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Wie oft, liebe Freundin, denke ich jener Freitagabende, die ich in Ihrem Hause zugebracht, und die auch Sie, wie ich weiß, in guter Erinnerung behalten haben. Wie sollten Sie auch nicht! Es war die Zeit Ihrer jungen Ehe, Ihr lieber Philosoph lud seine Freunde an Ihren traulichen Abendtisch, vor uns Allen lag noch das Leben fröhlich und voller Verheißungen, wir Alle trugen noch die ganze zuversichtliche Liebe in uns zu allem Schönen und Wundervollen, was das Leben bringen sollte, und das gute, heitere Gesicht Ihrer alten Mutter, die still dabei saß, wenn wir unsere munteren Reden führten, war uns wie eine Bestätigung, daß das Leben Wort halten würde, daß man alt werden und heiter und gut bleiben könne.

Und hat es nicht auch Wort gehalten? Zwar das Vierteljahrhundert, das seitdem hingegangen, hat auch uns nicht geschont. Aber der bittere Ernst des Lebens, den wir Alle inzwischen erfahren sollten, hat die Quelle der Jugend in uns nicht verschütten können. Denn Sie wissen, liebe Freundin: damit eine Quelle nicht in den Sand verrinne, muß sie gefaßt und mit einem sicheren Rande umhegt werden. In diesem nicht immer leichten Geschäft haben damals die Freunde Einer dem Andern treulich geholfen, und eine solche Wohlthat ist lebenslang unvergeßlich.

Auch die Quelle der Dichtung verrinnt nur allzu bald, wenn sie nicht gefaßt wird, »befestiget mit dauernden Gedanken.« An jenen Freitagabenden, wo das Gespräch über die Räthsel dieser wunderlichen Welt nie stockte, wo ein Jeder das Beste gab, was er hatte, und immer, wenn wir uns von den Gipfeln der Betrachtung hinweg in die Wolken erhoben, ein heiterkluges Wort der Hausfrau zur rechten Zeit uns wieder zu der schönen Erde zurücklockte, –: an jenen Abenden ist auch dem Jüngsten in Ihrem Kreise der Blick aufgethan worden in manche Regionen, an denen das Auge des Poeten, wenn er nur aus Büchern und in Hörsälen philosphiren lernt, zu seinem eigenen Schaden vorbeisieht. Seitdem, so oft mich tiefere Probleme der geistigen und sittlichen Welt beschäftigten, habe ich an jenen Kreis gedacht, in welchem ich schon früh den Ernst des Gedankens üben und jeden schönen Schein, der nicht die Farbe der Wahrheit trägt, verschmähen lernte.

Lassen Sie mich zur Erinnerung an jene Zeit dieses kleine Buch Ihnen widmen. Es enthält, neben Harmloserem, ein paar nachdenkliche Geschichten, über die sich allerlei Philosophiren ließe. Wie viel lieber brächte ich sie Ihnen ins Haus, als Studien und Beiträge zum »Leben der Seele«, und horchte, was die Freunde für und wider zu sagen hätten. Aber den Füßen ist jetzt der Weg zu weit geworden, so nahe die Köpfe und Herzen einander geblieben sind. So muß man sich mit geschriebenen Worten behelfen lernen.

In alter Treue

Ihr

Paul Heyse.

München, im November 1874.

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