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Festhalle im Königsschloß zu Bergen.
Ein großes Bogenfenster in der Mitte des Hintergrunds. Längs der Wand eine Erhöhung mit Sitzen für die Frauen. An der linken Seitenwand steht der um einige Stufen erhöhte Königsstuhl; in der Mitte der rechten Seitenwand eine große Eingangstür. Paniere, Feldzeichen und Waffen nebst bunten Decken hängen von den Wandpfeilern und der geschnitzten Holzdecke herab. Ringsumher im Saale stehen Zechtische mit Kannen, Trinkhörnern und Bechern.
König Håkon sitzt auf der Erhöhung neben Margrete, Sigrid, Frau Ragnhild und vielen vornehmen Frauen. Ivar Bodde steht hinter dem Stuhle des Königs. An den Tischen sitzen auf Bänken die Mannen des Königs und des Jarls samt anderen Gästen. Am vordersten Tische rechts sitzen unter anderen Dagfinn der Bauer, Gregorius Jonsson und Paul Flida. Jarl Skule und Bischof Nikolas spielen Schach an einem Tische zur Linken. Diener des Jarls kommen und gehen und bringen Getränke. Aus einem anstoßenden Gemache erklingt Musik während der folgenden Szene.
Dagfinn. Nun geht das schon in den fünften Tag, und noch immer bringt das Dienervolk gleich flink die gefüllten Krüge herbei.
Paul Flida. Es war nie des Jarls Art, seine Gäste dürsten zu lassen.
Dagfinn. Nein, so scheint's. Solch prächtige Königshochzeit hat man bisher noch nicht in Norwegen erlebt.
Paul Flida. Jarl Skule hat auch bisher noch keine Tochter verheiratet.
Dagfinn. Wohl wahr; der Jarl ist ein mächtiger Mann.
Einer aus dem Gefolge. Regiert euch den dritten Teil des Reiches. Das ist mehr, als irgend ein Jarl zuvor gehabt hat.
Paul Flida. Des Königs Teil ist doch größer.
Dagfinn. Davon wollen wir hier nicht reden; wir sind jetzt Freunde und ehrlich versöhnt. Er trinkt Paul zu. Lassen wir also den König König und den Jarl Jarl sein.
Paul Flida lacht. Man hört Dir's gleich an, daß Du ein Königsmanne bist.
Dagfinn. Das müssen auch die Jarlsmannen sein.
Paul Flida. Nimmermehr. Wir haben dem Jarl den Eid der Treue geleistet, aber nicht dem König.
Dagfinn. Das kann noch geschehen.
Bischof Nikolas beim Spiele dem Jarl zuflüsternd. Hört Ihr, was Dagfinn der Bauer sagt?
Jarl Skule ohne aufzublicken. Ich hör' es wohl.
Gregorius Jonsson blickt Dagfinn scharf an. Sinnt der König auf dergleichen?
Dagfinn. Na, na, – laß gut sein; – heut keinen Zank!
Bischof Nikolas. Der König will Eure Mannen in Eid nehmen, Jarl.
Gregorius Jonsson nachdrücklicher. Sinnt der König auf dergleichen? frag' ich.
Dagfinn. Ich antworte nicht. Trinken wir auf Frieden und Freundschaft zwischen dem König und dem Jarl! Das Bier ist gut.
Paul Flida. Es hat auch lange genug liegen können.
Gregorius Jonsson. Dreimal hatte der Jarl die Hochzeit gerüstet, dreimal versprach der König zu kommen – dreimal hielt er nicht Wort.
Dagfinn. Dafür scheltet den Jarl; er machte uns genug zu schaffen in Vike.
Paul Flida. Sigurd Ribbung machte Euch wohl noch mehr zu schaffen in Varmeland, nach allem, was man hört.
Dagfinn auffahrend. Ja, wer war es, der Sigurd Ribbung entwischen ließ?
Gregorius Jonsson. Sigurd Ribbung entsprang uns in Nidaros, das ist männiglich bekannt.
Dagfinn. Aber es ist nicht männiglich bekannt, daß Ihr ihn daran hindertet.
Bischof Nikolas zum Jarl, der sich auf einen Zug besinnt. Hört Ihr, Jarl? – Ihr wart es, der Sigurd Ribbung entwischen ließ.
Jarl Skule rückt einen Stein. Das Lied ist alt.
Gregorius Jonsson zu Dagfinn. Ich dächte doch, Du hättest von dem Isländer gehört, von Andres Torstejnsson, Sigurd Ribbungs Freund –
Dagfinn. Jawohl – als Sigurd entwischt war, hängtet Ihr den Isländer, das weiß ich.
Bischof Nikolas setzt einen Stein und sagt lachend zum Jarl. Nun schlag' ich den Bauer, Herr Jarl.
Jarl Skule laut. Schlagt ihn – ein »Bauer« ist nicht viel wert. Rückt einen Stein.
Dagfinn. Nein – der Isländer mußte dran glauben, als Sigurd Ribbung nach Varmeland entwischte.
Unterdrücktes Lachen unter den Königsmannen; das Gespräch wird leise fortgesetzt; gleich darauf tritt ein Mann ein und flüstert Gregorius Jonsson etwas zu.
Bischof Nikolas. Und nun mach' ich den Zug hier, – und Ihr habt verloren.
Jarl Skule. Es scheint so.
Bischof Nikolas sich im Stuhle zurücklehnend. Ihr habt zuletzt den König nicht gut geschützt.
Jarl Skule wirft die Schachfiguren durcheinander und steht auf. Ich bin es schon lange müde, Königsbeschützer zu sein.
Gregorius Jonsson nähert sich und spricht leise. Herr Jarl, Jostejn Tamb läßt melden, das Schiff liege klar und könne unter Segel gehen.
Jarl Skule leise. Gut. Er zieht ein versiegeltes Pergament hervor. Hier ist der Brief.
Gregorius Jonsson. den Kopf schüttelnd. Jarl, Jarl – ist das ratsam?
Jarl Skule. Was?
Gregorius Jonsson. Das Siegel des Königs ist darauf.
Jarl Skule. Ich handle zu des Königs Nutz und Frommen.
Gregorius Jonsson. Dann laßt den König selber das Anerbieten ablehnen.
Jarl Skule. Das tut er nicht, wenn er befragt wird. All sein Sinnen ist darauf gerichtet, die Ribbunger zu bändigen, deshalb will er sich nach andern Seiten sichern.
Gregorius Jonsson. Klug mag es sein, was Ihr da tut, – aber es ist gefährlich.
Jarl Skule. Das überlaß mir. Überbringe den Brief und sage Jostejn, er soll sofort in See gehen.
Gregorius Jonsson. Es soll geschehen nach Eurem Gebot.
Geht rechts ab und kommt nach einer Weile wieder zurück.
Bischof Nikolas zum Jarl. Ihr habt viel zu tun, scheint es.
Jarl Skule. Aber wenig Dank davon.
Bischof Nikolas. Der König ist aufgestanden. Håkon kommt herunter; alle Mannen erheben sich von den Tischen.
Håkon zum Bischof. Es muß uns höchlich erfreuen, wie frisch und wacker Ihr in all diesen lustigen Tagen ausgehalten habt.
Bischof Nikolas. Es flackert noch dann und wann einmal auf, Herr König. Aber lange dauert's wohl nicht mehr. Ich hab' den ganzen Winter krank gelegen.
Håkon. Ja, ja, – Ihr habt ein kraftvoll Leben gelebt, reich an mancher rühmlichen Tat.
Bischof Nikolas schüttelnd den Kopf. Ach, damit ist's so weit nicht her – viel bleibt noch ungetan. Wer nur wüßte, ob man für das alles noch Zeit hat!
Håkon. Die Lebenden müssen die Erbschaft derer übernehmen, die abtreten, ehrwürdiger Herr; wir alle wollen ja das Beste für Land und Volk. Er wendet sich zum Jarl. Eins wundert mich höchlich: keiner von unseren Vögten auf Hålogaland hat sich zur Hochzeit eingestellt.
Jarl Skule. Wohl wahr – Andres Skjaldarband hatt' ich ganz sicher erwartet.
Håkon lächelnd. Und Vegard Väradal auch.
Jarl Skule. Auch Vegard, ja.
Håkon scherzend. Und ich hoffe, Ihr hättet meinen alten Freund jetzt besser aufgenommen als vor sieben Jahren auf der Brücke von Oslo, wo Ihr ihn so in die Wange stacht, daß das Schwert sich selbst herausschnitt.
Jarl Skule mit erzwungenem Lachen. Ja, damals, als Gunnulf, Euer Ohm, meinem besten Freund und Ratgeber Sira Ejlif die rechte Hand herunterhieb.
Bischof Nikolas munter. Und als Dagfinn der Bauer und die Hofmannen eine starke Nachtwache auf das Königsschiff sandten und sagten, der König wäre nicht sicher im Schutz des Jarls!
Håkon ernst. Die Tage sind vorbei und vergessen.
Dagfinn nähert sich. Zum Waffenspiel drunten auf der Wiese kann jetzt geblasen werden, wenn's Euch beliebt, Herr.
Håkon. Wohlan! Heut wollen wir noch jedwede Freude mitnehmen – morgen werden wir wieder anfangen, an die Ribbunger und an den Jarl von Orknö zu denken.
Bischof Nikolas. Ja so, der weigert sich ja, die Steuer zu zahlen?
Håkon. Hätt' ich nur die Ribbunger vom Halse, so zög' ich selbst hinüber westwärts. Håkon geht hinauf zur Erhöhung, reicht Margrete die Hand und führt sie rechts hinaus; nach und nach folgen die andern.
Bischof Nikolas zu Ivar Bodde. Auf ein Wort. Wer ist der Mann, der Jostejn Tamb heißt?
Ivar Bodde. Es ist ein Schiffersmann von Orknö hier, der so heißt.
Bischof Nikolas. Von Orknö? Hm! Und jetzt segelt er heim?
Ivar Bodde. Ja, das mag er wohl.
Bischof Nikolas leiser. Mit kostbarer Ladung, Ivar Bodde!
Ivar Bodde. Mit Korn und Webereien, glaub' ich.
Bischof Nikolas. Und mit einem Briefe vom Jarl Skule.
Ivar Bodde stutzig. An wen?
Bischof Nikolas. Weiß nicht – das Königssiegel war dran –
Ivar Bodde packt ihn am Arme. Herr Bischof, – ist das wahr, was Ihr sagt?
Bischof Nikolas. Pst! Bringt mich nicht in diese Geschichte hinein.
Er entfernt sich von ihm.
Ivar Bodde. Da muß ich doch gleich –! Dagfinn! Dagfinn, Dagfinn –! Drängt sich durch die Menge an der Ausgangstür.
Bischof Nikolas teilnahmsvoll zu Gregorius Jonsson. Kein Tag, da nicht dieser oder jener Schaden litte an Hab' und Gut und Freiheit.
Gregorius Jonsson. Wer ist denn nun daran?
Bischof Nikolas. Ein armer Schiffer, – Jostejn Tamb, dünkt mich, nannten sie ihn.
Gregorius Jonsson. Jostejn –?
Bischof Nikolas. Dagfinn der Bauer will ihn an der Abfahrt hindern.
Gregorius Jonsson. Dagfinn will ihn hindern, sagt Ihr?
Bischof Nikolas. Gerade eben ging er fort.
Gregorius Jonsson. Verzeiht, Herr, ich muß mich beeilen –
Bischof Nikolas. Ja, tut das, wackerer Lehnsmann – Dagfinn ist so arglistig.
Gregorius Jonsson eilt mit den übrigen Anwesenden rechts hinaus; nur Jarl Skule und Bischof Nikolas bleiben zurück in der Halle.
Jarl Skule geht nachdenklich auf und ab; plötzlich ist's, wie wenn er erwache; er blickt sich um und sagt: Wie still ward es hier mit einem Mal!
Bischof Nikolas. Der König ging.
Jarl Skule. Und alle folgten ihm.
Bischof Nikolas. Alle, bis auf uns.
Jarl Skule. Es ist doch etwas Großes, König zu sein.
Bischof Nikolas ausholend. Möchtet Ihr's erproben, Jarl?
Jarl Skule ernsthaft lächelnd. Ich hab's erprobt – jede schlummermüde Nacht bin ich König in Norwegen.
Bischof Nikolas. Träume sind Wahrzeichen.
Jarl Skule. Nicht auch Versuchungen?
Bischof Nikolas. Die Euren kaum. In früherer Zeit, ja, das kann ich mir denken; – aber jetzt, da Ihr den dritten Teil des Reiches besitzt, als der erste Mann im Lande regiert und Vater der Königin seid –
Jarl Skule. Jetzt mehr denn je, – jetzt mehr denn je.
Bischof Nikolas. Verhehlt mir nichts! Beichtet – denn Ihr leidet gewißlich große Qual.
Jarl Skule. Jetzt mehr denn je, wie gesagt. Das ist der große Fluch, der auf meinem ganzen Leben liegt: – dem Höchsten so nahe zu stehen – nur eine Kluft dazwischen – ein Sprung – drüben ist der Königsname, der Purpurmantel, der Königssitz, die Macht und alles! Täglich hab' ich's vor Augen – aber nie komm' ich hinüber.
Bischof Nikolas. Sehr wahr, Jarl.
Jarl Skule. Als sie Guthorm Sigurdsson zum König machten, stand ich in meiner Jugend vollster Kraft; da war's, als schrie es laut in mir: Weg mit dem Kinde, – ich bin der erwachsene, der starke Mann! – Aber Guthorm war Königssohn; es lag eine Kluft zwischen mir und dem Königssitz.
Bischof Nikolas. Und Ihr wagtet nicht –
Jarl Skule. Dann ward dem Erling Stejnväg von den Slittungern gehuldigt. Da schrie es wieder in mir: Skule ist ein größerer Häuptling als Erling Stejnväg! Aber ich hätte mit den Birkebeinern brechen müssen, – das war damals die Kluft.
Bischof Nikolas. Und Erling ward König der Slittunger und nachmals der Ribbunger, und Ihr wartetet!
Jarl Skule. Ich wartete auf Guthorms Tod.
Bischof Nikolas. Und Guthorm starb, und Inge Bårdsson, Euer Bruder, ward König.
Jarl Skule. Nun wartete ich auf meines Bruders Tod. Er war krank vom ersten Tag an; jeden Morgen, wenn wir uns bei der heiligen Messe trafen, saß ich da und schielte hinüber, ob die Krankheit nicht zunähme. Jeder Schmerzenszug, der über sein Gesicht flog, war wie ein Windstoß in mein Segel und trug mich dem Königssitze näher. Jeder Seufzer, durch den er Weh und Qual sich erleichterte, klang mir wie Posaunenton fern unten auf der Halde, wie eines Sendboten Hörn, der weither gezogen kam, mir zu melden, daß ich nun bald das Steuer des Reichs ergreifen würde. So riß ich jeden zärtlichen Brudergedanken heraus mit Wurzel und Fasern; und Inge starb und Håkon kam, – und die Birkebeiner machten ihn zum König.
Bischof Nikolas. Und Ihr wartetet.
Jarl Skule. Mir war's, als müßte Hilfe von dort oben kommen. Ich fühlte die Königskraft in mir, und ich alterte; jeder Tag, der verstrich, war ein Tag, der meinem Lebenswerk genommen ward. Jeden Abend dachte ich: morgen geschieht ein Wunder, das ihn erschlägt und mich auf den leeren Sitz erhebt.
Bischof Nikolas. Gering war damals Håkons Macht; er war ein Kind noch; es galt bloß einen Schritt von Eurer Seite, aber Ihr tatet ihn nicht.
Jarl Skule. Den Schritt zu tun war schwer; er hätte mich von all meinen Verwandten und Freunden geschieden.
Bischof Nikolas. Ja, das ist die Sache, Jarl Skule, – das ist der Fluch, der auf Eurem Leben lag. Ihr wollt jeden Weg offen wissen für den Notfall, – Ihr wagt nicht, alle Brücken abzubrechen und nur eine zu behalten, die allein zu verteidigen, und da zu siegen oder zu fallen. Ihr legt Schlingen Eurem Feind, Ihr stellt Fallen seinem Fuß und hängt ein scharfes Schwert über sein Haupt, Ihr streut Gift in alle Schüsseln und spannt hundert Netze aus: aber will er in eins davon hinein, so wagt Ihr nicht den Faden anzuziehen; greift er nach dem Gifte, so dünkt es Euch sicherer, daß er durch das Schwert falle; steht er im Begriff, sich am Morgen fangen zu lassen, so findet Ihr's besser, daß es zur Abendzeit geschehe.
Jarl Skule. blickt ihn ernst an. Und was würdet Ihr tun, Herr Bischof?
Bischof Nikolas. Sprecht nicht von mir; mein Geschäft ist, die Königssitze in diesem Lande zu zimmern, nicht darauf zu sitzen und Volk und Reich zu regieren.
Jarl Skule. nach einer kurzen Pause. Antwortet mir auf Eins, ehrwürdiger Herr, – aber antwortet mir mit voller Wahrheit. Weshalb geht Håkon so unerschütterlich vorwärts auf dem geraden Wege? Er ist nicht klüger als Ihr, nicht kühner als ich.
Bischof Nikolas. Wer vollbringt die größte Tat in der Welt?
Jarl Skule. Die vollbringt der größte Mann.
Bischof Nikolas. Aber wer ist der größte Mann?
Jarl Skule. Der mutigste.
Bischof Nikolas. So spricht der Kriegshauptmann. Ein Priester würde sagen: der gläubigste; – ein Weiser: der erfahrenste. Aber von ihnen ist es keiner, Jarl. Der glücklichste Mann ist der größte Mann. Der glücklichste vollbringt die größten Taten, – er, über den die Forderungen der Zeit wie ein Brand kommen: sie erzeugen ihm Gedanken, die er selbst nicht faßt, weisen ihm den Weg, dessen Ziel er selbst nicht kennt, den er aber wandelt und wandeln muß , bis er den Jubelschrei des Volkes hört – und mit weit aufgerissenen Augen sieht er sich um und erkennt voll Verwunderung, daß er ein großes Werk vollbracht hat.
Jarl Skule. Ja, Håkon hat etwas so unerschütterlich Sicheres.
Bischof Nikolas. Er hat das, was die Römer ingenium nannten –. Ich bin sonst nicht der beste Lateiner: aber das hieß ingenium.
Jarl Skule. zuerst gedankenvoll, dann in wachsender Erregung. Håkon sollte aus andrem Stoffe geschaffen sein als ich? Der Glücklichen einer? – Ja, gelingt ihm nicht alles? Schlägt nicht alles zum besten aus, wenn es ihn betrifft? Selbst der Bauer spürt das; er sagt, die Bäume trügen zweimal Früchte, und die Vögel brüteten zweimal in jedem Sommer, seit Håkon König ist. Varmeland, das er niederbrannte und verheerte, steht wieder da blitzblank mit seinen neugezimmerten Häusern, und alle Äcker wallen schwer von Ähren im Winde. Es ist, als ob Blut und Asche das Land düngten, das Håkon mit Krieg überzieht; es ist, als ob der Herr mit Wachstum segnete, was Håkon niedertritt; es ist, ob als die heiligen Mächte sich beeilten, jede Schuld hinter ihm her auszutilgen. Und wie leicht gelang es ihm nicht, König zu werden! Er hatte Inges frühzeitigen Tod nötig, und Inge starb; Schutz und Schirm hatte er nötig, und seine Mannen schützten und schirmten ihn; er hatte die Eisenprobe nötig, und seine Mutter kam und bestand sie für ihn.
Bischof Nikolas bricht unwillkürlich in die Worte aus: Aber wir – wir beiden –!
Jarl Skule. Wir?
Bischof Nikolas. Ja, Ihr – Ihr!
Jarl Skule. Håkon hat das Recht, Bischof.
Bischof Nikolas. Er hat das Recht, weil er der Glückliche ist – das größte Glück ist, das Recht zu haben. Aber mit welchem Recht hat Håkon das Recht, und nicht Ihr?
Jarl Skule nach einer kurzen Pause. Es gibt Dinge, an die zu denken Gott mich gnädig bewahren wolle.
Bischof Nikolas. Saht Ihr nie ein altes Bild in der Christkirche zu Nidaros? Es stellt die Sintflut dar, die steigt und über alle Berge hinaufschwillt, so daß nur noch eine einzige Zinne emporragt. Diese klimmt ein ganzes Geschlecht hinan, Vater und Mutter und Sohn und des Sohnes Weib und Kinder; – und der Sohn zerrt den Vater in die Wasserflut hinab, um besseren Halt zu gewinnen, und er wird die Mutter hinabreißen und sein Weib und all seine Kinder, um selbst den Gipfel zu gewinnen – denn droben ist ein Fußbreit Land, da kann er sich eine Zeitlang halten – das, Jarl, das ist der Weisheit Saga und jedes Weisen Saga.
Jarl Skule. Aber das Recht!
Bischof Nikolas. Der Sohn hatte das Recht. Er hatte Kraft und Lust, zu leben, – folge deiner Lust und nütze deine Gaben: das Recht hat ein jeglicher.
Jarl Skule. Zu dem, was gut ist, ja.
Bischof Nikolas. Spielt und tändelt mit Worten! Es gibt weder Gutes noch Böses, weder Oben noch Unten, weder Hoch noch Niedrig. Solche Worte müßt Ihr vergessen, sonst tut Ihr nie den letzten Schritt, setzt Ihr nie über die Kluft! Leise und eindringlich: Ihr sollt die Menge oder die Sache nicht hassen, weil die Menge oder die Sache dies und nicht jenes verlangt; aber Ihr sollt in der Menge jeden Menschen hassen, weil er Euch widerstrebt, und Ihr sollt einen jeden hassen, der eine Sache vertritt, weil die Sache Euren Willen nicht fördert. Alles, was Euch nützen kann, ist gut; – alles, was Euch Dornen in den Weg legt, ist böse.
Jarl Skule blickt grübelnd vor sich hin. Was hat mich nicht der Königssitz gekostet, zu dem ich doch nicht hinaufreichte – und was hat er Håkon gekostet, ihn, der jetzt so sicher darauf sitzt! Ich war jung und opferte meine holde heimliche Liebe, um in ein mächtiges Geschlecht hineinzuheiraten. Ich betete zu den Heiligen, mir möchte ein Sohn geschenkt werden, – ich bekam nur Töchter.
Bischof Nikolas. Håkon bekommt Söhne, Jarl, – verlaßt Euch drauf!
Jarl Skule tritt an das Fenster rechts. Ja, – für Håkon wendet sich alles zum besten.
Bischof Nikolas ihm nachgehend. Und Ihr, Ihr wollt Euch Euer ganzes Leben lang friedlos vom Glücke jagen lassen! Seid Ihr denn blind? Seht Ihr nicht, daß eine stärkere Macht als die Schar Birkebeiner hinter Håkon steht und all sein Tun fördert? Er bekommt Hilfe von dort oben, von denen – denen, die wider Euch stehen, von denen, die Eure Feinde waren von Eurer Geburt an! Und vor diesen Feinden beugt Ihr Euch! Richtet Euch auf, Mann – werft den Nacken empor! Wozu ward Euch sonst Eure unbändige Seele? Denkt daran, daß die erste große Tat der Welt von Einem vollführt wurde, der sich wider ein gewaltiges Reich erhob!
Jarl Skule. Wen meint Ihr?
Bischof Nikolas. Den Engel, der sich wider das Licht erhob!
Jarl Skule. Und der in den tiefsten Abgrund geschleudert wurde –
Bischof Nikolas leidenschaftlich. Und da ein Reich erschuf und König wurde, ein mächtiger König, – mächtiger als einer der zehntausend – Jarle dort oben! Er sinkt auf eine Bank am Zechtische.
Jarl Skule blickt ihn lange an und spricht: Bischof Nikolas, seid Ihr mehr oder seid Ihr weniger als ein Mensch?
Bischof Nikolas lächelt. Ich bin im Unschuldsstand: ich kenne nicht den Unterschied zwischen gut und böse.
Jarl Skule halb für sich. Weshalb setzten sie mich in die Welt, wenn sie für mich kein besseres Los bereit hatten? Håkon hat einen so festen und unerschütterlichen Glauben an sich selbst, – all seine Mannen haben einen so festen und unerschütterlichen Glauben an ihn –
Bischof Nikolas. Verbergt, daß Ihr keinen solchen Glauben an Euch selber habt. Redet, als hättet Ihr ihn; schwört hoch und teuer, daß Ihr ihn habt, – und alle werden an Euch glauben.
Jarl Skule. Hätt' ich einen Sohn! Hätt' ich einen Sohn, der bei meinem Tode das große Erbe antreten könnte!
Bischof Nikolas lebhaft. Jarl, – und wenn Ihr einen Sohn hättet?
Jarl Skule. Ich habe keinen.
Bischof Nikolas. Håkon bekommt Söhne.
Jarl Skule ballt die Hände. Und ist von königlicher Geburt!
Bischof Nikolas steht auf. Jarl, – wenn er's nicht wäre?
Jarl Skule. Er hat's ja erhärtet –; die Eisenprobe –
Bischof Nikolas. Und wenn er's nicht wäre, – trotz der Eisenprobe?
Jarl Skule. Wollt Ihr sagen, Gott habe gelogen, als er die Eisenprobe gelingen ließ?
Bischof Nikolas. Wofür getraute sich Inga von Vartejg das Gottesurteil anzurufen?
Jarl Skule. Daß das Kind, das sie in Borgasyssel geboren, Håkon Sverressons Sohn wäre.
Bischof Nikolas nickt, sieht sich um und sagt leise: Und wenn nun König Håkon nicht dieses Kind wäre?
Jarl Skule fährt einen Schritt zurück. Allmächtiger –! Faßt sich. Das ist undenkbar.
Bischof Nikolas. Hört mich an, Jarl. Ich bin sechsundsiebenzig Jahr alt; immer rascher geht's nun mit mir bergab, und diese Sache wage ich nicht mit dahinüber zu nehmen –
Jarl Skule. Sprecht, sprecht! Ist er nicht Håkon Sverressons Sohn?
Bischof Nikolas. Hört mich an. Es wurde damals niemand kund gemacht, daß Inga eines Kindes genesen sollte. Håkon Sverresson war eben gestorben, und wahrscheinlich fürchtete sie sich vor Inge Bårdsson, der jetzt König war, und vor Euch, – nun ja, auch wohl vor den Baglern. In aller Stille kam sie nieder im Haus des Pfarrers Trond, ostwärts in der Heggenharde, und neun Tage darauf reiste sie heim; aber das Königskind blieb ein ganzes Jahr bei dem Pfarrer, ohne daß sie es sehen durfte, und ohne daß einer darum wußte, ausgenommen Trond und seine beiden Söhne.
Jarl Skule. Ja, ja, – und weiter?
Bischof Nikolas. Als das Kind ein Jahr alt war, konnte die Sache nicht gut länger verheimlicht werden. Inga vertraute sich also Erlend von Huseby an, – einem alten Birkebeiner aus Sverres Zeit – wißt Ihr.
Jarl Skule. Nun?
Bischof Nikolas. Der und ein paar andere Häuptlinge ans den Oberlanden holten das Kind, fuhren mitten im Winter übers Gebirge mit ihm und brachten es zum König, der damals in Nidaros saß.
Jarl Skule. Und doch könnt Ihr sagen, daß –?
Bischof Nikolas. Eine große Gefahr, könnt Ihr wohl denken, mußt' es für einen geringen Priester sein, ein Königskind großzuziehen. Gleich nach des Kindes Geburt beichtete er daher einem seiner Kirchenoberen und erbat sich dessen Rat. Dieser sein Oberer gebot Trond, das Kind heimlich zu vertauschen, den rechten Königssohn an einen sicheren Ort zu bringen und Inga den falschen zu übergeben, wenn sie oder die Birkebeiner später das Kind begehrten.
Jarl Skule empört. Und wer war der Schurke, der solches riet?
Bischof Nikolas. Das war ich.
Jarl Skule. Ihr? Ja, Ihr habt immer Sverres Geschlecht gehaßt.
Bischof Nikolas. Unsicher schien mir's, den Königssohn in Eure Hände zu geben.
Jarl Skule. Der Priester aber?
Bischof Nikolas. Gelobte zu tun, wie ich befohlen hatte.
Jarl Skule packt ihn am Arm. Und Håkon ist das falsche Kind?
Bischof Nikolas. Wenn der Priester sein Gelübde gehalten hat.
Jarl Skule. Wenn er's gehalten hat?
Bischof Nikolas. Der Pfarrer Trond verließ das Land im selben Winter, als das Kind zu König Inge kam. Er wallte nach Thomas Becketts Grab und blieb dann in England bis zu seinem Tode.
Jarl Skule. Er verließ das Land, sagt Ihr! So hat er das Kind vertauscht und die Rache der Birkebeiner gefürchtet.
Bischof Nikolas. Oder er hat es nicht vertauscht, und meine Rache gefürchtet.
Jarl Skule. Und was glaubt Ihr?
Bischof Nikolas. Das eine ist eben so glaubhaft wie das andere.
Jarl Skule. Aber die Pfarrerssöhne, die Ihr erwähntet?
Bischof Nikolas. Sie zogen mit den Kreuzfahrern ins heilige Land.
Jarl Skule. Und hat niemand seit der Zeit etwas von ihnen gehört?
Bischof Nikolas. Ja.
Jarl Skule. Wo sind sie?
Bischof Nikolas. Sie ertranken im griechischen Meer auf der Hinfahrt.
Jarl Skule. Und Inga –?
Bischof Nikolas. Weiß nichts – weder von der Beichte des Pfarrers noch von meinem Rat.
Jarl Skule. Ihr Kind, sagtet Ihr, war erst neun Tage alt, da sie aufbrach?
Bischof Nikolas. Ja; und das Kind, das sie wiedersah, war über ein volles Jahr –
Jarl Skule. So gibt es auf der Welt keinen, der in diese Sache Licht bringen könnte! Er geht mehrmals heftig auf und nieder. Allmächtiger Gott, kann das Wahrheit sein? Håkon, – der König, – er, der Land und Reich regiert, er sollte nicht der Erbgeborene sein! – Und warum wäre das so unwahrscheinlich? Hat ihn nicht jegliches Glück wunderbar begleitet? – warum denn nicht auch das Glück, als Kind aus der Hütte eines armen Kätners genommen und in die Wiege des Königskindes gelegt zu werden –
Bischof Nikolas. Während das ganze Volk glaubt, er sei der Königssohn –
Jarl Skule. Während er selbst es glaubt, Bischof, – das ist das wesentliche des Glückes, das ist der Stärkegürtel! Tritt ans Fenster. Seht nur, wie schön er zu Rosse sitzt! Keiner tut's ihm gleich. Es lacht und blitzt wie Sonnenschein aus seinen Augen – er schaut in den Tag hinein, als fühle er sich dazu geschaffen, vorwärts, immer vorwärts zu schreiten. Sich zum Bischof umwendend. Ich bin ein Königsarm, allenfalls auch ein Königshaupt, er aber ist der ganze König.
Bischof Nikolas. Und ist es vielleicht doch nicht.
Jarl Skule. Ja, vielleicht doch nicht –.
Bischof Nikolas legt ihm die Hand auf die Schulter. Jarl, hört mich an –
Jarl Skule fährt fort, hinauszublicken. Da sitzt die Königin. Håkon spricht sanft mit ihr; sie wird rot und blaß vor Freude. Er nahm sie zum Weibe, weil es klug war, die Tochter des mächtigsten Mannes im Reich zu wählen. Keine Spur von Wärme war damals für sie in seinem Herzen – aber das wird kommen; das Glück ist mit Håkon. Sie wird ihm sein Leben erhellen – Er stockt, und ruft verwundert aus. Was ist das?
Bischof Nikolas. Was?
Jarl Skule. Dagfinn der Bauer drängt sich mit Gewalt durch die Menge, die ringsum steht. Jetzt meldet er dem König etwas.
Bischof Nikolas schaut hinter dem Jarl durchs Fenster. Håkon scheint zornig zu werden, – nicht wahr? Er ballt die Faust –
Jarl Skule. Er blickt hier herauf – was kann das sein? Will gehen.
Bischof Nikolas hält ihn zurück. Jarl, hört mich, – es dürfte ein Mittel geben, über Håkons Recht ins Klare zu kommen.
Jarl Skule. Ein Mittel, sagt Ihr?
Bischof Nikolas. Der Pfarrer Trond hat vor seinem Tode einen Brief über sein Verfahren aufgesetzt und das Sakrament darauf genommen, daß er die Wahrheit geschrieben hat.
Jarl Skule. Und dieser Brief, – um Gottes Barmherzigkeit willen, – wo ist er?
Bischof Nikolas. So erfahrt denn, daß – Er blickt nach der Tür. Still, der König kommt!
Jarl Skule. Der Brief, Bischof, – der Brief!
Bischof Nikolas. Da ist der König.
Håkon tritt ein, begleitet von seinem Gefolge und zahlreichen Gästen. Gleich darauf erscheint Margrete; sie ist in ängstlicher Aufregung und will zum Könige hineilen, wird aber daran gehindert von Frau Ragnhild, die ihr mit mehreren Frauen gefolgt ist. Sigrid hält sich ein wenig abgesondert im Hintergrunde. Die Mannen des Jarls scheinen beunruhigt und scharen sich auf der rechten Seite, in geschlossener Masse, wo Skule steht, jedoch etwas weiter zurück.
Håkon in starker innerer Aufregung. Jarl Skule, wer ist König in diesem Lande?
Jarl Skule. Wer da König ist?
Håkon. So fragt' ich. Ich führe den Königsnamen, aber wer hat die Königsgewalt?
Jarl Skule. Die Königsgewalt muß da sein, wo das Königsrecht ist.
Håkon. So müßt' es sein – aber ist es so?
Jarl Skule. Ladet Ihr mich hier vor Gericht?
Håkon. Das tu' ich – denn das Recht steht mir gegen jedermann im Reiche zu.
Jarl Skule. Ich getraue mir, meine Handlungen zu verantworten.
Håkon. Gut für uns alle, wenn dem so ist. Er steigt eine Stufe zum Königsstuhl hinan und stützt sich auf die Armlehne. Hier steh' ich als Euer König und frage: wißt Ihr, daß sich der Jarl Jon auf Orknö wider mich erhoben hat?
Jarl Skule. Ja.
Håkon. Daß er sich weigert, mir den Zins zu zahlen?
Jarl Skule. Ja.
Håkon. Und ist es wahr, daß Ihr, Herr Jarl, heut an ihn einen Brief geschickt habt?
Ivar Bodde. Das sag' ich.
Dagfinn. Jostejn Tamb durfte sich nicht weigern, ihn mitzunehmen, da das Königssiegel dran war.
Håkon. Ihr schreibt an die Feinde des Königs und drückt des Königs Siegel darauf, obschon der König nicht weiß, was Ihr geschrieben habt!
Jarl Skule. Das hab' ich mit Eurer Einwilligung manches Jahr getan.
Håkon. Ja, zu der Zeit, als Ihr die Vormundschaft für mich führtet.
Jarl Skule. Nie habt Ihr Schaden davon gehabt. Der Jarl Jon schrieb mir und bat um meine Vermittlung; er bot einen Vergleich an, doch unter wenig ehrenvollen Bedingungen für den König. Der Zug gegen Varmeland lastete besonders schwer auf Eurer Seele; hättet Ihr jetzt selber handeln sollen, so wäre der Jarl Jon zu leicht davongekommen; – ich kann die Sache besser ordnen.
Håkon. Wir zögen es vor, die Sache selber zu ordnen. – Und was habt Ihr geantwortet?
Jarl Skule. Lest meinen Brief.
Håkon. Gebt her!
Jarl Skule. Ich dachte, Ihr hättet ihn?
Dagfinn. Ihr wißt das gewiß besser. Gregorius Jonsson hatte schnellere Beine. Als wir an Bord kamen, war der Brief weg.
Jarl Skule wendet sich zu Gregorius Jonsson. Herr Lehnsmann, gebt dem Könige den Brief.
Gregorius Jonsson nähert sich unruhig. Hört mich –!
Jarl Skule. Nun?
Gregorius Jonsson im Flüstertone. Ihr werdet Euch entsinnen, es standen scharfe Worte über den König darin.
Jarl Skule. Die werd' ich zu vertreten wissen. Den Brief!
Gregorius Jonsson. Ich hab' ihn nicht.
Jarl Skule. Ihr habt ihn nicht!
Gregorius Jonsson. Dagfinn war uns auf den Fersen. Ich entriß Jostejn Tamb den Brief, band einen Stein daran –
Jarl Skule. Nun?
Gregorius Jonsson. Er liegt auf dem Grund des Meeres.
Jarl Skule. Arg, – arg habt Ihr da gehandelt.
Håkon. Ich warte auf den Brief, Herr Jarl!
Jarl Skule. Ich kann ihn nicht vorlegen.
Håkon. Ihr könnt nicht?
Jarl Skule geht einen Schritt auf den König zu. Ich bin zu stolz, mich hinter dem zu verstecken, was Ihr samt Euren Leuten Ausflüchte nennen würdet –
Håkon beherrscht seinen hervorbrechenden Zorn. Und so –?
Jarl Skule. Kurz und gut, – ich lege ihn nicht vor; – ich will ihn nicht vorlegen!
Håkon. Ihr trotzt mir also!
Jarl Skule. Wenn es nicht anders sein kann – nun ja, ich trotze Euch.
Ivar Bodde kraftvoll. Jetzt, Herr König, jetzt, denk' ich, bedarf es für keinen des Beweises mehr!
Dagfinn. Nein, jetzt, denk' ich, kennen wir die Gesinnung des Jarls.
Håkon kalt zum Jarl. Wollt Ihr das Königssiegel Ivar Bodde geben!
Margrete eilt mit gefalteten Händen auf die Erhöhung zu, wo der König steht. Håkon, sei mir ein milder und gnädiger Gemahl!
Håkon macht eine abwehrende Handbewegung zu ihr hin; sie verbirgt das Gesicht in ihrem Schleier und geht zu ihrer Mutter zurück.
Jarl Skule zu Ivar Bodde. Hier ist das Königssiegel.
Ivar Bodde. Es sollte der letzte Abend des Festes sein. Er endet mit einer schweren Sorge für den König; aber es mußte doch einmal so kommen, und ich meine, jeder treue Mann muß froh sein, daß es so gekommen ist.
Jarl Skule. Und ich meine, jeder treue Mann muß sich tief dadurch gekränkt fühlen, daß ein Priester sich solchermaßen zwischen uns Birkebeiner stellt – ja, ich sage: Birkebeiner, denn ich bin ein Birkebeiner – gerade so gut wie der König und seine Mannen. Ich bin aus demselben Geschlecht, Sverres Geschlecht, dem Königsgeschlecht – aber Ihr, Priester, Ihr habt einen Wall des Mißtrauens um den König gezogen und mich von ihm abgesperrt: das war Euer Werk seit vielen Jahren.
Paul Flida gereizt zu den Umstehenden. Jarlsmannen! Wollen wir dergleichen länger dulden?
Gregorius Jonsson tritt vor. Nein, wir können's und wollen's nicht länger dulden. Laut sei's hier gesagt – keiner von den Mannen des Jarls kann mit voller Treue und Liebe dem Könige dienen, so lange Ivar Bodde im Königsschloß ein- und ausgeht und uns Böses spinnt.
Paul Flida. Priester! Ich künde Dir Fehde an auf Leib und Leben, wo ich Dich treffe, auf freiem Felde, zu Schiffe oder in ungeweihtem Hause!
Viele Jarlsmannen. Ich auch! Ich auch! Du sollst friedlos sein für uns!
Ivar Bodde. Gott verhüte, daß ich zwischen den König und so viele mächtige Häuptlinge treten sollte! – Håkon, mein hoher Herr, ich bin mir bewußt, Euch in aller Treue gedient zu haben. Ich war gegen den Jarl, das ist wahr; aber wenn ich ihm jemals unrecht getan habe, so wird mir das Gott vergeben. Jetzt hab' ich nichts mehr im Königsschlosse zu schaffen; hier ist Euer Siegel; nehmt es in Eure eigene Hand; dort hätt' es schon längst sein sollen.
Håkon, der von der Erhöhung herabgestiegen ist. Ihr bleibt!
Ivar Bodde. Ich kann nicht. Tag und Nacht hätt' ich Gewissensbisse, wenn ich das täte. Größeres Unheil kann niemand in diesen Zeiten anrichten, als wenn er sich zwischen den König und den Jarl stellt.
Håkon. Ivar Bodde, ich gebiete Dir zu bleiben!
Ivar Bodde. Und wenn der heilige König Olaf aus seinem Silbersarg erstünde und mir geböte, zu bleiben, so müßt' ich jetzt doch von hinnen. Er legt das Siegel in die Hand des Königs. Lebt wohl, mein edler Herr! Gott fördere und segne all Euer Tun! Er geht durch die Menge rechts ab.
Håkon finster, zum Jarl und dessen Mannen. Da verlor ich um Euretwillen einen treuen Freund; großen Ersatz müßt Ihr mir bieten, wenn Ihr den Verlust aufwiegen wollt.
Jarl Skule. Ich biete mich selbst und all die Meinen.
Håkon. Fast fürcht' ich, daß es noch mehr bedarf. Ich muß jetzt all die um mich sammeln, auf die ich mich fest verlassen kann. Dagfinn, sende gleich Botschaft nordwärts nach Hålogaland; Vegard Väradal soll wieder herkommen.
Dagfinn, der etwas abseits gestanden und sich mit einem Manne im Reisegewand unterhalten hat, der in die Halle getreten ist, nähert sich jetzt und sagt erschüttert: Vegard kann nicht kommen, Herr.
Håkon. Woher weißt Du das?
Dagfinn. Soeben trifft Kunde ein über ihn.
Håkon. Was meldet sie?
Dagfinn. Daß Vegard Väradal erschlagen ward.
Viele Stimmen. Erschlagen!
Håkon. Wer hat ihn erschlagen?
Dagfinn. Andres Skjaldarband, des Jarls Freund.
Kurze Pause. Die Mannen murmeln unruhig untereinander.
Håkon. Wo ist der Bote?
Dagfinn führt den Mann herbei. Hier, Herr König.
Håkon. Was war des Mordes Ursache?
Der Bote. Das weiß wohl niemand. Sie sprachen miteinander über den Finnenzins, und plötzlich sprang Anders auf und versetzte ihm den Todesstreich.
Håkon. Und war früher schon Hader zwischen ihnen gewesen?
Der Bote. Bisweilen. Andres sagte oft, ein kluger Ratgeber hier aus dem Süden habe ihm geschrieben, er möge wie Fels und Kiesel gegen Vegard Väradal sein.
Dagfinn. Höchst seltsam! – Ehe Vegard aufbrach, erzählte er mir, ein kluger Ratgeber habe ihm gesagt, er möge wie Fels und Kiesel gegen Andres Skjaldarband sein.
Bischof Nikolas ausspuckend. Pfui über solche Ratgeber!
Håkon. Wir wollen nicht genauer untersuchen, von welcher Wurzel all das stammt. Zwei treue Seelen hab' ich heut verloren. Ich könnte um Vegard weinen; aber hier gibt es mehr als Tränen; hier gilt es Leib und Leben. Herr Jarl, Andres Skjaldarband ist Euer Vasall; Ihr botet mir jegliche Hilfe als Ersatz für Ivar Bodde an. Ich nehme Euch beim Wort und erwarte, daß Ihr an der Ahndung dieser Untat mitwirken werdet.
Jarl Skule. Wahrlich, böse Engel stellen sich heute zwischen uns beide. Bei jedem anderen meiner Mannen hätte ich zugegeben, daß Ihr den Mord ahnden ließet –
Håkon mit Spannung. Nun?
Jarl Skule. Aber nicht bei Andres Skjaldarband.
Håkon auffahrend. Wollt Ihr den Mörder schützen ?
Jarl Skule. Diesen Mörder muß ich schützen.
Håkon. Und der Grund –?
Jarl Skule. Den erfährt keiner als Gott im Himmel.
Bischof Nikolas leise zu Dagfinn. Ich weiß ihn.
Dagfinn. Und ich ahne ihn.
Bischof Nikolas. Sagt nichts, guter Dagfinn!
Håkon. Jarl, ich will nicht hoffen, daß es Ernst ist, was Ihr mir da sagt –
Jarl Skule. Und hätte Andres Skjaldarband mir meinen eigenen Vater erschlagen, – er müßte doch frei ausgehen. Mehr dürft Ihr nicht fragen.
Håkon. Gut. So werden wir uns selbst Recht verschaffen!
Jarl Skule mit einem Ausdruck der Angst. König! Das wird ein blutig Werk für uns alle!
Håkon. Mag sein – die Strafe soll doch vollzogen werden.
Jarl Skule. Sie soll nicht vollzogen werden! – Sie kann nicht vollzogen werden!
Bischof Nikolas. Nein, da hat der Jarl recht.
Håkon. Und das sagt Ihr, ehrwürdiger Herr!?
Bischof Nikolas. Andres Skjaldarband hat das Kreuz genommen.
Håkon und Jarl Skule. Das Kreuz genommen!
Bischof Nikolas. Und ist schon aus dem Lande.
Jarl Skule. Das wäre gut für uns alle.
Håkon. Der Tag neigt sich; das Hochzeitsfest muß nun enden. Ich dank' Euch, Herr Jarl, für alle Ehre, die mir in dieser Zeit erwiesen ward, – Ihr zieht vermutlich gen Nidaros?
Jarl Skule. Das ist meine Absicht.
Håkon. Und ich nach Vike. – Wenn Du, Margrete, lieber hier in den Bergen bleiben willst, so tu' das.
Margrete. Wohin Du fährst, will ich folgen, bis Du es mir verbietest.
Håkon. Gut, so komm mit.
Sigrid. Weithin wird jetzt unser Geschlecht versprengt. Sie kniet vor Håkon. Erweist mir eine Gnade, Herr König.
Håkon. Erhebt Euch, Frau Sigrid – was Ihr bitten mögt, es sei gewährt.
Sigrid. Ich kann dem Jarl nicht nach Nidaros folgen. Das Nonnenkloster zu Rejn soll geweiht werden; schreibt an den Erzbischof – wirket dahin, daß ich dort Äbtissin werde.
Jarl Skule. Du, meine Schwester?
Håkon. Ihr wollt ins Kloster gehen?
Sigrid erhebt sich. Seit der Blutnacht von Nidaros, da meine Hochzeit war, und die Bagler kamen und meinen Bräutigam erschlugen und viele Hunderte mit ihm, während die Stadt an allen Ecken brannte – seitdem war es, als hätten das Blut und der Brand mein Auge stumpf gemacht und es für die Welt um mich her ertötet. Allein ich empfing die Kraft, zu schauen, was niemand gewahrt – und eins sehe ich jetzt –: eine große Schreckenszeit für das Land!
Jarl Skule heftig. Sie ist krank! Achtet ihrer nicht!
Sigrid. Reiche Saat wird reifen für den, der im Dunkeln erntet. Alle Frauen in Norwegen sollten jetzt nur ein Werk üben, – in Klöstern und Kirchen knien und beten – beten bei Tag und Nacht!
Håkon erschüttert. Ist es Sehergabe oder Seelensiechtum, was also spricht?
Sigrid. Lebewohl, Bruder, – wir sehen uns noch einmal wieder.
Jarl Skule unwillkürlich. Wann?
Sigrid leise. Wenn Du nach der Krone greifst – wenn höchste Gefahr ist, – wenn Du mein bedarfst in Deiner höchsten Not! Sie geht rechts hinaus mit Margrete, Frau Ragnhild und den übrigen Frauen.
Håkon zieht nach einer kurzen Pause das Schwert und sagt mit fester, ruhiger Entschlossenheit. Alle Jarlsmannen sollen mir den Eid leisten.
Jarl Skule heftig. Ist das Euer ernstlicher Wille? Fast bittend: König Håkon, tut das nicht!
Håkon. Kein Jarlsmanne verläßt Bergen, ehe er dem König Treue geschworen hat. Ab mit seinem Gefolge. Alle, mit Ausnahme des Bischofs und des Jarls, gehen ihnen nach.
Bischof Nikolas. Er hat Euch heute mit harter Hand angepackt.
Jarl Skule schweigt und blickt sprachlos dem Könige nach.
Bischof Nikolas mit stärkerer Betonung. Und ist vielleicht doch nicht von königlicher Geburt.
Jarl Skule wendet sich plötzlich in starker Erregung um und packt den Bischof am Arm. Des Pfarrers Trond Beichte – wo ist sie?
Bischof Nikolas. Er hat sie mir aus England gesandt, eh' er starb; ich weiß nicht, durch wen, – und ich habe sie nicht erhalten.
Jarl Skule. Aber sie muß sich finden lassen!
Bischof Nikolas. Das glaub' ich fest und bestimmt.
Jarl Skule. Und wenn Ihr sie findet, wollt Ihr sie mir dann aushändigen.
Bischof Nikolas. Das gelob' ich.
Jarl Skule. Schwört Ihr's bei Eurer Seele Seligkeit?
Bischof Nikolas. Das schwör' ich bei meiner Seele Seligkeit.
Jarl Skule. Gut; – bis dahin will ich Håkon im Wege stehen wo es im stillen und geheimen geschehen kann. Es muß verhütet werden, daß er mächtiger ist als ich, wenn der Kampf beginnen soll.
Bischof Nikolas. Aber wenn es sich zeigt, daß er der rechte Königssohn ist, – was dann?
Jarl Skule. Dann will ich versuchen zu beten, – zu beten um demütigen Sinn ihm als ehrlicher Häuptling und nach all meinen Kräften zu dienen.
Bischof Nikolas. Und wenn er der falsche ist?
Jarl Skule. Dann soll er mir weichen! Königsnamen und Königsstuhl, Gefolgschaft und Heer, Schatz und Flotte, Städte und Burgen, alles will ich haben!
Bischof Nikolas. Er wird sich nach Vike retten –
Jarl Skule. Ich jage ihn aus Vike fort!
Bischof Nikolas. So setzt er sich in Nidaros fest.
Jarl Skule. Ich stürme Nidaros!
Bischof Nikolas. Er sperrt sich ein in Olafs heiliger Kirche –
Jarl Skule. Ich breche den Kirchenfrieden!
Bischof Nikolas. Er flüchtet sich auf den Hochaltar und klammert sich an Olafs Schrein –
Jarl Skule. Ich reiße ihn herunter vom Altar, und müßte ich den Heiligenschrein mitreißen –
Bischof Nikolas. Er hat aber doch die Krone noch auf dem Haupte, Jarl!
Jarl Skule. Ich schlage die Krone herunter mit meinem Schwerte!
Bischof Nikolas. Doch wenn sie zu fest sitzt –?
Jarl Skule. Nun denn, in Gottes oder des Satans Namen – so schlag' ich das Haupt mit herunter! Ab rechts.
Bischof Nikolas schaut ihm nach, nickt langsam und spricht: Ja – ja; – so gefällt mir der Jarl!