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Das äußere Leben einer Nation ist nur das halbe Leben derselben. Mag dies eine Wahrheit sein, die man auf der Straße findet, unsere Publizisten scheinen sie doch gar nicht zu kennen oder beobachten sie wenigstens nicht genugsam, sie hätten sonst längst die löbliche Gewohnheit der französischen politischen Blätter nachgeahmt und der Besprechung der literarischen Interessen unseres Volkes eine Spalte in ihren Journalen eröffnet. Es ist rein unmöglich, das eigenste Wesen des Deutschen zu verstehen, ohne seine Literatur, seine seine Poesie. Können wir auch nicht gerade bis zur Evidenz erweisen, welche wirkliche Taten aus den Schöpfungen unserer ersten Dichter und Denker hervorgeblüht, wie die Franzosen den Ursprung ihrer modernen Helden teilweise ganz speziell auf Racine und Corneille zurückführen – so viel wissen wir, ein unentbehrlicher Kommentar zum Leben unseres Volkes bleibt dessen Literatur immerhin.
Es ist eine Lüge, daß unsere Gedanken schon zensiert auf die Welt kommen, wir besitzen die schönste, wahrhaftigste –Republik, unsere Literatur. Die Anarchie, die unleugbar gegenwärtig in ihr herrscht, ist vorübergehend, und alles weist auf eine baldige Lösung der literarischen Wirren hin. Zu dieser Lösung will auch die »Deutsche Volkshalle« beiragen und eröffnet hiemit eine Nische für Kunst und Poesie, für die Literatur in ihrem ganzen Umfange, in ihren verschiedensten Verzweigungen, eine Nische, groß genug für unsere größten Geister, aber zu klein für das Standbild eines literarischen Thersites, eines Johannes Minkwitz oder Friedrich Carovè.
Die Literatur und, genauer bestimmt, hier die Kritik, muß der Politik unter die Arme greifen. Hat die Politik die Aufgabe, den Bürger zu emanzipieren, so übernimmt die Literatur das vielleicht nicht minder schöne Amt, den Menschen in uns frei zu machen. Die Reform hat sich nicht auf den Staat zu beschränken, auch das stille, geistige Schaffen des Volkes nimmt die Aufmerksamkeit des Publizisten in Anspruch; äußeres und inneres Leben darf nicht mehr getrennt, beide müssen in Beziehung zueinander gedacht, beide durch einander erklärt werden. Nicht nur von außen her, von oben herab, auch von innen heraus muß uns geholfen werden.
Der Zweck, welchen die »Deutsche Volkshalle« vor Augen hat, ist kein anderer als der, wofür die Menschheit von jeher gestritten, wofür namentlich in den letzten Jahrzehnten so viele Tüchtige mit der besten Kraft ihrer Seele gekämpft, so mancher Wackere seine bürgerliche Existenz aufgeopfert. Der kritische Teil der »Halle« wird hierin dem politischen treulich zur Seite stehen. Beide streben das gleiche an, Verbesserung unserer Zustände, und unterscheiden sich nur in der Wahl der Mittel, indem der letztere die Literatur zu Hilfe nimmt. Wir dürfen über dem Bürger nicht den Menschen vergessen, über die Politik nicht die Poesie. »Nicht Kirche und Staat, die freie Persönlichkeit des Menschen ist die erste und Hauptinstitution der Gesellschaft, und eine Hauptstelle, wo die Aufgabe der Jahrhunderte sich jetzt erkennen läßt, ist der stille Busen, das menschliche Herz.« So sei mir denn jeder willkommen mit den Schätzen, die er in dem stillen Busen, in dem menschlichen Herzen erbeutet hat, er soll an mir einen gerechten, nach Umständen enthusiastischen, immer aber seines Amtes wohl bewußten Kritiker finden. Werde ich mich auch Erscheinungen mit Vorliebe hingeben, in denen das Herz der Zeit pulsiert, es soll mir doch nie begegnen, daß ich bedeutsame Individualitäten unter Standpunkte nötige, wodurch die persönliche Berechtigung derselben geschmälert werden könnte. Ich werde die Feinheiten ästhetischer Kombination so gut zu schätzen wissen wie den großartigen Gedanken, der eine Produktion beherrscht. Nur was zusammenhanglos dasteht mit dem Leben der Nation oder gar deren Interessen verletzt, werde ich mit unerbittlicher Strenge bekämpfen ...