Hans Hoffmann
Ostseemärchen
Hans Hoffmann

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Der arme Krebs.

Der alte Fischer Gottlieb hatte nun endlich auch seine Badegäste. Er war erst etwas spät an die Reihe gekommen: das lag wohl daran, dass er den ankommenden Sommerfremden nicht entgegenlief noch seine Wohnung anpries, wie die meisten anderen Vermieter thaten; vielmehr stand er stets phlegmatisch vor seiner Hausthür, die Pfeife im Munde, und blickte nicht einmal den Wagen entgegen, welche die Herrschaften brachten, sondern steif und still in die See hinaus. Dass er damit absichtlich auf den besten Vorzug seines Hauses, den weiten 4 Ausblick auf die Ostsee, hätte aufmerksam machen wollen, ist nicht einmal anzunehmen; es war gewiss nur einfach so seine Natur, geruhsam zu warten und die Dinge und Menschen an sich kommen zu lassen.

Und nun waren sie an ihn gekommen, spät, aber dafür etwas Rechtes: nichts Geringeres nämlich als ein junges Paar in den Flitterwochen. Das war das Angenehmste, was sich erdenken liess: die machten keinen Lärm und störten ihn selten in seinen Betrachtungen. Sie sassen nach dem Bade den Tag über zumeist in der lauschigen Laube vor dem Hause und blickten abwechselnd auf's Meer hinaus und einander in die Augen; das zweite jedoch überwog sehr entschieden.

Gottlieb hingegen sah ohne jede Abwechselung immer nur aufs Meer hinaus, jedenfalls niemals in die Laube; und das war wieder den Beiden sehr angenehm. Nahe genug zwar war seine Bank dieser Laube, allein er schien sie doch weder zu sehen noch zu hören. Wenn die jungen Leute ihn einmal fragten, wonach er eigentlich so ausdauernd spähe, dann grinste er freundlich und sagte gelassen: »Ick kiek in See.«

5 Nun, so liessen sie ihn sitzen und ausschauen, und sie küssten sich immer sorgloser; und es war eitel Sonnenschein in ihren Herzen bei heiterem Himmel wie bei Regenwetter.

Die Nachbarn aber wunderten sich, dass auch der alte Gottlieb selbst mit so merkwürdig vergnügtem Gesicht sein Pfeifchen rauchte, da er doch sonst nicht wenig zu brummen hatte und ihnen gern unangenehme moralische Betrachtungen zum Besten gab.

Eines Tages, so auf der Höhe der Badezeit, bekam das Pärchen Besuch, und zwar einen, der dauernd im Hause blieb: eine alte Dame mit freundlichem Wesen, die Mutter des glücklichen jungen Gatten, machte ihnen die Freude. Das gab einen Empfangsjubel! Das hübsche Frauchen räufelte sich auf vor Liebe und Eifer, und die alte Dame liess es an Herzlichkeit und Theilnahme nicht fehlen.

So ging das einen Tag lang. Sie vergnügten sich zu Dreien in der hübschen Laube, und Gottlieb sass in heiterer Gleichgültigkeit auf seiner Bank rauchend daneben. »Ick kiek in See,« sagte er, als die alte 6 Dame ihn theilnehmend um sein Treiben befragte.

Am folgenden Tage war etwas verwandelt; eine Missstimmung war da, man wusste nicht, woher. Gottlieb wusste es gewiss nicht, denn was konnten ihn die Dinge auf dem Lande kümmern? Es fielen allerlei Bemerkungen, absonderlich zwischen den beiden Frauen, sehr sanft und freundlich im Ton: aber der Sonnenschein auf den Gesichtern war nicht mehr vorhanden. Der glückliche Gatte sass fast so stumm wie Gottlieb und machte ein Gesicht, als hörte er aus der Ferne ein Gewitter herangrollen. Noch ein ganz anderes Gesicht, als wenn er mit seinem Frauchen sich einmal ein bischen verzankt hatte.

Am dritten Tage hatte die junge Frau verweinte Augen und die alte etliche Falten mehr im Gesicht. Der junge Eheherr aber sass dazwischen mit eingezogenem Ellenbogen, als ob er von zwei Seiten zugleich Rippenstösse befürchtete. Und doch machten die Frauen nur ganz sanfte Bemerkungen: aber allerdings alle beide.

Gottlieb sass und rauchte gelassen, beinahe stumpfsinnig.

7 Das ging so noch einige Tage und ward nicht besser, wohl aber schlimmer.

Eines Abends nahm dieser Gottlieb eine Fackel und allerlei Gerät und sagte, er wolle krebsen gehen im nahen Strandsee.

»Wozu dient Ihnen die Fackel?« fragten die Damen.

»Die stecke ich an,« beschied sie der alte Fischer, »und wenn die Krebse das Feuer sehen, da kriegen sie Angst und wollen weglaufen: weil sie aber rückwärts gehen von Natur, kommen sie ja nun gerade erst recht auf mich zu, und ich greif sie mit der Hand. So fangen sie sich am besten.«

Der junge Herr schüttelte sonderbar den Kopf bei dieser Erklärung. Aber was sollte er sagen? Gottlieb machte ein gar zu ehrliches Gesicht.

Am nächsten Morgen wies dieser mit Behagen seinen Gästen den Fang vor. Es war ein tolles Gekribbel der so wenig schönen und doch so sehr appetitlichen Thiere. Auf einmal that er einen hastigen Griff in das schwärzliche Gewimmel, zog einen besonders fetten Burschen hervor und betrachtete ihn aufmerksam, ja fast ängstlich forschend.

8 »Den dürfen wir nicht essen,« erklärte er dann bestimmt mit seltsam dumpfer Stimme, »der muss wieder ins Wasser.«

»Warum? Ist er krank?« fragte der junge Gatte.

»Das wollen wir nicht hoffen,« versetzte Gottlieb, »aber sehen Sie ihn einmal an.«

Die Gäste thaten es, vermochten aber nichts Besonderes an ihm zu entdecken. »Hat er im Gesicht nicht so was Menschliches?« fragte jener wie mit stillem Schauder.

Man konnte nichts dergleichen erspähen und unterdrückte ein Lächeln. »Ja, Sie sehen das man nicht, Sie sind nicht drauf eingeübt,« bemerkte Gottlieb mit bescheidener Überlegenheit, »richtig ist es aber doch. Ich will drauf wetten, es ist ein verwunschener Mensch.«

Die Zuhörer lachten nun wirklich laut; Gottlieb blieb nur um so ernster.

»Ja, ja,« sagte er treuherzig, »nämlich ich habe selbst 'mal einen gekannt, der war ein Mensch und ist verwunschen und ein Krebs geworden und sogar bis heute geblieben. Wenn man das erlebt hat, kriegt man den Blick dafür.«

9 »Der Tausend, hören Sie,« rief der Eheherr, »das müssen Sie uns aber erzählen. Meine kleine Frau hört für ihr Leben gern Gespenstergeschichten.«

»So eine ist es nun ganz und gar nicht,« berichtigte Gottlieb, »denn es kommen keine Gespenster drin vor, sondern leibhaftige Menschen und Krebse. Aber erzählen will ich sie doch. Denn warum nicht? Erstens kostet das kein Geld, und zweitens ist sie wahr, und drittens, unmoralisch ist sie nicht.«

Er that ein paar tiefe Züge aus seiner kurzen Pfeife, spuckte kräftig in die Runde und begann etwas umständlich und feierlich zu erzählen:

Also er hiess Schiffer Kunkel, Christian Kunkel nämlich, nicht der Adalbert, der nach England segelte, sondern er fuhr zwischen hier und Kolberg auf Reihefahrt hin und her. Hier hatte er seine Mutter, die alte Kunkeln, und bei der wohnte er. Das war ordentlich schön zu sehen, wie nett die zusammen waren, und wie sie sich vertrugen und thaten sich alles zu gute, was sie nur konnten, immer einer dem anderen, 10 die Alte dem Jungen und der Junge der Alten. Zwietracht gab es da gar nicht.

Nun kommt das aber über manchen Menschen, man weiss nicht woher, dass er will 'ne Frau haben. Und das muss denn sein mit aller Gewalt. So kam es auch über Christian, und er nahm sich 'ne Frau. Die war aus Kolberg, und er liess sie auch da wohnen und war bei ihr immer die Zeit, wo er in Kolberg löschte und wieder lud. Und die andre Zeit wieder, wo er bei uns lag, wohnte er bei seiner Mutter.

Und diese junge Frau war eine hübsche und ordentliche und sanftmütige Person, und Christian und sie lebten zusammen wie die Engel im Himmel, und es gab niemals Unfrieden. Kam gar nicht vor. Auch nicht, wenn er 'mal ein Glas über den Durst getrunken hatte, wie ein Schiffer das manchmal muss, wo aber andere Weiber so leicht falsch drüber werden; diese aber wurde es nicht, sondern dachte: Es ist 'ne kleine Schwäche, so was muss einer haben, sonst wird er zu tugendhaft, und das macht ihn dann dicknäsig. Und sie brachte ihn zu Bett und liess ihn in Ruhe, bis er's 11 ausgeschlafen hatte. Und dafür hat er sie auch fast niemals gehauen: so glückselig und liebreich war dieser Ehestand.

Das weiss ich nun nicht für sicher: hat ihn überhaupt der Haber gestochen? Oder hat er sich gedacht: Leb' ich so glücklich mit meiner Mutter und so glücklich mit meiner Frau, so muss ich mit beiden zusammen doch doppelt so glücklich leben! Wenn er das so gedacht hat, denn war das 'ne Kunstrechnung: aber prosit Mahlzeit, 'ne falsche. Aber wer nach ihr gethan hat, das war mein Christian; er nahm seine liebe Mutter zu sich ins Haus nach Kolberg.

Da ist das nun sonderbar gegangen, ach, Du lieber Augustin! Die junge Hausfrau nämlich hat manche Hantierung anders in Gebrauch gehabt, als ihre Schwiegermutter das immer ist gewohnt gewesen in der guten alten Zeit; und da hat diese, die Alte, das unbedachte junge Wurm sanftmütig zurechtweisen und auf bessere Wege bringen wollen; aber die Junge hat von den altfränkischen Moden gar keine gute Meinung gehabt und hat sich auch nicht gern nach der Heirat noch 'mal in 'ne neue Erziehschule 12 geben mögen, und so hat sie sich ganz sachte und sanftmütig auf die Hinterbeine gesetzt. Und die Alte hat das übel vermerkt, dass ihre mühsamen Erfahrungen der Jungen nicht sollten zu gute kommen, und sie hat auch ihre Hinterbeine gehabt und hat sich auch drauf gesetzt, dass es nur so 'ne Art hatte.

Und der gute Christian – na, den ollen Jungen hat mal seine Frau beiseite geholt und hat ihm gesagt: ›Deine Mutter thut mir nicht gut.‹ Und hat ihn aufgehetzt und mit auf ihre Hinterbeine genommen, und sie sind so zusammen der Alten ans Leder gegangen, bis der die Puste ist ausgegangen. Und dann mal wieder hat ihm die Mutter das klar gemacht, seine Frau thät ihr nicht gut; und so haben sie zusammen die Junge vermöbelt, bis sie geheult hat wie ein Schlosshund. Und wenn er zuletzt mal wollte klug werden und sagen: ›Ach, lasst mich in Ruh'! Ihr seid eine wie die andere, macht Eure Nücken unter Euch ab, ich will meinen Frieden haben,‹ – dann haben sie richtig, hast Du nicht gesehen, Frieden gemacht: aber die Frauenzimmer nämlich unter sich und haben sich verbündet und ihn zwischen 13 zwei Feuer genommen und ihm seine Friedenssuppe gehörig versalzen. Und so ist das also jetzt um sein häusliches Glück und Leben bestellt gewesen.

Und in einer schönen Sommernacht, als er gerade hat aussegeln wollen und die Frauensleute sind noch mit ihm auf dem Fahrzeug gewesen und haben ihm mit ihren hinterbeinigen Redensarten den Abschied versüsst: da hat er mit 'nem hanebüchenem Fluche geschrieen: »Da möchte man ja gleich ganz und gar aus der Haut fahren! Oder ich wollt', ich säss' auf dem untersten Seegrunde als ein Krebs oder Hummer, was 'nen harten Hautpanzer hat und auch Scheren zum Kneifen.«

Indem er solchen Wunsch aussprach, hatte er nicht bedacht, dass es gerade Johannisnacht war um die Mitternachtsstunde, und dass da leicht Wünsche schlankweg in Erfüllung gehen, ganz besonders solche, wo man so greulich zu flucht. Und mit einem Mal haben die Weiber gesehen, wie er pardauz ist vornübergefallen und hat mit den Armen verwunderlich um sich gezappelt und die Beine und Füsse hat er 14 dicht zusammengefaltet, als wenn sie verklebt wären, und hat wild damit gestrampelt immer auf und ab. Und jetzt haben seine Arme ausgesehen wie Krebsscheren und sind auch welche gewesen und sein Hinterteil ein Krebsschwanz. Und immer kleiner ist er geworden, bis er nur noch so gross wie ein richtiger Krebs war, und dann hat er mit dem Schwanz einen tüchtigen Schlag gethan, und heidi, über Bord ins Wasser. Und weg war er, und hat ihn keine Seele mehr gesehen.

Wie dies so geschehen ist, haben mir die Frauenzimmer selbst erzählt: und da muss ich's doch für gewiss nehmen, denn sie haben's mit angesehen. Und sie haben mir noch was weiter erzählt: nämlich was sie nun gemacht haben. Geheult haben sie zuerst und sämmtliche Hände gerungen und haben sich die eine und die andere ihm nachstürzen wollen in die unergründliche See, haben's aber eine um die andere doch nicht gethan, sondern sind zusammen nach Hause gegangen und haben da fleissig weiter geheult.

Das ist so gegangen etliche Tage und 15 Wochen. Und haben immerfort von dem armen Christian geredet und haben auch 'rausgekriegt, dass er der beste Mensch unter der Sonne bei seinen oberseeischen Zeiten gewesen ist. Und das Merkwürdigste war, die beiden Frauen vertrugen sich von jetzt an wie die Lämmer, und kam keine Streitigkeit mehr vor.

Nach diesen etlichen Wochen aber haben sie sich's ausgedacht, dass sie ihren Christian erlösen müssten von dem schrecklichen Zauber. Weil sie aber selbst in ihrer Unschuld nicht Bescheid gewusst haben mit solchen Sachen, haben sie beschlossen, zu einer Hexe zu gehen, die im Nachbardorfe wohnte. Da sind sie also hingegangen und haben die Hexe auch zu Hause getroffen; die hat dagesessen in ihrem haarigen Grossvaterstuhl und hat einen schwarzen Bock auf dem Schoosse gehabt. Das hat fürchterlich ausgesehen. Die Frauen aber haben sich doch endlich ein Herz gefasst und bescheiden gefragt, wie sie ihren Christian aus dem Wasser und von seiner Krebsgestalt könnten erlösen.

»Das ist bald gemacht,« antwortete die 16 Hexe, »wie er sich selbst verwunschen hat, kann er sich auch erlösen. Er muss es bloss in der nächsten Johannisnacht laut aussprechen, dass ein Mensch es hört: dann ist der Zauber gebrochen, und er läuft wieder auf dem Lande und auf zwei menschlichen Beinen ohne Scheren umher. Das wollen wir machen.«

»Ja, wie sollen wir ihn aber herkriegen,« fragten die Frauen, »dass wir ihn können zum Reden bringen?«

»Das will ich alles besorgen,« beschied sie die Hexe, »kommt nur wieder hierher, sobald es an der Zeit ist.«

Da gingen sie nach Hause und warteten in Jammer und Sehnsucht, aber bei guter Verträglichkeit, bis die Sonnwendzeit wieder da war. Und dann gingen sie wieder zur Hexe und fanden sie richtig mit ihrem schwarzen Bock. »Nun wartet bis Mitternacht,« sprach die zu ihnen.

Als es aber endlich gegen die Mitternacht kam, und es war doch nicht recht dunkel, sondern ein glimmrig Licht, das doch keinen Schatten machte, alles war schummrig und graulich: da führte die 17 Hexe sie an einen Brunnen auf dem Hofe und liess sie da hineinsehen. Der war aber so tief, dass sie erst gar keinen Grund sahen, sondern alles war pechschwarz. Die Hexe brummelte allerlei Sprüche und kraute dabei ihren Bock, und sie mussten das auch thun und dabei immer in die Tiefe sehen.

Und da sahen sie erst ein bläuliches Flämmchen und dann einen stärkeren Lichtschein, und zuletzt wurde es ganz hell. Und sie sahen Steine daliegen, mit Moos bewachsen, und allerlei Wasserkraut.

Und nun kam unter einem Stein hervor ein Krebs gekrochen. Der war aber gerade in der Mauser, hatte seine Schale abgeworfen und war drum ganz nackend und ungeschützt und sah sehr ruppig und jämmerlich aus. Sie konnten aber doch deutlich erkennen, dass es ihr Christian war, hauptsächlich an den Augen, obgleich die richtig gestielt waren, wie das bei Krebsen so ist. Aber Christians Augen hatten schon vorher oft so was Gestieltes gehabt, wenn die Weiber ihn quälten.

Und nicht lange, so kamen zwei andere Krebse dazu gekrabbelt; die hatten aber 18 ihren Panzer und sahen stark und munter und grimmig aus. Und die gingen nun auf den armen Krebs-Christian los und zwackten und kniffen ihn mit ihren scharfen Scheren elendiglich, der eine von rechts und der andere von links, und rissen ihm grosse Fetzen von seinem weissen Fleische heraus, und er konnte sich nicht schützen; es war schauderhaft anzusehen. Die armen Weiber schrieen laut auf vor Wehleid und Erbarmen und die Mutter sprach:

»Lieber Sohn, komm herauf,
Deinen Zauber lös' ich auf.«

Und seine Frau sprach:

»Komm herauf, lieber Mann,
Dass ich dich herzen und küssen kann.«

Und die Hexe sprach:

»Dummer Krebs, sprich ein Wort,
Und der Zauber weichet fort.«

Da kam Krebs-Christian ein wenig in die Höhe gestiegen, und als er die Hexe mit ihren Triefaugen und den scheusslichen schwarzen Bock sah, machte er ein vergnügtes Gesicht und stieg noch höher und wollte schon sprechen. Jetzt sah er aber auch seine Mutter und seine Frau, die sich eben weiter vorbeugten, und er erkannte, 19 dass sie immer noch beide zusammen waren. Als er das sah, kniff er den Schwanz ein und fuhr mit einem Ruck wieder ganz in die Tiefe. Und als er dort sass und die andern zwei Krebse ihn wieder gottsjämmerlich zerfleischten, rief er mit vernehmlicher Stimme:

»Ich armer Krebs, ich armer Mann,
Bei Euch war ich zehnmal schlimmer dran.«

Und er liess sich geduldig weiter zwacken, dass die Fetzen nur so flogen, und fügte noch hinzu:

»Ich bleib hier unten so lange Frist,
Bis mir die Schale gewachsen ist.«

»Ja, da ist nichts zu machen,« sagte die Hexe, »wenn er nicht will, kann man ihn nicht zwingen. Er weiss genau, dass diese Art Schale hundert Jahre braucht, um richtig zu wachsen; so lange muss er sich kneifen lassen; dann erst kann er wieder herauf kommen und sich erlösen lassen. So lange müsst ihr nun warten.«

Und dabei ist's geblieben. Die Mutter hat ihren Sohn und die Frau ihren Mann bei ihren Lebzeiten nicht wiedergekriegt. Es war eine traurige Geschichte.

20 Aber nun sehen Sie sich noch mal dies Krebsvieh an, ob es nicht was Menschliches im Gesicht hat, und es ist am Ende der arme Christian. Er hat zwar 'ne Schale; aber die mag wohl bloss für die Oberwelt sein, so eine, die für da unten nicht gilt. Immer ist es am besten, ich lass' ihn wieder in's Wasser. – –

Und Gottlieb nahm diesen fetten Krebs und warf ihn in einem mächtigen Bogen weit in die See hinaus. Und dann setzte er sich auf seine Bank und rauchte gemächlich weiter. »Ick kiek nu wedder in See,« bemerkte er gemütsruhig.

Die drei Zuhörer machten sonderbare Gesichter und hatten sonderbare Gedanken über den alten Gottlieb.

Am nächsten Tage sass das Flitterwochenpärchen zu zweien in der Laube, und sie strahlten beide von ausbündiger Heiterkeit.

 


 


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