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Jane, Gilbert, Joshua Farnaby
Joshua Ich verlasse euch hier, meine guten Freunde. Es ist Nacht, ich muß meinen Dienst als Schließer des Londoner Turms tun. Ach, ich bin nicht so frei, wie ihr! Seht, ein Kerkermeister ist nur eine andere Art von einem Gefangenen. Lebe wohl, Jane. Lebe wohl, Gilbert. Du mein Gott, meine Freunde, wie froh bin ich, euch glücklich zu sehen! Aha, Gilbert, wann ist die Hochzeit?
Gilbert In acht Tagen, nicht wahr, Jane?
Joshua Meiner Treu, übermorgen haben wir Weihnachten; das ist der Tag für Wünschen und Schenken, aber ich weiß nicht, was ich euch wünschen soll. Man kann von der Braut nicht mehr Schönheit und von dem Bräutigam nicht mehr Liebe verlangen. Ihr seid glücklich!
Gilbert Guter Joshua! und du, bist du nicht glücklich?
Joshua Weder glücklich, noch unglücklich. Ich habe auf Alles verzichtet. Siehst du, Gilbert? Er schlägt seinen Mantel halb auseinander und zeigt einen Bund Schlüssel, der an seinem Gürtel hängt. Gefängnisschlüssel, die einem beständig am Gürtel rasseln, das spricht, das macht Einem alle möglichen philosophischen Gedanken. Wie ich jung war, war ich wie ein Anderer, verliebt einen ganzen Tag, ehrgeizig einen ganzen Monat und ein Narr das ganze Jahr. Meine jungen Jahre fielen so unter König Heinrich den Achten. Ein sonderbarer Mann der König Heinrich. Ein Mann, der seine Weiber wechselte, wie ein Weib seine Röcke. Die erste verstieß er, der zweiten ließ er den Kopf abschlagen, der dritten den Leib aufschneiden, die vierte begnadigte er und jagte sie fort, aber dafür ließ er dann der fünften wieder den Kopf abschneiden. Das ist nicht das Märchen vom Blaubart, was ich Euch da erzähle, schöne Jane, das ist die Geschichte König Heinrich's des Achten. Ich gab mich in der Zeit mit den Religionshändeln ab, ich schlug mich für die eine und für die andere Partei. Es war damals das Beste, was man tun konnte. Es war übrigens eine kitzliche Sache. Es frug sich, ob man für oder wider den Pabst sei. Die Leute des Königs hingen die, welche dafür, und verbrannten die, welche dagegen waren. Die Gleichgültigen, d. h. die, welche weder dafür noch dagegen waren, hing oder verbrannte man, wie's gerade kam. Der Teufel mochte sich da herausziehen. Ja, der Strick – nein, der Scheiterhaufen – weder ja, noch nein, der Strick und der Scheiterhaufen. Ich, der ich mit euch spreche, habe oft genug nach Braten gerochen und weiß nicht genau, ob ich zwei- oder dreimal bin wieder abgeschnitten worden. Das war eine schöne Zeit. Ohngefähr wie jetzt. Ja, ich schlug mich für Alles. Hole mich der Teufel, wenn ich noch weiß, für wen und für was ich mich geschlagen habe. Wenn man mir wieder vom Meister Luther und vom Pabst Paul dem Dritten spricht, so zucke ich die Achseln. Siehst du, Gilbert, wenn man graue Haare hat, muß man nicht mehr nach den Meinungen sehen, für die man sich geschlagen, und nach den Weibern, denen man den Hof im zwanzigsten Jahre gemacht hat. Weiber und Meinungen sehen dann gar häßlich, gar alt, gar hinfällig, gar zahnlückig, gar runzlig, gar dumm aus. Das ist meine Geschichte! Jetzt habe ich mich von den Geschäften zurückgezogen. Ich bin weder Soldat des Königs, noch Soldat des Pabstes, ich bin Schließer des Turmes von London. Ich schlage mich für Niemand mehr und schließe hinter Jedermann zu. Ich bin Schließer und bin alt; ich stehe mit dem einen Fuße im Kerker und mit dem andern in der Grube. Ich lese die Scherben alter Minister und alter Günstlinge auf, die bei der Königin zerbrochen werden. Das ist sehr unterhaltend. Und dann habe ich ein kleines Kind, das ich liebe, und dann euch beide, die ich auch liebe, und bin glücklich, wenn ihr glücklich seid.
Gilbert Dann sei glücklich, Joshua! Nicht wahr, Jane?
Joshua Ich, ich kann nichts für dein Glück tun, aber Jane Alles; du liebst sie! Ich werde dir nie in meinem Leben einen Dienst tun. Du bist glücklicher Weise kein so vornehmer Herr, daß du jemals den Schlüsselträger des Londoner Turms nötig haben solltest. Jane wird meine Schuld mit der ihrigen abtragen; denn sie und ich verdanken dir Alles. Jane war ein armes Kind, eine verlassene Waise; du hast sie aufgenommen und erzogen. Ich, ich war nahe daran, an einem schönen Abend in der Themse zu ertrinken; du hast mich aus dem Wasser gezogen.
Gilbert Zu was immer davon sprechen, Joshua?
Joshua Nur um dir zu sagen, daß es unsere Pflicht ist, dich zu lieben; ich, wie ein Bruder, Jane . . . nicht wie eine Schwester.
Jane Nein, wie ein Weib. Ich verstehe Euch, Joshua. Sie verfällt wieder in ihr Träumen.
Gilbert leise zu Joshua: Betrachte sie, Joshua! Ist sie nicht schön und reizend? wäre sie nicht eines Königs würdig? Wenn du wüßtest! Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich sie liebe!
Joshua Nimm dich in Acht, das ist unklug; ein Weib, das liebt sich nicht so; ein Kind, meinetwegen!
Gilbert Was willst du sagen?
Joshua Nichts. – Ich werde in acht Tagen bei eurer Hochzeit sein. Ich hoffe, daß mir dann die Staatsgeschäfte ein wenig Ruhe lassen und daß Alles vorbei sein wird.
Gilbert Wie? Was soll vorbei sein?
Joshua Ah, du kümmerst dich um diese Sachen nicht, Gilbert. Du bist verliebt. Du bist aus dem Volke. Was kümmern dich die Ränke da oben, dich, der du unten glücklich bist? Doch, weil du mich fragst, will ich dir sagen, daß man hofft, in acht Tagen von heute an, in vierundzwanzig Stunden vielleicht, werde Fabiano Fabiani bei der Königin durch einen Andern ersetzt sein.
Gilbert Wer ist der Fabiano Fabiani?
Joshua Er ist der Geliebte der Königin, ein sehr mächtiger und sehr liebenswürdiger Günstling, ein Günstling, der einem Menschen, welcher ihm mißfällt, den Kopf in weniger Zeit abschlagen läßt, als ein holländischer Bürgermeister braucht, um einen Löffel Suppe zu essen; der beste Günstling, den der Henker des Londoner Turms seit zehn Jahren hatte. Denn du weißt, daß der Henker für den Kopf eines großen Herrn zehn Silbergulden und zuweilen das Doppelte erhält, wenn der Kopf recht wichtig ist. Man wünscht sehr den Sturz dieses Fabiani. – Es ist wahr, bei meinem Dienste im Turm höre ich nur Leute von sehr übler Laune, Unzufriedene, denen man in einem Monat den Kopf abschlagen wird, auf seine Kosten Anmerkungen machen.
Gilbert Mögen die Wölfe sich unter einander zerreißen! Was kümmert uns die Königin und der Günstling der Königin? Nicht wahr, Jane?
Joshua O, es gibt eine gewaltige Verschwörung gegen Fabiani! Er hat von Glück zu sagen, wenn er sich herauszieht. Es sollte mich nicht wundern, wenn heute Nacht irgend ein Schlag geschähe. Ich sah den Meister Simon Renard ganz in Gedanken da herum schleichen.
Gilbert Wer ist der Meister Simon Renard?
Joshua Wie, das weißt du nicht? Er ist der rechte Arm des Kaisers zu London. Die Königin soll den Prinzen von Spanien, dessen Gesandter Simon Renard ist, heiraten. Die Königin haßt diesen Simon Renard; aber sie fürchtet ihn und vermag nichts gegen ihn. Er hat schon zwei bis drei Günstlinge vernichtet. Das ist so sein Instinkt. Er säubert den Palast von Zeit zu Zeit. Ein feiner und sehr boshafter Mann, der alles weiß, was vorgeht, und immer zwei oder drei Stockwerke tief unter alle Ereignisse gräbt. Was den Lord Paget betrifft – hast du mich nicht auch gefragt, wer der Lord Paget sei? – das ist ein pfiffiger Edelmann, der unter Heinrich dem Achten zu tun hatte. Er ist Mitglied des geheimen Rats. Er hat ein Ansehen, daß die andern Minister vor ihm den Atem verlieren, den Kanzler »Mylord Gardiner« ausgenommen, der hat einen Abscheu vor ihm. Ein heftiger Mann, der Gardiner und von sehr gutem Herkommen. Paget ist nichts. Der Sohn eines Seifensieders. Er soll zum Baron Paget von Beaudesert in Stafford ernannt werden.
Gilbert Wie er das Alles so geläufig herzählt, der Joshua!
Joshua Bei Gott, wenn man so die Staatsgefangenen schwätzen hört.
Simon Renard erscheint im Hintergrund der Bühne.
Siehst du, Gilbert, der Mann, welcher am besten die Geschichte dieser Zeit kennt, ist der Kerkermeister vom Londoner Turm.
Simon Renard welcher die letzten Worte gehört hat, aus dem Hintergrund der Bühne: Ihr irrt Euch, mein Freund, es ist der Henker.
Joshua leise zu Gilbert und Jane: Treten wir ein wenig zurück.
Simon Renard entfernt sich langsam. – Nachdem Simon Renard verschwunden ist:
Das ist gerade Meister Simon Renard.
Gilbert Alle diese Leute, welche um mein Haus herumschleichen, mißfallen mir.
Joshua Zum Teufel, was will er hier? Ich will schnell zurück; ich glaube er sorgt mir für Arbeit. Lebe wohl, Gilbert. Lebt wohl, schöne Jane. – Und doch kannte ich Euch, wie Ihr nicht größer waret, als so!
Gilbert Lebe wohl, Joshua. – Doch sprich, was verbirgst du da unter deinem Mantel?
Joshua Ach! Ich habe auch meinen Anschlag.
Gilbert Welchen Anschlag?
Joshua Wie ihr Verliebten Alles vergeßt! Ich sagte euch eben, daß wir übermorgen den Tag der Angebinde und Geschenke haben. Die Herren denken auf eine Überraschung für Fabiani, ich, ich denke ebenfalls auf eine. Die Königin wird sich vielleicht einen ganz neuen Günstling anschaffen. Ich, ich schaffe meinem Kinde eine Puppe an. Er zieht eine Puppe unter seinem Mantel hervor. Auch ganz neu. Wir wollen sehen, wer von Beiden sein Spielzeug am schnellsten zerbricht. – Gott behüte euch, meine Kinder!
Gilbert Auf Wiedersehen, Joshua!
Joshua entfernt sich. Gilbert nimmt die Hand von Jane und küßt sie leidenschaftlich.
Joshua im Hintergrund der Bühne: Oh! wie groß die Vorsehung ist! Sie gibt jedem sein Spielzeug, die Puppe dem Kind, das Kind dem Mann, den Mann dem Weib und das Weib dem Teufel! Er geht ab.