Ludvig Holberg
Die Maskerade
Ludvig Holberg

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Zweiter Akt.

Erste Scene.

Jeronimus. Nachher Arv. Später Heinrich.

Jeronimus. Heute Nacht habe ich meiner Frau eine gehörige Lection gehalten. Darin hat sie allerdings Recht, daß ihr eben ihres Alters wegen weniger üble Nachrede daraus entstehen kann, wenn sie auf die Maskerade geht, als einer jungen Frau oder einem Mädchen. Andererseits muß sie mir jedoch zugestehen, daß sie damit ein schlechtes Exempel aufstellt für die jungen Leute, welche, wollte man sie ihres unordentlichen Lebens halber ausschelten, sich auf der Stelle damit entschuldigen würden: kann eine Frau in den Jahren, die erwachsene Kinder hat, auf die Maskerade gehen, warum soll denn jungen Leuten ein Verbrechen daraus gemacht werden? Ich habe gepredigt und Reden gehalten über dies Thema bis Mitternacht, so daß ich darüber ein paar Stunden länger in den Tag hineingeschlafen habe, als ich zu thun pflege. Von meinem Sohn ist nichts zu hören und ebenso wenig von seinem Diener, alles ist still; vermuthlich ist Leander bereits zu seinem künftigen Schwiegervater gegangen. (Arv tritt ein.) Nun, Arv, hast Du die Nacht gut Posten gestanden?

Arv. Ich habe unter der Hausthüre gestanden bis nach zwölf Uhr, habe aber niemand gespürt; es war zu kalt, ich konnte nicht länger Schildwache stehen.

Jeronimus. Das war auch lange genug; ist er bis Mitternacht zu Hause geblieben, so ist er überhaupt nicht ausgegangen. 358 Aber hast Du wol bemerkt, ob Leander diesen Morgen zeitig ausgegangen ist?

Arv. Nein, Herr, ich will Ihm nichts auf den Hals lügen, sie liegen alle Beide noch und schlafen, Leander sowol wie Heinrich.

Jeronimus. Liegen sie jetzt noch und schlafen, so kann es unmöglich richtig mit ihnen sein; ich will einmal durchs Fenster in Heinrichs Kammer sehen. Ach Himmel, ist es möglich?! Sie sind wahrhaftig wieder auf der Maskerade gewesen, da liegt die Bestie und schnarcht im Bett im Maskenanzug! Was ist das von Dir für eine Manier aufzupassen, Du Schurke?

Arv. Ja, Herr, da müssen sie nach Mitternacht ausgegangen sein.

Jeronimus. Ich werde den Schuft gleich aus dem Bett kriegen und ihn wach prügeln mit dem Stocke.

(Läuft hinein, kommt zurück, indem er Heinrich an den Haaren hinter sich zieht.)

Heinrich (stößt ihn von sich, glaubt im Schlaf auf dem Maskenball zu sein. ruft:) Noch eine Tasse Kaffe! (Spricht im Schlaf weiter:) Nun keine Menuet mehr, nun wollen wir einen Englischen tanzen; spielt auf zum Cotillon! Ei Possen, nicht den Cotillon, den neuen mein' ich! (Singt und tanzt Cotillon. Jeronimus steht und sieht ihm voll Verwunderung zu; Heinrich nähert sich Jeronimus, küßt ihm die Hand und sagt:) Eine Menuet, mein Fräulein!

Jeronimus (giebt ihm eine Ohrfeige, daß er sich um und umkehrt). Nein, erst eine Maulschelle!

Heinrich (wacht davon auf, ruft:) Ach, Herr Jeronimus, ich will es in meinem Leben nicht wieder thun! (Läuft hinein und wirft die Kammerthüre ins Schloß.)

Jeronimus (pocht gegen die Thüre). Willst Du gleich aufmachen?

Heinrich (aus dem Fenster sehend). Ach, Herr Jeronimus, seid doch nicht böse.

Jeronimus. Gleich mach' die Thüre auf, oder ich lasse sie aufbrechen!

Heinrich. Ach, Herr Jeronimus, wir sind alle Menschen!

Jeronimus. Brech' ich die Thüre auf, so geht es Dir noch zehnmal schlechter. 359

Heinrich. Ach Herr, was sagt nicht der Deutsche: Einmal ist keinmal! . . . .

Jeronimus. Daß Dich der Henker hole, willst Du mir einbilden, es wäre das erste Mal, daß Ihr diesen Winter umherschwärmt?

Heinrich. Ach, Herr, diesmal sind wir zur Maskerade verführt worden, von einem Deutschen aus Frankfurt –

Jeronimus. Arv, hole mal rasch eine Axt!

Heinrich. Wir konnten es dem Manne unmöglich abschlagen, so gern wir auch wollten; er spricht mehr als vier und zwanzig Sprachen, auch sogar mesopotamisch.

Jeronimus. Ja, das können sie alle; wenn ich blos eine Axt hätte!

Heinrich. Ebenderselbe Fremde ist auch Virtuose auf verschiedenen Instrumenten . . .

Jeronimus. Ich bin ebenfalls Virtuose auf verschiedenen Instrumenten, Du wirst gleich danach tanzen. Arv, wo bleibst Du Hund nur so lange?

Zweite Scene.

Leonhard. Jeronimus. Heinrich.

Leonhard. Guten Morgen, lieber Schwager, worüber so aufgebracht?

Jeronimus. Ihr wißt nicht, lieber Schwager, was ich in meinem Hause aushalten muß.

Heinrich (aus dem Fenster). Ach, Herr Leonhard, legt doch ein gutes Wort ein für mich und meinen Herrn!

Leonhard. Was habt Ihr denn Böses gethan, mein Sohn?

Heinrich. Gar nichts, blos daß wir heute Nacht auf der Maskerade gewesen sind.

Leonhard. Sonst nichts? Ist das wirklich so strafwürdig, so habe ich sehr übel daran gethan, daß ich meine Tochter diese Nacht habe ebenfalls auf die Maskerade gehen lassen.

Jeronimus. Laßt Ihr Eure Tochter auf die Maskerade gehen? 360

Leonhard. Ja, ich habe sie sogar fast dazu gezwungen. Ich halte es nämlich nicht für Recht, jungen Leuten eine unschuldige Lustbarkeit zu versagen, welche ich selbst in meiner Jugend genossen habe.

Jeronimus. Nennt Ihr das unschuldige Lustbarkeit?

Leonhard. Was es auch sei, so ist es doch nichts, worüber man sich so zu ereifern braucht.

Jeronimus. Wäre es zu einer andern Zeit geschehen, so wollte ich mich auch gar nicht so sehr darüber ärgern. Aber daß mein Sohn wie närrisch umherschwärmt, gerade da er sich am meisten durch Sittsamkeit bemerkbar machen und in den heiligen Ehestand treten soll, das thut mir weh.

Leonhard. Er wird wol noch ordentlich werden, Schwager. Wir sind ja in unsern jungen Jahren ebenso gewesen und haben der Welt auch nicht den Rücken gekehrt, als bis sie uns den Rücken kehrte. Wären wir jetzt noch so frisch und munter wie vor zwanzig Jahren, wir gingen wieder auf die Maskerade. Unsern Kindern ein Verbrechen machen aus den Vergnügungen, die wir selbst in unserer Jugend genossen haben, die wir jetzt aber unserer Jahre halber nicht mehr mitmachen können, das läßt ja, als ob wir aus purer Mißgunst handelten; es wäre gerade, als wenn Einer das Tanzen verdammt, weil er Hühneraugen hat. Ihr müßt Euch wahrhaftig einen bessern Humor anschaffen, lieber Schwager; hätte Einer Grund, sich über Eures Sohnes Conduite zu beunruhigen, so wäre doch ich es, dessen Tochter er heirathen soll.

Jeronimus. Den schuftigen Burschen will ich aber doch durchprügeln und meinem Sohne den Kopf waschen.

Leonhard. Ihr sollt ganz gewiß weder das Eine, noch das Andere thun, so lange ich hier bin, und ich gehe nicht eher weg, als bis Ihr versprochen habt, Beiden zu verzeihen.

Jeronimus. Um des Schwagers willen will ich denn weiter keinen Lärm machen. Komm' nur her, Heinrich, und laß Leander ebenfalls herkommen.

Heinrich. Will der Herr mich nicht schlagen?

Jeronimus. Nein, um Monsieur Leonhards willen habe 361 ich Euch für diesmal vergeben. Aber was mir am meisten im Kopfe liegt, das ist, daß er mir gestern Abend versprach, gleich heute früh zum Schwager zu gehen und Abrede mit ihm zu nehmen.

Leonhard. Ei, das will nichts sagen, ich weiß ja nun, was ihn verhindert.

Dritte Scene.

Jeronimus. Leonhard. Leander. Heinrich.

Jeronimus. Guten Morgen, Monsieur. Nun, seid Ihr Eurem Versprechen gemäß heute früh bei Eurem Schwiegervater gewesen?

Leander. Ich bitte um Verzeihung, theurer Vater.

Jeronimus. Ei, Ihr habt nicht noth, um Verzeihung zu bitten, Ihr seid hinlänglich entschuldigt; wer sich die ganze Nacht über umhertreibt, der muß ja wol zuletzt bei Tage schlafen. Vielmehr muß ich um Verzeihung bitten, daß ich die Dreistigkeit gehabt habe, Euch im Schlaf zu stören. (Zu Heinrich) Und der Tagedieb . . . .

Leonhard. Ei, Schwager, Ihr habt ja versprochen, ihm nichts Böses anzuthun; er muß ja thun, was sein Herr ihm befiehlt.

Jeronimus. Nein, das ist entsetzlich, Schwager, der Schuft geht hin und tanzt selbst mit, das thut ja sonst kein Bedienter.

Heinrich. Das kommt daher, weil ich mehr Verstand und Bildung habe als die meisten anderen Bedienten. Oder was nützen die dummen Teufel ihren Herren damit, daß sie im Wagen sitzen und die ganze Nacht durch frieren, so daß sie sich den andern Tag ins Bett legen müssen? Der größte Dienst, meine ich, den ein Bedienter seinem Herrn leisten kann, besteht darin, sich gehörig zu pflegen, insofern der Dienst nicht darunter leidet. Seht einmal, welchen Gewinn mein Herr davon hat! Wollen andere Herren auf die Maskerade gehen, so murren die Bedienten, ich dagegen springe vor Freuden und bin so hurtig wie nie. Wenn andere schlingelhafte und schafköpfige Bediente, 362 welche die Nacht im Wagen sitzen, nach Hause sollen, so sind sie ganz steif vor Kälte und außer Stande ihren Herren aus den Kleidern zu helfen, ja den Tag darauf müssen sie Tropfen einnehmen zum Schwitzen; ich dagegen tanze nach Hause und bin den Tag darauf frisch und munter.

Jeronimus. Hör' mal Einer den Schuft, wie er seine Sache beschönigen kann; er hätte wahrhaftig Bedientenadvocat werden können.

Heinrich. Ein armer Diener, meine ich, der sich brav amüsirt, thut wohl daran. In Armuth geboren, werden wir aufgezogen in Hunger. Ein halb Dutzend Jahre kriegen wir Prügel von einem griesgrämigen Schulmeister; das ist unsere Kindheit. Werden wir dann älter, müssen wir uns plagen und schinden, um nicht als alte Leute vor der Zeit Hungers zu sterben. Kurz zu sagen, unser ganzes Leben ist eine Kette von Elend und Mühsal. Und wenn wir uns nun etwas ausdenken, unsern Jammer zu erleichtern und durch die eine oder andere Lustbarkeit zu verhindern, daß unser armer Leib nicht ganz und gar in Trümmer fällt, so werden wir dafür ausgezankt und schlecht gemacht.

Jeronimus. Meinst Du, Schlingel, daß es gesund ist, solch ein unordentliches Leben zu führen und Tag aus Nacht zu machen?

Heinrich. Die Bewegung, Herr, die wir von einer durchtanzten Nacht haben, ist gesunder, als wenn wir eine ganze Apotheke verschluckten.

Jeronimus. Kannst Du Hund Dir nicht andere Motion machen als mit Tanzen? Kannst Du nicht nützliche Arbeit verrichten, und ist das nicht auch eine gesunde Motion?

Heinrich. Ich kann mir Motion machen mit Tanzen, ich kann mir auch Motion machen mit Holzhauen. Aber mit der einen Motion kann ich mir eine Hypochondrie auf den Hals laden, insofern es für niemand ein Vergnügen ist Holz zu hauen; mit der andern dagegen kann ich mir eine Krankheit vertreiben, weil sie zugleich das Herz froh macht. Ich wollte blos, wir könnten Kutsche und Pferde mit auf die Maskerade nehmen, damit die armen Thiere doch auch einmal einen 363 Zeitvertreib hätten und ein paar gute Stunden zu so vielen sauren Tagen.

Jeronimus. Ich muß dem Schuft wirklich noch den Kopf in Stücke schlagen!

Leonhard. Das wäre unrecht, Schwager, sein Kopf ist zu gut dazu, ihn in Stücke zu schlagen.

Jeronimus. Untersteht der Schuft sich zu vertheidigen, was alle einsichtigen Leute, die zu ihren Jahren gekommen sind, verurtheilen und was niemand für gut hält als blos Pflastertreter?

Leonhard. Ei, Herr Jeronimus, so laßt ihn doch mit mir reden, da Ihr ihn nicht hören mögt.

Heinrich. Es ist ganz, wie der Herr sagt: alte Leute, die zu ihren Jahren gekommen sind, verdammen dergleichen. Allein weshalb? Weil sie dahin gekommen, daß ihnen die Beine steif sind und daß sie selbst nicht mehr tanzen können. Junge Leute haben ihren Zeitvertreib und alte Leute haben ihn ebenfalls. Die Jugend erfreut sich an Spiel, Tanz und ähnlichen Lustbarkeiten; alte Leute hier zu Lande damit, daß sie Abends im Weinhaus sitzen und die Fehler der Jugend kritisiren, bis sie betrunken sind und sich von vier Nachtwächtern nach Hause schleppen lassen. (Jeronimus droht mit dem Stock.)

Leonhard. Ihr dürft ihn wahrhaftig nicht schlagen, er hat in diesem Punkt wahrhaftig nicht so Unrecht.

Heinrich. Auch sage ich es nicht, um Uebles zu sprechen von den alten Herren, sondern nur um zu zeigen, daß jedes Alter seine Fehler hat. Ob das nun weniger sündhaft ist, Abend für Abend betrunken zu Bett zu gehen (und das ist hierzu Lande grande mode bei den alten klugen Herren) oder zu gewissen Zeiten im Jahre auf die Maskerade gehen, das lasse ich dahingestellt; der einzige Unterschied besteht darin, daß das Eine eine alte hergebrachte Sitte, das Andere aber noch etwas Neues ist.

Jeronimus. Ich begreife nicht, Schwager, wie Ihr solch gottloses Gewäsche mit anhören könnt.

Leonhard. Ei so laßt ihn sich doch meiner Treu' ganz aussprechen.

Heinrich. Glaubt der Herr, ich spreche so, um zu 364 moralisiren? Ganz gewiß nicht. Ich befürchte nur, wenn jeder Stand die ihm eigenthümlichen Mängel ins Auge faßte, so würde der Balken in dem eigenen Auge den Splitter im fremden aufwiegen, und daß es keinen anstößigeren Anblick giebt als einen betrunkenen Mann, der, vom Nachtwächter nach Hause geführt, unterwegs über die Fehler der Jugend moralisirt und Zeter schreit.

Jeronimus. Aber nun, Du Bestie, nun antworte mir hierauf: was für Anlaß zur Unzucht wird nicht durch die Maskeraden gegeben, wo junge Leute ohne Hinderniß verkleidet am dritten Ort zusammentreffen können, ohne daß sie unter ihrer Maske von irgend jemand erkannt werden?

Heinrich. Ei, Herr, in Spanien hat das seine Gefahren, wo das Frauenzimmer unter Schloß und Riegel gehalten wird; hier zu Lande jedoch, wenn zwei sich in einander verlieben, finden sie hundert Gelegenheiten zusammen zu kommen. Zur Sommerszeit nach Gyllenlund oder Friedrichsthal zu reisen, gilt für ein sehr nobles Vergnügen; indessen was da mitunter vorgeht, das weiß mein Bruder zu sagen, der Lohnkutscher ist.

Leonhard. Nun aber, Heinrich, will ich auch ein Wort reden. Wenn junge Leute jeden Abend auf die Maskerade gehen und die ganze Nacht durch schwärmen, müssen sie da nicht den ganzen Tag hinterdrein schlafen? Werden sie dadurch nicht zu Müßiggängern und mit der Zeit zu Taugenichtsen?

Heinrich. Ganz gewiß, Herr, nicht ein Wort habe ich dagegen einzuwenden, ich nehme hier blos meines Herrn Partie, der das Jahr über fünf- oder sechsmal hingeht. Diejenigen freilich, für die es zur Gewohnheit wird, die führen ein schimpfliches Leben.

Jeronimus. Daß Dich dieser und jener hole für jedes Mal, daß Du über fünf- oder sechsmal den Winter auf der Maskerade gewesen bist!

Heinrich. Darauf habe ich nichts zu erwidern, Herr, dagegen mich zu vertheidigen ist nicht meine Sache, das mögen diejenigen thun, die den ganzen Winter hindurch dreimal die Woche auf die Maskerade gehen. Im Uebrigen könnten auch diese wackern Leute sagen . . . . 365

Jeronimus. Was könnten sie sagen?

Heinrich. Sie könnten sagen: die Jugend wird durch diese häufigen Nachtwachen abgehärtet und kann daher späterhin mehr aushalten und ertragen, wenn die Verhältnisse es fordern.

Leonhard. Das Unglück ist nur, Heinrich, daß, wenn sie bei Nacht wachen, so müssen sie dafür bei Tage schlafen.

Jeronimus. Es giebt ja nichts Schmachvolleres, als die Nacht zum Tage und den Tag zur Nacht zu machen.

Heinrich. Das thun aber doch alle Nachtwächter, Herr, und sind doch ehrliche Leute.

Leonhard. Allerdings; aber die Wächter machen sich Nachts nützlich, so daß sie daher auch mit gutem Gewissen den halben Tag verschlafen können.

Heinrich. Ja wol, sie wünschen den Leuten jede Stunde der Nacht mit Gesang einen ruhigen Schlaf und wecken sie dabei mit ihrem Gebrülle aus dem Schlafe auf.

Jeronimus. Lieber Schwager, redet nicht mehr mit dem Schuft. Höre, gehst Du mir wieder auf die Maskerade, so kommst Du kopfüber aus dem Hause und Deinen Herrn enterbe ich!

Leonhard. Nun, nun, Schwager, nicht so hitzig, laßt uns die Mittelstraße gehen und hört ohne Groll das Wenige an, was ich in Betreff der Maskeraden zu sagen habe. Ich verdamme die Maskeraden nicht, insofern es Maskeraden sind, sondern insofern sie zur Gewohnheit werden. Zeitvertreib ohne bestimmten Zweck, wie die Kinder spielen, ist zu gewissen Zeiten manchen Menschen so nöthig wie Essen und Trinken, und den Maskeraden, abgesehen davon, daß sie schwermüthigen Personen eine Aufheiterung gewähren, liegt eine sehr sinnreiche Idee zu Grunde. Sie stellen nämlich den Menschen die natürliche Gleichheit vor Augen, in der dieselben zu Anfang waren, bevor der Hochmuth überhand nahm, und ein Mensch sich noch nicht für zu gut hielt mit dem andern umzugehen; denn so lange die Maskerade dauert, ist der Diener so gut wie der Herr. Ich verdamme daher nicht die Maskeraden, sondern nur ihren Mißbrauch; dreimal die Woche auf den Maskenball gehen, heißt seine Mittel erschöpfen, heißt seine Gesun366 dheit erschöpfen, heißt drei Tage aus der Woche, ja zuweilen die ganze Woche stehlen. Denn durch eitel Schwärmerei und Narrheit können junge Leute ganz untauglich zu ernster Arbeit gemacht werden. Deshalb giebt es auch nirgends regelmäßige Maskeraden das ganze Jahr hindurch. Ein paar mal im Jahre zu tanzen, mag das Antlitz dabei nun bedeckt oder unbedeckt getragen werden, ist nichts Böses, dagegen das ganze Jahr durch tanzen, darüber kann die beste Stadt zu einem großen Narrenhause werden.

Jeronimus. Antworte nun darauf, Schlingel.

Heinrich. Ich werde mich hüten.

Jeronimus. Ich glaube freilich, daß Du darauf nichts von Erheblichkeit zu antworten hast.

Heinrich. Herr, ich finde keinen Gefallen an irgend einer Art von Spiel; ich spiele nicht Karten, wie andere Bedienten, ich verbringe die Zeit auch nicht mit Trinken oder mit Frauenzimmern, kurz zu sagen: ich habe keine Freude außer an Musik und Tanz. Will man mir das also rauben, so . . . .

Jeronimus. Hol' Dich der Henker mit Deinem Raisonniren, auf die Art könnte Einer auch sagen: ich habe kein Vergnügen als blos Leute todt zu schlagen; raubt man mir das Vergnügen, so habe ich keine Freude mehr in der Welt.

Heinrich. Nein, Herr, das muß man hindern, das Vergnügen muß man hintertreiben; denn niemand in der Welt ist damit gedient, sich todtschlagen zu lassen. Wer aber hat Schaden davon, daß ich auf die Maskerade gehe?

Jeronimus. Wenn niemand sonst Schaden davon hat, so hast Du ihn selbst, indem Du unnöthigerweise Dein Geld verthust.

Heinrich. Ei, Herr, das ist ja die größte Tugend, das Geld unter den Leuten rouliren zu lassen.

Jeronimus. Hältst Du es wirklich für eine Tugend, das Geld unter den Leuten rouliren zu lassen, so laß es doch unter armen Leuten rouliren, wie ich thue.

Heinrich. Herr, es giebt zweierlei arme Leute hier zu Lande: die Einen sind faule Bettler, die Andern sind fleißige Bettler. Die faulen Bettler sind diejenigen, welche umhergehen und Almosen suchen und nicht arbeiten mögen, die werden von dem 367 Herrn unterstützt. Die fleißigen Bettler, das sind Schneider, Schuster, Krämer, Kuchen- und Zuckerbäcker, Lohnkutscher; die unterstützen wir. Lebte nun alle Welt so eingezogen wie Herr Jeronimus, so müßten alle solche Leute Hungers sterben. Der Herr mit seinen Almosen bestärkt die Leute also, daß sie betteln, wir dagegen lassen sie nicht zum Betteln kommen. Will man aber den Bettlern einmal helfen, so ist es doch besser, den fleißigen zu helfen, als den faulen.

Jeronimus. Was für verwünschtes Geschwätz, Du wirst mir noch weiß machen, daß die Spieler blos deshalb spielen, um den Kartenfabriken Absatz zu schaffen; ich will nichts mehr hören von Deinem unsinnigen Geschwätz. Hört, lieber Schwager, wann kann mein Sohn Eurer Tochter aufwarten?

Leonhard. Je eher, je besser. Ich weiß übrigens nicht, was heute mit meiner Tochter vorgeht, sie ist so melancholisch; als wir saßen und Thee tranken, that sie nichts als seufzen.

Jeronimus. Das gute Mädchen hat Ursache, niedergeschlagen zu sein; ich verspreche, mein Sohn soll heute hin kommen, und er thut es nicht; wenn sie das als Gleichgültigkeit aufnimmt, so hat sie wirklich Grund dazu. Da sieh her, Junker, da hast Du nun die Frucht von Deiner Nachtschwärmerei.

(Leander seufzt tief.)

Ja, nun seufzen wir hinterdrein, nun finden wir, daß die Ermahnungen unserer Eltern doch nicht so ohne Grund gewesen sind. Nun, Du Herr Philosofuchs, fällt Dir nun noch etwas ein, dies zu beschönigen?

Leonhard. Nun, nun, Schwager, scheltet nicht mehr, die Sache ist ja nicht so gefährlich; ist das der Grund, weshalb meine Tochter in schlechtem Humor ist, so kann die Melancholie ja bald vertrieben werden, indem ihr der Grund seines Ausbleibens mitgetheilt wird.

Jeronimus. Geht denn rasch hin, mein Sohn, und entschuldigt Euch; der Herr Schwager hat die Güte, noch ein wenig mit herein zu kommen, damit wir noch Einiges ohne Zeugen mit einander besprechen können. (Die Alten gehen ab.) 368

Vierte Scene.

Leander. Heinrich.

Leander. Heinrich, willst Du mir das Leben nehmen, so thust Du mir einen großen Dienst!

Heinrich. Pfui über den, der so etwas thut, und nicht weniger über den, der es verlangt!

Leander. Du sollst es nicht umsonst thun.

Heinrich. Nein, darum braucht der Herr sich nicht in Unkosten zu setzen. Thäte ich dergleichen, so thäte ich es umsonst; denn ich würde ja doch für meine Dienstfertigkeit gehängt und also nützte die Belohnung mir nichts. Aber wie kann der Herr nur so kleinmüthig werden, weil sein Vater sich dahin stellt und ins Blaue schwatzt? Als ob man nicht daran gewöhnt wäre, täglich dergleichen Gewäsche von ihm zu hören!

Leander. Du bist im Irrthum, Heinrich, es ist etwas Anderes, weswegen ich in Verzweiflung bin, und wenn Du es hörst, so wirst Du selbst mich beklagen. Ich bin sterblich verliebt!

Heinrich. Das kann ja gar nicht gelegener kommen als eben jetzt, wo die Hochzeit vor der Thüre ist.

Leander. Nein, Heinrich, ich habe mich gestern auf der Maskerade in eine Andere verliebt.

Heinrich. Ich habe mich ebenfalls in unterschiedliche Mädchen verliebt, wie es aber ans Tanzen ging, schwitzte ich meine Zärtlichkeit wieder aus. In eine, mit der ich den Kehraus tanzte, war ich so verliebt, daß ich dachte, ich müßte auf der Stelle sterben; aber noch ehe der lange Tanz zu Ende war, hatte ich den großen Cupido an allen Ecken und Enden dermaßen ausgeschwitzt, daß ich das Mädchen nicht mehr vor Augen sehen mochte.

Leander. Könnte ich von mir dasselbe sagen! Aber das reizende Mädchen hat mir die ganze Nacht vor Augen gestanden.

Heinrich. Ei, Herr, die Liebe, die so rasch kommt, hat keinen Bestand, und obenein kriegt Ihr sie wol nie wieder zu sehen. 369

Leander. Das verhüte der Himmel! Ja, Heinrich, ich hoffe sogar sie noch heute zu sehen. Wie ich sie, liebt sie mich; wir haben Abrede mit einander genommen, uns an einem bestimmten Ort zu treffen. Ich habe ihr meinen Ring gegeben und der, den ich hier trage, ist der ihre.

Heinrich. Es hat doch einen ganz andern Zug, wenn man sich selbst verlobt, als wenn man die Eltern zu Unterhändlern braucht, da läßt sich Verlobung, Hochzeit und Einleitung zum Kindbett in einem Handumdrehen abmachen. Indessen, Herr, um ernsthaft zu reden, so müßt Ihr Euch diese neue Maskeradenliebschaft aus dem Kopfe schlagen; es ist jetzt für Euch keine passende Zeit, Euch in eine Andere zu verlieben.

Leander. Das ist mir nicht möglich, Heinrich. Ach, hättest Du sie gesehen, Du würdest mich in meiner Liebe bestärken; niemals habe ich etwas so Reizendes erschaut, Antlitz, Hände, Miene, Sprache – alles war von der Art, daß schon ein Einziges davon selbst den Allerkaltsinnigsten in Flammen gesetzt hätte.

Heinrich. Aber, Herr, wenn Ihr Euch genauer erkundigt, wer weiß, so ist das eine von Anne Hutmacher ihrem Bataillon.

Leander. Ja richtig, eine Dirne trägt auch wol solchen kostbaren Ring, eine Dirne hat auch wol solche angenehmen Mienen und solch süßes Wesen.

Heinrich. Gleichviel was sie ist, so ist es doch einigermaßen auffallend, daß ein honnetes Frauenzimmer sich mit solcher Schnelligkeit verliebt.

Leander. Ich habe bisher allen Frauenzimmern Stand gehalten; sowie ich aber dies Mädchen erblickte, war es gleich, als ob mir Einer sagte: hier, das ist, die der Himmel Dir zur Ehegattin bestimmt hat. Und ebenso ist es auch ihr gegangen. Liebe, Heinrich, ist etwas, das sich nicht begreifen läßt.

Heinrich. Das merk' ich. Aber hätte Monsieur Cupido seine Pfeile nur zurückgehalten bis dahin, daß der Herr seine Partie mit eines braven Mannes Tochter zum Abschluß gebracht hätte, eine Partie, die jetzt ohne großen Spectakel nicht mehr kann rückgängig gemacht werden. 370

Leander. Mag der Spectakel so groß werden wie er will, niemals entschließe ich mich, Leonhards Tochter zu heirathen.

Heinrich. Das ist eine verfluchte Geschichte; auf Euch wird es Scheltworte regnen und auf mich Prügel. Ich wollte, hol' mich der Henker, ich wär' am andern Ende der Welt, ich wollte, ich wäre Gouverneur von Ostindien. Raisonnirt jetzt ein wenig mit Euch selbst.

Leander. Das hilft mir nicht.

Heinrich. So will ich sehen, ob ich Euch curiren kann, Herr, vermittelst der schwarzen Kunst, die ich in meiner Jugend gelernt habe. Ihr müßt dreimal hintereinander diese Worte wiederholen: Ehre, Interesse, Verachtung, Scheltworte, Verdruß, Haß von Eltern und Freunden. Versucht nur, diese Worte dreimal zu wiederholen!

Leander. Das hilft nichts und wenn ich sie dreitausendmal wiederholte, es ist alles zu schwach, mich zu bewegen.

Heinrich. Kann das nicht helfen, so kann auch eine ganze Apotheke den Herrn nicht mehr curiren.

Leander. In allem Andern magst Du mir zuwider sein, nur nicht in diesem Punkt.

Heinrich. Und ich will dem Herrn in allem Andern beistehen, nur nicht in diesem Punkt. Diese neue Liebschaft, Herr, wird uns in großes Unglück stürzen.

Leander. Sprich mir kein Wort mehr dagegen, oder es kostet Dich Dein Leben!

Heinrich. Ja, so ist es das Beste, zu schweigen; ich merke nun, daß es Ernst ist.

Leander. Ich will auch nicht, daß Du schweigen sollst.

Heinrich. Weder sprechen, noch schweigen?

Leander. Ich will, daß Du mich in meiner Liebe bestärkst; ich will, daß Du mir guten Rath giebst, was ich thun soll, wie ich mich anstellen soll, wenn mein Vater mich fragt, wie mein Besuch abgelaufen ist.

Heinrich. Das Beste, scheint mir, ist, alles rein heraus zu sagen und auf sich zu nehmen, was folgt.

Leander. Und was meinst Du, daß folgen wird? 371

Heinrich. Nur einige Kleinigkeiten, auf die natürlich nichts ankommt. Wenn der Herr mir erlauben will, eine kleine Komödie davon in drei kurzen Akten aufzuführen, in welcher er Anfang, Fortgang und Ende davon sehen kann. Der erste Akt beginnt folgendergestalt – ich bin zum Exempel jetzt Jeronimus –: Du leichtfertiger liederlicher Vogel, Du bist nicht werth solche braven Eltern zu haben, weil Du Dich gegen ihren Willen verlobst mit einem lockeren Frauenzimmer, das Du nicht öfter gesehen hast als einmal, und machst Dich selbst darüber zum Betrüger und Lügner, beschimpfst Deine ganze Familie und bringst Dich in aller Welt Mäuler. Nun kommt Leonhard und seine Tochter: Ihr bildet Euch wol ein, meine Tochter, Monsieur Leander, ist ein Ball, den man hin- und herwerfen kann, wie Einem beliebt? Aber, auf mein Wort, wir leben in einem Lande, wo es noch Gesetz und Recht giebt, und ich will ein Spiel mit Euch beginnen, so lange ich einen Schilling im Sack habe! Wir sind von zu gutem Hause, um uns auf solche Weise von Euch prostituiren zu lassen. Nun kommt das Fräulein (Er fistulirt): Ach, mein Herzenspapa, wenn Ihr die Schmach nicht rächt, die mir geschehen, so sterbe ich vor Kummer; er hat ja selbst schriftlich um mich angehalten, drei, vier Briefe habe ich von ihm, was kann er mir Böses nachsagen? Bin ich häßlich? Stehe ich in schlechtem Rufe? Bin ich nicht in allen Stücken, wie man mich ihm geschildert hat? – Das ist der kurze Inhalt des ersten Aktes, wo Leander bei seinem Vorsatze bleibt, eine Andere zu heirathen.

Leander. Das wird auch ungefähr so werden.

Heinrich. Der zweite Akt beginnt folgendermaßen. Seht her, dieser Stuhl, den ich hierher setze, ist das Consistorium, und jetzt bin ich dem Fräulein sein Procurator. Nun wird die Citation verlesen: Rector und Professoribus thun zu wissen, daß von uns citirt sind . . . . Das Andere lasse ich nun weg und begebe mich gleich mitten in die Aktion. (Stellt sich auf die Seite des Stuhls.) Meine Principalin, großgünstige Herren, ist eine vornehme und tugendhafte Jungfrau, um die er selbst bei deren werthen Eltern angehalten hat und der er seit der Zeit nichts 372 Böses nachweisen kann. (Auf der andern Seite) Es ist richtig, großgünstige Herren, daß mein Principal um sie angehalten hat, und daß er ihr nichts nachsagen kann, was nicht ehrbar und schicklich wäre. Allein es wäre doch hart, wenn man Einen zwingen wollte, sich gegen seinen Willen zu verheirathen; das hieße ja nicht anders, als eine Hölle auf Erden bauen. Es kommt dazu, daß mein Principal sie niemals gesehen, geschweige denn sie berührt hat, so daß sie also noch ebenso gut ist, wie sie vorher gewesen. (Wieder auf die andere Seite) Nein, halt, Herr Collega, eine Jungfrau, um die man erst aus freien Stücken angehalten und mit der man hinterdrein ohne Ursache bricht, die kommt dadurch in der Leute Mund. (Von der andern Seite) Er bricht mit ihr nicht aus Muthwillen, sondern eine andere stärkere Liebe hat ihn dermaßen ergriffen, daß er sein Gelöbniß nicht halten kann. (Auf der andern Seite) Ha ha, das heißt mal schwatzen, auf die Manier könnte sich Jeder entschuldigen! (Auf der andern Seite) Ihr wißt freilich nicht, welche Gewalt die Liebe hat, Herr Collega, sonst würdet Ihr nicht so thöricht sprechen. (Auf der andern Seite) Ich weiß so gut, was Liebe ist, als Ihr. (Auf der andern Seite) Warum schwatzt Ihr denn solche verwünschten Narrenspossen? (Von der andern Seite) Ihr schwatzt Narrenspossen und sprecht wie ein Rechtsverdreher! (Von der andern Seite) Wäre es nicht aus Respect vor dem Gericht, so wollte ich Dir Schlingel wol zeigen, was ein Rechtsverdreher ist. (Auf der andern Seite) Bin ich ein Schlingel? (Auf der andern Seite) Ja, das trau' ich mir zu sagen und zu beweisen. (Zieht sich selbst bei den Haaren und schreit auf der einen Seite und macht es nachher ebenso auf der andern Seite.) Ich unterwerfe dies dem Ausspruch eines hohen Gerichtes! (Auf der andern Seite) Ich ebenfalls. – Nun bin ich das Consistorium. (Setzt sich und liest mit Gravität:) Sintemalen Seigneur Leander sich verlobt hat mit Herrn Leonhards einziger Jungfrau Tochter und nicht im Stande ist, einen zureichenden Grund anzuführen, weshalb selbige Verlobung aufzuheben, so wird er verurtheilt, sie zu ehelichen, binnen hier und sechs Wochen.

Leander. Ja, was will das alles sagen?

Heinrich. Nicht das Mindeste, Monsieur Leander bleibt 373 noch immer bei seinem alten Vorsatz. Nun aber kommt der dritte Akt. Da wird Arrest gelegt auf Monsieur Leanders Person; seine Eltern, denen das eben recht ist, lassen ihn im Gefängniß ohne die erforderliche Pflege, in Folge dessen, nachdem er eine Zeitlang gesessen und cuculirt hat, seine neue Liebe mehr und mehr zu verschwinden anfängt; in Folge dessen Monsieur Leander seine Eltern zu sich entbietet und sagt mit strömenden Thränen (indem er niederkniet): Ach, meine geliebten Eltern, endlich hat die Krankheit bei mir ausgerast, ich bitte demüthigst um Verzeihung und bin bereit, Herrn Leonhards Tochter zu nehmen. Worauf Monsieur Leander wieder auf freien Fuß kommt und selbigen Tages Hochzeit hält. Ist der Herr nun kein Liebhaber von Weitläufigkeiten, so kann er Hochzeit halten ohne diesen vorhergehenden Hocuspocus.

Leander. Bist Du nun zu Ende?

Heinrich. Ja, Herr.

Leander. Du machst Deine Komödien wie ein Schlingel und entstellst meinen Character, da ich lieber sterben werde, als das Mädchen verlassen, das ich so innig liebe. Ich befehle Dir daher ein- für allemal, mit solchen Possen inne zu halten, sonst wird Dich . . . .

Heinrich. Ich rathe ja nicht ab von dieser neuen Liebschaft, ich erzähle ja nur, welchen Gang die Geschichte nehmen wird, um zu prüfen, ob der Herr auch Stand halten wird.

Leander. Und wenn Du mir hundertfaches Unglück in Aussicht stellst, so hilft es nichts; Herzen, die wahrhaft lieben, fühlen sich sogar beglückt, um ihrer Liebe willen verfolgt zu werden.

Heinrich. Nun, Herr, so liebt denn weiter, ich werde Eure Liebschaft nach Möglichkeit unterstützen. Aber da kommt der Alte.

Leander. Element, ich laufe fort! (Ab.)

Heinrich. Na, das ist ja eine recht hübsche Art, den Krieg zu eröffnen. 374

Fünfte Scene.

Leonhard. Jeronimus. Heinrich.

Leonhard. Ja, ja, geehrter Schwager, je eher, je lieber; wozu die vielen Präparatorien?

Jeronimus. Was die jungen Leute an der Hochzeit sparen, das haben sie hernach. Freilich giebt es Leute, die machen solche Hochzeit, daß der Hochzeitkuchen noch nicht verdaut ist, da müssen sie schon in den Schuldthurm.

Leonhard. Adieu so lange; ich finde Seinen Sohn wol noch bei mir im Hause und kann gleich hören, was er dazu meint.

Sechste Scene.

Jeronimus. Heinrich.

Jeronimus. Bist Du hier, Meister Fix? Wo ist Leander?

Heinrich. Er ist auf seiner Kammer.

Jeronimus. Auf seiner Kammer? Was Henker ist das für Geschwätz? Konnte er denn so schnell mit seinem Besuch fertig werden?

Heinrich. Ach so was geht rasch, Herr Jeronimus, wenn man sich nur auf den Griff versteht.

Jeronimus. Gingst Du nicht mit ihm?

Heinrich. Nein, er wollte mich nicht mithaben und kam zurück mit einem Gesicht, wie Einer, der einen Korb gekriegt hat; ich fragte ihn, wie er zurückkam, wie die Sache stände, da hatte er die Herablassung zu antworten: was kümmert es Dich, Du Schlingel? Ob er nun etwa so tief in Gedanken war, daß er mich nicht gekannt hat, das will ich ungesagt lassen.

Jeronimus. Nein, nach dieser Antwort zu urtheilen, hat er Dich ganz gewiß gekannt. Er soll auf der Stelle herkommen. 375

Siebente Scene.

Jeronimus. Leander. Heinrich.

Jeronimus. Nun, Leander, seid Ihr mit einem so wichtigen Besuch so rasch zu Stande gekommen? Euer Schwiegervater dachte Euch noch zu treffen.

Leander (knieend). Ach, mein allertheuerster Vater!

Jeronimus. Was Henker soll das werden? Was meint Ihr mit diesen Geschichten? Ist Euch ein Unglück passirt? Was ist es, sprich?

Leander. Ich fürchte den Zorn meines Vaters –

Jeronimus. Was heißt das, Heinrich? Sag' Du es mir!

Heinrich (schreit und fällt ebenfalls auf die Kniee). Ah! . . . .

Jeronimus. Welch ein Unglück hat sich ereignet? Welch Verbrechen habt Ihr begangen?

Heinrich (weinend). Wir haben kein Verbrechen begangen, wir wollen blos eins begehen.

Jeronimus. Um so mehr muß ich wissen, was es ist, um ihm zuvorzukommen; ich beschwöre Euch, Leander, sagt mir, was es ist. Ich zittere vor Furcht am ganzen Leibe und mein Blut wallt vor Verlangen es zu wissen!

Leander. Und mein Blut wallt vor Angst, weil ich es nicht sagen kann.

Jeronimus. Will der Eine nicht, nun so soll der Andere. Heda, Heinrich, ich befehle Dir zu sprechen!

Heinrich. Ah . . . .!

Jeronimus. Willst Du nicht im Guten sprechen, so lasse ich Dich sofort in ein Quartier bringen, wo man Dich nöthigen wird, alles zu bekennen, bis auf das Schwarze unterm Nagel; ich schicke gleich nach der Polizei, die Dich in Arrest bringen soll. He, Arv!

Heinrich. Ach, Herr, ich will ja bekennen.

Jeronimus. Nun, so bekenne!

Heinrich. Ach, laßt Herrn Leander nur erst bekennen, dann will ich nachher sagen, ob er etwas vergessen hat. 376

Jeronimus. He, Arv!

Heinrich. Ach, Herr, nun bekenne ich ja! Mein Herr Leander wünscht Madame Leonhards Tochter –

Jeronimus. Was wünscht er ihr?

Heinrich (weinend). – den lichten Satan auf den Hals! Denn auf der Maskerade hat er sich in ein anderes Fräulein verliebt.

Jeronimus. Ah so, da haben wir ja die Früchte von dem Maskeradegehen. Indessen das will nichts sagen, dem wollen wir bald abhelfen.

Leander. Ich hoffe doch, mein Vater wird nicht so hartherzig sein und mich zwingen, mich zu verheirathen gegen meinen Willen?

Jeronimus. Wie ich sage, heute Abend hältst Du Hochzeit mit Herrn Leonhards Tochter.

Leander (springt auf). Das wird in Ewigkeit nicht geschehen!

Heinrich (springt auf). Das wird in Ewigkeit nicht geschehen!

Jeronimus. Glaubt Ihr wirklich die Macht zu haben, Eure Eltern zu prostituiren, ein vornehmes Fräulein zu protistuiren und seine Eltern zum Narren zu halten? Ich will Euch zeigen, was väterliche Gewalt vermag!

Leander. Und ich werde zeigen, was eines Sohnes Verzweiflung vermag!

Heinrich. Und ich werde zeigen, was das Mitleid vermag, das ein Diener mit seinem Herrn hat!

Jeronimus. Ich werde Dich den Händen der Obrigkeit überliefern!

Leander. So weit erstreckt sich keine väterliche Gewalt, es sei denn, daß mir ein Verbrechen nachgewiesen wird.

Jeronimus. Ist das etwa kein Verbrechen? Fort aus meinen Augen!

Leander. Von Herzen gern.

(Leander und Heinrich ab.) 377

Achte Scene.

Jeronimus allein.

Jeronimus. Ach, welch Unglück ist über mein Haus hereingebrochen, und von welchem Kummer wird meine Seele gebeugt! Auf der einen Seite das Wort, das ich einem wackern Manne gegeben habe, der aus einem Freund mein größter Feind werden wird; Drohungen mit dem Gerichte und die böse Nachrede der Leute! Auf der andern Seite die Verzweiflung meines Sohnes, den ich vielleicht dazu bringe, mir noch größeren Jammer zu bereiten, sofern ich diese Angelegenheit allzu hitzig betreibe. Ich muß mich zwingen mehr Sanftmuth zu zeigen und nicht so viel Spectakel zu machen, es könnte sonst Monsieur Leonhard zu Ohren kommen. Ich muß meinem Sohne ein kurze Bedenkzeit geben; die Krankheit muß sich austoben. Die verwetterten Maskeraden! Die verwetterten Maskeraden! 378


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