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Über die grüne Schote welker Kerne – Ankunft – Lob des Petschafts – Höllenangst vor einem magnetischen Wels und vor einem Vexierbild – Auflösung des Knotens
Der Verfasser dieses, der die Parüre über das Negligé hinaussetzt – bei Damen, denn ein Herr verlohnet kaum, daß man ihn anzieht –, hält den Putz vorzüglich an ältlichen Fräulein hoch, die ohne ihn aussehen wie Hummer in der Mause. Schon am Morgen schnallte Fräulein von Sackenbach sich mit der Tellerfalle oder dem Magen-Wappen des Ceinturons in das Degengehänge ohne Degen, in die Schärpe, so wie man einen Taubenschlag durch einen blechernen Gurt gegen aufkletternde Katzen verwahrt. Sie dachte, ich wäre die Katze. Zweitens fädelte sie sich von Kopf bis auf die Arme und Beine in einen bunten Überzug, dergleichen etwan listige Wirte ihren Betten geben, ein: sie wußte, Bunt kleide das Alter, wie schon Bäume im Herbst und sieche Gewächse sich mit buntem Laubwerk decken.
Ich bin vielleicht der einzige, der es wünscht, das weibliche Alter, zumal eheloses, in das türkische Papier der bunten Tracht eingewickelt zu sehen. Durch nichts kann eine Seniorin der Natur mehr zeigen, daß sie sich oder andere an den Tod erinnert, als durch eine illuminierte Farbengebung, wie um Gehenkte lauter Regenbogen tanzen vor der völligen Gewitternacht. Eine kouleurte Alte gleicht dem Glase, dessen Auflösung sich mit einem bunten Farbenspiel anmeldet. Die farbige Tracht ist ein immergrüner Traueranzug, so wie er sich für sie schickt, daher die französischen Könige und die venezianischen Nobili violett trauern. Es kann aber auch noch eine Nebenursache da sein, warum eine ehelose Seniorin sich bunt färbt – sie will zeigen, daß sie andere schwarz mache während ihrer Haussuchung nach fremden Fehlern, so wie schon bei den RömernCilanos Altert. 2. T. derjenige einen buntscheckigen Anzug hatte, der das Haus durchsuchte, oder so wie der Großherr die Stummen (das Widerspiel der Rednerinnen), welche strangulieren sollen, in die Farben, die nachher um den Erdrosselten selber flattern, kleiden lässet, nämlich in blühende.
– Der Teufel der Gleichnisse besitzt mich einmal wieder; aber man lass' ihn ruhig noch wenige Blätter durch mit mir herumsetzen: der Satan wird doch so gut müde als der Leser. –
Oft kömmts mir sogar vor, als sei diese farbige Hülse eine Frucht des Alters, das sich stets aufs Land hinaussehnt oder doch es nachahmt. Der weibliche Marmor bricht aber auf dem Lande bekanntlich bunt. Je weniger Menschen in einem Orte sind, desto mehr Farben hängen an einer Honoratiorin desselben, so wie Gewächse in Scherben bunter werden als in Gärten. Es kann auch sein, daß Landmädchen von Stande den Städterinnen beweisen wollen, sie seien ihres Orts auch zahm, weil bekanntlich nach Buffon zahme Tiere einen farbigern Pelz als wilde tragen – oder daß sie aus Bescheidenheit glauben, an ihnen falle wie an den Schützen-Vögeln kein Holz ins Gewicht und Gesicht als angefärbtes – ja es ist nicht unmöglich, daß der lebendige Putzteufel selber in ihnen sitze....
Da nun dieser eben aus mir ausgefahren ist: so verfolg' ich ungehindert meinen Weg und wende mich zum Sonnabend.
Ich hab' es schon gesagt, wie sich Gobertina meinetwegen sehnte und schmückte. Die alte inhaftierte Seherin des Kaffeesatzes blieb dabei, der Satz treffe zu und ein Herr ohne Haare komme noch. An drei Fenstern standen Hochwächter. Am Pfarrfenster stand Dea und gab einem silbernen Eßlöffel einen Eßlöffel voll Kreidenpulver ein und purgierte ihn damit – am Schulfenster saß Scheinfuß und observierte die Bewegungen am Schloßfenster, an welchem das gesprenkelte Fräulein stand und die Arbeiter der Chaussee beobachtete, ob diese nicht daraus entsprängen vor einem daherrollenden Wagen.
Auf einmal verlegten vielmehr die Arbeiter wie ebenso viele Alcibiadesse den Weg: es schoß wirklich eine mit Tigerpferden geflügelte Jagdwurst daher (ich ritt die Wurst), und plötzlich hielt das Flugwerk. Diese Unter-Chausseeeinnehmer hatten den Verfasser des Jubelseniors geschnürt, um mit dieser Angelschnur ein Extra-Chausseegeld aus meinem Beutel zu erfischen von meiner Freigebigkeit. Fräulein von Sackenbach ärgerte sich hinter dem Fenster, daß ich die letztere bewies und später hereinfuhr: denn sie wurde noch närrischer durch die alte Prophetin, die immerfort sagte, das sei gerade der Herr, den sie auf dem Kaffeesatz gesehen.
Beiläufig! Ich weiß mir das auffallende Phänomenon dieser Kaffee-Typologie aus nichts anderem zu erklären als aus zwei Erfahrungen. Die erste ist, daß vielleicht mehr der Kaffeetrank als sein Niederschlag instand setzt, die wässerigen Meteoren der Zukunft wahrzunehmen, zumal da diese geistige Kraftbrühe schon Profanskribenten wie mich und Voltairen in der Punktierkunst unserer so oft prophetischen Schreiberei so sichtbar unterstützt. Meine zweite Erfahrung, womit ich der eingetroffenen Weissagung das Übernatürliche größtenteils benehmen will, ist die, daß ich selber der alten Frau in Flachsenfingen die Weissagung meiner Ankunft mitgegeben und sie gebeten habe, sie nach Neulandpreis zu tragen und da als Prophetin aufzutreten. Ich wollte den armen Pfarrleuten eine größere Hoffnung und dem Fräulein eine leichtere Überzeugung verschaffen. – –
Ich will mir im Verfolge der Historie, wie man Schauspielern tut, den Namen meiner Rolle geben und mich häufig Herr von Esenbeck oder Freudenmeister oder maitre de plaisirs benennen, wär' es auch nur, um überhaupt bescheidener zu scheinen durch Weglassen des Ichs.
Die nähere Jagdwurst hob die Alte aus den zwölf kleinen Propheten unter die vier großen hinein. Der Freudenmeister saß darauf mit einem negligé raffiné oder modernen Schanzlooper und mit den Patentschuhschnallen der Herren Boulton & Smith – er hielt eine lederne Badine in der Hand und hatte, als er unten am Schloßfenster wie ein HoogkykerEine Familie auf der Insel Wieringen muß wegen gelähmter Augenlider den Kopf ganz zurücklegen, um etwas zu sehen. hinaufsah und den Hut abtat, nicht nur die Esenbecksche Glatze auf dem Kopfe, sondern auch den roten Taktstrich auf der Stirn.
Esenbeck setzte wie ein Erdstoß ganz Neulandpreis in Bewegung.
Dieser Herr ließ sogleich die Jagdwurst auspacken und das abheben, was er mitgebracht: einige Zahnstocher mit schön geschnitztem figurierten Schaft (der eine stellet den Kopf eines Saksaks vor, der andere einen Zoiluskopf) – ferner eine Kleidergeißel – hinlängliche Schaugerichte – eine gläserne Bowle mit drei Goldfischchen – ein Porzellan-Schreibezeug, das einen aufgerichteten Bock vorstellet, der ein weißes Herz, worein ich jetzt eintunke, in den Vorderfüßen hältDas Schreibzeug ist wirklich das Esenbecksche Wappen. Man könnt' es leichter verwechseln mit dem Wappen der Stadt Chur, die einen aufgerichteten Bock im gelben Felde führt, wenn seiner nichts in den Füßen hielte. Es ist auch sehr vom Wappen der Stadt Zwingenberg verschieden, das drei rote Herzen über einem halben Löwen hat. – und einige anonyme Lappalien.
Endlich standen die zwei himmlischen Körper in Konjunktion beisammen, ich und sie. Beide erstaunten.
Gobertina besonders: denn der Pseudo-Esenbeck hatte in seinem negligé raffiné, mit seiner ledernen Spießrute und mit seinem chaotischen anagrammatischen Gesichte etwas ungemein Sonderbares und in Neulandpreis Ungesehenes. Ohne das chirographische Instrument des roten Interpunktions- und Ausrufungszeichens hätte sie sich nicht einreden lassen, daß sich bisher der Hof und der Herr von Esenbeck so sehr geändert haben; aber sie hielt sich an den roten Strich.
Mich frappierte das Fräulein noch mehr: zwei umgeschwungene Brandkugeln voll Freudenfeuer in den Augenhöhlen – das ringelnde Geäder von Demarkationslinien auf dem Gesichte, die wie streitende Heere im Nordschein in- und auseinanderschossen – eine durch das verengte Mundstück der Lippen zugespitzte scharfe Stimme und ihre Quäker-Glieder, die häufig Terzien-Pralltriller schlugen, diese Erscheinungen setzten eine Person zusammen, die die wenigen Eckenbeschläge aus Gold und Tressen, die sie vom Hofe aufs Land hinausgenommen, draußen zu einem goldflitternen Opern- und Schleppkleid in der Einsamkeit ausgehämmert hatte, das dem lahngoldnen Wappenrocke glich, worin man sonst Alchimisten aufhing.
Esenbeck brachte anfangs gerade so viel Visiten-Unsinn vor, als er glaubte, daß Gobertine von ihm erwarte, welches so viel war, als sie selber verdiente. Esenbeck erinnerte sie an die schöne Zeit, wo er Page und sie Gesellschaftsdame war, und sagte im kältesten Ton von der Welt – er stellte dabei die lederne Gerte und Wünschelrute aufrecht auf den Zeigefinger und wollte den Stengel steilrecht tragen –: »Ich bin ganz enthusiasmiert, Sie zu sehen. Warum kommen Sie nicht an den Hof? Waren Sie in der Gemälde-Versteigerung? Gefiel Ihnen ein Pipioder Julius Romanus. ganz? Haben Sie Schafe von Klaase?« Es gibt eine Art zu fragen, die etwas von den peinlichen Fragstücken in Gerichtsstuben an sich hat, welche fortrollen und fortschließen, Inkulpat mag antworten, was er will. »Klaase?« (sagte sie endlich) »Klaus werden Sie meinen; wir haben hier nur einen Schäfer, der so heißet; mir wintert er bloß zwei Hammel aus.« Da ich ihr mit einem geringen Lächeln ihren Irrsal und meine Kenntnisse in den schönen Künsten zeigte (denn ich hatte vorher nicht etwan einige Seiten artistischer Vokabeln, wie prahlende oberflächliche Abderiten tun, sondern einen ganzen räsonierenden Gemälde-Katalog memorieret): so war es wohl entschieden, daß Herr von Esenbeck dastand; denn ein Hof ist ein verkleinertes Italien oder eine vergrößerte Hadrians-Villa, überall laufen da Kunstkenner und Kunstwerke, die größten Mythologen und Mythen entgegen.
Fräulein von Sackenbach war nicht sonderlich in Bilderkabinetten bereiset, und in ihrer Kunstgeschichte glänzte nicht mehr als ein einziger Meister, der berühmte Maler ihrer Eltern und ihrer eignen Person, gleichsam eines dreiköpfigen Geryon.
Ich hatte mir eine viel schönere und traurigere Amanda in den Kopf gesetzt, als außer ihm dastand; die äußere schien zugleich lustig, tugendhaft und gefallsüchtig und zwar alles bis zur Ziererei zu sein und machte mich völlig verwirrt. Nach ihrem Brief an Esenbeck hätt' ich geschworen, daß sie empfindsam Halbtrauer anhaben und ihren alten arkadischen Schäfer mit einem Schnupftuch voll Tränen empfangen würde: ich war zu einiger Rührung willfährig und wollte gern mit den Knien auf der Erde, um zu büßen, und mit den Ellenbogen auf dem Tische, um zu dichten, knien; zwei Glieder, die sich an einem solchen Liebhaber wie die Einlegmesser immer krumm werfen und die er so sehr wie ein Schorsteinfeger abnützt, der daher nirgends Lederbeschräge hat als an Ellenbogen und Knien. Aber wie erstaunt' ich, als sie früher lachte wie ich.
Ich war daher kaum eine halbe Stunde bei ihr, als ich mich herzlich ins Pfarrhaus hinübersehnte und auf dieser seligen Insel wenigstens ein Strandbewohner werden wollte; aber ich hätte, wenn ichs merken ließe, mit meinem ganzen Oberleibe durch meine Esenbecksche Charaktermaske durchgestochen und durchgeschimmert: ich durfte höchstens nur auf Gelegenheiten lauern, über die glücklichen Jubel-Insulaner kalte Fragen hinzuwerfen. Ich schauete deswegen beständig durchs Fenster. Jungfer Dea schleppte endlich Bierkannen aus der Pfarr-Kellerei heraus. Ich wollte jetzt kühn sein und den Freudenmeister Esenbeck täuschend spielen und machte mir kein Bedenken daraus, epigrammatisch zu bemerken: »Es ist wahr, die Amazonen schafften sonst den halben Busen fort, um die Armbrust gewisser anzulegen; aber wahrhaftig Amors Geschoß trifft noch schärfer in jede Brust, wenn man es auf einer ganzen ansetzt.« – »Scharmant,« sagte das Fräulein, »ganz scharmant!« – »Pfui« oder »warum nicht gar« oder doch »hm, hm«, hatt' ich gerechnet, würde es sagen; nun aber verglich ich sie ohne Bedenken innerlich mit den alten Peruanern, welche (denn sie brachte auch mir ihre vermooseten Tage und ihre morschen wurmstichigen Neigungen, kurz nur ihr Alter der Tugend zum Opfer) ihren Königen Zwerge und mißgestalte Kinder und (nach Garzilaso de Vega) den Landeshauptmännern Läuse als Steuern und Gaben überreichten.