Henrik Ibsen
Hedda Gabler
Henrik Ibsen

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Dritter Akt

Das Zimmer bei Tesmans. Die Vorhänge vor der Türöffnung sind zusammengezogen. Ebenso vor der Glastür. Die Lampe, mit einem Schirm darüber, brennt halb heruntergeschraubt auf dem Tisch. Im Ofen, dessen Tür offen steht, ist Feuer gewesen, das nun fast ausgebrannt ist.

Frau Elvsted, in ein großes Umschlagtuch gehüllt und die Füße auf einem Schemel, sitzt dicht am Ofen, in den Lehnstuhl zurückgesunken. Hedda liegt angekleidet auf dem Sofa und schläft unter einer Decke.

Frau Elvsted, nach einer Pause, richtet sich rasch im Stuhl auf und lauscht gespannt. Dann sinkt sie zurück und jammert leise: Noch nicht! – Ach Gott, – ach Gott, – noch nicht!

Berte kommt, behutsam auftretend, durch die Vorzimmertür. Sie hat einen Brief in der Hand.

Frau Elvsted dreht sich um und flüstert gespannt: Nun, – ist wer dagewesen?

Berte leise: Ja, eben war ein Mädchen da mit dem Brief.

Frau Elvsted schnell, streckt die Hand aus. Ein Brief! Geben Sie her!

Berte. Nein, der ist für den Herrn Doktor, gnädige Frau.

Frau Elvsted. Ach so.

Berte. Es war Fräulein Tesman ihr Mädchen, die ihn gebracht hat. Ich lege ihn da auf den Tisch hin.

Frau Elvsted. Ja, tun Sie das.

Berte legt den Brief hin. Es ist gewiß besser, ich mache die Lampe aus. Denn sie blakt.

Frau Elvsted. Machen Sie sie nur aus. Es ist wohl nun bald Tag.

Berte die Lampe löschend. Es ist schon Tag, gnädige Frau!

Frau Elvsted. Ja, hellerlichter Tag! Und noch nicht zu Haus –!

Berte. Ach Herrjeh, – hab' es mir doch gleich gedacht, daß es so kommen würde.

Frau Elvsted. Sie haben es sich gedacht?

Berte. Ja, wie ich sah, daß ein gewisses Mannsbild nach der Stadt zurückgekommen ist –. Und mit den andern abgeschoben ist. Denn von dem Herrn hat unsereins ja früher gerade genug gehört.

Frau Elvsted. Sprechen Sie nicht so laut. Sie wecken die gnädige Frau.

Berte sieht zum Sofa hin und seufzt. Ach Gott, – lassen wir sie nur schlafen, die arme Seele. – Soll ich noch im Ofen etwas nachlegen?

Frau Elvsted. Danke, meinetwegen nicht.

Berte. Na ja.

Sie geht leise hinaus durch die Vorzimmertür.

Hedda erwacht vom Schließen der Tür und sieht auf. Was ist –!

Frau Elvsted. Es war nur das Mädchen –

Hedda sieht sich um. Ah, hier drin –! Ja jetzt weiß ich ja – richtet sich auf dem Sofa sitzend auf, dehnt sich und reibt sich die Augen. Was ist die Uhr, Thea?

Frau Elvsted sieht auf ihre Uhr. Es ist sieben vorbei.

Hedda. Wann ist Tesman gekommen?

Frau Elvsted. Er ist noch nicht zu Hause.

Hedda. Noch nicht zu Hause?

Frau Elvsted steht auf. Es ist noch gar keiner da.

Hedda. Und da haben wir gewacht und aufgesessen und gewartet unausgesetzt bis vier Uhr –

Frau Elvsted ringt die Hände. Und wie habe ich auf ihn gewartet!

Hedda gähnt und sagt, die Hand vor dem Mund: Ach ja, – das hätten wir uns auch sparen können.

Frau Elvsted. Hast Du noch ein bißchen geschlafen?

Hedda. O ja. Ich glaube, ich habe ganz gut geschlafen. Du nicht?

Frau Elvsted. Nicht einen Augenblick. Ich konnte nicht, Hedda! Es war mir ein Ding der Unmöglichkeit.

Hedda steht auf und geht zu ihr hin. Nun, nun, nun! Da ist doch gar kein Grund zur Angst. Ich verstehe schon, wie das zusammenhängt.

Frau Elvsted. Was glaubst Du denn? Wenn Du mir das sagen kannst!

Hedda. Na, die Geschichte beim Assessor hat sich natürlich gräßlich in die Länge gezogen –

Frau Elvsted. Ach Gott ja, – das war gewiß der Fall. Trotzdem aber –

Hedda. Und dann, sieh mal, dann hat Tesman nicht nach Haus kommen und Lärm machen und läuten wollen mitten in der Nacht. Lacht. Vielleicht hat er sich auch nicht gern sehen lassen wollen – so unmittelbar nach einer lustigen Kneiperei.

Frau Elvsted. Aber meine Liebe, – wo sollte er denn sonst hingegangen sein?

Hedda. Er ist natürlich hinauf zu den Tanten gegangen und hat sich da schlafen gelegt. Sie haben ja sein altes Zimmer noch leer stehen.

Frau Elvsted. Nein, bei denen kann er nicht sein. Denn eben ist ein Brief an ihn gekommen von Fräulein Tesman. Da liegt er.

Hedda. So? Betrachtet die Aufschrift. Ja, er ist wahrhaftig von Tante Julles eigener Hand. Na, dann ist Tesman eben beim Assessor geblieben. Und Lövborg, der sitzt – mit Weinlaub im Haar, und liest vor.

Frau Elvsted. Ach Hedda, Du redest doch nur Sachen, die Du selber nicht glaubst.

Hedda. Du bist wirklich ein kleiner Schafskopf, Thea.

Frau Elvsted. Ach leider, ja, das bin ich wohl.

Hedda. Und wie todmüde Du aussiehst.

Frau Elvsted. Ja, ich bin auch todmüde.

Hedda. Nun, darum sollst Du tun, was ich sage. Geh in mein Zimmer und leg Dich ein bißchen aufs Bett.

Frau Elvsted. O nein, nein, – ich werde doch nicht schlafen können.

Hedda. Gewiß wirst Du das.

Frau Elvsted. Ja, aber Dein Mann muß doch jetzt jeden Augenblick nach Hause kommen. Und da muß ich gleich erfahren –

Hedda. Ich werde es Dir schon sagen, wenn er kommt.

Frau Elvsted. Versprichst Du mir das, Hedda?

Hedda. Ja, da kannst Du Dich drauf verlassen. Jetzt geh hinein und schlaf inzwischen.

Frau Elvsted. Danke sehr. So will ich versuchen, ob es geht.

Sie geht durchs Hinterzimmer hinaus.

Hedda geht hin zur Glastür und zieht die Vorhänge zurück. Das volle Tageslicht fällt ins Zimmer. Danach nimmt sie vom Schreibtisch einen kleinen Handspiegel, blickt hinein und ordnet ihr Haar. Dann geht sie nach der Vorzimmertür und drückt auf den Knopf der Klingel.

Berte zeigt sich nach einer kleinen Pause in der Tür.

Berte. Wünschen gnädige Frau etwas?

Hedda. Ja, legen Sie im Ofen nach. Mich friert hier.

Berte. Herrjeh, – auf der Stelle soll es hier warm sein.

Sie scharrt die Kohlen zusammen und legt ein Holzscheit nach.

Berte hält inne und lauscht. Da hat's eben an der Haustür geschellt, gnädige Frau.

Hedda. So gehen Sie hinaus und machen Sie auf. Den Ofen will ich schon selbst besorgen.

Berte. Das Feuer muß gleich anbrennen. Sie geht hinaus durch die Vorzimmertür.

Hedda kniet auf dem Fußschemel und legt mehrere Scheite in den Ofen.

Tesman kommt gleich darauf vom Vorzimmer herein. Er sieht müde und etwas ernst aus. Schleicht sich auf den Zehen hin zur Türöffnung und will zwischen den Vorhängen hindurchschlüpfen.

Hedda beim Ofen, ohne aufzusehen. Guten Morgen.

Tesman dreht sich um. Hedda! Kommt näher. Aber um alles in der Welt – Du bist schon so früh auf! Was?

Hedda. Ja, ich bin heute tüchtig früh aufgewesen.

Tesman. Und ich war so fest überzeugt, Du lägst noch im Bett und schliefst! Denk nur, Hedda!

Hedda. Sprich nicht so laut. Frau Elvsted liegt in meinem Zimmer.

Tesman. Ist Frau Elvsted die ganze Nacht dageblieben?

Hedda. Ja, es ist doch keiner gekommen, sie abzuholen.

Tesman. Ach ja, das ist schon richtig.

Hedda macht die Ofentür zu und steht auf. Na, war es amüsant beim Assessor?

Tesman. Warst Du meinetwegen ängstlich? Was?

Hedda. Nein, das könnte mir doch nie einfallen. Aber ich habe gefragt, ob Du Dich amüsiert hast.

Tesman. O ja, freilich. Einmal ist ja doch keinmal –. Ganz besonders im Anfang, – muß ich sagen. Denn da hat mir Ejlert vorgelesen. Wir sind nämlich über eine Stunde zu früh gekommen, – denk nur! Und Brack hatte ja noch mancherlei zu besorgen. Und derweil las Ejlert vor.

Hedda setzt sich rechts an den Tisch. Nun! So laß doch hören –

Tesman setzt sich auf ein Taburett beim Ofen. Nein, Hedda, Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was für ein Werk das wird! Es gehört ohne Zweifel zu dem Merkwürdigsten, was geschrieben worden ist. Denk Dir!

Hedda. Ja, ja, das interessiert mich nicht –

Tesman. Ich will Dir etwas gestehen, Hedda. Nachdem er gelesen hatte, – da überkam mich etwas Häßliches.

Hedda. Etwas Häßliches?

Tesman. Ich saß da und beneidete Ejlert, daß er so etwas hatte schreiben können. Denk Dir, Hedda!

Hedda. Ja, ja, ich denke ja schon!

Tesman. Und dann zu wissen, daß er, – bei seinen Fähigkeiten, – doch wohl leider ganz unverbesserlich ist.

Hedda. Du meinst wohl, er hat mehr Lebensmut als die anderen?

Tesman. Herrgott, nein, – sieh mal, er kann eben gar nicht Maß halten im Genuß.

Hedda. Und wie entwickelte sich es denn – zuletzt?

Tesman. Ja, ich hatte direkt die Empfindung, man konnte es ein Bacchanal nennen, Hedda.

Hedda. Hatte er Weinlaub im Haar?

Tesman. Weinlaub? Nein, davon habe ich nichts gesehen. Aber er hielt eine lange konfuse Rede auf ein weibliches Wesen, das ihn bei der Arbeit begeistert hätte. Ja, so drückte er sich aus.

Hedda. Hat er ihren Namen genannt?

Tesman. Nein, das hat er nicht getan. Aber ich kann es mir nicht anders denken, es muß Frau Elvsted sein. Paß nur auf!

Hedda. Nun, – und wo hast Du Dich von ihm getrennt?

Tesman. Auf dem Heimwege. Wir brachen gleichzeitig auf, – als die Nachzügler. Und Brack ging auch mit, um ein bißchen frische Luft zu schöpfen. Und da, siehst Du, da entschlossen wir uns, Ejlert nach Haus zu begleiten. Denn weißt Du, er hatte wirklich des Guten zu viel getan.

Hedda. Das mag wohl sein.

Tesman. Aber nun kommt das Merkwürdige, Hedda! Oder besser gesagt: das Traurige. Ach, – ich schäme mich fast – für Ejlert – es zu erzählen –

Hedda. Nun, was ist denn –?

Tesman. Während wir so unsern Weg gingen, weißt Du, blieb ich zufällig etwas zurück. Nur so ein paar Minuten, – denk Dir!

Hedda. Ja, ja, Herrgott, und –?

Tesman. Und wie ich die andern schnell einholen will, – weißt Du, was ich da auf dem Wege finde? Was?

Hedda. Wie kann ich denn das wissen!

Tesman. Sag' aber bloß keinem Menschen etwas, Hedda. Hörst Du! Versprich mir das, Ejlerts wegen. Zieht ein mit Papier umwickeltes Paket aus der Rocktasche. Denk Dir, – das da habe ich gefunden.

Hedda. Ist das nicht das Paket, das er gestern mit hatte?

Tesman. Ja freilich, das ist sein ganzes kostbares, unersetzliches Manuskript! Und das hatte er auf dem Wege verloren – ohne es zu merken. Denk Dir nur, Hedda! Wie traurig –

Hedda. Warum hast Du ihm denn das Paket nicht gleich wiedergegeben?

Tesman. Nein, das durfte ich doch nicht – in der Verfassung, in der er war –

Hedda. Hast Du einem andern etwas davon gesagt, daß Du es gefunden hättest?

Tesman. I bewahre! Das wollte ich doch nicht Ejlerts wegen, verstehst Du.

Hedda. Es weiß also kein Mensch, daß Du Lövborgs Schrift hast?

Tesman. Nein. Und auch kein Mensch darf es wissen.

Hedda. Worüber hast Du denn hernach mit ihm gesprochen?

Tesman. Ich kam gar nicht mehr dazu, mit ihm zu sprechen, weißt Du. Denn wie wir in die Stadt kamen, da riß er uns mit zwei – drei andern aus. Denk Dir!

Hedda. So? Die haben ihn dann wohl nach Hause gebracht.

Tesman. Ja, das haben sie wohl, dem Anschein nach. Und Brack ging auch seiner Wege.

Hedda. Und wo hast Du Dich danach umhergetrieben?

Tesman. Ich und noch ein paar andere, wir gingen mit einem von den lustigen Kumpanen auf seine Bude und tranken da unsern Morgenkaffee. Oder es muß wohl eher Nachtkaffee heißen. Was? Aber wenn ich nur erst ein bißchen ausgeruht habe – und annehmen kann, daß Ejlert, der arme Junge, ausgeschlafen hat, so will ich gleich zu ihm hin und ihm das da bringen.

Hedda greift mit der Hand nach dem Paket. Nein, – gib das nicht weg! Nicht gleich, meine ich. Laß es mich erst lesen.

Tesman. Nein, liebste, beste Hedda, das darf ich bei Gott nicht.

Hedda. Du darfst nicht?

Tesman. Nein, – denn Du kannst Dir doch wohl denken, wie er außer sich geraten muß, wenn er aufwacht und das Manuskript nicht hat. Du mußt nämlich wissen, er hat keine Abschrift davon. Das hat er selbst gesagt.

Hedda sieht ihn gewissermaßen prüfend an. Kann man denn so etwas nicht noch einmal schreiben? Ein zweites Mal?

Tesman. Nein, das halte ich nun und nimmer für möglich. Denn die Begeisterung, – sieh mal –

Hedda. Ja, ja, – daran mag es wohl liegen – leichthin. Ach richtig, ja, – da ist ein Brief für Dich.

Tesman. Denk nur –!

Hedda reicht ihm den Brief. Er ist heut in aller Frühe gekommen.

Tesman. Von Tante Julle, Du! Was mag das sein? Legt das Paket auf das andere Taburett, öffnet den Brief, überfliegt ihn und springt auf. Ach Hedda, – sie schreibt, mit der armen Tante Rina geht es zu Ende!

Hedda. Das war ja zu erwarten.

Tesman. Und wenn ich sie noch einmal sehen will, so müsse ich mich beeilen. Ich will gleich hinüber springen.

Hedda unterdrückt ein Lächeln. Springen willst Du auch noch?

Tesman. Ach liebste Hedda, – wenn Du es über Dich gewinnen könntest, mitzugehen. Denk nur!

Hedda steht auf und sagt müde und abweisend: Nein, nein, verlang' nicht so etwas von mir. Ich will nichts sehen von Krankheit und Tod. Verschone mich mit allem, was widerwärtig ist.

Tesman. Na Gott –! Fährt umher. Mein Hut –? Mein Überzieher –? Ja so, im Vorzimmer –. Ich will zu Gott hoffen, daß ich nicht zu spät komme, Hedda? Was?

Hedda. So spring nur –

Berte erscheint in der Vorzimmertür.

Berte. Herr Assessor Brack ist draußen und läßt fragen, ob er eintreten darf.

Tesman. Zu dieser Zeit! Nein, jetzt kann ich ihn unmöglich empfangen.

Hedda. Aber ich. Zu Berte. Bitten Sie den Herrn Assessor einzutreten.

Berte geht.

Hedda rasch, flüsternd. Das Paket, Tesman!

Sie nimmt es vom Taburett.

Tesman. Ja, gib es mir!

Hedda. Nein, nein, ich hebe es Dir so lange auf.

Sie geht nach dem Schreibtisch und steckt es hinein ins Bücherfach. Tesman kann in der Eile die Handschuhe nicht anbekommen.

Assessor Brack kommt herein vom Vorzimmer.

Hedda nickt ihm zu. Nun, Sie sind mir ein rechter Morgenvogel.

Brack. Ja, nicht wahr? Zu Tesman. Wollen Sie sich auch schon wieder auf die Beine machen?

Tesman. Ja, ich muß notwendigerweise zu den Tanten. Denken Sie bloß, – die arme Kranke, die liegt im Sterben.

Brack. Ach du lieber Gott, wirklich? Aber dann sollen Sie sich von mir nur nicht aufhalten lassen. In einem so ernsten Augenblick –

Tesman. Ja, ich muß wirklich machen, daß ich wegkomme. – Adieu! Adieu! Er eilt hinaus durch die Vorzimmertür.

Hedda kommt näher. Es war wohl mehr als ausgelassen bei Ihnen heut nacht, Herr Assessor.

Brack. Ich bin tatsächlich nicht aus den Kleidern gekommen, Frau Hedda.

Hedda. Sie auch nicht?

Brack. Nein, wie Sie sehen. Aber was hat denn Tesman erzählt von den Erlebnissen dieser Nacht?

Hedda. Ach, nur langweiliges Zeug. Bloß, daß sie bei irgend einem oben waren und da Kaffee getrunken haben.

Brack. Von dieser Kaffeekneiperei habe ich schon gehört. Ejlert Lövborg war wohl nicht mit, soviel ich weiß?

Hedda. Nein, den hatten sie vorher nach Hause gebracht.

Brack. Tesman auch?

Hedda. Nein, ein paar andere, sagte er.

Brack lächelt. Jörgen Tesman ist wirklich eine arglose Seele, Frau Hedda.

Hedda. Ja, das weiß der liebe Gott. Aber stimmt denn hier etwas nicht?

Brack. Ja, die Sache ist nicht so ganz ohne.

Hedda. Na, so wollen wir uns setzen, lieber Assessor. Dann können Sie besser erzählen.

Sie setzt sich an die linke Seite des Tisches. Brack an die Längsseite in ihre Nähe.

Hedda. Nun? Also?

Brack. Ich hatte triftige Gründe, heute nacht den Wegen meiner Gäste – oder, richtiger gesagt, eines Teils meiner Gäste nachzuspüren.

Hedda. Und unter ihnen war wohl auch Ejlert Lövborg?

Brack. Ich muß gestehen – er war darunter.

Hedda. Jetzt machen Sie mich aber wirklich neugierig –

Brack. Wissen Sie, wo er und ein paar von den anderen den Rest der Nacht zugebracht haben, Frau Hedda?

Hedda. Wenn es sich erzählen läßt, so tun Sie es.

Brack. I freilich, erzählen läßt es sich schon. Also, sie besuchten eine sehr animierte Soirée.

Hedda. Eine von der ausgelassenen Sorte?

Brack. Von der allerausgelassensten.

Hedda. Bitte mehr, Herr Assessor –

Brack. Auch Lövborg war im voraus dazu eingeladen. Ich war ganz genau davon unterrichtet. Erst hatte er abgelehnt zu kommen. Denn jetzt hat er doch einen neuen Menschen angezogen, wie Sie wissen.

Hedda. Oben bei Elvsteds, jawohl. Aber gegangen ist er also doch?

Brack. Ja, sehen Sie, Frau Hedda, – da muß unglückseligerweise bei mir gestern abend der Geist über ihn kommen –

Hedda. Jawohl, da wurde er ja in Begeisterung versetzt, wie ich höre.

Brack. In einen recht gewaltigen Grad von Begeisterung. Na, er war also wohl andern Sinns geworden, wie ich mir denke. Denn wir Männer sind leider nicht immer so prinzipienfest, wie wir sein sollten.

Hedda. Ach, Sie bilden doch gewiß eine Ausnahme, lieber Assessor. Also Lövborg –?

Brack. Na, kurz und gut, – das Ende war, er landete in Fräulein Dianas Salons.

Hedda. Fräulein Dianas?

Brack. Es war ein Fräulein Diana, das die Soirée gab. Für einen auserwählten Kreis von Freundinnen und Verehrern.

Hedda. Ist das eine Person mit roten Haaren?

Brack. Stimmt.

Hedda. So eine Art – Sängerin?

Brack. Na ja, – das auch. Und dazu eine gewaltige Jägerin – vor den Herren, – Frau Hedda. Sie haben gewiß schon von ihr gehört. Ejlert Lövborg war einer ihrer wärmsten Beschützer – in den Tagen seiner Blüte.

Hedda. Und wie endete die Geschichte?

Brack. Weniger freundschaftlich, scheint es. Fräulein Diana soll vom zärtlichsten Empfang zu Handgreiflichkeiten übergegangen sein –

Hedda. Gegen Lövborg?

Brack. Ja. Er beschuldigte sie oder ihre Freundinnen, ihn bestohlen zu haben. Er behauptete, seine Brieftasche sei ihm abhanden gekommen. Und andere Sachen mit. Kurzum, er soll einen Mordsspektakel gemacht haben.

Hedda. Und was war die Folge?

Brack. Die Folge war – was soll ich Ihnen sagen – eine allgemeine Keilerei zwischen Damen und Herren. Zum Glück ist schließlich die Polizei gekommen.

Hedda. Die Polizei ist auch gekommen?

Brack. Ja. Aber der Spaß wird Lövborg wohl teuer zu stehen kommen, dem verrückten Kerl.

Hedda. So!

Brack. Er soll Widerstand geleistet haben gegen die Staatsgewalt. Er soll einem Schutzmann eine Ohrfeige versetzt und ihm den Rock entzwei gerissen haben. So mußte er auch noch mit auf die Polizeiwache.

Hedda. Woher wissen Sie denn das alles?

Brack. Von der Polizei selbst.

Hedda sieht vor sich hin. So ist es also verlaufen. Da hat er nicht Weinlaub im Haar gehabt.

Brack. Weinlaub, Frau Hedda?

Hedda wechselt den Ton. Aber nun sagen Sie mir einmal, Herr Assessor, – warum tun Sie das eigentlich und spüren und forschen Ejlert Lövborg nach?

Brack. Erstens mal kann mir es doch nicht so ganz gleichgültig sein, wenn sich beim Verhör herausstellt, daß er unmittelbar von mir gekommen ist.

Hedda. Zum Verhör wird es also auch kommen?

Brack. Versteht sich. Aber das mag im übrigen nun sein, wie es will. Doch mir scheint, als Freund des Hauses bin ich verpflichtet, Ihnen und Tesman volle Klarheit zu schaffen über Lövborgs nächtliches Tun und Treiben.

Hedda. Warum denn das, Herr Assessor?

Brack. Weil ich lebhaften Verdacht hege, er will Sie sozusagen als spanische Wand gebrauchen.

Hedda. Aber wie kommen Sie nur auf den Gedanken?

Brack. Nun mein Gott, – wir sind doch nicht blind, Frau Hedda. Passen Sie nur auf! Diese Frau Elvsted, die verläßt sicherlich die Stadt nicht so bald wieder.

Hedda. Nun, wenn zwischen den beiden etwas sein sollte, so gibt es doch wohl noch genug andere Orte, wo sie sich treffen können.

Brack. Familien nicht. Jedes anständige Haus wird von jetzt an Lövborg wieder verschlossen sein.

Hedda. Und mein Haus muß das auch, meinen Sie?

Brack. Ja. Ich gestehe, es wäre mir mehr als peinlich, wenn dieser Herr hier fernerhin ein und aus gehen dürfte. Wenn er, als ein Überflüssiger – und Unbefugter – sich eindrängen sollte in –

Hedda. – in das Dreieck?

Brack. Ja eben. Das würde für mich gleichbedeutend sein mit heimatlos werden.

Hedda sieht ihn lächelnd an. Also, – einziger Hahn im Korbe, – das ist Ihr Ziel.

Brack nickt langsam und senkt die Stimme. Ja, das ist mein Ziel. Und für dies Ziel werde ich kämpfen – mit allen Mitteln, die mir zu Gebote stehen.

Hedda, indem das Lächeln sich verflüchtigt. Sie sind sicher ein gefährlicher Mensch, – wenn es darauf ankommt.

Brack. Glauben Sie?

Hedda. Ja, ich fange an, es zu glauben. Und man kann herzlich froh sein – solange man Ihnen nur nicht mit Haut und Haar ausgeliefert ist.

Brack lacht zweideutig. Jaja, Frau Hedda, – da haben Sie vielleicht nicht so unrecht. Wer weiß, ob ich in diesem Fall nicht imstande wäre, so allerlei auszuhecken.

Hedda. Nun hören Sie aber einmal, Herr Assessor! Das klingt ja fast wie eine Drohung.

Brack steht auf. I keine Spur! Das Dreieck, – sehen Sie, das befestigt und verteidigt man am besten freiwillig.

Hedda. Das ist auch meine Ansicht.

Brack. So, nun habe ich gesagt, was ich zu sagen hatte. Und jetzt muß ich machen, daß ich nach Hause komme. Adieu, Frau Hedda!

Er geht nach der Glastür.

Hedda steht auf. Sie gehen durch den Garten?

Brack. Ja, da kürze ich ab.

Hedda. Freilich, und dann ist ja auch ein versteckter Weg da.

Brack. Sehr wahr. Ich habe durchaus nichts gegen versteckte Wege. Zuzeiten können sie recht pikant sein.

Hedda. Wenn scharf geschossen wird, meinen Sie?

Brack in der Tür, lacht ihr zu. Ach, man schießt doch wohl nicht seine zahmen Hähne im Korb!

Hedda lacht gleichfalls. Bewahre, – wenn man nicht mehr als den einen hat, so –

Sie nicken sich, unter Lachen, zum Abschied zu. Er geht. Hedda schließt die Tür hinter ihm. Sie steht eine Weile ernst da und sieht hinaus. Danach geht sie zum Hintergrund und guckt durch den Vorhang ins Zimmer. Geht dann zum Schreibtisch, nimmt Lövborgs Paket aus dem Bücherfach und will in der Schrift blättern. Bertes Stimme ertönt laut draußen im Vorzimmer. Hedda wendet sich um und horcht. Schließt dann rasch das Paket in die Schieblade ein und legt den Schlüssel aufs Schreibzeug.

Lövborg, im Überzieher und den Hut in der Hand, reißt die Tür vom Vorzimmer auf. Er sieht etwas verstört und aufgeregt aus.

Lövborg gegen das Vorzimmer gewandt. Und ich sage Ihnen, ich will und muß hinein! So!

Er schließt die Tür, dreht sich um, sieht Hedda, beherrscht sich augenblicklich und begrüßt sie.

Hedda am Schreibtisch. Na, Herr Lövborg, Sie kommen ja hübsch spät zu Thea, um sie abzuholen.

Lövborg. Oder ich komme hübsch früh zu Ihnen. Ich bitte um Entschuldigung.

Hedda. Woher wissen Sie, daß sie noch bei mir ist?

Lövborg. In ihrer Wohnung hieß es, sie wäre die ganze Nacht fortgewesen.

Hedda geht zum Salontisch. Konnten Sie den Leuten etwas anmerken, als man Ihnen das sagte?

Lövborg sieht sie fragend an. Etwas anmerken?

Hedda. Ich meine, klang es so, als ob man sich allerlei dabei dächte?

Lövborg begreift plötzlich. Ach ja, ist ja auch wahr! Ich ziehe sie hinab mit mir! Übrigens habe ich nichts gemerkt. – Tesman ist wohl noch nicht auf?

Hedda. Nein, – ich glaube nicht –

Lövborg. Wann ist er nach Hause gekommen?

Hedda. Auffallend spät.

Lövborg. Hat er Ihnen etwas erzählt?

Hedda. Ja, ich habe gehört, es war recht hübsch ausgelassen beim Assessor.

Lövborg. Sonst nichts?

Hedda. Nein, ich glaube nicht. Übrigens war ich so greulich schläfrig –

Frau Elvsted kommt herein durch die Vorhänge des Hinterzimmers.

Frau Elvsted ihm entgegen. Ah, Lövborg! Endlich –!

Lövborg. Ja, endlich. Und zu spät.

Frau Elvsted sieht ihn voll Angst an. Zu spät – in welcher Beziehung?

Lövborg. In jeder Beziehung. Mit mir ist es aus.

Frau Elvsted. Ach nein, nein, – sag' das doch nicht!

Lövborg. Du wirst dasselbe sagen, wenn Du hörst –

Frau Elvsted. Ich will nichts hören!

Hedda. Sie wünschen vielleicht lieber mit ihr allein zu sprechen? Ich gehe dann.

Lövborg. Nein, bleiben Sie, – bleiben Sie auch. Ich bitte Sie darum.

Frau Elvsted. Aber ich will nichts hören, sag' ich.

Lövborg. Nicht von den Abenteuern dieser Nacht will ich sprechen.

Frau Elvsted. Wovon denn –?

Lövborg. Davon, daß unsere Wege sich jetzt trennen müssen.

Frau Elvsted. Trennen?!

Hedda unwillkürlich. Ich habe es gewußt.

Lövborg. Denn ich kann Dich nicht mehr brauchen, Thea.

Frau Elvsted. Und das sagst Du mir ins Gesicht! Mich nicht mehr brauchen! Ich werde Dir doch wohl helfen können nach wie vor? Wir werden doch fortfahren, gemeinsam zu arbeiten?

Lövborg. Ich gedenke fortan nicht mehr zu arbeiten.

Frau Elvsted gleichsam sich selber aufgebend. Wozu ist mein Leben dann noch nütze?

Lövborg. Du mußt versuchen, so weiter zu leben, als ob Du mich nie gekannt hättest.

Frau Elvsted. Aber das kann ich doch nicht!

Lövborg. Versuch' nur, ob Du es kannst, Thea. Du mußt wieder nach Hause –

Frau Elvsted in großer Erregung. Um keinen Preis der Welt! Wo Du bist, da will auch ich sein! Ich lasse mich nicht auf solche Art fortjagen! Ich will hier zur Stelle sein – mit Dir zusammen sein, wenn das Buch erscheint.

Hedda halblaut, in Spannung. Ah, das Buch – ja!

Lövborg sieht sie an. Mein Buch und Theas. Denn das ist es.

Frau Elvsted. Ja, ich fühle, daß es das ist. Und darum habe ich auch das Recht bei Dir zu sein, wenn es erscheint! Ich will es mit erleben, wie Dir wieder Achtung und Ehre in Fülle gezollt werden. Und die Freude, – die Freude, die will ich mit Dir teilen.

Lövborg. Thea, – unser Buch erscheint nie.

Hedda. Ah!

Frau Elvsted. Es erscheint nicht!

Lövborg. Kann nie erscheinen.

Frau Elvsted in banger Ahnung. Lövborg, – was hast Du mit den Heften getan!

Hedda sieht ihn gespannt an. Die Hefte, ja –?

Frau Elvsted. Wo hast Du sie?

Lövborg. Ach Thea, – frag' mich danach lieber nicht.

Frau Elvsted. Doch, doch, ich will es wissen. Ich habe ein Recht, es auf der Stelle zu erfahren.

Lövborg. Die Hefte –. Nun denn, – die Hefte, die habe ich in tausend Stücke gerissen.

Frau Elvsted schreit auf. Ach nein, nein –!

Hedda unwillkürlich. Aber das ist ja gar nicht –!

Lövborg sieht sie an. – wahr, meinen Sie?

Hedda faßt sich. Jawohl. Natürlich. Wenn Sie selbst es sagen. Aber es klang so unwahrscheinlich –

Lövborg. Und doch ist es wahr.

Frau Elvsted ringt die Hände. O Gott, – O Gott, Hedda, – sein eigenes Werk in Stücke gerissen!

Lövborg. Ich habe mein eignes Leben in Stücke gerissen. Da konnte ich doch wohl auch mein Lebenswerk –

Frau Elvsted. Und das hast Du also getan in dieser Nacht!

Lövborg. Du hörst es ja. In tausend Stücke. Und sie hinausgestreut in den Fjord. Weit hinaus. Da ist jedenfalls frisches Seewasser. Darin mögen sie treiben. Treiben vor Sturm und Wind. Und nach einer Weile – da sinken sie. Tiefer und tiefer. Wie ich, Thea.

Frau Elvsted. Weißt Du, Lövborg, diese Sache mit dem Buch –. Zeit meines Lebens werde ich die Vorstellung haben, als hättest Du ein kleines Kind gemordet.

Lövborg. Da hast Du recht. Es ist so etwas wie ein Kindesmord.

Frau Elvsted. Aber wie konntest Du dann –! Ich hatte doch auch mein Teil an dem Kind.

Hedda fast lautlos. Ah, das Kind –

Frau Elvsted atmet schwer. Also aus. Ja, ja, nun gehe ich, Hedda.

Hedda. Aber Du reist doch wohl nicht ab?

Frau Elvsted. Ach, ich weiß selbst nicht, was ich tue. Wohin ich blicke – alles düster.

Sie geht durchs Vorzimmer hinaus.

Hedda steht einen Augenblick stumm. Sie wollen sie also nicht nach Haus begleiten, Herr Lövborg?

Lövborg. Ich? Durch die Straßen? Sollen die Leute vielleicht sehen, daß sie mit mir zusammen geht?

Hedda. Ich weiß ja nicht, was sonst diese Nacht noch passiert ist. Aber läßt es sich denn gar nicht wieder gutmachen?

Lövborg. Bei dieser Nacht allein hat es nicht sein Bewenden. Das weiß ich ganz sicher. Und dann ist die Sache die, daß ich eine solche Art Leben auch nicht weiter führen möchte. Nicht wieder von neuem. Den Lebensmut und den Lebenstrotz, den hat sie in mir geknickt.

Hedda sieht vor sich hin. Der süße kleine Dummkopf hat seine Finger in einem Menschenschicksal gehabt. Sieht ihn an. Aber daß Sie trotz alledem so herzlos gegen sie sein konnten!

Lövborg. Ach, sagen Sie nicht, es war herzlos!

Hedda. Hingehen und vernichten, was ihr ganzes Sinnen erfüllt hat durch lange, lange Zeiten! Das nennen Sie nicht herzlos!

Lövborg. Ihnen kann ich die Wahrheit sagen, Hedda.

Hedda. Die Wahrheit?

Lövborg. Aber vorher versprechen Sie mir, – geben Sie mir ihr Wort darauf, daß Thea nie etwas von dem erfährt, was ich Ihnen jetzt anvertraue.

Hedda. Da haben Sie mein Wort drauf.

Lövborg. Gut. So will ich Ihnen denn sagen, es ist nicht wahr, was ich eben hier erzählt habe.

Hedda. Von den Heften das?

Lövborg. Ja. Ich habe sie nicht in Stücke gerissen. Und sie auch nicht in den Fjord geworfen.

Hedda. Ja, ja –. Aber – wo sind sie denn?

Lövborg. Ich habe sie trotzdem vernichtet. In Grund und Boden, Hedda!

Hedda. Das verstehe ich nicht.

Lövborg. Thea hat gesagt, was ich getan habe, das käme ihr vor wie ein Kindesmord.

Hedda. Ja, – so sagte sie.

Lövborg. Aber sein Kind umbringen, – das ist nicht das Schlimmste, was ein Vater ihm zufügen kann.

Hedda. Nicht das Schlimmste – das?

Lövborg. Nein. Das Schlimmste zu hören, das eben wollte ich Thea ersparen.

Hedda. Und was ist denn das Schlimmste?

Lövborg. Gesetzt, Hedda, ein Mann käme – so gegen die Morgenstunde, – nach einer wild durchschwärmten Nacht heim zur Mutter seines Kindes und sagte: Du, höre, – ich bin da und da gewesen. An den und den Orten. Und ich habe unser Kind mit gehabt. An den und den Orten. Das Kind ist mir abhanden gekommen. Spurlos abhanden. Weiß der Henker, in was für Hände es geraten ist. Wer alles seine Finger daran gehabt hat.

Hedda. Aber, – bei Licht betrachtet – handelte es sich doch nur um ein Buch –

Lövborg. Theas reine Seele war in dem Buch.

Hedda. Ja, das verstehe ich.

Lövborg. Dann verstehen Sie wohl auch, daß unser gegenseitiges Verhältnis keine Zukunft mehr hat.

Hedda. Und welchen Weg wollen Sie denn nun gehen?

Lövborg. Keinen. Nur sehen, wie ich der ganzen Geschichte ein Ende mache. Je früher, desto besser.

Hedda einen Schritt näher. Lövborg, – hören Sie –. Könnten Sie nicht darauf bedacht sein, daß – daß es in Schönheit geschieht?

Lövborg. In Schönheit? Lächelt. Mit Weinlaub im Haar, wie Sie einst es sich vorstellten –

Hedda. Ach nein. An das Weinlaub, – daran glaube ich nicht mehr. Aber doch in Schönheit! Ein Mal nur! – Leben Sie wohl! Jetzt sollen Sie gehen. Und nicht mehr wiederkommen.

Lövborg. Leben Sie wohl, gnädige Frau. Und grüßen Sie Jörgen Tesman von mir. Er will gehen.

Hedda. Nein, warten Sie! Ein Andenken sollen Sie doch von mir mitnehmen.

Sie geht hin zum Schreibtisch und öffnet die Schieblade und den Pistolenkasten. Kommt dann zurück zu Lövborg mit der einen Pistole.

Lövborg sieht sie an. Das da? Das ist das Andenken?

Hedda nickt langsam. Erkennen Sie die Pistole wieder? Sie war einmal gegen Sie gerichtet.

Lövborg. Hätten Sie nur damals Gebrauch davon gemacht.

Hedda. Da! Machen Sie jetzt davon Gebrauch.

Lövborg steckt die Pistole in die Brusttasche. Ich danke Ihnen!

Hedda. Und – in Schönheit, Ejlert Lövborg. Versprechen Sie mir das vor allem!

Lövborg. Leb' wohl, Hedda Gabler. Er geht hinaus durchs Vorzimmer.

Hedda lauscht eine Weile an der Tür. Dann geht sie hin an den Schreibtisch und holt das Paket mit dem Manuskript hervor, guckt ein bißchen in den Umschlag, zieht ein paar Blätter halb heraus und sieht hinein. Dann nimmt sie das Ganze, geht damit zu dem Lehnstuhl am Ofen und setzt sich. Das Paket hat sie auf dem Schoß. Bald darauf öffnet sie die Ofentür und dann auch das Paket.

Hedda wirft eines von den Heften ins Feuer und flüstert vor sich hin: Nun verbrenne ich Dein Kind, Thea! – Du Krauskopf, Du! Wirft noch ein paar Hefte in den Ofen. Dein Kind und Ejlert Lövborgs. Wirft den Rest hinein. Nun verbrenne, – nun verbrenne ich das Kind.


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