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Lovis Corinth, der sich zwar damals noch nicht Lovis nannte, sondern nur von Freunden so gerufen wurde, weil er seinen Vornamen Louis gern in altrömischen Versalien (LOVIS) schrieb, erzählte mir einmal – es war in einem von den ersten Jahren unseres Jahrhunderts – eine Geschichte, so aufhellend für das Wesen des Erfolges, wie der Umstand, daß er dies wohl jedermann zum besten gab, bezeichnend für ihn selber war: für seine unverdorbne Klugheit, die das eigne Werk, auch wenn es ihm Erfolg errungen hatte, sachlich ansah, und für seine jedem geschwollenen Getu entschieden abgeneigte Ehrlichkeit.
Corinth, den eigentlich die münchner Maler wegen seines Mangels an Routine nie so richtig ernst genommen hatten, war das Jahr vorher durch die Ausstellung seiner «Salome» in der berliner Sezession mit einem Schlag berühmt geworden. Er hatte daraufhin, zum Teil aus Dankbarkeit, zum größeren Teil aus praktischen Erwägungen, sein Arbeitsfeld von München nach Berlin verlegt. Nun kehrte er, zum erstenmal als einer, der «was vorstellte» – so drückte er es selber mit naiver Freude aus –, für ein paar Sommermonate in seinen alten Münchner Kreis zurück.
Als ich ihm da beim Wiedersehen herzlich gratulierte, lachte er und sagte in dem breiten Ostpreußisch, das er sich über die pariser und die münchner Jahre unverfälscht hinweggerettet hatte:
«Nu, es war sehr nett und hat mich auch jefreeut. Das Sonderbare aber daran is doch, daß ich den Erfolg nich dem verdanke, was an Können in dem Bilde steckt, sondern – passen Sie mal auf! – dem Jejenteeil. Sie wissen ja, daß meeine Salome dem Haupte des Johannes mit dem Zeeijefinger an dem eeinen Augenlide pulkt. Nu war das Bild vorijes Jahr in allem übrijen längst fertig, als ich immer noch auf Deeiwel komm heraus am Blick der Salome herumzupinkern hatte. Denn das Luder sollte den Johannes dabeei ankucken, aber das bekam ich eeinfach nich heraus, solang ich auch probiert hab und probiert. Immer kuckte die Marjell so schepp darüber weg, weeiß Gott wohin. Ich war direkt verzweeifelt und manchmal vor Wut schon drauf und dran, den ganzen Schinken wieder abzukratzen. Aber da, an eeinem schönen Tage im April, klopft's an die Tür von meeinem Atelier – und wer tritt eein? Keein anderer als Walter Leeistikow von der berliner Sezession mit seeiner Frau, die ich schon von jeher als sehr jescheeite Dame schätze, und die den berliner Rummel aus dem Eff-eff kennt. Nu schön, ich zeeije ihnen meeine Salome, und – denken Sie mal an! – das erste, was die Leeistikow davon zu sagen weeiß, is: ‹O, famos! Eein starkes Bild! Das Feeinste aber daran is, wie sich die Salome trotz all ihrem Sadismus doch nicht überwinden kann, den Kopf des Jochanaan auch richtig anzukucken, obgleich sie ganz entschieden will, daß es so wirkt.› – Da sah ich aber Land und dachte mir: Schluß, weeiter setz ich keeinen Pinsel an – soll's jehen, wie es jeht! – Und ... hat sie nu nich recht behalten, die Frau Leeistikow? Was ich für ne Verzeeichnung hielt, jerade das hat den Erfolg jemacht. Ich hab ihn also nich jezwungen, sondern bin hereeinjetappt, weeil – es mich zwang, nich wahr?»