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Achtes Kapitel. Der Sprung durchs Feuer

Die Stimmung schlug hohe Wellen auf dem Sonnwendfest, das der Akademische Künstlerbund heuer in dem altrenommierten Passionsdorf veranstaltete. Der unter freiem Himmel aufgeschlagene, sauber gedielte und mit Stearin glitschig gemachte Tanzboden dröhnte unter den Genagelten; im Schweiße seines Angesichts schwenkte jeder Bua das erwählte Deandl, und das kreischende Juhuhu, das fast ununterbrochen laut wurde, kündete dem Kenner, daß sich unter den bacchantisch rasenden Kunstbeflissenen nicht zu wenig Berliner befanden.

Gerade beschloß die Musik einen Landler, den Trautchen Grunelius zu ihrer Genugtuung mit Karsten Anton Wacker, dem bekannten Maler und Kunstgewerbler, getanzt hatte. Sie wiegte sich ob dieser Ehre in ausschweifenden Hoffnungen. Und sie war nicht die erste, die ihre Netze nach diesem Mann schleuderte; er verkaufte gut, verdiente eine Menge, galt als schon von Hause wohlhabend und war somit entschieden begehrenswert. Nur hatten alle diese Versuche stets ein überraschend schnelles Ende genommen, weil deren Objekt nicht den geringsten Grund einsah, sich an den Altar führen zu lassen, und dies mit der ihm eignen Deutlichkeit zu äußern pflegte.

Von Trautchen schien Wacker keine Attentate auf sein Hagestolzentum zu befürchten. Er wollte sich nach dem Tanze kurz von ihr verabschieden, aber als sie sich mit gewohnter Energie in seinen Arm hängte und erklärte, sie hätte einen schrecklichen Durst, nun würden sie einmal zusammen was trinken, machte er weiter keine Einwendungen: ihm war das furchtbar egal, und außerdem entbehrte dieses Mädchen aus Crimmitschau für seinen Geschmack nicht der Komik.

Langsam umwandelte das Paar den Festplatz, und der Maler spähte sorglich in jede der lampionbekränzten Lauben hinein, die ihn umsäumten: er suchte die heraus, in der sein Erscheinen mutmaßlich am meisten Ärgernis erregen würde. So ein Mensch war Karsten Anton Wacker.

Ein übertrieben diabolisches Grinsen verbreiterte plötzlich sein Gesicht: er hatte den Tisch entdeckt, an dem er sich für eine halbe Stunde, zu Gast laden wollte. Er trat heran, lüpfte das grüne Hütchen und fragte höflich:

»Gestatten? Is da frei?«

»Ah, der Herr Wacker! Bitte sehr, bitte ja!« rief Sauerländer eifrig. Denn er für sein Teil steckte von so marktgängigen Leuten gern auch mal so eine kleine Bosheit ein. »Trinken Sie gleich mit! Gläser sind da. Und das schöne Fräulein – à la bonne heure

Weniger begeistert wirkte der Ritter von Staudacher.

»Grüß Gott«, brummte er und rückte nur flüchtig den Hut aus der Stirn.

Der Professor Maier aber, zum Unterschied von andern der Kitschmaier genannt, der hier saß, um den Kunsthändler irgendwie geschäftlich breitzuschlagen – Maier grüßte schmelzend liebenswürdig und machte sich dann ganz klein. Er war eine bescheidne Natur und legte keinen Wert darauf, auch nur bemerkt zu werden.

Wacker zog Trautchen neben sich auf die Bank; und zunächst ließ sich alles friedlich an, weil der Eindringling keineswegs in der Lage war, zu Worte zu kommen. Denn es befand sich an dem Tisch noch eine junge Dame in einem Fähnchen, das sie offenbar für ein ganz urwüchsiges Dirndlgewand hielt, während Wacker bei sich die niederschmetternd verächtliche Bezeichnung Gänseliesel dafür hatte. Das gebrochne Oberbayerisch, zu dem sie sich verpflichtet fühlte, konnte nicht gut darüber hinwegtäuschen, daß auch ihre Wiege nicht fern von der Spree gestanden hatte. Jedenfalls redete sie mit einer Ausdauer, die bei ihren Zuhörern doch nicht ganz die geziemende Bewunderung erregte. Der Kunsthändler hörte kaum hin und guckte mit einer Miene erhabner Taubheit in die Luft, als sie ihm jovial mitteilte, sie wolle ihm auch mal etwas zu verdienen geben und würde ihm daher nächstens ein paar von ihren Pastellen billig ablassen.

Bloß Staudacher hielt ihrem Wortschwall mit Wohlwollen stand. Vielleicht erschien sie ihm in Anbetracht der jetzigen Konstellation noch immer als das kleinere Übel. Sie sollte nur reden, er trank! Und zwar französischen Champagner. Wozu hatte Gott denn Sauerländer erschaffen!

Da aber intonierte die Musik die Barkarole aus »Hoffmanns Erzählungen«; ein dürrer, blonder Mensch mit einem Zwicker auf der Nase und einem fasanenfedergeschmückten Geißbubenhütel aus dem Spitzkopf, mit Knien, die käsebleich unter der Kurzen hervorsahen, kam an den Tisch und streckte die Hand nach der Sprechvirtuosin aus. Die sprang auf und erklärte:

»Jetzt tanz' ich!«

»Unberufen!« sagte Wacker.

Sie überhörte das und ließ ihre Hand abschiednehmend gegen Staudacher flattern:

»Grüß dich Gott, Kleener!«

»Aber!« so entrüstete sich Wacker. »Nich so respektlos! Man sagt: Herr Professor«.

»Was?« gab sie keck zur Antwort. »Das soll en Professor sein?«

»Und Doktor und Ritter! Von Staudacher schreibt er sich!«

»Haha hahaha! Das soll der Staudacher sein? – Ich lach' mir nen Ast!« Das Mädchen schien das Oberbayrische endgültig aufgegeben zu haben. Und verschwunden war sie.

»Na«, sagte Wacker mit schöner Sachlichkeit zu dem Meister, »da sehn Sie, wie schlecht Ihre Selbstporträts sind!« Und nach seiner Gewohnheit erschrak er sogleich über sein starkes Wort und machte schüchterne Augen.

Eine peinliche Pause entstand. Bloß der Kitschmaier freute sich diebisch, aber bloß inwendig.

Trautchen, die sich doch gewissermaßen verantwortlich fühlte für ihren Wacker, wendete sich geschickt ablenkend an Staudacher:

»Ausgezeichnet war das, Herr Professor, was Sie über den Toni Gwinner geschrieben haben! Ich kenn' den Toni nämlich gut.«

»War auch Zeit«, brummte der große Mann. »Hie und da g'hört ihnen schon energisch auf die Pratzen klopft, den Zeitungsschmieranten! Es is doch net am End' einer in der Näh'?« fragte er plötzlich besorgt.

»Das nennen Sie: ›auf die Pratzen klopfen‹?« grinste Wacker.

Unterbrechungen von solchen Leuten beachtete ein Staudacher nicht. Er fuhr fort:

»Erscht das Geschrei, mir täten nix für die Jungen! Und dann uns einen Vorwurf draus machen ... Das sagt man ganz einfach net: Vergrößerte Witzblattillustrationen, von den Sachen! Da zeigt der Mann bloß, daß er an Dreck versteht!«

»Warum haben Sie die Gwinnerschen Bilder eigentlich durch die Jury gelassen?« erkundigte sich Wacker.

»Das sieht Ihnen ähnlich!« gab Staudacher zur Antwort. »Finden Sie sie vielleicht auch net gut?«

»Ich frag' doch, weil ich sie gut finde.«

»Nein, nein!« widersprach der Meister. »Bei uns! Muß bloß ein Gwinner kommen, dann sind mir schon da!«

»Ja, er kann was!« seufzte Trautchen ergriffen. »Ich hab' das immer gewußt«.

»Ob er was kann!« bekräftigte Staudacher. »Das is wieder einmal eine männliche Kunscht! Wie das knapp drinnen sitzt im Raum! Und der Humor, der Humor! Is dafür aber auch ein Schüler von mir, der Gwinner.«

»Wo hat er denn das Malen gelernt?« fragte Wacker in schlechter Wißbegier.

Der Kitschmaier zerplatzte ganz im verborgnen beinah vor Seligkeit. Das sind so die stillen Freuden der Unscheinbaren.

Wieder war es das geistesgegenwärtige Trautchen, das dem Gespräch schnell eine andre Wendung gab, diesmal durch eine Frage an den Kunsthändler:

»Und was halten Sie von den Bildern?«

»Ich?« war die großartig hingeworfene Antwort. »Ich hab' ihn doch überhaupt entdeckt, den Gwinner«.

»Das heißt: auf meine Empfehlung«, verbesserte Staudacher

»Telephonisch?« fragte Sauerländer mit einem listig zwinkernden Seitenblick.

»Jessas ja!« lachte der Meister. »Schon wirklich ein Viech, der Gwinner! Doppelt hält besser, hat er wahrscheinlich gemeint und hat ihn – wollen Sie's mir glauben? – noch selber antelephoniert, als mich!«

»Mich?« erkundigte sich Wacker. »Is das oberbayrisch?«

»Gott sei Dank!« Und breit und gemütlich fügte Staudacher hinzu: »Ja, hochdeutsch, das will gelernt sein, Sie Waterkantler!« Der Champagner hatte jetzt so weit seine Wirkung getan, daß ein Preuß ihn nicht mehr beleidigen konnte.

Leute zu frozzeln, die sich nicht darüber ärgern, hatte für Wacker kein Interesse. Er warf sich also auf Sauerländer:

»Was haben Sie denn dem Gwinner gezahlt für die Bilder?«

»Ich? Wieso?«

»A was?! Bloß entdeckt? Und nich gekauft? Herzlichen Glückwunsch!«

» Mon Dieu, wie er red't!« gab Sauerländer zurück und fand sich dabei noch schlagfertig.

Wacker grinste:

»Hoffentlich haben Sie dann wenigstens Modellgeld gekriegt für den Bel zu Babel?«

»Und die Proserpina, das bin ich!« verkündete Trautchen strahlend.

»Drum schau' ich doch schon die ganze Zeit!« rief Staudacher. »Freilich! Wenn man sich die Schneckerln dazu denkt ...«

»Und die Kleider weg ...« ergänzte Wacker.

»Aber Sie werden doch nicht glauben ...?« wehrte sich Trautchen und verbarg ihr Erröten hinter den Händen, die hastig an den Zöpfen ordneten, welche sie heute, als Tiroler Bauernmädchen, schlicht um den Kopf gelegt trug.

Der Kitschmaier bekam eine Art von hysterischem Lachkrampf; diesem unbedeutenden Malmädchen gegenüber glaubte er seine heimlichen Wonnezustände unbesorgt explodieren lassen zu dürfen.

Sauerländer fiel etwas ein. Er fragte Trautchen:

»Dann werden Sie vielleicht wissen, wo er zur Zeit steckt?«

»Tät mich auch interessieren«, sagte Staudacher lebhaft.

»Nein«, entgegnete sie, »er ist seit ein paar Wochen spurlos verschwunden, und zwar wahrscheinlich zusammen mit einem jungen Schweden, dem Sohn von dem Friedensnordlind.«

»So viel weiß ich selber.« Sauerländer zuckte die Achseln.

»Ach, Sie wollen ihn wohl zur Abwechslung wieder mal entdecken?« Natürlich war es Wacker, der sich dafür interessierte.

»Äh!« machte der Kunsthändler wegwerfend und fügte sehr sicher hinzu: »Die Bilder vom Gwinner krieg' ich!«

»Aber nicht mehr für den Preis, der Ihnen damals zu hoch war«, stellte Wacker ruhig fest.

»Überhaupts nimmer«, lächelte Staudacher. »Heißt das, Sauerländer: das eine: grad' Ihr schönes Porträt ... Wenn Sie sich da recht dazuhalten ...«

»Wieso?«

»Vier sind nämlich verkauft.«

»Wa–as?! – Seit wann?«

»Die letzten Tage ...«

»Ach nein?!« schrie Trautchen lebhaft auf.

»Wer hat gekauft?« fragte Sauerländer in ehrlicher Entrüstung.

»Lauter Galerien«, antwortete Staudacher. »Hannover, Köln, Leipzig, und das große der bayerische Staat ...«

»Ah, Herr Professor, jetzt machen Sie Witze! Das gibt's ja gar nicht! Ein Anfänger!«

»Also: morgen früh steht's in der Zeitung.«

»No, Sauerländer«, erkundigte sich Wacker teilnehmend, »wieviel haben Sie denn nun nicht verdient bei dem Geschäft?«

Der Kunsthändler war viel zu erregt, um darauf zu hören. Hastig forschte er weiter:

»Aber er ist doch nicht da? Der Staat? Was zahlt er ihm denn? Der Mensch hat ja Preise verlangt ...!«

Staudacher lachte:

»Das is doch sein Mordsdusel, daß er net da war! Denn außerdem ...«

Sauerländer wurde bleich.

»Das soll doch nicht heißen ...?«

»Jawohl«, nickte der Meister.

»Fünfzehntausend?« ächzte der dicke Herr.

»Fünfzehntausend!« hauchte Trautchen.

– Fünfzehntausend! schwieg der Kitschmaier gelb vor Mißgunst, in sich herein.

»Die Kommission mußte!« erklärte Staudacher. »Sonst wär' Hannover zuvorgekommen. Die waren ja rein wie toll! Es haben ja auch die andern jeder glatt fünf gezahlt.«

»Für die kleinen Dinger?« empörte sich Sauerländer. »Ja, wenn man die jungen Leute heutzutag' schon mit Gewalt verrückt macht! Recht so! Da kann unsereins einpacken.«

»Das heißt«, gab Staudacher zu bedenken, »bei uns ... Fünftausend handelt ihm der Staat schon noch runter. Aber immerhin: wär' er dag'wesen ...«

»Na, wenn er sich das gefallen ließe«, lachte Wacker auf, »dann wär' er doch ein Heuochs, der Gwinner!«

»Nein, das tut er auf keinen Fall!« fiel Trautchen lebhaft ein.

»Ja, sehen Sie nur auf Preise, bei Ihrem Akt!« so stimmte ihr Wacker zu.

Ihr gebrach es diesmal an der Zeit, zu erröten. Ihre Augen hatten etwas erblickt, was sie mit Gewalt von der Bank emporzog. Nichts konnte sie halten. Schon bahnte sie sich energisch einen Weg durch die walzenden Paare.

»Was is denn los?« rief Wacker verblüfft hinter ihr her.

»Schaun S', jetzt haben sie uns weggegrault, unsre mollate Proserpina, das liebe Mopperl!« sagte Staudacher mit leisem Bedauern.

Der also Getadelte grinste voll selbstgefälliger Dämonie. – Jawohl ja, an Boshaftigkeit nahm es so leicht keiner mit ihm auf! Ein weites Feld, die menschlichen Eitelkeiten! Und besonders befriedigt suhlen sie sich gemeinhin, wenn gar kein Grund dazu vorliegt.

Aber wie hätte Wacker auch ahnen sollen, daß die Wirkung seines ihm nachträglich so vergiftet vorkommenden Pfeiles nichts war als ein Loch in die Luft!

 

Trautchen verschwendete nicht einen Gedanken mehr an ihren Tanzkavalier. Ihr Interesse an ihm war nicht jetzt erst erloschen, nein, seine Art mißfiel ihr bei näherer Betrachtung auf das gründlichste. Und in ihrer Vaterstadt Crimmitschau gehörte es einfach zum guten Ton, nicht anders als aus Liebe zu heiraten. Was außerdem zu wissen nötig und nützlich war, darüber vergewisserte man sich eben, bevor man sich ernstlich verliebte.

Rüstig schritt Trautchen aus und ließ ihre Augen fliegen nach etwas, was sie einen Moment lang über dem Gewühl der Tanzenden zu erblicken vermeint hatte. Und dies war nichts andres gewesen als der rasierte Charakterkopf Calles, stolz bekrönt von einem mit Gamsbart und Edelweiß schön geschmückten Hüterl.

Doch so schnell Trautchen gewesen war, von dem Schweden zeigte sich keine Spur. Hatte ein Traum sie genarrt? War er sofort wieder gegangen? Hockte er in einer der Lauben, mit guten Freunden, vielleicht gar mit ...?

Sie begann langsam die Runde um den Festplatz zu machen. Nichts! Nun kam der zur Ehrenpforte gestaltete Eingang. Sie wollte diese tote Lücke schnell überschreiten, um ihre Forschungen drüben zu Ende zu führen, da prallte sie plötzlich zurück. Dort draußen, kaum ein paar Schritte von ihr, stand er, den sie eigentlich suchte, also nicht Calle.

Toni vergönnte sich noch eine kurze Rast und nahm dabei innerlich einen Anlauf, bevor er aus dem freien, sorglosen Gipfelleben wieder zurücksprang in die Welt der meistens doch nicht erfreulichen Tatsachen.

Er mochte einer Frau wohl gefallen, wie er da lässig vorgebeugt lehnte, die Unterarme über Kreuz auf den Pickel gestützt, in jeder Linie die ungezierte Anmut des Starken; Gesicht, Brust, Hände, Knie und Knöchel braun von der Höhensonne, der ganze Kerl gleichsam noch umwittert von der dünnen, sauberen, männischen Luft, die droben nackte Zinnen und Zacken bespült. Toni stand im vollen kalten Mondschein, doch um den Umriß seiner Gestalt sprangen heiße Lichter. Er hob sich von einem Hintergrunde aus zerrissenen Flammen und dick geballtem Rauch, von dem Johannisfeuer, durch das später um Mitternacht, wenn es niedriger brennte, die ausgelassenen Kunstschüler mit ihren Deandln zu springen gedachten.

Dies alles sah Trautchen und versäumte es denn auch nicht, die wabernde Lohe als symbolisch zu empfinden. Aufhalten aber ließ sie sich dadurch nicht einen Moment länger, als unbedingt nötig war. Ohne Zaudern legte sie die wenigen Schritte zurück und sagte frisch:

»Grüß Gott, Toni! Wo steckt du denn immer?« Das vertrauliche Du lag im Stil des Festes und ging ihr leicht von den Lippen.

Er richtete sich auf und sah sie fremd an. Dann aber rief er lächelnd:

»Trautchen! – Ja, grüß di Gott, Madel!« Und kräftig schüttelte er die kleine, runde, feste Hand, die sie ihm entgegengestreckt hatte. »Schau, schau, das laß' ich mir eingehn! Mit richtige Zöpf' und mit Taille! Is doch eine andre G'schicht', sag' selber!«

»Gefall' ich Ihnen so besser?« fragte sie und senkte geschämig den Kopf.

»Was?!« protestierte er. »Auf einmal wieder siezen, das gibt's net! Also, ausgeschamt sauber schaust aus in dem G'wandel! Nix Maschkera! Einfach nobel! – Aber, daß i net drauf vergiß, wo steckst denn du alleweil? Wer war dazumal so meineidig und is nimmer kommen?«

»Ja, sehn Sie ... Nein, weiß schon: sieh mal, Toni, es gab so dumme Geschichten mit Brita Ladurner. Ich mußte ausziehn. – Aber ich wär' wohl schließlich zu finden gewesen.« Und Trautchen fühlte sich jetzt wirklich versucht, zu meinen, sie hätte die ganze Zeit mit Sehnsucht auf ihn gewartet.

Toni glaubte ihr ohne weiteres. Hastig entschuldigte er sich:

»Ja mei, freilich! Aber auch bei mir hat's so allerlei geben. Und ich bin seither damisch fleißig gewesen.«

»Ich weiß«, sagte sie hell.

Er machte große Augen. Aber dann! Jetzt gierte er plötzlich nach der Gewißheit, der er so lange in weitem Bogen ausgewichen war.

»Madel«, rief er hastig, »is was von meine Bilder im Glaspalast?«

»Aber natürlich!«

»Und wieviel haben die Brüder durchgelassen?«

»Ja? Fünf«, entgegnete sie verwundert. Hatte er denn wirklich noch gar keine Ahnung?

»Alle fünfe!« Er schmiß seinen Pickel hin und patschte sich mit den Händen vergnügt auf die Lederhose. »Am End' gar im Ehrensaal von der Sezession?« fragte er, mit einem Lachen, das sich schandenhalber über ihn selbst lustig machte.

»Nein«, gab sie zur Antwort, »aber gut gehängt. Eignes Kabinett.« Und schon wollte sie ihm weitererzählen: von den Verkäufen. Doch unwillkürlich zügelte sie ihre Zunge. Dies Berechnung zu nennen, wäre ungerecht gewesen; sie folgte nur einem dunkeln Instinkte.

Übrigens freute er sich auch so schon wie ein Narr.

»Juhuhu!« schrie er durch die hohlen Hände. Und dieser Juchzer war weiß Gott von anderen Eltern als die ärmlichen Bemühungen der falschen Bauern, die drinnen sofort begannen, ihn zu imitieren. Toni lachte nur über das Gekrächz. Dann streckte er Trautchen beide Hände entgegen: »Madel, für die Nachricht g'hört dir ein Busserl! Nein, nein!« fügte er sogleich hinzu, »ich tu's schon net! Brauchst net erschrecken! Und jetzt tanzen mir eins!« Er nickte ihr zu, hängte sich den schweren Rucksack ab und legte ihn auf den Boden. Dabei lenkte sich sein Blick nach dem Scheiterhaufen. »Oder? Madel, traust du dir? Was kann uns g'schehn! Springen mir durch!«

Ein etwas ängstlicher Blick von ihr maß die Höhe der Flammen. Aber mit ihm ... Sie straffte ihre Schultern. Er sollte sehen, daß sie ein richtiger Kamerad war, in allem!

»Los!« sagte sie mit frischer Energie.

»Schneid hast, Madel! Recht so!« Er legte den Arm fest um ihre Mitte und bückte sich zum Anlauf.

»Toni, dich hat's wohl?« so erklang eine bierheisere Stimme vor ihnen. Es war ein Jugendfreund des starken Mannes, der ihn da warnte: der Ebner Simmerl, von Beruf Bauernknecht, heute aber zum Hüter des Feuers bestellt. »Is schier um an Meter z'hoch! Da kimmst deiner Lebtag' net 'nüber.«

»Je, der Simmerl!« lachte Toni. »Du vielleicht net! Rutsch mir den Buckl 'runter, lahmes Mannsbild!«

Ein wilder Juchzer von Toni, der gellende Angstschrei einer Frauenstimme, sie waren gesprungen.

»Saxendi!« wunderwerkte der Simmerl. »Ein so spinneter Teufel!«

Ohne so recht zu wissen, was ihr geschehen war, und sanfter, als sie sich's zuvor erwartet hatte, kam Trautchen, von Tonis Arm gehalten, wieder auf die Füße. Ganz verwirrt schaute sie drein, und er benutzte die Gelegenheit, um ihr jetzt wirklich den angedrohten Kuß auf den Mund zu drücken. Es war schwer zu entscheiden, ob sie das überhaupt merkte, oder ob sie ihn nur so in halber Bewußtlosigkeit wiederküßte. Zitternd schmiegte sie sich gegen seine Brust und hängte sich mit beiden Händen an seine Schultern.

»Madel, du brennst ja!« schrie er plötzlich auf, und ihr paßte das so gut in die Stimmung, daß sie auch dies unwillkürlich als symbolisch nahm und die Tatsache erst begriff, als er das glimmende Feuer mit seinen großen Pratzen totgedrückt hatte. »Der schöne Schurz ...!« Er schnalzte bedauernd mit der Zunge und wies ihr den Schaden: ein handgroßes, schwarzgerändertes Loch.

»Ah, das macht nichts«, entgegnete Trautchen, die sonst doch viel auf ihre Sachen hielt, vollkommen gleichgültig.

»Recht hast!« sagte er anerkennend. »Und jetzt keine Müdigkeit vorschützen! Heut' tanzen mir uns grad' gnua! Die Schuhsohlen müssen auch noch hinwerden!«

Er faßte nach ihrer Hand, die aber drückte die seine und blieb stehen.

»Alle die Leute! Hier draußen ist's eigentlich viel schöner. Diese Nacht! Machen wir einen Mondscheinspaziergang!«

Das leuchtete ihm sofort ein.

»Freilich, wenns d' magst. Is mir selber lieber. Augenblick! Ich hol' mir bloß mein G'lump.«

Sie stand allein und drückte beide Hände auf ihre erregte Brust. Mit großen Augen starrte sie in das Feuer, durch das sie für ihr Gefühl in eine andre Welt gesprungen war, wie aus Crimmitschau direkt in den Himmel.

Da erschien Toni schon wieder, mit Rucksack und Pickel.

»Komm!« sagte sie einfach. Und sie gingen hinaus in die Nacht. Sein Arm legte sich um sie, der ihre um ihn, das hatte durchaus nichts Überraschendes mehr.

Sie waren noch keine hundert Schritte vom Tanzplatz, als dort plötzlich Calles am Dialekt kenntliche Stimme laut wurde:

»Tuni, Tuni!«

»Toni, Toni!« so mischten sich andre Stimmen darein.

Er wollte schon unwillkürlich antworten, aber eine kleine Hand legte sich ihm auf den Mund.

»Der dumme Mensch!« wisperte sie. »Was brauchen wir ihn!«

Und er begriff sie sehr schnell. Er zog sie sogar hinter einen Heuhaufen, der dicht neben dem Wege stand. Dort duckten sie sich und freuten sich ihrer Unsichtbarkeit. Und der starke Mann schnitt sein verschmitztestes Lausbubengesicht. Jawohl ja, er wußte, wonach Calle so kläglich brüllte. Ihm klang es kläglich, aus seiner Kenntnis heraus, daß der Ärmste ohne einen Pfennig war. Den Rest der Reisekasse mit genau sechs Mark siebenundfünfzig beherbergte ein lederner Zugbeutel in Tonis Hosensack.

Leise lachten die zwei vor sich hin, als die Stimmen drüben schließlich ratlos verstummten. Jetzt erst fühlten sie sich so recht heimlich und beisammen, vergnügt und angenehm beunruhigt, wie Kinder, die hinter die Schule gelaufen sind. Toni fand, daß die Situation nach dem zweiten Kuß schreie, und machte diese Überzeugung denn auch mit aller Ausführlichkeit zur Tat, bis Trautchen ihn von sich abdrängte und rief:

»Halt! Ich erstick' ja!« Dann strich sie sich weckend mit dem Handrücken über die Stirn. »Gehn wir!« sagte sie leise, und es lag etwas wie ein Flehen darin, die letzten Zuckungen gleichsam ihrer guten Erziehung. Aber daß sie etwa umgekehrt wäre – nein, dazu langte es doch nicht mehr.

Auch jetzt noch erzählte sie ihm nichts von den erfreulichen Nachrichten, die sie für ihn bereithielt. Sie dachte überhaupt nicht daran. Unklar wallte in ihr ein Dankgefühl auf, weil sie es wußte und es vergessen durfte. Weit hinter ihr lag alle die Prosa, und lag da sicher und gut; erhöhten Gefühlen gehörte die Stunde.

Viel redeten sie beide nicht, aber dennoch unterhielten sie sich vortrefflich. Es geschah nicht selten, daß die Situation wieder nach einem Kusse schrie, dann sagten sie jedesmal auch etwas. Er sagte: »Trautchen!« und sie sagte: »Toni!« Und damit war ihrem Mitteilungsbedürfnis in Worten fürs erste genügt.

Die Musik verklang hinter ihnen. Hier und da grunzte der Baß noch ein paar verlorene Takte herüber. Sie mußten jetzt ein Stückchen steigen, nicht hoch, und standen dann auf dem grünen Fuße, den ein Berg in das Tal vorgestellt hatte.

»Da is eine Bank«, sagte Toni.

Sie setzten sich und blickten den Weg zurück, den sie gegangen waren. Ärmlich wirkte von hier das Lampiongefunkel, als ein komisches Nichts das Feuer, über das sie einen so hohen Sprung hatten tun müssen.

»Nun ist der Mond hinter die Berge gegangen«, flüsterte Trautchen.

Er mußte ein bißchen lächeln über ihren gehobenen Ton.

»Das hat er so an sich«, erwiderte er trocken, »erscht geht er auf, und nachher geht er unter.«

»Ach, warum bist du denn so?« schmollte sie, ein wenig aus ihren Himmeln geworfen.

»Aber, wie bin ich denn?« fragte er erschrocken und nahm ihre Hand zwischen seine beiden und spielte zärtlich mit ihren Fingern. Rührend winzig kamen die ihm vor, und er selbst deuchte sich klobig, groß und täppisch. Er würde es am Ende noch verscheuchen, das kleine Vogerl. Nein, er wollte sehr lieb sein. Am besten: er hielte sein Maul überhaupt.

Sie schwiegen und suhlten und hörten eines des andern unruhige Atemzüge. Es war wie ein Warten in ihnen, ein Warten und eine Gewißheit und eine Scheu.

Plötzlich fuhren sie empor und lauschten. Da unten auf dem Weg mußten Leute kommen. Man hörte sprechen: einen Mann und eine Frau, ganz nah schon; oder vielleicht nicht so nah: die Nachtlust trug den Schall weit.

Sie wußten es beide sofort: auch dies war ein Liebespaar. Konnte man auch kein Wort verstehen, der Tonfall sagte es deutlich. Und auf einmal lachte die Frau, ein hingegebenes, gurrendes Lachen. Ein häßliches Lachen, fand Trautchen. Und doch floß ein Schauer durch ihre Glieder. Aber sie rutschte ein Stück von Toni fort. Gleichsam beschwörend drückte sie die Handflächen gegen ihre Stirn, ihre Schläfen, ihre Wangen. Ihn durchfuhr ein Schreck, er spürte die Gefahr, daß sie ihm entgleiten könnte.

»Sie kommen hierher«, flüsterte er mit heiserer, unfreier Stimme und fuhr unter einem etwas unnatürlichen kurzen Auflachen fort: »Du, Madel! Wie wär's? Schlenken mir die! Gehn mir am Aufacker 'nauf!« Sein Arm wies dahin, wo ihnen zur Rechten eine verschwommene Masse anstieg, ohne daß man ahnen konnte, wie hoch und wohin.

Sie war aufgestanden und schaute verwirrt um sich. Ein gequälter Ausdruck spannte ihre Züge. Aber sie sagte gehorsam:

»Wie du willst, Toni!«

Er zog sie schon mit sich, bergan, in das tiefere Dunkel zwischen den Tannen.

Da fragte sie schnell:

»Ist es weit?«

»Knappe eineinhalb Stund'«, erwiderte er beruhigend.

»Ja nämlich, Toni, weil ich ja um drei mit dem Extrazug ...«

»A geh!« widersprach er. »In der besoffnen Gaudi! Nein, wir fahren morgen mitsammen. Ich muß hier in der Früh noch etwas erledigen, bei einem Verwandten. Schau, Trautchen, droben am Gipfel is auch ein Unterstand. Und von da die Sonn' aufgehn sehn ...«

Sie sagte einfach:

»Komm, Toni!«

Und er ging voran.

Sie konnte nicht anders sprechen. Hatte man ihr auch das Rechnen sorglich eingetrichtert, heute nacht wußte sie ohne Bewußtsein, daß das kleine Einmaleins noch nicht aller Weisheit Schluß ist. Ihr weiblicher Takt empfand, wie keck und ohne Bedenken um die Folgen Toni in das Abenteuer hineinschritt. Sie mußte ein gleiches tun, wollte sie die Stimmung der Stunde nicht stören, die auch sie trug und führte, weit hinaus über die vorsichtige Atmosphäre, in der sie aufgewachsen war.

Als kein Laut mehr heraufwehte von den fremden Menschen da unten, machte Toni halt, lud seinen Rucksack ab und versteckte ihn und den Pickel zwischen ein paar Felsblöcken.

»Es geht sich leichter«, erklärte er.

Spitz und eindringlich plätscherte der Bach in der Schlucht, geheimnisvoll wichtigtuerisch raunten die Blätter, fremd knarrte dazwischen der Schrei eines Nachtvogels. Trautchen genoß den Gedanken, wie sie sich fürchten würde, wenn sie allein um Mitternacht diesen Weg ginge. Aber in seinem Arm ... Keine Gefahr! Gar keine Gefahr! Gar keine!

Bei der geringsten Unebenheit auf dem Wege sagte er zu ihr, wie sie den Fuß setzen müsse.

»Dein Fußerl, mein kleines«, sagte er und kam sich nicht einmal komisch dabei vor.

Sie überschritten auf einer Knüppelbrücke das Wasser und verließen den Wald. Quer über einen Grashang lief jetzt der Pfad. Es öffnete sich wieder der Blick ins Tal und auf den tief drunten noch immer leuchtenden Tanzplatz. Toni deutete hinunter.

»Um viel Geld möcht' ich jetzt net dort sein! Du, Trautchen?«

»Ich? Nein«, sagte sie sonderbar gleichgültig und schaute kaum hin.

»Bist am End' müd?« erkundigte er sich besorgt.

»Oh, ich kann schon noch«, antwortete sie tapfer und schritt mit betonter Flottheit aus.

»Is jetz' auch nimmer weit. Hab gar keine Angst! Die zwei lumpigen Serpentinen hier, dann ein Stückerl durch den Wald droben, nacher haben mir's gleich!«

Und sie nahm sich zusammen, wenn's ihr auch sauer wurde. Aber als sie schließlich den Wald passiert hatten, merkte Trautchen, daß der Aufacker mit andern Bergen die Eigenschaft teilte, die tröstlichsten Zusicherungen von Einheimischen Lügen zu strafen und sich, wenn man glaubt, droben zu sein, immer noch ganz infam zu recken. Vor ihr stieg scheinbar ins Endlose ein schräger Hang, bestanden mit einem Wirrwarr von schattenhaften Formen, deren wahres Wesen sie nicht unterscheiden konnte.

»Müssen wir da noch hinauf?« fragte sie zaghaft.

»Och, das is nix mehr!« erklärte er zuversichtlich. »Über den Windbruch, und da droben noch ein ganz ein klein bisserl Wald; und wenn mir durch den sind, sieht man den Gipfel schon; dann sind es keine zweihundert Schritt' mehr.«

Da sank ihr plötzlich der Mut. Ihre Kraft war am Ende.

»Toni«, sagte sie, »ich kann nicht weiter; keinen Schritt! Sei nicht böse!«

»Böse? Ich?« rief er erschrocken. »Aber du! Arm's Hascherl! Warum hast du das net lang' schon gesagt? Freilich, ich bin auch ein Trottel, ein rücksichtsloser! Hätt' ich mir selber auch denken können! Ja, was machen mir da? Halt, da droben, gar net weit, is eine Hütten, von damals, von den Holzknechten her im Windbruch. Schön is sie zwar nimmer. Aber besser als wie nix! Is sogar noch ein Stroh drinnen. Kein fürschtliches Lager, aber ... Wart, ich trag' dich!«

»Das geht doch nicht, Toni!« wehrte sie ihm.

Doch er hatte sie schon auf die Arme genommen.

»Wenn ich grad' naufgeh und spar' mir die faden Serpentinen, in fünf Minuten ...« sagte er und stieg mit erstaunlicher Sicherheit bergan; kaum daß er ein einziges Mal über das dürre Gezweig stolperte, das überall umherlag und fast bei jedem Schritt knallend unter seinen Genagelten zersprang. Sie hielt die Arme fest um seinen Hals geschlungen und fühlte sich gleich wieder ganz frisch. Wie stark er war, und wie gut aufgehoben man sich bei ihm fühlte!

»Bin ich dir auch nicht zu schwer?« fragte sie, besorgt wie eine Mutter.

»Du? Du bist ja bloß ein Federl!« renommierte er, schnaufte dabei aber mächtig.

»Schöne Feder!« Sie lachte und zupfte ihn zärtlich strafend am Ohr. »Lustig machen will er sich über mich!«

»Außerdem haben mir's gleich!« stieß er fast grimmig durch die Zähne hervor.

»Guter Kerl!« flüsterte sie und rieb ihre Wange schmeichelnd wie ein Kätzchen an der seinen.

Durch solche Anerkennung hätte er sich noch für ganz andre Kraftleistungen reichlich belohnt gefühlt. Aber von Herzen froh war er doch, als sie endlich vor der Hütte standen.

»No also!« sagte er atemlos und bückte sich tief, trat durch das niedrige Türloch ein, hockte sich hin und lud sie auf die verdrückte Strohschütte ab. »Nun ruh' dich!« Eilig zog er dann seine Joppe aus, rollte sie zusammen und schob sie ihr als Polster unter den Kopf.

»Nein, nein!« widersprach sie lebhaft. »Du erkältest dich!«

»A wo! Mir is ja so warm!« Und das war keine Lüge. Er setzte sich auf das hochkant gestellte Brett, das ihr Lager von dem übrigen Fußboden abgrenzte. »No«, lachte er, »im Dunkeln, wenn man nix davon sieht, is das doch das feinste Hotelzimmer. Schlaf jetzt ein bissel, Liab's!« Er streichelte leis ihre Stirn. »Ich pass' derweil auf, daß dich keiner mir stiehlt.«

Nun lag es ihm ja durchaus fern, die ganze Nacht hier auf dem Stangerl hocken und stumpfsinnig ihren Schlummer hüten zu wollen. Innerlich behielt er sich die Dauer dieses ungemütlichen Zustandes vor. Einerseits tat es ihm not, sich etwas zu verschnaufen, und andrerseits wollte er auch vielleicht Eindruck machen mit seiner Bravheit.

Und dieses gelang ihm über Erwarten. Trautchens Herz wurde weich und groß vor so viel selbstloser Güte. Da er edel war – oh, sie konnte auch edel sein. Ihre Hände hoben sich, die eine nahm ihm den Hut ab und warf ihn achtlos auf die Backsteine des kleinen Herdes an der andern Hüttewand, ihre Finger schlossen sich um seinen Kopf und zogen ihn zu sich nieder. Bis ihre Lippen sich trafen.

»Du!« flüsterte sie.

Glückliches Geschlecht der Weiber: am klügsten gerade dann, wenn ihr all eure kleine Klugheit heimgeschickt habt!


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