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Kratinus, Eupolis und Aristophanes nebst allen andern Dichtern von der alten Komödie, nahmen sich die Freiheit, jeden, den böse Sitten oder Übeltaten der Ahndung würdig machten, auf die Bühne zu stellen; und kein Taugenichts, kein Dieb, kein Ehebrecher und kein Mörder war vor ihrem Strafamt sicher. Dies Verdienst hat sich bei uns Lucilius gemacht, als der, die Versart ausgenommen, sich genau an jene Muster hielt; ein Mann von Witz und feiner Nase, nur ein harter Verseschmied. Der Fehler lag bloß darin, daß er oft in einer Stund', und (falls es eine Wette gegolten hätt') auf einem Beine stehend, zweihundert Verse wegdiktierte, und auf diese Fertigkeit, als etwas Großes, viel zugut sich tat. Kein Wunder, wenn's ihm dann so trübe floß und seinen Versen immer was abzuwischen ist! Der gute Mann |
Eupolis atque Cratinus, Aristophanesque poetae atque alii, quorum comoedia prisca virorum est, siquis erat dignus describi, quod malus, aut fur, quod moechus foret aut sicarius, aut alioqui <5> famosus, multa cum libertate notabant. Hinc omnis pendet Lucilius, hosce secutus, mutatis tantum pedibus numerisque: facetus, emunctae naris, durus componere versus. Nam fuit hoc vitiosus: in hora saepe ducentos, <10> ut magnum, versus dictabat, stans pede in uno. Cum flueret lutulentus, erat quod tollere velles; |
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war etwas schwatzhaft, und zu arbeitscheu zum Schreiben; gut zu schreiben, mein' ich; denn daß er viel schreibt, streit' ich ihm nicht abDie Fragmente der Satiren des Lucilius, welche Janus Dousa aus den alten Schriftstellern, die hier und da einzelne oder mehrere Verse von ihm anführen, zusammengetragen hat, sind, ihrer Menge ungeachtet, nicht beträchtlich genug, daß wir mit völliger Kenntnis der Sache selbst urteilen könnten, wiefern Horaz Recht hat, wenn er ihn beschuldigt, daß man seinen Versen die wenige Mühe, die sie ihm gekostet, gar zu sehr ansehe, daß sie oft dick und trübe flössen, und des Reinigens und Ausputzens sehr vonnöten hätten. Mich deucht aber, man könne sich hierüber auf das Urteil eines Mannes von so feinem Geschmacke wie er, gänzlich verlassen: wenigstens ist die Härte, die er diesem alten Dichter vorwirft, und der Mangel an der Rundung und Politur, welche ein so ausgezeichnetes Verdienst seiner eigenen Werke ist, etwas, das in den besagten Fragmenten einem jeden auffallen muß. Wie leicht sich Lucil das Verseschmieden gemacht habe, kann man schon daraus schließen, weil er sich so oft die Freiheit nimmt, um nur mit seinen Hexametern recht bald fertig zu werden, zwei-, ja dreimal in einem Verse, ein s wegzuwerfen, wie z. B.
ingleichem daß er die Erlaubnis der Elision, ohne alle Schonung der Ohren seiner Leser, so ungemessen mißbraucht, wie in folgenden:
Wahrlich, wenn man, so oft es einem nur bequem ist, unu' statt unus, spurcu'st statt spurcus est, suppus statt supinus, lymphorem statt lympham sagen, und einen Hexameter so ausrunden darf, wie z. B. diesen:
so möchte es wohl was Leichtes sein, ihrer zweihundert auf einem Beine stehend zu diktieren; zumal wenn man es auch mit der Anständigkeit nicht so genau nehmen und z. B., wenn von einer saugenden Frau die Rede ist, ohne Bedenken sumen (Euter) für mamma setzen darf. – Da also das Urteil des Horaz von Lucilius sich, selbst aus den noch übrigen Fragmenten, hinlänglich bestätiget: so ist schwer zu begreifen, wie ein so scharfsinniger Kunstrichter als QuintilianInstit. Orat. L. X. c. I. 94. schreiben konnte: er gehe eben so weit von Horaz ab, welcher meine, »Lucil fließe trübe, und es finde sich an seinen Versen manches zu reinigen« als von denjenigen, die kein Bedenken trügen, ihn allen andren Dichtern vorzuziehen: und mir ist dies um so unbegreiflicher, da Quintilian, zum Beweise dieser verdeckten Beschuldigung unsers Dichters nichts anders beibringen oder am Lucil rühmen kann, als was ihm Horaz an mehr als einem Orte seiner Schriften mit Vergnügen zugesteht, nämlich, daß er viel Kenntnisse und Gelehrsamkeit, viel Freimütigkeit, Schärfe und Salz habe; gleichwohl aber unmittelbar darauf selbst bekennen muß, Horaz sei multo tersior et purus magis. Bloß der Mangel an diesen beiden Eigenschaften ist es ja, was dieser an ihm aussetzt, nicht Mangel an Gelehrsamkeit, Witz und Freimütigkeit! Aus dem Umstande, daß Lucilius noch zu Quintilians Zeiten, d. i. mehr als hundert Jahr nach unserm Dichter, Liebhaber hatte, die ihn nicht nur dem Horaz, Persius und Juvenal, sondern allen Dichtern ohne Ausnahme vorzogen, läßt sich der Schluß machen, wie beliebt er bei dem Publico seines eigenen und des nächstfolgenden Alters gewesen sein müsse. Cicero selbst, in dessen Epoke doch die Sprache, Literatur und Verfeinerung der Römer beinahe ihren höchsten Punkt erstieg, gedenkt des Lucilius nie, ohne seine Urbanität anzurühmen; wiewohl sich dieser Dichter gegen Ciceros Zeit ungefähr so verhielt, wie Opiz gegen die unsrige, und (ohne die Rauheit seiner Verse und die Fehler seiner Schreibart in Anschlag zu bringen) bloß durch die veralteten Wörter und Redensarten, wovon er wimmelte, von dem was damals die schöne Sprache und der gute Konversations-Ton war, ungemein abstechen mußte; – er, der schon, in Vergleichung mit der Menandrischen Eleganz der Sprache des Terentius, seines jüngern Zeitgenossen, um ein Jahrhundert älter als dieser zu sein scheint! Aber, was ihn den Römern so angenehm machte und so lange in Achtung erhielt, war teils der ihm eigene individuelle Schwung von Witz und Laune, teils ein gewisser Geschmack nach seinem Jahrhundert, den glücklichen Zeiten eines Scipio, Lälius, Cato Major, u.s.w. – Zeiten, deren Andenken den Römern immer werter wurden, je weiter sie sich von den ihrigen entfernten. Es war dieser sapor vernaculus, diese antiqua et vernacula festivitas, diese Romani veteres atque urbani sales, welche Cicero den Attischen selbst vorzieht, und worüber er seinem liebenswürdigen Freunde Pätus das Kompliment macht: Te cum video, omnes mihi GraniosCicero, de Clar. Orator. c. 46. Ego memini T. Tincam, hominem facetissimum, cum familiari nostro.Q. Granio, praecone, dicacitate certare. – Sed Tincam non minus multa ridicula dicentem, Granius obruebat nescio quo sapore vernaculo etc. , Lucilios, vere ut dicam, Crassos quoque et Laelios videre videor: moriar, si, praeter te, quemquam reliquum habeo, in quo possim imaginem antiquae et vernaculae festivitatis agnoscereCic. ad Famil. L. IX. Ep. 15.. – »Wenn ich dich sehe, ist mirs, ich sehe alle Granios, Lucilios, ja, die Wahrheit zu sagen, auch die Crassos und Lälios des vorigen Jahrhunderts: ich will des Todes sein, wenn ich, außer dir, noch einen einzigen habe, in welchem ich das Bild unsrer altrömischen eigentümlichen FestivitätIch kenne kein deutsches Wort, das den ganzen Nachdruck des lateinischen Festivitas ausdrücken könnte. Das französische Enjouement ist etwas davon, aber noch nicht alles. Es bezeichnet auf einmal alles, was wir mit gutlaunig, munter, drollicht, scherzhaft, gefällig und anmutig sagen wollen; wie mir niemand leugnen wird, der den Gebrauch, den die Römer von dem Worte festivus und festivitas machten, aus ihren besten Schriftstellern kennt. erkennen könnte.« – Kurz, das, was den Lucilius auch den spätern und unendlich mehr verfeinerten Römern empfahl, und weswegen viele, die mehr Nase als andere haben wollten, ihn dem Horaz selbst vorzogen, war das nämliche, was in und außer Frankreich die Verse des Marot und die Prose des Montaigne und Amyot Personen von Geschmack noch immer so angenehm macht; und weswegen viele den Plutarch und die Amours pastorales des Letztern lieber lesen als die neuen Übersetzungen. Man begreift hieraus, warum unserm Dichter sein Urteil über Lucil so übel genommen wurde, daß er sich in einem eigenen Stücke deswegen entschuldigen mußte. In der Tat war Horaz, der seinen Geschmack zu Athen gereinigt hatte und seine Sprache selbst, gewissermaßen, an griechischen Mustern bildete, weit weniger nach dem Gaumen des großen Haufens als der alte Lucil; ungefähr aus eben dem Grunde, warum die oft groben und platten, aber meistens wohl gesalznen und lustigen Pickelhärings-Späße des Plautus den feinern Scherzen und der attischen Urbanität des Terenz noch im Augustischen Jahrhundert von den meisten vorgezogen wurden – und sogar in dem unsrigen die Majorität erhalten würden. .Crispinus fodert mich heraus: »Nimm«, sagt er, »wenn du willst, ein Buch Papier, ich auch; man geb' uns Ort und Stunde auf, und Wächter, und es wird sich zeigen, wer am meisten von uns beiden schreiben kann.« Dank sei den guten Göttern, daß sie mich so arm und klein an Geist gemacht, um selten und wenig nur zu reden. Du, Crispin, magst, wenn dir wohl dabei ist, immerhin den Blasebälgen gleichen, die den Wind, wovon sie schwellen, von sich keuchen, bis das spröde Eisen in der Glut erweicht. Wie glücklich Fannius ist, sein Bild und seine Werke zu ganzen Schränken voll, mit öffentlichem Beifall in Roms Museum aufgestellt zu sehenDie Fannii waren eine Plebejische, aber durch die ansehnlichsten Würden distinguierte Familie, von welcher verschiedene Zweige bekannt sind. Man kennt Fannios Strabones, Caepiones, Critonios u.s.w. Derjenige, welchen Horaz in dieser Stelle persifliert, soll den Zunamen Quadratus geführt haben. Wir wissen nichts von ihm als was sich aus dieser Stelle und aus der zehnten Satire unsers Autors mutmaßen läßt. Denn das, was uns die Scholiasten von ihm sagen, ist augenscheinlich bloß aus ihrem eigenen Gehirne gezogen. Gewiß ist aus Horaz selbst, daß dieser Fannius ein Autor, (vermutlich ein Poet) ein Freund und Tischgenosse des Tigellius Hermogenes, (den wir aus der 2ten und 3ten Satire kennen) und ein hämischer Verkleinerer unsers Dichters warMen' moveat – quod ineptus Fannius Hermogenis laedat conviva Tigelli. Sat. X.. Eben so gewiß läßt sich hieraus abnehmen, daß er ein schlechter Poet und ein noch schlechterer Mensch gewesen sein müsse: denn die vortrefflichen, ein Varius, Virgil, Pollio, Tibull, u.s.w. waren zu sehr animae candidae, um nicht Freunde eines Horaz zu sein. Wie aber die Worte: ultro delatis capsis et imagine zu verstehen seien, ist eine Frage, welche, bei genauerer Untersuchung, unauflösliche Schwierigkeiten zu haben scheint. Daß die Rede von dem Bildnisse und den Schriften des Fannius sei, die in irgend einem öffentlichen Büchersaale aufgestellt worden, ist klar genug. Aber gab es damals schon öffentliche Bibliotheken in Rom? Plinius sagt im zweiten Kapitel des 35sten Buches seiner Natur- und Kunstgeschichte ausdrücklich: Asinius Pollio sei der erste gewesen, der einen öffentlichen Büchersaal in Rom gestiftet und die Gewohnheit aufgebracht habe, auch die Brustbilder der Männer, quorum immortales animae in iisdem locis loquuntur, darin aufzustellen. Die Palatinische Bibliothek wurde erst im Jahre 726 (wenigstens zehn Jahre nachdem diese Satire vermutlich geschrieben war) vom August errichtet; und der Büchersaal am Theater des Marcellus war noch späterV. Nardini Roma Vetus, L. V. c. 13. cf. Ovid. Trist. L. III. Eleg. I. v. 59–72.. Gesetzt nun die Bibliothek des Pollio wäre um diese Zeit schon vorhanden gewesen: welche Wahrscheinlichkeit, daß ein Mann wie dieser Vir Consularis, der selbst ein vorzüglicher Dichter und gewiß ein Kenner war, dem Bilde eines Fannius eine solche Distinktion erwiesen haben sollte? Oder wie hätte in diesem Falle Horaz, der in der 10ten Satire den Pollio unter seinen vornehmsten Gönnern nennt, verzweifeln können, eine gleiche Ehre zu erhalten? Aber wir brauchen uns hierüber nicht mit Wahrscheinlichkeiten zu behelfen: wir haben das ausdrückliche Zeugnis des Plinius (L. VII. c. 30.), daß Terentius Varro der einzige gewesen, dessen Bildnis noch bei seinen Lebzeiten in Pollios Bibliothek aufgestellt worden sei. Allenfalls könnte man, um dieser Schwierigkeit zu entgehen, annehmen, die Rede sei hier nicht von einer öffentlichen, sondern von Privat-Bibliotheken, deren es ohnezweifel damals in Rom sehr viele gab: und Horaz hätte in diesem Falle mit dem ultro delatis capsis et imagine sagen wollen: »zum Beweise, wie beliebt und popular der Dichter Fannius sei, finde man sein Bild und seine Schriften in allen Bibliotheken.« Mir scheint aber diese Auslegung den Worten einige Gewalt anzutun; und da das ultro delatis ohne den geringsten Zwang so verstanden werden kann: »er selbst, unmittelbar, oder durch seine guten Freunde (welches hier auf eines hinausläuft) habe die Schenkung gemacht«: so stelle ich mir die Sache folgendermaßen vor. Die öffentliche Bibliothek des Pollio war um diese Zeit eine ganz neue Stiftung: denn die Worte des Plinius (quae prima in urbe ab Asinio Pollione ex manubiis publicata est) lassen keinen andern Sinn zu, als daß er sie nach seinem Dalmatischen Triumphe, der ein Jahr nach seinem Konsulat, nämlich i. J. 715 erfolgte, stiftete, indem er den Anteil, der ihm als Imperator an der gemachten Beute zukam, auf diese öffentliche Stiftung verwandte. Sie war (wie sich aus den Worten des Plinius schließen läßt) mit den Büsten der berühmten Männer geziert, deren Werke darin zum gemeinen Gebrauch aufgestellt waren; aber Varro war der einzige noch lebende Schriftsteller, welchem Pollio diese Ehre erwies; ein Vorzug, zu welchem Varro vor allen andern berechtigt war, als ein achtzigjähriger Greis, der, sowohl in dieser Rücksicht, als wegen seiner unermeßlichen Gelehrsamkeit und der ungeheuern Menge von Schriften, womit er alle Fächer der Literatur bereichert hatte, an der Spitze der römischen Gelehrten stand. Fannius, wer er auch gewesen sein mag, hatte (wie sich aus dem Worte capsis schließen läßt) ganze Schränke voll geschrieben, hatte seine Werke fleißig vorgelesen, und war, allem Ansehen nach, ein populärer und beliebter Dichter; überdies (wie gewöhnlich die Leute seiner Art) eitel, von seinen Talenten eingenommen, und von dem Beifall, der seinen Vorlesungen zugeklatscht wurde, aufgeschwollen; auch viel älter als Horaz, der erst vor kurzem zu schreiben angefangen hatte und noch keinen Anspruch an Ruhm und öffentlichen Beifall machen konnte. Aus allem diesem ist begreiflich, wie so ein Mensch wie Fannius auf den Einfall kommen konnte, seine Werke, samt seinem werten Bildnisse, in den neugestifteten öffentlichen Büchersaal zu verehren, ohne daß weder der Stifter, noch die von ihm bestellten Aufseher der Bibliothek einen andern, als zulassenden, Anteil daran genommen: und, wenn dieses vorausgesetzt wird, so, dünkt mich, erscheint die Ironie in den Worten
in einem sehr schönen Lichte; und man fühlt (was der gelehrte Cruquius weder fühlen noch sehen konnte), daß Horaz sich in einem Atem über die lächerliche Selbstgefälligkeit des Dichterlings, seine Büste und seine Kisten voll Bücher, und über die Römer, denen man (so gut wie andern die keine Römer sind) in Sachen des Geschmackes weis machen konnte was man wollte, lustig macht. !Mir freilich wird's so gut nicht werden: denn |
garrulus, atque piger scribendi ferre laborem, scribendi recte; nam ut multum, nil moror. Ecce Crispinus minimoBentley will, Horaz habe nummo geschrieben; es läuft aber völlig auf eins hinaus. me provocat: »Accipe, si vis, <15> accipiam, tabulas; detur nobis locus, hora, custodes, videamus uter plus scribere possit.« Di bene fecerunt, inopis me quodque pusilli finxerunt animi, raro et perpauca loquentis. At tu conclusas hircinis follibus auras, <20> usque laborantes, dum ferrum molliat ignis, ut mavis, imitare! – Beatus Fannius, ultro delatis capsis et imagine: cum mea nemo |
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wer lieset was ich schreibe? da mir's selbst an Mut es vorzulesen fehlt; wohl wissend, daß diese Art von Schriften manchen gar nicht wohl behagt, indem die meisten eben die Tadelhaften sind. Greift, wo das Volk ein wenig dichte steht, den ersten besten heraus – er ist an Habsucht oder Ehrgeiz krank; den machen Weiber, jenen Ganymede zum Gecken; diesen reizt der Glanz des neuen Silbers, vor altem Erzt steht Albius außer sichOhnezweifel versteht Horaz unter argenti splendor Silbergeschirr und andre Möbeln von diesem damals in Rom mächtig aufgehäuften Metalle, von modernen Künstlern nach der neuesten Façon gearbeitet; unter aere hingegen Gefäße von korinthischem Erzte und gegoßne Bilder von berühmten griechischen Meistern. In beiden wurde zu diesen Zeiten (wie ich anderswo mit Beispielen belegt habe) ein ungeheurer Luxus getrieben. Daß der unbekannte Albius, der hier genennt wird, der Dichter Albius Tibullus sei, ist eine grundlose Einbildung des Baxter, der (mit Martial zu reden) überall lauter Nase sein will.. Ein andrer der im Osten Waren holt, sie mit Gewinn im Westen umzusetzen, stürzt sich, Hals über Kopf, aus bloßer Furcht sein Haufen möchte schwinden, oder aus Begier ihn zu vermehren, in die größten Übel. Natürlich fürchten diese wackern Leute vor Versen sich, und hassen den PoetenMan braucht diese Stelle (welche mir am Schlusse der Einleitung in die erste Satire nicht gegenwärtig war) nur mit einer kleinen Aufmerksamkeit gegen den Inhalt der ersten und zweiten Satire dieses Buches zu halten, um überzeugt zu werden, daß Horaz hier auf diejenigen deutet, die sich durch seine beiden ersten Satiren beleidiget gefunden: und daß er also, sehr wahrscheinlicherweise, jene vor dieser geschrieben habe. Auch folgt daraus, daß er unter dem Poeten sich selbst meint, und Bentley also Recht hat, poetam statt des gewöhnlichen poetas zu lesen; ungeachtet er bald darauf, nach seiner Manier, halb im Ernst und halb im Scherze, beweiset, daß es zuviel Ehre für ihn sei, wenn man ihn unter die Dichter stelle.. »Weicht ihm von weitem aus! Seht ihr denn nicht das Heu um seine Hörner? Weicht ihm ausMan pflegte zu Rom den stößigen Ochsen Heu um die Hörner zu binden, um die Leute auf den Straßen vor ihnen zu warnen. Aus diesem Brauch entstand, wie es scheint, eine Art von Sprüchwort, dessen auch Plutarch im Leben des Crassus erwähnt.! |
scripta legat, vulgo recitare timentis, ob hanc rem quod sunt quos genus hoc minime iuvat, utpote plures <25> culpari dignos. Quemvis media arripeNach Bentleys Verbesserung, statt eripe. Das gewöhnliche erue ist offenbar falsch. turba, aut ob avaritiam aut misera ambitione laborat; hic nuptarum insanus amoribus, hic puerorum; hunc capit argenti splendor, stupet Albius aere; hic mutat merces surgente a sole, ad eum quo <30> vespertina tepet regio; quin per mala praeceps fertur, uti pulvis collectus turbine, nequid summa deperdat metuens, aut ampliet ut rem: omnes hi metuunt versus, odere poetam. »Faenum habet in cornu, longe fuge! dummodo risum |
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Es ist ein Mensch, der, um sich nur die Haut recht voll zu lachen, keines Freundes schont, und dem's, sobald er etwas aufs Papier gekleckt, nicht wohl ist, bis es alle Knechte und alte Weiber wissen, die vom Bäcker und vom Teiche kommen.« – Höret nun, was ich mit wenigem hierauf zu sagen habe. Vor allen Dingen nehm' ich aus dem Häufchen, dem ich den Dichternamen zugestehen möchte, mich selber ausHoraz gründete in der Folge seinen Anspruch an den Dichter-Namen auf seine lyrischen Gedichte, wie aus mehrern seiner Oden und aus der neunzehnten Epistel (an Mäcenas) zu ersehen ist. Aber als er diese Satire schrieb, hatte er erst vor kurzem angefangen, in jener den Römern neuen Dichtart einige noch wenig bekannte Versuche zu machen.. Dazu gehört schon mehr als einen runden Vers zu drehen wissen; und wer, wie ich, in einer Sprache, die so nah an die gemeine angrenzt, schreibt, ist darum lange noch kein Dichter. Dem, der Dichtergeist, der eine mit den Göttern verwandte Seele hat, und dessen Mund erhabene Gedanken und Gefühle in mächt'gen Tönen ausströmt, dem allein gebührt die Ehre dieses schönen Namens. Man hat daher die Frage aufgeworfen, ob die Komödie ein Gedicht zu nennen seiSo wie Horaz denjenigen, dem der Ehrenname eines Dichters mit Recht gebühre, unmittelbar vorher charakterisiert hat, wäre es allerdings eine Frage, ob der Komödienschreiber als solcher ein Dichter sei: und sein Anspruch könnte wirklich bloß auf den lyrischen Teil der alten Komödien, die Chöre, gegründet sein, welche aber in der neuen Komödie nicht mehr Platz fanden. Menander wäre also, nach dieser Definition, kein Dichter gewesen; ja wenn Homer nur die Odyssee geschrieben hätte, (deren Ton und Sprache größtenteils wenig von dem os magna sonaturum hat) so könnte man dem Homer selbst den Dichternamen streitig machen: Plato hingegen, vor dem sich, was das ingenium, die mentem diviniorem, und das os magna sonaturum, betrifft, auch die begeistertesten lyrischen Dichter neigen, wäre der Kaiser aller Dichter gewesen. Es ist hier weder der Ort über diese Materie zu dissertieren, noch könnte es von einigem Nutzen für Leser sein, welche wissen, daß weder dithyrambische Begeisterung und trunkne Schwärmerei, noch eine hochtönende Sprache, sondern die Geschicklichkeit, durch täuschende Verbindung des Wunderbaren mit dem Natürlichen, und überhaupt durch lebendige Darstellung interessanter Gegenstände seine Zuhörer oder Leser fühlen und glauben zu machen was man will, verbunden mit der Kunst alles dies in schönen Versen zu bewerkstelligen, das ist, was den Homer zum Vater der Dichter erhoben, und was seitdem allen andern Dichtern diesen Namen verschafft hat. So unwissend war Horaz nicht, daß er dies nicht hätte wissen sollen; und, wiewohl seine Charakterisierung des Dichters sehr unvollständig ist: so konnte er doch unmöglich etwas anders damit sagen wollen, als daß derjenige, dem der Dichtername gebühre, ein Mann von Genie, und dieser poetischen Schwärmerei und begeisterten Sprache, die den lyrischen Dichter vorzüglich bezeichnet, fähig sein müsse, so bald er sie nötig hat. Denn, wiewohl er sich in der Folge selbst zum Rang des ersten lyrischen Dichters der Römer empor arbeitete, so war doch niemand weiter als er davon entfernt, den zu einer Art von wildem Gesange werdenden Ausbruch der Trunkenheit, Freude oder andrer Leidenschaften bei rohen Naturmenschen, und das was man die Autoschediastische Poesie nennt, zur Ungebühr über die Kunst zu dichten zu erheben; und er spottet deswegen, in seinem Briefe an die Pisonen, über den Demokritus – der dem glücklichen Genie
Auch läßt er die Frage, ob man seine Satiren Gedichte nennen könne, unentschieden, und verspricht, die Sache ein andermal auszumachen; wiewohl er in der Folge nicht für nötig fand Wort zu halten. Mir deucht also, seine Absicht sei hier bloß gewesen, die unendliche Menge von platten Versemachern, wovon es in Rom wimmelte, im Vorbeigehen zu erinnern, daß zwischen ihres gleichen und einem Dichter im eigentlichen Verstande ein sehr großer Unterschied sei. Daß er sich selbst, seiner Satiren wegen, bloß unter die Versemacher gestellt wissen will, geschah teils, um diesen letztern einen Weg zu Gegenvorwürfen abzuschneiden; teils weil er damals in der Tat noch keine Prätension von dieser Seite machte, und mehr für einen LiebhaberMe pedibus delectat claudere verba. Sat. X. als für einen, der die Dichtkunst als Meister treibt, angesehen zu sein wünschte; kurz, aus eben dem Grunde, warum einer, der für sein eigenes Vergnügen und (mit dem Bourgeois-Gentilhomme zu reden) für seine guten Freunde sehr artig Miniatur oder Pastell malte, sich darum nicht für einen Kameraden von Raffael und Titian halten und, wenn von den großen Malern die Rede wäre, gleich rufen würde: nos poma natamus! , |
<35> excutiat sibi, non hic cuiquam parcet amico; et quodcumque semel chartis illeverit, omnes gestiet a fumo redeuntes scire lacuque et pueros et anus.« – Agedum, pauca accipe contra. Primum ego me illorum, dederim quibus esse poetis, <40> excerpam numero: neque enim concludere versum dixeris esse satis, neque, si quis scribat, uti nos, sermoni propiora, putes hunc esse poetam. Ingenium cui sit, cui mens divinior, atque os magna sonaturum, des nominis huius honorem. <45> Idcirco quidam, comoedia, necne, poema |
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da ihr's sowohl in Sachen als in Worten an Schwung und Feuer fehlt, und ihre Sprache von der gemeinen nur durchs Silbenmaß sich unterscheidet. »Aber glüht und stürmt der Vater nicht im Lustspiel, wenn er seinem heillosen Sohn den Text liest, der, aus toller Liebe zu einer feilen Dirne, eine Braut mit großem Mahlschatz sinnlos ausschlägt, oder in trunknem Mut, mit Fackeln (pfui der Schande!) bei hellem Tage durch die Straßen zieht.« Gut! würde, meint ihr, wohl PomponiusDies ist eine unserm Autor eigene Art, jemanden, im Vorbeigehen, und ohne daß die Rede von ihm zu sein scheint, mit einem lächelnden Seitenblick sein Paquet abzugeben. Man sieht aus dem Zusammenhange, daß dieser Pomponius in dem Falle des liederlichen jungen Herrn in der Komödie war, über dessen Torheiten der Vater sich ereifert; und dies ist alles, was wir von ihm sagen können. – Die Gens Pomponia war übrigens ein zahlreiches Plebejisches Geschlecht, das aber seit dem Jahre der Stadt 518 unter die Konsularischen gehörte, und zu Ciceros Zeiten durch Cn. Pomponius, einen vorzüglichen Redner, und durch den berühmten Titus Pomponius Atticus, in Ansehen erhalten wurde. Man kennt aus der römischen Geschichte und aus Münzen vier Zweige dieses Geschlechtes, die sich durch die Zunamen Matho, Molo, Flaccus und Rufus von einander unterschieden. aus seines Vaters Munde, falls er noch bei Leben wäre, schwäch're Dinge hören? Es ist demnach nicht allerdings genug in Versen, wo die Sprache nie die Grenzen der Prose überschreitet, so zu schelten, daß, wie das Metrum aufgelöset wird, ein jeder andrer Vater eben so wie der verlarvte schnaubte. Nehmet dem, was ich soeben schreibe, oder was Lucil vor mir geschrieben, Rhythmus und Mensur, |
esset, quaesivere: quod acer spiritus ac vis nec verbis nec rebus inest, nisi quod pede certo differt sermoni, sermo merus. »At pater ardens saevit, quod meretrice nepos insanus amica <50> filius, uxorem grandi cum dote recuset ebrius et, magnum quod dedecus! ambulet ante noctem cum facibus.« Numquid Pomponius istis audiret leviora, pater si viveret? Ergo non satis est puris versum perscribere verbis, <55> quem si dissolvas, quivis stomachetur eodem quo personatus pacto pater. His, ego quae nunc, olim quae scripsit Lucilius, eripias si |
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und stellt, was nun das letzte ist, voran, was bleibt uns Dichterisches? Tut dasselbe, wenn Ennius singt: die schwarze Zwietracht hatte kaum des Krieges Eisentore aufgesprengt, ihr werdet auch in den zerstückten Gliedern den DichterEnnius, aus welchem, nach dem Berichte des Virgilianischen Kommentators Servius, diese von Horaz angezogenen Verse genommen sind, wurde von den Römern, die ihre αμουσίαν, ihre alte Roheit und Unwissenheit in Sachen des Geschmackes, lange nicht verwinden konnten, so lange als er ihnen noch verständlich war, für ihren Homer gehalten. Er hieß ihnen der Dichter par excellence; und in der Tat, wie unermeßlich auch der Abstand von Homer bis zu ihm ist, so fand doch Virgil (seinem eignen Ausdruck und Geständnis nach) eine Menge Goldkörner aus dem Miste dieses alten römischen Meistersängers herauszuscharren. wieder finden. Im Vorbeigehn dies! Ob diese Art von Schriften Poesie zu nennen sei, ein andermal! Jetzt soll nur noch die Frage sein, geneigter Leser, ob sie mit Grunde dir verdächtig sei. Dort kommen gleich mit Klaglibellen in der Hand, erhitzt und heischer, Sulcius und Caprius gelaufen, aller Straßenräuber Schrecken! Wer aber reine Hände hat, bekümmert sich wenig um den einen und den andern. Wenn du nun auch den Räubern Cölius und Birrus noch so ähnlich wärst, und ich bin weder Caprius noch Sulcius, was brauchst du mich zu fürchten? Meine Schriften liegen in keiner Bude, sind an keinem Pfeiler |
tempora certa modosque, et quod prius ordine verbum est posterius facias, praeponens ultima primis: <60> non, ut si solvas »postquam discordia taetra belli ferratos postes portasque refregit«, invenias etiam disiecti membra poetae. Hactenus haec; alias, iustum sit necne poema: nunc illud tantum quaeram: meritone tibi sit <65> suspectum genus hoc scribendi. Sulcius acer ambulat et Caprius, rauci male, cumque libellis, magnus uterque timor latronibus! at bene si quis et vivat puris manibus, contemnat utrumque. Ut tu sis similis Coeli Birrique, latronum, <70> non ego sim Caprii neque Sulci, cur metuas me? |
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den schmutzigen Fingern aller Pflastertreter und des Tigellius Nase Preis gegebenWer damals seine Schriften publizieren wollte, verschenkte, oder verhandelte sie an eine Art von Buchhändlern, welche Abschriften davon machen ließen, und damit öffentliches Gewerbe trieben. Weil diese Leute ihre Buden gewöhnlich unter bedeckten Säulengängen (Portici) hatten, so pflegten sie die Titel ihrer literarischen Neuigkeiten, mit großen Buchstaben geschrieben, an die Säule, an welche ihre Bude stieß, aufzuhängen: so verstehe ich wenigstens die Worte: nulla meos habeat pila libellos, und halte diese Auslegung für natürlicher als die des Scholiasten: in pilis epigrammata scribebant poetae, qui non tradebant bibliopolis. In diesem Stücke war es also ungefähr wie bei uns. Wer vorüber ging und neugierig war, besonders die Herren vom Handwerk, und die Zunft der Ardelionen und Parasiten, die von Witz, Kennerschaft und Persiflage lebten und an den Tafeln der Großen und Reichen ihre Zeche damit bezahlten, lasen im Vorbeigehen die angeschlagenen Titel, oder guckten in die aufgeschlagenen Bücher und blätterten darin, um was aufzuschnappen, das sich bei Tische an den Mann bringen ließ, u.s.w. Was den Hermogenes Tigellius betrifft, der hier schon wieder, in ziemlich schlechter Gesellschaft, auftreten muß: so vermute ich, daß es nicht der Sänger Tigellius (von welchem in der 2ten und 3ten Satire die Rede war), ein Mann, der zu seiner Zeit eine gewisse Figur in Rom gemacht hatte, sondern irgend ein Sohn oder Neffe desselben gewesen, der, als Erbe der Überbleibsel seines mit Ambubajen, Tänzerinnen und Balatronen durchgepraßten Vermögens, auch seine Prätension an den Charakter eines Bel-Esprit und Elegant und an die Protektion, die er einigen subalternen Geschöpfen aus dieser Kategorie angedeihen ließ, geerbt haben mochte. Ich nehme also zwei Tigellios Hermogenes an: den bekannten, der bereits tot war, als Horaz die zweite Satire schrieb, und indessen schwerlich wieder ab inferis zurückgekommen war; und diesen bisher unbekannter der hier und in der 10ten Satire ziemlich übel behandelt wird. Wenigstens begreife ich nicht, wie man ohne diese Voraussetzung das, was Horaz an verschiedenen Stellen und zu verschiedenen Zeiten vom Tigellius Hermogenes sagt, ungezwungen erklären, und alles allein auf den ältern ziehen könnte. .Auch les' ich niemals vor, als meinen Freunden, (und da nur weil ich muß) nicht überall noch jedermann. Es gibt ja derer g'nug die ihre Werke mitten auf dem Markte, ja gar im Bade lesen. Ein verschloßner Ort hallt einem seine Stimme, sagen sie, so angenehm zurück. Ein feiner Zeitvertreib für Müßiggänger, deren kleinster Kummer ist zur Unzeit was zu tun und ohne Sinn. »Und du«, so hör' ich sagen, »machst dir eine Lust und ein Geschäfte draus, aus bösem Willen den Leuten weh zu tun!« – Wo nimmst du das? Hat etwa deren einer dir's vertraut mit denen ich gelebt? Den Mann, der hinterm Rücken des Freundes Ruhm benagt, ihm gegen fremden Tadel das Wort nicht redet, der ein loser Vogel zu heißen und, sobald sein Mund sich öffnet, ein berstend Lachen zu erregen stolz ist, |
Nulla taberna meos habeat neque pila libellos, queis manus insudet vulgi, Hermogenisque Tigelli, nec recitem quidquam nisi amicis, idque coactus, non ubivis coramve quibus libet. ln medio qui <75> scripta foro recitent, sunt multi, quique lavantes. Suave locus voci resonat conclusus. Inanes hoc iuvat, haud illud quaerentes, num sine sensu, tempore num faciant alieno. – »Laedere gaudes«, inquit, »et hoc studio pravus facis!« – Unde petitum <80> hoc in me iacis? est auctor quis denique eorum, vixi cum quibus? Absentem qui rodit amicum, qui non defendit, alio culpante; solutos qui captat risus hominum, famamque dicacis; |
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von Dingen, die er selbst erdichtet, sich zum Augenzeugen macht, und das Vertraute nicht verschweigen kann, – den nenn' ich schwarz, vor dem, vor dem, ihr Römer, seid auf eurer Hut! |
fingere qui non visa potest, commissa tacere <85> qui nequit, hic niger est, hunc tu, Romane, caveto! |