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Nach der Hinrichtung des Apries regierte Amasis aus dem Kanton Sais und aus der Stadt Siuph. Anfänglich verachteten ihn die Ägypter, und er stand bei ihnen in gar keinem Ansehen, weil er erst ein gemeiner Bürger und aus keinem vornehmen Hause war. Nachher gewann er sie durch Klugheit und ohne Schärfe. Er hatte unter vieltausend anderen Kostbarkeiten ein goldenes Waschbecken, in welchem Amasis und alle seine Gäste jederzeit die Füße wuschen. Dieses zerschlug er und machte daraus ein Götterbild und stellte es an den bequemsten Ort der Stadt. Die Ägypter gingen zu dem Bildnisse und erwiesen ihm große Ehre. Als nun Amasis erfuhr, was die Einwohner der Stadt taten, berief er die Ägypter zusammen und entdeckte ihnen, das Bild, welches sie jetzt so verehrten, sei aus dem Waschbecken gemacht, in welches sie vorher gespien, ihr Wasser gelassen und die Füße darin abgewaschen hätten; ihm wäre es ebenso wie dem Waschbecken ergangen, vorher sei er ein gemeiner Mann gewesen, gegenwärtig aber ihr König, folglich müsse ihm die gebührende Ehre erwiesen werden. Auf diese Weise zog er die Ägypter an sich, daß sie es für billig und recht erkannten, ihm zu dienen.
Seine täglichen Verrichtungen waren so abgeteilt: Des Morgens, solange der Markt voll war, tat er die vorkommenden Geschäfte willig. Darauf trank er, trieb seinen Scherz mit den Trinkbrüdern und belustigte sich mit Possen und Spielwerk. Seine Räte, welche damit übel zufrieden waren, machten ihm darüber Vorstellungen und sagten zu ihm: O König, du handelst nicht wohl gegen dich selbst, indem du dich allzu unanständig aufführst; denn du solltest auf dem majestätischen Throne majestätisch sitzen und den ganzen Tag den Geschäften obliegen; so wüßten die Ägypter, daß sie von einem großen Herrn regiert würden, und du hättest mehr Ruhm davon. Allein du lebst gar nicht königlich. Aber er gab ihnen diese Antwort: Wer Bogen hat, spannt dieselben, wenn er sie brauchen muß, und spannt sie nach dem Gebrauche wieder ab. Denn wenn sie immerfort gespannt blieben, würden sie zerreißen, daß sie dieselben, wo es nötig, nicht gebrauchen könnten. So ist es auch mit dem Menschen beschaffen. Wenn er immer geschäftig sein und sich niemals eine Lust machen will, so wird er unvermerkt närrisch oder albern werden. Weil ich dieses weiß, so teile ich meine Zeit unter die Arbeit und Belustigung. So antwortete er seinen Räten. Denn Amasis soll in seinem Privatstande ein Freund vom Trunke und einer spöttischen Scherzhaftigkeit, aber gar nicht von ernsthaften Verrichtungen gewesen, und wenn es ihm wegen des Trinkens und Wohllebens an der Notdurft gefehlt, herumgegangen sein und gestohlen haben. Die ihn nun beschuldigten, daß er etwas von dem Ihrigen habe, führten ihn, wenn er leugnete, zu dem Orakel, welches an dem Orte war. Vielmals wurde er von den Orakeln überführt, vielmals aber losgesprochen. Da er nun König war, sorgte er für die Tempel der Götter, welche ihn vom Diebstahl freigesprochen hatten, gar nicht und gab zu deren Ausschmückung nichts, ging auch in dieselben nicht zu opfern, da dieselben nichts wert wären, weil sie lügenhafte Orakel hätten. Für diejenigen aber, welche ihn als einen Dieb verurteilt und also die Wahrhaftigkeit ihrer Göttersprüche bewiesen hatten, trug er große Vorsorge.