indem sie nach dem, was sie suchten, Nachforschungen anstellten; und so traf es sich, daß sie an diesem Tage wieder zum Platz gelangten, an dem der Sultan saß. Sie bewunderten den schönen Bau des Palastes und fuhren fort ihn täglich zu besuchen, bis sie eines Tages wieder wie gewöhnlich ausgingen und den Palast des Königs betraten, als der jüngere der beiden Knaben zu ihnen kam und sie zu betrachten anhob, als hätte er von sich selber vergessen. Dies dauerte, bis die beiden Derwische zu ihrer Zelle in der Karawanserei zurückkehrten, wohin der Knabe ihnen folgte, um den verborgenen Ratschluß, der in Gottes Allwissenheit existierte, zu erfüllen. Und wie nun die beiden dasaßen, trat das Söhnchen des Sultans bei ihnen ein und hing seine Augen an sie, sich an ihrem Anblick weidend, worauf der ältere der beiden Derwische ihn an seinen Busen zog und ihn auf die Wangen küßte, indem er sich über sein Gesicht und seine Schönheit verwunderte, während der Knabe seinerseits Vater und Mutter vergaß und sich an den Scheich hängte. 121
Als die Nacht hereinbrach, kehrte der Sultan nach Hause, im Glauben, daß sein Knabe ihm zur Mutter vorausgegangen wäre, während die Sultanin wiederum glaubte, ihr Kind wäre bei seinem Vater; und dies dauerte, bis der König wieder den Harem betrat. Da er nun aber dort nur den älteren Knaben fand, fragte er: »Wo ist der andre Knabe?« Die Königin erwiderte: »Tag für Tag nimmst du sie nach dem Tigrisufer und bringst sie wieder zurück; heute aber ist nur der ältere heimgekehrt.« Hierauf suchten sie ihn, doch fanden sie ihn nicht, und die Mutter schlug sich ihr Gesicht aus Kummer über ihr Kind, während sein Vater fast den Verstand verlor. Alsdann machten sich die hohen Beamten auf die Suche nach dem Sohn ihres Königs auf und suchten ihn von Anbruch der Nacht an bis zum Morgen. Da sie ihn ebenfalls nicht fanden, glaubten sie, er sei im Tigris ertrunken und bestellten alle Fischer und Taucher vor sich, denen sie befahlen den Fluß vier Tage lang abzusuchen. Während dieser ganzen Zeit aber verweilte der Knabe bei den Derwischen, die fortwährend zu ihm sagten: »Geh' zu deinen Eltern;« doch folgte er ihnen nicht sondern blieb bei den Fakiren sitzen, an die sich alle seine Gedanken gehängt hatten, während ihre Gedanken ebenfalls ganz von ihm eingenommen wurden. Dies währte bis zum fünften Tage, als der Pförtner unaufgefordert die Kammer betrat und den Sohn des Sultans bei den beiden Scheichen sitzen sah; da begab er sich eilends zum König und rief: »O mein Herr, dein Knabe ist bei den Derwischen, die dich täglich zu besuchen pflegten.« Als der Sultan die Worte des Pförtners vernahm, rief er laut seine Eunuchen und Kämmerlinge und gab ihnen seine Befehle, worauf sie um die Wette liefen, bis sie bei den beiden heiligen Männern eindrangen und sie aus der Kammer zugleich mit dem Knaben holten und alle vier vor den Sultan führten. Der König aber rief: »Fürwahr, diese Derwische müssen Spione sein, und ihre Absicht war, meinen Knaben zu entführen.« Dann hob er sein Kind auf 122 und schloß es an seine Brust, es in seiner sehnenden Zärtlichkeit wieder und wieder küssend, worauf er den Knaben zu seiner Mutter schickte, die fast den Verstand vor Freude verlor. Alsdann übergab er die beiden Fakire dem Scharfrichter mit dem Befehl sie zu köpfen, und der Scharfrichter nahm sie und rief, nachdem er ihnen die Hände gefesselt und das Haupt entblößt hatte: »Dies ist der geringste Lohn für den, der zum Verräter wird und die Söhne von Königen entführt.« Als die Stadtbewohner seine Proklamation vernahmen, kamen alle, Groß und Klein, zum Schauspiel herbeigeströmt; der Knabe aber eilte zum ältern Derwisch, der auf dem Blutleder kniete, und warf sich der Länge nach über ihn, bis ihn die Großen seines Vaters mit Gewalt entfernten. Dann trat der Scharfrichter vor, um den beiden Scheichen den Kopf abzuhauen und hob die Hand mit dem Schwert so hoch, daß der dunkle Schein seiner Achselgrube sichtbar wurde, und wollte den Todesstreich austeilen, als der Knabe wieder zum älteren der beiden Fakire eilte und sich auf ihn warf, nicht einmal, sondern zwei- und dreimal, und den Streich des Scharfrichters verhinderte, indem er sich fest an den Scheich klammerte. Da rief der Sultan: »Dieser Derwisch ist ein Zauberer!« Als jedoch die Sultanin, die Mutter des Knaben, hiervon vernahm, sagte sie: »O König, sicherlich hat dieser Derwisch eine merkwürdige Geschichte zu erzählen, denn der Knabe ist völlig in ihm aufgegangen. Du darfst ihn deshalb nicht eher hinrichten lassen, als bis du ihn vor dich kommen lässest und ihn befragst. Ich will ihm gleichfalls hinter dem Vorhang zuhören, und so soll ihn niemand hören als allein wir beide.« Der König that nach dem Geheiß seiner Gemahlin und befahl den Scheich zu holen, worauf sie ihn unter dem Schwert fortnahmen und vor den König führten, der ihn zum Sitzen aufforderte. Nachdem er sich gesetzt hatte, befahl der Sultan allen anwesenden Eunuchen und Kämmerlingen sich zurückzuziehen, worauf sie sich entfernten und den König mit dem alten Gottesmann allein ließen, während der 123 andre Derwisch noch immer in seinen Fesseln unter dem Schwert des Scharfrichters kniete, der ihm zu Häupten stand und auf das Zeichen des Königs zum Zuhauen wartete. Der König aber fragte nun: »O Bettler, was bewog dich, meinen Sohn zu rauben, mein Herzblut?« Der Derwisch versetzte: »Bei Gott, o König, ich nahm ihn nicht aus freien Stücken, vielmehr wollte er nicht von mir gehen, und wiewohl ich ihn bedrohte, zeigte er keine Furcht, bis dieses Schicksal auf uns niederkam.« Als der Sultan diese Worte vernahm, besänftigte sich sein Herz, und er empfand Mitleid für ihn, während die Sultanin, die hinter dem Vorhang saß, laut zu weinen anhob. Mit einem Male sagte dann der König: »O Derwisch, erzähl' uns deine Geschichte, denn sicherlich ist sie merkwürdig.« Da hob der Scheich an zu weinen und sprach: »O König der Zeit, ich habe eine wundersame Mär' erlebt, die mit Nadeln in die Augenwinkel geschrieben werden sollte, um eine Lehre zu sein für alle, die sich belehren lassen.« Der Sultan ward hierdurch betroffen und fragte: »Wie ist deine Geschichte, o Bettler?« Der Derwisch versetzte: »O König der Zeit, ich will sie dir berichten.« Hierauf erzählte er ihm, wie er König gewesen wäre und sein Wesir sein Weib versucht hätte, während sie seine Amme, die Sklavinnen und den Eunuchen erschlagen hätte; als er aber bis zu dieser Stelle kam, stürzte die Sultanin hinter dem Vorhang hervor und warf sich dem Derwisch an die Brust, so daß der König sich angesichts dessen verwunderte und in einem Anfall von Eifersucht mit der Hand an den Schwertgriff fuhr, indem er dem Fakir zurief: »Das ist ein höchst unziemliches Betragen!« Die Königin rief nun aber: »Hemme deine Hand, denn, bei Gott, er ist mein Vater, und ich bin seine treue Tochter.« Und im Übermaß ihrer Freude lachte und weinte sie ein Mal um das andre. Da befahl der König verwundert den andern Derwisch loszulassen und rief: »Fürwahr, der sprach die Wahrheit, der sagte: Gott vereint die Getrennten, wenn beide wähnen, für immer voneinander 124 getrennt zu sein.« Hierauf erzählte ihm die Sultanin die Geschichte ihres Vaters und vornehmlich, wie sein Wesir gegen ihn gehandelt hatte; und, als er ihre Worte vernahm, ward er von der Wahrheit derselben überzeugt und befahl seinen Leuten, die Kleider ihres Vaters und seines Wesirs zu wechseln und ihnen königliche Kleider anzulegen. Ebenso ließ er ihnen ein besonderes Gemach einräumen und verordnete für sie Rationen an Speise und Trank; Preis darum Ihm, der vereinigt und trennt! Die Sultanin aber war die jüngste Tochter des alten Königs, die von dem Ritter auf der Jagd angetroffen war, demselben, der all sein Glück ihrem gesegneten Kommen verdankte. Ihr Vater war nun überzeugt, sein verlorenes Kind gefunden zu haben, und war erfreut, sie in so hohem Rang zu sehen. Nachdem er jedoch eine Weile bei ihr zugebracht hatte, bat er seinen Schwiegersohn um Erlaubnis fortzuziehen und ihre beiden Schwestern zu suchen, und er flehte zu Gott, dem Erhabenen, ihn ebenfalls mit den beiden andern zu vereinen, wie er ihn mit der ersten vereint hatte. Der Sultan aber versetzte: »Es darf nicht sein, es sei denn, daß ich dich begleite, denn sonst möchte dir irgend ein Unfall zustoßen.« Alsdann setzten sich die drei nieder des Rates zu pflegen, was sie thun sollten, und schließlich kamen sie überein zu reisen, indem sie einige von den Großen des Reiches, den Kämmerlingen und Vicekönigen mit sich nahmen. Und so machten sie sich zurecht und zogen nach drei Tagen zur Stadt hinaus, nachdem der Sultan einen Vicekönig an seiner Statt eingesetzt hatte, seine Befehle auszurichten. Nachdem sie zwanzig Tage lang auf der Suche nach den beiden verlorenen Töchtern unterwegs gewesen waren, gelangten sie in die Nähe einer Stadt von hohen Fundamenten und schlugen ihre Zelte auf einem ausgedehnten Blachfeld auf. Da es aber die Zeit des Sonnenuntergangs war, machten sich die Köche daran das Abendessen zurecht zu machen, und, als die Mahlzeit aufgetragen war, aßen alle, bis sie genug hatten, doch war es nur eine Kleinigkeit wegen der 125 Strapazen der Reise, worauf sie bis in den hohen Morgen hinein der Ruhe pflegten. Der Herrscher jener Stadt war aber ein machtvoller und überaus thatkräftiger Herrscher, der verwundert den Bericht eines Kämmerlings vernahm, als er zu ihm sprach: »O König der Zeit, nach einer ereignislosen Nacht fanden wir heute in der Morgenfrühe außerhalb deiner Residenz Zelte, überragt von Standarten und Bannern ganz nach Königsbrauch.« Er erwiderte: »Jene Geschöpfe Gottes müssen sicherlich ein Anliegen an uns haben; jedoch wollen wir hören, was sie herführt.« Alsdann stieg er mit seinen Großen auf und ritt hinaus zu den Fahnen und Bannern und bemerkte, als er näher kam, im ganzen Aufzug Würde und Majestät und Eunuchen, Gefolge und Dienerschaft, bereit ihre Pflichten zu erfüllen. Er stieg infolgedessen ab und schritt zu Fuß, bis er die Dastehenden erreichte, worauf er ihnen den Salâm bot. Sie erwiderten ihm den Gruß und empfingen ihn mit höchsten Ehren und größtem Respekt, worauf sie ihn in das Königszelt geleiteten, wo die beiden Könige sich vor ihm erhoben, ihn willkommen hießen und ihm langes Leben wünschten, wie Könige es zu thun pflegen; dann setzten sich alle nieder um miteinander zu plaudern. Der Herr der Stadt hatte aber vor seinem Aufbruch seinen Leuten befohlen das Mittagsmahl anzurichten; als es daher um die Mitte des Vormittags war, machten die Kammerdiener die Speisetische zurecht und die Gäste kamen herbei und nahmen ein jeder das Mahl ein und vergnügten sich. Hierauf wurden die Tische von den Dienern fortgenommen, und das Gespräch machte wieder bis zum Sonnenuntergang die Runde, als der König wiederum befahl das Mahl aufzutragen, und alle speisten, bis sie genug hatten. Der Sultan aber verwunderte sich die ganze Zeit über und sprach bei sich: »Wüßte ich nur, weshalb diese beiden Könige hierhergekommen sind!« Als dann die Nacht hereinbrach, baten ihn die Fremden heimzukehren und sie am nächsten Morgen wieder zu besuchen, worauf er sich von ihnen verabschiedete und heimkehrte. Dies 126 währte drei Tage lang, während welcher Zeit er sie mit allen Ehren auszeichnete; am vierten Tage aber richtete er ein Bankett für sie an und lud sie in seinen Palast ein. Sie saßen deshalb auf und ritten dorthin, wo er ihnen das Mahl auftragen ließ; und, als sie gegessen hatten, wurden die Tische entfernt, und Kaffee, Konfekt und Scherbetts aufgetragen, und sie saßen miteinander plaudernd und sich vergnügend bis zum Abend da, worauf sie um Erlaubnis baten, zum Lager zurückzukehren. Der Sultan der Stadt beschwor sie jedoch die Nacht bei ihm zu verbringen, so daß sie die Sitzung von neuem anhoben, bis der Vater der drei Mädchen sagte: »Laßt jeden von uns eine Geschichte erzählen, um die Stunden unsers Wachseins um so angenehmer zu machen.« Sie versetzten: »Schön,« und alle kamen in dem Wunsch überein, daß der Sultan der Stadt den Anfang machen sollte. Nach dem Ratschluß Gottes aber ging das Gitterfenster der Königin gerade auf den Platz der Sitzung, und sie vermochte sie zu sehen und konnte jedes gesprochene Wort hören. Und so begann denn der Sultan: »Bei Gott, ich hab' ein Abenteuer zu erzählen, das mir widerfuhr, und das eins der Wunder unserer Zeit ist.« Da fragten sie: »Was ist's?« Und nun hob er an und erzählte: »Ich litt in dem und dem Jahr an einer Krankheit, von der mich niemand heilen konnte, bis schließlich eine alte Frau mit einer Tasse Brühe zu mir kam, die mir die Gesundheit brachte, als ich von ihr trank. Ich befahl ihr deshalb mir Tag für Tag eine Tasse Brühe zu bringen, und ich trank sie, bis ich sie nach einiger Zeit fragte, wer die Brühe machte, worauf sie mir antwortete, es sei ihre Tochter. Eines Tages dann verkleidete ich mich und begab mich zum Haus der Alten, wo ich das Mädchen sah, ein Muster von Schönheit, Lieblichkeit, Glanz, ebenmäßigem Wuchs und vollendeter Anmut, so daß ich auf den ersten Blick mein Herz an sie verlor und sie zur Frau begehrte. Da aber antwortete sie: »Wie kann ich heiraten, wo ich von meinen Schwestern und Vater und Mutter getrennt bin und nicht 127 weiß, was aus ihnen geworden ist?« Als der Vater der Mädchen diese Worte vernahm, liefen ihm die Thränen in Strömen über die Wangen, und er gedachte seiner beiden verlorenen Töchter und weinte, stöhnte und klagte, während der Sultan ihn erstaunt anblickte; und als er sich nun zu seiner Königin begab, fand er sie ohnmächtig daliegen. Da rief er sie bei Namen und richtete sie auf, worauf sie, wieder zu sich kommend, rief: »Bei Gott, er, der vor euch weinte, ist mein Vater; bei meinem Schöpfer, ich zweifle nicht daran!« Da ging der Sultan wieder zu seinem Schwiegervater hinunter und führte ihn hinauf zum Harem, während seine Tochter sich erhob und ihm entgegenging, und beide schlangen ihre Arme einander um den Nacken und begrüßten einander zärtlich. Alsdann verbrachte der alte König die Nacht damit, daß er ihr seine Erlebnisse erzählte, während sie ihm ebenfalls ihre Schicksale berichtete, worauf ihre Freude nur noch größer ward; und der Vater dankte Gott, dem Erhabenen, dafür, daß er zwei seiner drei Kinder gefunden hatte. Nachdem dann der alte König mit seinen Schwiegersöhnen und seinem Wesir noch zwei Tage bei Speise und Trank sich in der Stadt vergnügt hatte, bat er die Gatten seiner Töchter ihm die dritte Tochter suchen zu helfen, damit die allgemeine Freude vollkommen sei. Sie sagten ihm zu und beschlossen mit ihm zu reisen, worauf sie die Reisevorkehrungen trafen und zugleich mit einigen der Großen des Reiches und der Würdenträger aus der Stadt zogen, indem sie das Notwendige an Rationen mit sich nahmen.
So stand es mit ihnen. Was nun aber die dritte Tochter anlangt, die in Mannskleidung dem Kanâfenbäcker gedient hatte, so blieb sie nach ihrer Verheiratung mit dem Sultan, dessen Liebe und Verlangen nach ihr mit jedem Tage wuchs, geraume Zeit, bis sie eines Tages wieder ihrer Eltern, ihrer Angehörigen und ihres Heimatlandes gedachte. Da weinte sie aufs bitterlichste, bis sie in Ohnmacht sank, und, als sie wieder zu sich kam, erhob sie sich ohne Aufschub und Verzug 128 und nahm zwei Mamlukenanzüge, worauf sie geduldig den Anbruch der Nacht erwartete. Dann zog sie einen der Anzüge an und stieg zu den Ställen hinunter, wo sie, da sie alle Stallknechte schlafend fand, sich einen Hengst edelster Zucht sattelte und ihn bestieg. Indem sie dann um den Schutz des Verhüllers betete, ritt sie unter der Hülle des Dunkels aus nach ihrem Heimatland, ohne den Weg zu kennen, und befand sich, als die Nacht vor dem Morgen wich, inmitten der Berge und Sandwüsten, ratlos, was sie thun sollte. Da sie jedoch an einem der Abhänge Regenlachen fand, trank sie davon und löste dem Pferd die Gurte, um es ebenfalls davon trinken zu lassen. Hierauf wollte sie sich an jener Stätte ausruhen, als mit einem Male ein riesiger Löwe, mit peitschendem Schweif und Donnergebrüll auf sie zukam und auf sie lossprang, um sie in Stücke zu reißen. Da sprang sie angesichts der drohenden Gefahr schnell auf und, ihr Schwert ziehend, trat sie ihm mit dem Stahl in der Hand entgegen, indem sie sprach: »Entweder tötet er mich oder ich töte ihn.« Alsdann empfing sie ihn, beherzt wie sie war, und beide begannen miteinander zu kämpfen und wider einander zu schlagen, während der Löwe zornig mit den Zähnen knirschte, bald zurückweichend, bald sie umkreisend und bald wieder seinem Gegner die Stirn bietend, um sie zu packen, als sie beherzt und ohne zurückzuweichen aus Leibeskräften ihr Schwert schwang und der Bestie einen Streich zwischen die Augen versetzte, daß die Klinge blitzend zwischen seinen Schenkeln herausfuhr, und er leblos und sich in seinem Blute wälzend zu Boden stürzte. Alsdann wischte sie ihr Schwert ab und steckte es in die Scheide, worauf sie ein Messer zog und an den Leichnam des Löwen herantrat, um ihn zu ihrem eigenen Gebrauch abzuhäuten, als mit einem Male in der Ferne zwei Staubwolken aufwirbelten, die eine zur Rechten und die andere zur Linken, so daß sie die Abhäutung des Löwen unterließ und ausschaute. Nach dem Ratschluß Gottes rührte aber die erste Staubwolke von dem Trupp ihres Vaters und 129 seiner Schwiegersöhne her, die alle, als sie näher kamen, Halt machten, und ihr zuschauten und sie betrachteten, indem sie verwundert zu einander sprachen: »Wie kann dieser Mamluk, der ein reiner Knabe ist, allein diesen Löwen erlegt haben? Bei Gott, hätte die Bestie uns angegriffen, sie hätte uns weit und breit zerstreut und sicherlich einen von uns in Stücke gerissen. Bei Gott, das ist ein wundersames Ding!« Der Mamluk blickte jedoch vornehmlich nach dem alten König, den er als seinen Vater erkannte, denn sein Herz ward zu ihm hingezogen. Inzwischen näherte sich auch die zweite Staubwolke, bis die Leute, die sich unter ihr befanden, mit den andern, die vor ihnen angelangt waren, zusammentrafen, und siehe, unter ihr befand sich der Gemahl der verkleideten Prinzessin mit seiner Schar. Die Ursache aber, daß der König ausgezogen und hierher gekommen war, war diese: Als er den Palast betrat, um sich in den Harem zu begeben, fand er seine Königin nicht, so daß er auszog sie zu suchen, und so traf es sich nach Ratschluß Gottes, daß beide Heere an der Stätte zusammentrafen, an welcher der Löwe erlegt worden war. Der Sultan blickte nach dem Mamluken und sprach bei sich, verwundert darüber, daß er das Ungetüm gefällt hatte: »Gehörte mir der Mamluk, ich wollte mit ihm mein Gut teilen und ihn in meinem Königreich anstellen.« Indessen trat der Mamluk wieder herzu und zog dem Löwen das Fell ab, worauf er ihn ausweidete; dann zündete er ein Feuer an und röstete etwas von seinem Fleisch, bis es gar war, während alle ihm zuschauten und sich über seine Beherztheit verwunderten. Als das Fleisch fertig gebraten war, zerschnitt er es und sprach zu allen Anwesenden, indem er es auf ein ledernes Speisetuch legte: »Im Namen Gottes, esset, was euch das Schicksal gegeben hat.« Da traten alle herzu und aßen von dem Fleisch des Löwen, mit Ausnahme des Gemahls der Prinzessin, der keine Lust hatte sich ihnen anzuschließen, sondern sagte: »Bei Gott, ich will nicht eher von dieser Speise essen, als bis ich weiß, was es mit diesem 130 Jüngling auf sich hat.« Die Prinzessin hatte aber ihren Gemahl sofort bei seinem Erscheinen erkannt, doch war sie für ihn durch ihre Mamlukentracht unkenntlich, während er immer wieder seine Blicke auf sie richten mußte und bald ihre Augen bald ihre Seiten und bald die Wendung ihres Halses betrachtete und dabei bei sich sprach: »Preis dem Herrn, der ihn geschaffen und gebildet hat! Bei Gott, dieser Mamluk ist das Gegenstück meines Weibes in Augen und Nase, und seine ganze Gestalt und alle seine Züge sind ihr am ähnlichsten!« In diese Gedanken blieb er versunken, während alle andern aßen, bis sie genug hatten, worauf sie sich niedersetzten, den Rest des Tages und die Nacht an jener Stätte zuzubringen. Als der Morgen anbrach, bat ein jeder um Erlaubnis seines Weges zu ziehen, indem der Gatte der Prinzessin verlangte nach ihr zu suchen, während der Vater der Mädchen mit seinen beiden Schwiegersöhnen die dritte und letzte seiner verlorenen Töchter auffinden wollte. Da aber sprach der Mamluk zu ihnen: »O meine Herren, laßt uns niedersitzen und den Rest des Tages an dieser Stätte verbringen, morgen will ich dann mit euch ziehen.« Nun hatte die Prinzessin während ihrer langen Wanderungen, die begonnen hatten, als sie noch ein kleines Kind gewesen war, das Bild ihres Vaters vergessen; als sie jedoch den alten König anblickte, fühlte sich ihr Herz zu ihm hingezogen, und sie begann mit ihm zu sprechen, während er sich seinerseits, wenn er sie anblickte, nach ihr hingezogen fühlte und mit ihr zu plaudern begehrte. Infolgedessen war er der erste, der dem Vorschlag des Mamluken beipflichtete, da er weiter nichts wünschte als neben ihm zu sitzen; und so willigten auch die andern ein, den Tag über an jener Stätte der Rast zu pflegen, da es eine weite und liebliche Wiese war, geschmückt mit grünem Gras und leuchtend von Knospen und Blüten. Sie saßen deshalb bis zum Sonnenuntergang dort, worauf jeder die Zehrung, die er bei sich hatte, hervorzog, und alle sich satt aßen und dann miteinander zu plaudern anhoben. Hierbei 131 sagte nun die Prinzessin: »O meine Herren, ein jeder von euch erzähle eine merkwürdige Geschichte.« Ihr Vater fiel darauf ein und sagte: »Das ist ein guter Rat, und ich will zuerst zu erzählen anheben, da meine Geschichte ein seltsam Abenteuer ist.« Alsdann hob er seine Geschichte an und erzählte ihnen, daß er als König geboren war, und daß ihm die und die Dinge widerfahren waren, und so weiter, bis zum Ende seiner Geschichte. Als aber die Prinzessin seine Worte vernahm, ward sie davon überzeugt, daß er ihr Vater war, und sagte deshalb: »Auch ich habe eine merkwürdige Geschichte zu erzählen.« Hierauf erzählte sie ihnen alle ihre Erlebnisse von Anfang an bis zu dem vorher berichteten. Als ihr Vater es aber vernahm, ward er überzeugt, daß es seine Tochter war, und, aufspringend, warf er sich auf sie und umarmte sie, worauf er ihr Gesicht mit einem Tuch, das er bei sich hatte, verhüllte, während ihr Gatte rief: »Ach könnte ich doch auch wieder mit meiner Frau vereint werden!« Da erwiderte sie: »So Gott will, recht bald,« und neigte sich ihm freundlich zu, indem sie bei sich sprach: »Fürwahr, das ist mein getreuer Gatte.« Hierauf entschlossen sich alle von jenem Ort aufzubrechen, ohne daß der Gemahl der Prinzessin erkannte, daß sie sein Weib war; und sie reisten nun ohne Aufenthalt, bis sie die Stadt des Sultans erreichten, wo sich alle in seinen Palast begaben. Hier schlüpfte nun die Prinzessin heimlich ohne Wissen ihres Gatten in den Harem und kleidete sich um, während ihr Vater zu ihrem Gatten sagte: »Begieb dich in das Frauengemach; vielleicht zeigt dir Gott dort deine Gemahlin.« Infolgedessen trat er in den Harem ein und fand sie in ihrem eigenen Zimmer sitzen, so daß er sich bei ihrem Anblick verwunderte, und, an sie herantretend, in seiner zärtlichen Liebe seine Arme um ihren Nacken schlang und sie über ihre Abwesenheit befragte. Da erzählte sie ihm die Wahrheit und sagte: »Ich zog in der Verkleidung eines Mamluken aus, meinen Vater zu suchen, und ich war es, die den Löwen erschlug und sein Fleisch über dem Feuer 132 briet, von dem du dich zu essen weigertest.« Der Sultan war über diese Worte erfreut und seine Freude nahm zu, und alle waren in hellster Lust und Fröhlichkeit, er, sein Vater und seine Schwiegersöhne, und dies währte geraume Zeit. Schließlich hielten es jedoch alle für ratsam, ihre Länder und Residenzen wieder aufzusuchen, und ein jeder nahm von seinen Freunden Abschied, und die gesamte Gesellschaft kehrte wohl und gesund in ihre Heimat zurück-