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Leander. Heinrich.
Leander (im Schlafrock, sich die Augen reibend). Heinrich, was ist die Uhr?
Heinrich (gähnend). Die Uhr geht auf Frühstück, Herr. Aber ich weiß nicht, weshalb wir so früh aufstehen sollen; seht einmal nach der Uhr, Herr!
Leander. Element, ist es möglich? Sollen wir haben so lange schlafen können, vier Uhr Nachmittags? Meine Uhr zeigt auf vier!
Heinrich. Ei, das ist nicht möglich, Herr, das muß vier Uhr früh sein.
Leander. Ja, richtig, um vier Uhr früh im Januar ist es wol auch so hell?
Heinrich. So muß die Sonne falsch gehen; es kann unmöglich Nachmittag sein, wir stehen ja eben erst auf.
Leander. Auch wenn die Sonne falsch geht, so weiß ich doch, daß meine Uhr richtig geht; es ist eine englische Uhr.
Heinrich. Ei, Herr, Uhren und Sonnenzeiger richten sich ja nach der Sonne. Will der Herr nur einen Versuch machen und die Sonne zurückstellen auf neun oder zehn, so wird er ja sehen, ob die Uhr nicht auf den Fleck zurückavancirt; auf so etwas muß ich mich verstehen.
Leander. Was für Narrenspossen! Ich glaube, die Maskerade summt Dir noch im Kopfe herum. 342
Heinrich (gähnend). Kurz und gut, Herr, wenn die Uhr vier ist, so ist es vier Uhr früh.
Leander. Wir sind ja aber erst nach vier von der Maskerade nach Hause gekommen.
Heinrich. Allerdings, jetzt merke ich auch, daß ich Hunger habe. Aber da ist Arv, den will ich fragen, was die Uhr ist.
Leander. Heinrich. Arv.
Heinrich. Guten Morgen, Arv; was ist die Uhr?
Arv. Hättest Du so viel Donnerwetter auf den Kopf bekommen, als die Uhr von heute früh bis jetzt geschlagen hat, da wärst Du ein gemachter Mann.
Heinrich. Was ist die Uhr denn jetzt?
Arv. Die Uhr hängt im Thurm, und Du sollst am Galgen hängen.
Leander. Nun höre mal Einer den unverschämten Schlingel. Kannst Du nicht sagen, was die Uhr ist?
Arv. Die Uhr ist vier, Monsieur.
Leander. So ist also Mittag vorbei?
Arv. Man pflegt so zu rechnen, daß Mittag vorbei, wenn es vier Uhr Nachmittags ist.
Leander. Siehst du wol, Heinrich, daß meine Uhr recht geht?
Heinrich. Schlag' der Teufel in die Geschichte! Nun habe ich mich um mein gutes Mittagsessen herumgeschlafen; was haben wir heute Mittag gehabt, Arv?
Arv. Süße Grütze und Stockfisch.
Heinrich. Habt Ihr mir was aufgehoben?
Arv. Nein, Deine Portion hat Sultan der Hofhund gekriegt; denn wer nicht zur rechten Zeit zu Tisch käme, sagte der Herr, der sollte auch nichts zu essen haben. Wie Du das nun von Sultan wiederkriegst, da sieh' Du zu.
Leander. Aß Papa heute zu Hause?
Arv. Ja, er aß in seinem Bauer, wie gewöhnlich. 343
Leander. Du Dummkopf, ich frage ja nicht nach dem Papagei, ich frage nach meinem Vater?
Arv. Nein, der Herr aß heute bei dem fremden Manne, dem Monsieur Leonhard.
Leander. Das war doch ein Glück, Heinrich, daß mein Vater heute nicht zu Hause gegessen hat, sonst hätte er gemerkt, daß wir auf der Maskerade gewesen. (Arv geht ab.)
Heinrich. Will der Herr nicht hinein gehen und sich anziehen? Es könnte sich doch fügen, daß Ihr Vater herkäme, und da wäre es doch einigermaßen verdächtig, so spät noch im Schlafrock zu gehen.
Leander. Er ist bei meinem zukünftigen Schwiegervater, da kommt er nicht so schnell zurück.
Heinrich. Aber mit Permiß, Herr: Ihre zukünftige Frau Liebste, sieht sie gut aus?
Leander. Das weiß ich wahrhaftig nicht.
Heinrich. Das ist doch seltsam, sich mit jemand zu verheirathen, den man nie gesehen hat.
Leander. Gesehen habe ich sie, wie sie sechs Jahre alt war, und da versprach sie recht hübsch zu werden.
Heinrich. Wie alt ist sie denn jetzt?
Leander. Achtzehn Jahre.
Heinrich. Potz Schlag, das ist lange Zeit, da kann ihr die Vergoldung unterdessen abgegangen sein.
Leander. Doch rühmen die Leute noch ihre Schönheit. Morgen soll ich zu ihr hin, da werde ich ja zu sehen kriegen, ob es wahr ist; ist sie nicht so, wie man sie mir beschrieben, so mache ich mein Compliment und gehe ab. Aber wir müssen doch zusehen, daß wir etwas zu essen kriegen; die Zeit vergeht rasch, und um acht müssen wir wieder auf der Maskerade sein.
Heinrich. Ei, das ist hübsch, ich denke da heute Abend eine ganze Anzahl Florbesen zu treffen.
Leander. Das ist das Schlimme dabei, Heinrich, daß da so viele ordinäre Frauenzimmer hinkommen.
Heinrich. Ei, Herr, das ist gerade der Vorzug von solcher Maskerade, daß da alle an demselben Strang ziehen. Uebrigens 344 sind die Mamsells, die ich erwarte, wahrhaftig alle von ganz vornehmem Stande. Da ist dem Bürgermeister sein Stubenmädchen, Peter Sattlers Tochter, Else Schulmeisterin, Lisbeth, der Apfelsinenfrau jüngste Tochter, die älteste hat nämlich Zahnschmerzen, und außerdem noch drei hübsche Mädel, die ihre eigene Stube haben und sich selbst kochen und waschen.
Leander. Allerdings, da hast Du Recht, Heinrich, das sind lauter vornehme Damen, besonders die letzten drei, die sich selbst kochen und waschen.
Heinrich. Aber da kommt die Frau Mutter.
Leander. Meine Mutter kann immer kommen, die denke ich noch dahin zu bringen, daß sie mit mir auf die Maskerade geht.
Heinrich. Das wäre prächtig, ich wollte auch wahrhaftig mit ihr tanzen.
Leander. Wenn sie Dich nicht kennt, so könnte es wol geschehen.
Heinrich. Laßt mich nur machen, ich will mich schon so maskiren, daß sie mich nicht kennen soll.
Magdelone. Leander. Heinrich.
Magdelone. Nun, mein lieber Sohn, wie war es denn gestern Nacht auf der Maskerade?
Leander. Woher weiß Mama denn, daß ich dagewesen?
Magdelone. Ich habe es von Arv gehört.
Leander. Der Schuft kann doch nie den Mund halten. Indessen hat es nichts zu sagen, wenn nur mein Vater es nicht zu wissen kriegt.
Magdelone. Kommen denn auch wol alte Frauen auf die Maskerade?
Leander. Wir weisen niemand ab, es kommt alles durch einander, jung und alt.
Magdelone. Würde eine alte Frau wirklich nicht 345 abgewiesen, so wüßte ich wol eine, die nicht übel Lust hätte, heute Abend mitzukommen.
Leander. Was für eine Frau ist das?
Magdelone. Das bin ich selber.
Leander. Das wäre wahrhaftig nicht dumm, könnte es irgend nur auf eine schlaue Manier eingerichtet werden, daß mein Vater nichts davon zu wissen kriegte.
Magdelone. Ei, wie sollte er wol davon zu wissen kriegen, er geht zeitig ins Nest und steht zeitig wieder auf; ich werde sagen, ich befände mich heute Abend nicht wohl, so schläft er allein.
Leander. Das läßt sich hören. Aber kann Mama tanzen?
Magdelone. Tanzen? Ja gewiß kann ich tanzen, sieh mal her! (Sie singt und tanzt.)
Heinrich. Donnerwetter, Muttern ihre Füße gehen wie Trommelstöcke.
Magdelone. Wie ich jung war, habe ich alle Tänze tanzen können, sogar die Folie d'Espagne, die geht nämlich so . . . . (Tanzt und singt die Folie d'Espagne)
Heinrich. Das war wahrhaftig bewundernswerth. Ach, noch eine Folie, beste Madame!
Magdelone. Nein, jetzt nicht, ich schone meine Beine zu heute Abend. Aber da ist mein Mann; wenn er mich nur nicht hat tanzen sehen.
Jeronimus. Magdelone. Leander. Heinrich.
Jeronimus (mit einem leichten Rausch). Na, Kinder, steht Ihr hier schon wieder allesammt müßig, giebt es nichts zu thun in der Wirthschaft?
Magdelone. Ich bin heute nicht im Stande etwas zu thun, mein Herz; es ist mir wahrhaftig, als hätt' ich das Fieber in den Gliedern, ich fürchte, ich werde eine unruhige Nacht haben diese Nacht.
Jeronimus. Das bedaure ich, habt Ihr es denn im Kopfe? 346
Magdelone. Ach ja, es ist mir, als wäre mir der Kopf mitten durchschlagen.
Jeronimus. Habt Ihr auch Durst?
Magdelone. Erschrecklichen. Und dabei habe ich solche Unruhe in den Gliedern; es wird gut sein, wenn ich heute Nacht allein schlafe.
Jeronimus. Ei, von Herzen gern. Aber wenn da ein Fieber in Anzug ist, so müßt Ihr bei Zeiten was gebrauchen. Ihr müßt zu Ader lassen.
Magdelone. Ach nein, mein Herz, so krank bin ich doch noch nicht, daß ich müßte zu Ader lassen.
Jeronimus. Was für wunderliche Reden! Wollt Ihr etwa morgen daliegen und das Fieber haben? Heinrich, spring' mal nach Meister Hermann, er möchte doch herkommen und meine Frau zu Ader lassen.
Heinrich (bei Seite). Alle Wetter, wie wird das ablaufen?
Magdelone. Ach nicht doch, mein Herzensmann!
Jeronimus. Halt' Du Dich nur ruhig, mein Herz, und laß mich machen. Zeigt mal Euren Puls her? Alle Wetter, das ist die höchste Zeit zum Aderlassen, Euch steckt eine Alteration im Blute, das merk' ich schon. Spring' schnell hin, Heinrich, und bitte ihn, daß er selber komme, seine Gesellen sind mir nicht gut genug dazu.
Magdelone. Ach, mein allerliebster Mann, laß mich doch nur noch erst eine Stunde abwarten!
Jeronimus. Auf eine Stunde kann es allerdings nicht ankommen, aber bevor Ihr zu Bett geht, müßt Ihr wirklich zu Ader lassen. Nun aber Ihr da, Junker, wie kommt denn das, daß Ihr noch so spät im Schlafrock seid? Ihr seid wol Eurer Gewohnheit nach die Nacht wieder spät nach Hause gekommen?
Leander. Nein, wahrhaftig nicht, ich habe den ganzen Tag gesessen und geschrieben.
Jeronimus. Es sollte mir lieb sein, wenn es so wäre, und Ihr würdet einmal ordentlich; Ihr seid nachgerade in dem Alter, daß Ihr anfangen könntet, nachzudenken und aufzuhören mit der Pflastertreterei, zu der Ihr nur allzu viele Neigung habt. 347
Leander. Ich habe mir doch nichts Schlimmeres zu Schulden kommen lassen, als die meisten jungen Männer hier in der Stadt thun.
Jeronimus. Das will sagen: Ihr bankettirt hier und da, Ihr verspielt Euer Geld, Ihr macht die Cour und kurzum, Ihr lebt wie ein richtiger Jean de France. Aber freilich, Schlimmes ist nicht dabei, die meisten jungen Männer leben ja ebenso.
Leander. Aber hat denn Papa, wie Er jung war, so eingezogen gelebt?
Jeronimus. Wie ich jung war, lebte man ganz anders, obwol wir noch einmal so viel Geld hatten. In der ganzen Stadt gab es damals nicht mehr als vier Kutschen. Vornehme Leute ließen sich von ihren Mägden nach Hause leuchten; war aber das Wetter schlecht, so ging man in StiefelnMan muß festhalten, daß Schuhe und Strümpfe damals in Kopenhagen (wie anderwärts) die allgemein übliche Tracht waren, Stiefel aber nur bei schlechtem Wetter, auf Reisen und bei ähnlichen Gelegenheiten getragen wurden. A.d.Ü.. Was das wäre, in einem Wagen fahren, das hab' ich, so lange ich jung war, gar nicht gewußt. Jetzt aber kann man ja nicht drei Schritte gehen, ohne einen Tagedieb hinter sich zu haben, und wenn man über die Straße geht, so muß man ja fahren.
Heinrich. Da müssen die Straßen damals wol auch nicht so schmutzig gewesen sein wie jetzt.
Jeronimus. Allerdings, die Straßen waren rein; aber wovon sind sie jetzt so unrein, als von den vielen Kutschen? Vor diesem gingen vornehme Leute zu Fuß nach GyllenlundEin beliebter Vergnügungsort in der Umgebung von Kopenhagen; ebenso das Akt II, Scene III vorkommende Friedrichsthal. A.d.Ü., jetzt gilt es ja aber für eine Schande, einen Fuß auf die Straße zu setzen. Ist es nicht, wie ich sage, meine liebste Frau?
Magdelone. Ja sicher; ich lebte in meiner Eltern Haus wie in einem Kloster.
Heinrich (bei Seite). Ach, die arme Frau!
Magdelone. Darum aber haben auch noch jetzt weltliche Thorheiten keinen Reiz für mich, weil ich nämlich in meiner Jugend niemals Geschmack daran gefunden habe. 348
Eine Frau mit Maskenanzügen. Die Vorigen.
Die Frau. Hier, meine beste Madame, sind die Maskenanzüge, die Sie bestellt haben, ich hoffe, sie werden Ihnen recht sein.
Jeronimus. Was alle Wetter heißt das? Wollt Ihr auf die Maskerade?
Magdelone. Sie ist gewiß falsch, mein liebster Mann.
Jeronimus. He, Frau, für wen sollen die Maskenanzüge?
Die Frau. Die sollen für die Frau, die sie bestellt hat zu heute Abend.
Jeronimus. Ihr seid auf dem Holzweg, mein Kind, für meine Frau ist das nicht.
Die Frau. Nu, das ist doch seltsam, sie hat ja erst selbst vor einer halben Stunde deshalb zu mir geschickt.
Magdelone. Ei, hol' Dich Dieser und Jener, mir so was auf den Hals zu lügen!
Heinrich. Sie hat ihre Ladung, Herr; der Branntwein dampft ihr aus dem Halse, als ob ein Schornstein raucht.
Jeronimus. Geht nach Hause und legt Euch schlafen, gute Frau.
Magdelone. Das ist doch was Schreckliches, solche betrunkene Frau.
Die Frau (weinend). Das soll mir doch keiner mit Grund nachsagen, daß ich trinke; bin ich auch arm, so bin ich doch eine anständige Frau.
Heinrich (bei Seite). Hätte sie noch nie zu Ader gelassen, heut muß sie es gewiß noch.
Die Frau. Es ist ja noch keine halbe Stunde her, da sprach sie mit mir und sagte, sie wollte auf die Maskerade, und bat mich, ihr hübsche Kleider zu besorgen. Ja gewiß hat sie das gethan, ich bin weder betrunken, noch verrückt.
Magdelone. Macht fort, Frau, ich kann den Branntweinsgeruch nicht vertragen. 349
Jeronimus. Geht Ihr nun nicht Eurer Wege, so lasse ich Euch ins Spinnhaus bringen.
Ein Kerl. Die Vorigen.
Ein Kerl (tritt ein mit einigen Masken). Hier sind allerhand Masken, Frau, nun kann Sie wählen, welche Ihr am besten paßt. Aber das Stück kostet zwei Thaler.
Die Frau. Nun könnt Ihr doch sehen, mein Herr, daß ich weder betrunken bin, noch verrückt.
Jeronimus. Ah, das ist unerhört! Nun begreife ich allerdings, wo das Fieber herkommt und die Unruhe in den Gliedern und warum sie allein schlafen will.
Magdelone. Aber, mein liebster Mann . . . .
Jeronimus. Nur stille, entschuldigen läßt sich da nichts. Eine Frau in den Jahren will auf die Maskerade gehen? Ein hübsches Exempel für die Jugend, in der That, besonders für Kinder und Gesinde!
Magdelone. Ich wollte ja blos einmal sehen, wie es da zugeht, damit ich nachher die Andern mit desto besserem Grund davon abhalten könnte.
Jeronimus. Eine herrliche Entschuldigung! Macht nur, daß Ihr hineinkommt, Madame, und laßt Euch heut und morgen vor niemand sehen, bis Ihr Pönitenz gethan habt. Und Ihr da mit den Masken und den Maskenanzügen, wenn Ihr noch einmal mit solchem Plunder in mein Haus kommt, so lass' ich Euch Arm und Bein entzweischlagen!
(Magdelone, die Frau und der Kerl gehen ab.)
Jeronimus. Leander. Heinrich.
Jeronimus. Wenn ich es mir recht überlege, so ist es wirklich zum Tollwerden; sie hatte solche Unruhe in den Gliedern, 350 ein Fieber war im Anzuge! Ja, gewiß war es im Anzuge; sind doch solche verwünschten Gelüste noch schlimmer als krank sein, zu Ader lassen muß sie. Euch, Leander, hab' ich jetzt gar nichts mehr zu sagen; kann Eure Mutter auf die Maskerade gehen, so ist für Euch nichts Verbotenes dabei, ins Hurenhaus zu gehen. Ihr werdet heute Abend wieder hingehen?
Leander. Nein, ich gewiß nicht.
Jeronimus. Ich werde da auch einen Riegel vorschieben. Je mehr ich Zeit und Umstände bedenke, je größer ist mein Schmerz. Nun wäre es gerade an der Zeit, Euch Zwang anzuthun, da wir in Verbindung getreten sind mit einem wackern Manne, dessen Tochter Ihr heirathen sollt. Ist diese Aufführung nicht allein hinreichend, alle meine Pläne zu vereiteln und Euer eigenes Glück zunichte zu machen? Glaubt Ihr wirklich, daß Monsieur Leonhard seine einzige Tochter solchem Pflastertreter geben wird? Ueberlegt es wohl, mein Sohn, es thut mir weh, Euch so harte Worte sagen zu müssen, gerade jetzt, da Ihr im Begriff seid, mein Haus zu verlassen. Schlagt Euch denn die Narrenspossen aus dem Kopfe und denkt darauf, Euch zu insinuiren bei Seigneur Leonhard, von dem ich bereits das Jawort für Euch bekommen habe, so daß nichts weiter nöthig ist, als daß Ihr selber mit ihm sprecht. Ich habe zugesagt, daß Ihr morgen früh hinkommen werdet; geht also heute Abend zeitig zu Bett, damit Ihr morgen bei Zeiten aufstehen könnt.
Leander. Es soll geschehen, theuerster Vater.
(Ab mit Heinrich.)
Jeronimus. Arv.
Jeronimus. Arv!
Arv. Ja, Herr!
Jeronimus. Höre, Arv, Du sollst heute Nacht hier an der Thüre bleiben und Acht geben, ob mein Sohn ausgeht.
Arv. Da belieben der Herr mir nur eine Compagnie 351 Dragoner zum Beistand zu geben. Denn obwol ich hier als Commandant angestellt bin, so wird es mir doch verwünscht übel gehen, wollte ich wirklich den Versuch machen, ihm den Paß zu verlegen. Ich habe nämlich gemerkt, er hat einen falschen Hauptschlüssel.
Jeronimus. Hindern sollst Du ihn auch nicht, sondern blos mir Anzeige machen, wenn Du spürst, daß Jemand hinaus will.
Arv. Das werde ich schon thun.
Jeronimus. Komm so lange herein.
(Beide ab.)
Heinrich allein.
Heinrich. Alle Wetter, das war ein Glück, daß ich auf der Lauer stand und diesen Anschlag hörte! Steht mein alter Genius mir bei, so wird das ein unglückseliges Commando, das Arv zu führen kriegt. Denn auf die Maskerade müssen wir, und sollte ich morgen ausgehauen werden. Welche Schande wäre das für mich, fortzubleiben, nachdem ich so vielen hübschen Mädchen mein Wort gegeben habe! Es war auch ein rechtes Unglück, daß diese verwünschten Menschen gerade zu so ungelegener Zeit uns zu sprechen kamen, besonders der letzte mit den Masken; denn wäre der nicht gekommen, so hätten wir dem Alten aufgebunden, das Weib mit den Kleidern wäre betrunken. Nun ist mein Herr drinnen und zieht sich an, und wenn er herauskommt, wollen wir Rath halten, wie die Festung am besten gestürmt werden kann. Ha ha, das ist auch der richtige Kerl, Schildwache zu stehen; da gehört nicht viel Kunst dazu, solchen Dummkopf zum Narren zu halten. Aber da kommt mein Herr, und zwar angezogen. 352
Leander. Heinrich.
Leander. Das war eine verfluchte Geschichte, Heinrich, daß meine Mutter auf so schmähliche Weise blamirt wurde.
Heinrich. Ja, aber die Wahrheit zu sagen, weiß ich auch wirklich nicht, was solche alte Frau auf dem Maskenball will.
Leander. Nach diesem Auftritt wird ihr die Lust wol vergehen.
Heinrich. Da wird heute Nacht wol eine schöne Gardinenpredigt gehalten werden.
Leander. Es thut mir doch wirklich leid.
Heinrich. Bekümmern wir uns aber lieber um unsere eigenen Angelegenheiten, Herr; die Sache wird sich schon noch wieder zurechtziehen. Laßt uns denn unsere eigenen Angelegenheiten in Acht nehmen; er hat da gewisse Anschläge gegen uns gemacht, die allerdings nicht gefährlich sind, aber doch Gegenanstalten erfordern.
Leander. Was sind das für Anschläge?
Heinrich. Wie ich dem Herrn seinen Vater nach Arv rufen hörte, da errieth ich sofort, daß er etwas Heimliches mit ihm zu reden hätte; ich stellte mich also auf die Lauer und da hörte ich denn, daß er heute Nacht am Thorweg Wache stehen und aufpassen soll, ob jemand hinaus geht.
Leander. Das ist eine verwünschte Geschichte, Heinrich; ich möchte um keinen Preis, daß mein Vater davon zu wissen kriegte, und doch kann ich auch unmöglich von der Maskerade wegbleiben.
Heinrich. Na wahrhaftig, und ich noch weniger, da ich so honneten Leuten zugesagt habe.
Leander. Auf welche Weise wollen wir aber verhindern, daß mein Vater nichts davon zu wissen kriegt?
Heinrich. Vermittelst meines Scharfsinnes.
Leander. Hast Du schon etwas ausfindig gemacht?
Heinrich. Nein, noch nicht. 353
Leander. Die Zeit drängt, Heinrich, es ist schon spät.
Heinrich. O ja, für einen Schwachkopf drängt die Zeit, für solch Gehirn aber, wie meines, ist es noch Zeit genug.
Leander. Was meinst Du, wäre es nicht das Beste, wir drückten ihm einen Thaler in die Hand?
Heinrich. Der Einfall ist nicht so dumm; gebt mir nur einen Thaler, Herr, so will ich ihn schon auf unsere Seite bringen.
Leander. Sieh her, da ist ein Thaler, aber erst mußt Du ihn schwören lassen, bevor er das Geld bekommt.
Heinrich. Aber nein, überlege ich es mir recht, so ist es nichts mit dem Plan. Das Beste ist, ich behalte den Thaler; wozu braucht der Schlingel Geld? Ich werde machen, daß er den Mund hält, auch wenn er nichts bekommt.
Leander. Allen Respect vor Deiner Schlauigkeit, Heinrich; es war eine artige Invention, mich um einen Thaler zu bringen.
Heinrich. Damit habe ich nur zeigen wollen, daß ich zu Größerem geschickt bin, sofern ich dem Herrn damit zu Diensten sein kann; was kümmere ich mich sonst um einen lumpigen Thaler?
Leander. Der soll Dir gern geschenkt sein, wenn Du nur zu Stande bringst, was Du versprochen.
Heinrich. Ich habe ihn schon im Garn; laßt uns bei Seite gehen.
Arv. Nachher Heinrich.
Arv. Ich werde ein bischen frieren, wenn ich die Nacht Schildwache stehe. Aber das will doch nichts helfen, Herr Jeronimus hat mir zwei Mark Wächterlohn versprochen, aber wenn ich auch nicht einen Schilling kriegte, so habe ich doch mein Vergnügen daran, Heinrich einen Possen zu spielen. Der Schlingel hat zu gute Tage hier im Hause, darum wird er von Tag zu Tag übermüthiger und stellt sich so verwünscht vornehm, daß er kaum noch weiß, ob er mit einem ehrlichen Kerl, wie ich 354 bin, zu Tisch sitzen und ins Wirthshaus gehen soll oder nicht. Er macht schon ein ganz saures Gesicht, wenn ich ihn schlecht und recht Heinrich nenne. Der Schuft hat sich nämlich einen Beinamen zugelegt und schreibt sich Heinrich Apfelmus. Und bleibt er noch eine Weile länger in Monsieur Leanders Diensten auf diesem Fuße, so schreibt er sich noch nächster Tage Heinrich von Apfelmus. Aber wenn er sich auf den Kopf stellt, so nenne ich ihn nicht anders als schlecht und recht Heinrich; denn so gut wie die Bestie bin ich noch allemal. Ich könnte mir ebenso gut einen Beinamen zulegen wie er; zum Exempel, ich bin geboren in der Christen-Bernikovstraße; wollte ich mich nun nennen Arv Christen-Bernikovstraße, wer könnte mir das wehren? Aber dieser Nagel, den die Bedienten sich in den Kopf setzen, übersteigt jeden Begriff; sobald diese Schufte einen Haarbeutel im Nacken tragen . . . .
(Bei diesen Worten kehrt er sich um und erblickt Heinrich, der sich als Gespenst verkleidet hat; er fängt an zu schreien und fällt auf die Kniee.)
Heinrich (mit dumpfer Stimme). Nun ist Deine Stunde gekommen, daß Du büßen sollst für Deine Missethat!
Arv. Ach, wohledler und wohlgeborner Herr Satan, schont meiner!
Heinrich. Fort! fort! Du sollst empfangen, was Du durch Deine Thaten verdient hast!
Arv. Ach, Euer Gnaden, gebt mir doch nur einen einzigen Tag Aufschub!
Heinrich. Kein Aufschub, es sei denn, daß Du sofort Deine Missethaten bekennst!
Arv. Ach gern, ach gern! Ach, ich habe ja nichts Böses gethan, Herr Lucifer!
Heinrich. Fort, fort mit Dir!
Arv. Ach ja, ich habe etwas gethan!
Heinrich. Bekenne sofort!
Arv. Vergangene Woche habe ich ein Achtel Mehl im Hause gestohlen.
Heinrich. Weiter, weiter!
Arv. Vor drei Wochen habe ich Rauchfleisch gestohlen. 355
Heinrich. Weiter, weiter, Du Hund, oder ich . . . .
Arv. Vorgestern Nacht habe ich gestohlen . . . .
Heinrich. Was hast Du gestohlen?
Arv (weinend). Der Köchin ihre Jungferschaft.
Heinrich (nimmt die Decke ab). Arv, bist Du so furchtsam im Dunkeln?
Arv. Ach, daß Dich der Henker hole!
Heinrich. Es ist mir recht angenehm, daß ich solche Historien weiß, damit Herr Jeronimus Dich kennen lernt.
Arv. Ach, lieber Heinrich, verrathet mich nicht!
Heinrich. Redensart!
Arv. Ach, Monsör Heinrich!
Heinrich. Da hilft kein Bitten.
Arv. Ach, Monsör Heinrich Apfelmus!
Heinrich. Damit solch ein scheinheiliger Hund seine Strafe kriegt.
Arv. Ach, Monsör Heinrich von Apfelmus!
Heinrich. Nun kannst Du ja Herrn Jeronimus sagen, daß wir heute Abend auf die Maskerade gehen; ich weiß recht gut, daß Du deswegen hier bist und aufpassest.
Arv. Ja allerdings, Herr Jeronimus hat mir befohlen, zu dem Ende in der Hausthüre zu stehen; aber ich werde Euch wahrhaftig nicht verrathen.
Heinrich. Nun können wir uns gegenseitig verrathen: ich kriege für das, was ich gethan habe, Ohrfeigen, und Du wirst gehängt.
Arv. Geht doch so oft auf die Maskerade, wie Ihr Lust habt, ich werde wahrhaftig nie was davon sagen.
Heinrich. Nun wol, so werde ich Dich auch nicht verrathen.
Arv. Kann ich mich darauf verlassen?
Heinrich. Sieh her, da hast Du meine Hand darauf, daß, so lange Du uns treu bist, ich auch von Dir nichts sage. Geh' nun nur hin und leg' Dich ins Bett.
Arv. Ja, das will ich auch thun. (Ab.)
Heinrich. Adieu, Arv, eine gute geruhsame Nacht! – Nun habe ich durch meine Schlauigkeit doch so viel erreicht, daß der 356 Lump, der bisher den Verräther spielte, inskünftige uns zu Diensten sein, ja das Leben für uns lassen muß. Denn sobald er nur die kleinste Miene macht, drohe ich mit einem Memoire, worin das Mehl, das geräucherte Fleisch und der Köchin ihre Jungferschaft ihre Rolle spielen sollen. Aber nun muß ich hinein und die Geschichte meinem Herrn erzählen. (Ab.)
in welchem die Maskerade dargestellt wird. Man sieht darin, wie Leander sich in eine Maske verliebt, welche Leonora, Leonhards Tochter, ist. Beide demaskiren sich, sprechen mit einander und tauschen ihre Ringe. Wenn dieses Spiel eine Viertelstunde gewährt hat, fällt der Vorhang. 357