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An Goethe.

Ich widme Dir ein Werk, welches ohne Dich nicht angefangen, schwerlich ohne Dich vollendet wäre; es gehört Dir; ich übergeb' es Dir; Dir, wie keinem Andern.

Wie keinem Andern! – Du fühlst dieses Wort, alter Freund, und drückst mir darauf die Hand – auch wie keinem Andern.

Zwanzig Jahre sind verflossen seitdem unsere Freundschaft begann. Damals fragte jemand Dich in meiner Gegenwart: ob wir nicht Freunde wären schon von Kindesbeinen an? und Du gabst zur Antwort: diese Liebe wäre so neu, daß sie, wenn es Wein wäre, nicht zu genießen seyn würde. – Ein edler Wein ist sie geworden.

Liebend, zürnend, drohend riefst Du mir zu in jenen Zeiten: »der Genügsamkeit, die sich mit Theilnehmung an Anderer Schöpfungsfreude sättigte, zu entsagen; nicht länger zu gaffen; sondern in die eigenen Hände zu schauen, die Gott auch gefüllt hätte mit Kunst und allerley Kraft.«

Wie hätte ich Dir widerstanden, Du Mächtiger! Ich suchte Dir auszuweichen; und zog, anstatt neue Versuche zu wagen, schüchtern, nur ältere ans Licht.

Neue Begeisterung wurde mir aus Deiner Freude. – Der unerwartete Beyfall, die zuvorkommende Gunst anderer Männer, stärkte den Muth des verborgenen Ungenannten. Woldemar wurde unternommen.

In dieser Arbeit durch eine gänzliche Veränderung meiner Lage unterbrochen; nachher zu andern Geistesarbeiten, eben so unwillkührlich, hingezogen, hatte ich Woldemarn allmählich ganz vergessen. – Da erschien, nach zwölf Jahren, Dein Tasso.

Sonderbar erweckte dieser Charakter in mir die Erinnerung an Woldemar; und da ich am Ende des vierten Aufzuges an die Worte kam: »Ja, auch Sie! ... Auch Sie! Auch Sie!« wurde diese Erinnerung so lebhaft, meine Aufmerksamkeit so getheilt und zerstreut, daß ich Mühe hatte, mich zum Weiterlesen wieder zu sammeln.

Der entstandene Reiz wirkte fort. Ich suchte nach einem Woldemar; es war kein Exemplar zu finden. Sechs Wochen gingen hin; – nun lag das Büchlein vor mir, und ich fürchtete mich es anzusehen.

Wohl dem Büchlein, daß ich nicht erst verzagt darin nur blätterte, sondern beherzter es von vorn anfing. Der Anfang machte mir Muth, und auch in der Folge fand ich manches gut genug, um derjenige wohl seyn zu mögen, der es geschrieben hatte. Dagegen aber widerstand mir auch Vieles darin im höchsten Grade. Vornehmlich empörten mich die letzten Blätter, und ließen mir einen solchen unerträglichen Nachgeschmack, daß ich gern mit einem Zauberschlage das kleine Ungeheuer vernichtet hätte, wenn es in meiner Macht gewesen wäre.

Du begreifst, Lieber, wie aus diesem Gefühl eine zunehmende Unruhe, ein immer wiederkommendes Verlangen, dem Uebel auf irgend eine Weise abzuhelfen, entspringen mußte.

Ich überlegte hin und her, machte allerhand Anschläge, schritt zu Versuchen; und fand jedesmal am Ende nur ein neues, größeres Uebel. Endlich hatte ich so viel Arbeit und Mühe gehabt, daß der Gedanke an eine gänzliche Umarbeitung, und an eine Vollendung des Werkes nach einem neuen Plane, der sich anfangs nicht von Weitem hätte zeigen dürfen, aufkommen und zum Entschluß werden konnte.

Seitdem habe ich dieser Arbeit alle die besten Stunden meiner Muße gewidmet; und Du wirst es bey dem Lesen fühlen, mit welchem frommen, unzerstreuten Fleiße ich dabey geblieben; mit welcher Unterwürfigkeit, mit welchem Schweigen ich dem Genius, der meinen Schwur hatte, gefolgt bin.

Meine Gabe möge Dir gefallen! Liebe mich; lebe wohl; und grüße unsern Freund, den Dichter der Echo!

Pempelfort, den 12. Jan. 1794.

F. H. Jacobi.


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