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Frau Dominick

Der Schnee war in der Mandschurei geschmolzen, nachts aber fror es, und auf dem Fluß lag noch Eis. Von der kahlen gelben Steppe hob sich die Stadt mausgrau mit ihren niedrigen Holzhäusern ab, seltsam verblichen, sonnengebleicht und verstaubt. Es war eine Stadt wie die meisten der großen dem Winde ausgesetzten Holzstädte, die an der transsibirischen Bahn in die Höhe geschossen sind, eine Stationsstadt, am Kreuzungspunkt von der Bahnlinie und einem der großen asiatischen Flüsse, halbrussisch und stark von Chinas Nähe geprägt.

Eine mächtige Eisenbahnbrücke, die dem Skelett eines Fabeltieres gleicht und meilenweit in der Landschaft zu sehen ist, führt über den Fluß. Außer dem Bahnhofsgebäude gibt es ein großes russisches Hotel und mehrere Kontor- und Lagergebäude, Banken, eine Brauerei, einige Straßen mit Wohnhäusern in europäischem Stil, und eine Kirche mit grasgrünen, zwiebelförmigen Kuppeln, alles neu und gleichzeitig verfallen, flotte Nachahmungen, aber abgeschilfert und vernachlässigt: das charakteristische russische Gepräge. Die übrige Stadt ist eine unordentliche und planlose Ansammlung von gezimmerten Wohnstätten, wo die eingeborene, zusammengelaufene Bevölkerung haust, Chinesen, Mongolen und Tataren. Ein Teil der elenden Häuser liegt unbewohnt da, verfault und morsch von außen und schwarz von innen, eine Erinnerung an die Pest vor einigen Jahren. Der Boden in der Stadt und den Straßen und auch auf den anstoßenden Gründen ist kahl und hartgetreten wie ein Lehmboden, wenn er nicht in tiefem Morast aufgelöst ist, keine Pflanze, kein Grashalm. Eine Eigentümlichkeit für Städte mit mongolischen Einwohnern, und eine Erklärung, die viel Wahrscheinlichkeit hat, für die Sage von Attila und seinen Horden, daß kein Gras mehr wuchs, wo sie hinkamen. Weil sie so zahlreich waren, nutzten sie den Boden ab, wo sie sich zeigten.

Um die Stadt herum liegt die Steppe. Hier ist sie nicht in buchstäblichem Sinn flach, wie man sich eine Steppe vorstellt, sondern sie erstreckt sich mit niedrigen Hochebenen und Senkungen, an vielen Stellen ist das Land bebaut und sonst mit Gras bewachsen. Es gibt auch bedeutende Höhen, die mit Sümpfen abwechseln, und hier und dort in der Nähe des Flusses verstreutes Buschwerk. Viel Wild hält sich hier auf, unter anderm Antilopen, nicht selten der große sibirische Tiger; das Flußufer wimmelt von Vögeln.

Das Leben der Weißen in der Stadt ist eine freiwillige Verbannung; man ist nur hier, um Geschäfte zu machen. Von den Zerstreuungen lohnt es sich nicht zu reden. Im Vordergrund steht die Jagd; so oft die Arbeit in den Kontoren es erlaubt, erfrischt man sich durch ein- oder mehrtägige Jagdausflüge in die Steppe. Die Mehrzahl der Bevölkerung in der Stadt besteht aus Russen, der Rest aus allen möglichen andern Nationalitäten.

An einem Aprilmorgen zog eine Gesellschaft von fünf Personen aus der Stadt auf die Jagd, eine kleine Clique, die ursprünglich wohl vom Geschäft zusammengeführt worden war; nur zwei von ihnen waren von derselben Nationalität. Sie unterhielten sich in mehreren verschiedenen Sprachen, den Sprachen, die im Ort gangbar waren, verfielen von der einen in die andere, eine Unterhaltung, die sich auf mehreren verschiedenen Oberflächen bewegte; das private intime Selbst, das jeder in seiner Sprache und seinem Ursprung haben mochte, war ihnen gegenseitig unbekannt und interessierte auch keinen. Die vier aus der Gesellschaft waren Kaufleute, in großen selbständigen Betrieben, obgleich ganz junge Leute, der andere hatte einen Posten in einer Bank, ökonomisch unter dem Standard der andern, nicht unwesentlich, aber aus irgendeinem Grunde in die Clique ausgenommen. Zum Ersatz für seine bescheidenen Verhältnisse schien er dort, wo er herstammte, eine Erziehung genossen zu haben, man wußte nicht recht, in welcher Richtung, begegnete ihm aber mit demselben Respekt wie einem Künstler oder Apotheker. Er hieß Dominick, unter dem Schmeichelnamen Nick bekannt, und war ein kleiner zierlicher Herr mit dünnen Gliedern und einem anscheinend kindlichen Gesicht, ganz glatt bis auf einige Striche um den Mund, die wie Einschnitte von Bindfäden aussahen und zu tiefen Furchen wurden, wenn er grinste; denn er lachte oder lächelte nicht, sondern grinste wie ein Hund, wenn er etwas Gutes gesagt hatte. Er war seines boshaften Witzes wegen geschätzt und genoß die Privilegien eines Hofnarren in der Gesellschaft. Augenblicklich war Nick Rekonvaleszent nach einem Typhus, noch etwas blaß und reizbar, aber in guter Besserung und mit einem verblüffenden Appetit.

Dominick nahm Abschied von seiner Frau, die ihn in der Frisierjacke bis auf die Zementtreppe hinausbegleitete, wo sie sich in dem kalten Wind zusammenkauerte.

»Ich erwarte dich also in acht Tagen, sei vorsichtig, erkälte dich nicht ...«

»Erkälte du dich nicht, mach, daß du hineinkommst,« sagte Dominick mit barscher Zärtlichkeit, stieg in die Troika und schaffte sich vorsichtig Platz zwischen einer Menge Flaschen und Körbe, die seiner Obhut anvertraut waren. Mit einem letzten Blick auf das reiche, schwarze Haar seiner Frau, das in gekreppten und kunstfertigen Puffen aufgesteckt war, blank und üppig in der Sonne, schlug er dem Tataren auf den Rücken, und der Wagen mit den rissigen Gummirädern flog durch die Straße. Frau Dominick bog die Hand wie einen Fausthandschuh, winkte ihm zu wie einem Baby, nickte noch einmal und trippelte dann hinein mit ihrem prachtvollen Haar.

Der Treffpunkt lag drei, vier Meilen flußaufwärts; die andern wollten zu Pferde kommen. Die Boys waren vorausgeschickt, um alles instand zu setzen und das Essen zu bereiten, und einige mongolische Jäger hielten sich bereits seit mehreren Tagen mit den Hunden im Terrain auf, um die Jagd vorzubereiten. Sie logierten in einer alten, ausgedienten Kosakenstation, einem Gebäude, das ganz allein auf der Steppe lag, von einer Mauer mit Schießlöchern umgeben, einem Überbleibsel aus unruhigeren Zeiten; hier sollte das Hauptquartier sein.

Während man einzog, herrschte eine entzückte Ferienstimmung, wie zwischen einer Schar großer Jungen, Gesang und Gejodel, alle Sorgen waren abgestreift, Stadt, Telegramme und die ganze Welt, geschehe was da wolle, jetzt gedachte man sich zu amüsieren.

Liebevoll nahm Obel die einzelnen Teile seines kostbaren Gewehres aus dem Etui und setzte sie zusammen; er war ein vierschrötiger, ruhiger Mann mit kleinen, buschigen Augen, immer mit einer alten, fast aufgesaugten Pfeife unter dem dicken Schnurrbart, wenn er auf Jagd war. Alle Härchen kräuselten sich auf seiner Haut vor Wohlbehagen, er zog einen Sweater über den Kopf und nieste ins Feuer. Er war der Älteste von der Bande und der Erfahrenste, was Jagd und Essen anbetraf. Im täglichen Leben betrieb er ein großes aufreibendes Geschäft in der Stadt, jetzt war er zur Natur zurückgekehrt.

Brecke, ein langer, starker Mensch, büffelhaft von Wesen und mit finstern Augen, schalt mit den Boys herum und ließ sie springen, ärgerte sich über sie und folgte ihnen mit einem lauernden zänkischen Blick; er war ein sehr hübscher Mann.

Dann war da der junge Gozzelany, auch ein hübscher Mann, aber in einem andern Stil, mit hellbraunem Vollbart und vogelbeerroten Lippen, wie ein Bild gekleidet, in festlichem Jagdkostüm, Reithosen, die enorm von den Beinen abstanden, so daß er in der Mitte wie Karo-As aussah, putties, gelben englischen Stiefeln und einem großen, neuen Prismenglas auf der Brust; er glich einem jungen Heiligen mit einem Glorienschein um den Kopf und ging umher und sang Arien in den höchsten Registern, die er von seinen Grammophonen gelernt hatte; er verkaufte Musik im Osten und verdiente mit seinen vierundzwanzig Jahre mehr als ein Gouverneur.

Schließlich war da G. A. Kellor, allgemein G. A. genannt, aus sehr reicher Familie und Vertreter einer mächtigen Firma für landwirtschaftliche Maschinen, ein gutmütiger Mensch, ohne Rednergabe und ohne den Ehrgeiz, sich Geltung zu verschaffen, aber sehr beliebt. Er war leidenschaftlicher Jäger; während die andern den ersten Nachmittag benutzten, um sich einzurichten, nach den Ponys zu sehen und Pläne für die Jagd des nächsten Tages zu schmieden, machte er gleich einen Spaziergang und kam mit einem Bund Enten zurück, frisch aus dem Zug heruntergeholt, der in vollem Flug nach Norden war.

Die ersten Tage verliefen programmäßig. Die Ausflüge erstreckten sich, während der Jagdeifer noch warm war, über viele Meilen, mit wechselndem Erfolg, Obel richtete am meisten aus, wie zu erwarten war, nach ihm G. A., auch Brecke erwies sich als ein guter Schütze.

Nach und nach aber wandte sich das Interesse von den Strapazen mehr und mehr den Erfrischungen zu; es war aber auch unmenschlich, morgens um vier Uhr aufzustehen, wenn man bis ein Uhr Karten gespielt hatte. Abends versammelte man sich in der Festung zum Mittagessen, der Hauptschlacht des Tages, und hinterher wurde Bridge gespielt. Die Bewegung und die kalte, starke Frühjahrsluft gaben einen riesenhaften Appetit, und man lebte nicht auf primitive Art von dem allein, was man erlegte, sondern die Tafel war mit allen Delikatessen der Welt versehen, die man für Geld haben kann, von den Getränken gar nicht zu reden. Keiner von der Gesellschaft war Trinker, unter gewöhnlichen Verhältnissen konnten Wochen vergehen, ohne daß sie Alkohol anrührten, aber bei einer Gelegenheit wie dieser mußte getrunken werden, und sie konnten alle ein Teil vertragen. Nach einigen sibirisch kalten Schnäpsen und Bier zu den Appetitplatten, und mehreren schweren Weinen samt Champagner zum Mittagessen, das keineswegs improvisiert, sondern ein Kunstwerk der chinesischen Köche war, traten Whisky und eine Batterie Selterwasserflaschen, in Eis aus dem Fluß gekühlt, auf dem Tisch an, zusammen mit den Karten. Und das alles hätte in Ordnung vor sich gehen und gut endigen können, wenn nicht eine Mißstimmung zwischen Dominick und Brecke eingetreten wäre.

Es begann unmerklich mit kleinen gegenseitigen Neckereien, erst im Scherz, aber später mit verborgenem Stachel, bis der Krieg offenkundig wurde. Dominick spielte ausgezeichnet Bridge; man behauptete von ihm, daß er regelmäßig beim Bridge im Hotel so viel verdiene, wie sein Gehalt betrage und daß er diesen Verdienst nicht entbehren könne; auch hier saß er im Glück, und Brecke wunderte sich darüber, er wunderte sich nur darüber, nichts weiter, mehrere Male, ein gefährlicher Gesprächsstoff, aber die andern gingen leicht darüber hin. Hatte Dominick die genügend plumpe Anspielung in Breckes Bemerkungen verstanden, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken, aber zwischen den beiden brach ein Haß aus. Sie saßen sich bei Tisch gerade gegenüber, und sobald sie Platz genommen hatten, suchten sie sich mit den Augen, Dominick merkwürdig stechend und umfassend. als ob er nach schwachen Stellen bei dem andern suche, Brecke gleichgültiger, aber heimlich glimmend. Die andern amüsierten sich, auf beiden Seiten wurden Dinge gesagt, die Lachen hervorriefen und die auch in dieser Absicht gesagt wurden; abwechselnd ging es bald über den einen, bald über den andern Teil her.

Dominick hatte die Oberhand, er hatte die Sprache, oder die Sprachen, am meisten in der Gewalt und eine unerschöpflich beißende Phantasie. Er war nie amüsanter gewesen als in diesen Tagen, wo das Leben zu ihm zurückkehrte, während etwas von dem häßlichen Zynismus des Todes ihm noch im Körper saß. Es war fabelhaft, wie Nick sich erholte, er nahm sichtlich mit jedem Tage zu und war im Besitz einer merkwürdigen seelischen Frische. Es war fast unheimlich, ihn essen zu sehen; stundenlang saß er mit dem blassen Gesicht über dem Teller und aß, aß sich froh und boshaft, und während er kaute, sah er hin und wieder zu Brecke hinüber, und der Bindfaden um seinen Mund strammte sich zu einem leichten Grinsen, er nährte sich auch von Brecke, es bekam ihm, daß der große, hübsche Kerl solch Ochse war. Mit seinem Weinglas in der Hand und kauend, schoß er einen Pfeil auf den Dickhäuter ab, etwas Giftiges, was er sich beim Essen ausgedacht hatte, und während er trank, spähte er mit dem einen Auge übers Glas hinüber, um zu sehen, welche Wirkung es tat. Brecke grunzte. Nach einer Weile sah Brecke zu dem Knirps hinüber und kam mit einer Bemerkung, nicht einer Erwiderung, denn er wollte nicht verraten, daß er getroffen war, sondern mit etwas anderm, das er sich ausgedacht hatte, um zu verletzen. Seine Pfeile waren freilich zu stumpf, um einzudringen, aber stumpfe Waffen können auch schlimme Wunden zufügen, und Nick mußte mehrere harte Stöße ertragen. Er nahm sie essend entgegen, die Augen unverwandt auf Brecke geheftet, und es kam vor, daß er erschauerte, ein seltsames Zucken ging durch seinen Körper, es war unklar, was es bedeutete. Er trank und überlegte, seine Kiefer arbeiteten, der Bindfaden strammte sich um seinen Mund und die Augen leuchteten vor genialer Malice – gleich darauf hatte Brecke seinen Hieb weg. Das Duell entwickelte sich zur größten Zerstreuung und Erheiterung der übrigen Gesellschaft.

Was gesagt wurde, war an und für sich ohne Bedeutung, ließ sich auch kaum wiedergeben, sie gelangten durch alle Themen dorthin, wo Männer oft endigen, wenn sie ohne Damen beisammen sind, und noch weiter. Gozzelany brüllte stundenlang vor Lachen, er war ein dankbares, nie ermüdetes Publikum. Obel verzog keine Miene. G. A. Kellor dagegen vermochte seine Verlegenheit nicht zu verbergen, wenn die andern am schlimmsten waren; gewöhnlich tat er, als ob er nicht zuhörte, lachte aber dennoch so viel, wie er für höflich hielt, wenn gelacht werden sollte. Bisweilen schlief er mitten im Turnier ein.

Schließlich eines Abends trat eine Wendung ein, die in rascher Reihenfolge die Spannung zu Handlung auslöste. Dominick streifte bei der Kritik verschiedener moralischer Phänomene auch die weibliche Gesellschaft der Stadt und merkte, daß es Brecke reizte; darum machte er das Thema zum Gegenstand einer speziellen, ausführlichen Erörterung, selbstverständlich mit der Ehrbarkeit genannter weiblicher Gesellschaft als Hauptgegenstand der Untersuchung. Brecke saß ganz still, während der andere sich in eine immer rücksichtslosere Beredsamkeit hineinarbeitete. In Kürze und so schonend wie möglich mag hier der Inhalt seines Geredes wiedergegeben werden; seine Behauptung ging darauf hinaus, daß – und das wisse übrigens ganz Asien – ein jeder, der als Gast im Hotel einkehre, sich durch den Wirt die Gesellschaft jeder Dame zum Abendessen sichern könne; er schrecke auch nicht davor zurück, Namen zu nennen, und er nannte wirklich verschiedene, sowohl Frauen wie Fräulein aus der guten europäischen Gesellschaft in der Stadt, bis er zu einem bestimmten Namen kam und Brecke ihn plötzlich unterbrach: »Jetzt lügst du, mein Junge.«

Nick sah Brecke lange an. Die dünnen, blauen Adern an seiner Schläfe traten deutlicher hervor, er erschauerte seltsam, seine Kiefer arbeiteten, er wurde sehr bleich. Leiser und mit schneidenderem Ton als vorhin wiederholte er seine Behauptung und sprach sogar sein Erstaunen darüber aus, daß Brecke auf einem Punkt Unwissenheit heuchle, wo es doch ganz Asien bekannt sei, daß gerade er besonders gut Bescheid wisse!

Beide schwiegen, und es wurde ganz still in der Stube. Obel, Gozzelany und Kellor richteten ihre Augen verblüfft auf die zwei, die auf der Lauer saßen, gereizt, aber tödlich ruhig alle beide, Dominick mit einem Zug wie der Einschnitt eines Messers um den Mund, die Zähne an der einen Seite entblößt; Brecke lauernd und gefährlich. Um den Tisch herum standen die chinesischen Diener mit langen, steifen Gesichtern, sie verstanden nichts, begriffen aber, daß etwas los sei. Die Hunde streckten sich am Feuer mit tiefen Seufzern im Schlaf, das Licht fiel auf die rohen Mauern, die von den Kosaken, die hier ihr wildes Leben geführt hatten, verschrammt und zerkratzt waren. Draußen hörte man den Wind in den Schießlöchern rascheln und seufzen.

»Man kann so etwas nicht behaupten, ohne Beweise zu haben oder sie zu schaffen,« sagte Brecke schließlich langsam und räusperte sich, den Kopf auf die Seite gelegt und das eine Auge wegen des Zigarrenrauches zugekniffen. »Kannst du beweisen, was du da sagst?«

Dominick nickte. Brecke erhob sich. Er ragte in seiner vollen Größe über den Tisch, ein Riese, der mit seinen Händen den kleinen Wicht auf der andern Seite des Tisches zu Tode drücken konnte, wie man ein Insekt ausrottet. Aber er dachte gar nicht an Gewalttätigkeiten, etwas anderes Unergründliches lauerte in seinen stierartig blutunterlaufenen Augen. Der kolossale Rausch, den er hatte, war nur an der außerordentlichen Langsamkeit seiner Bewegungen zu spüren. Noch immer die Zigarre schief im Munde und das Auge wegen des Rauches zugekniffen, zog Brecke sein Scheckbuch aus der Brusttasche, schrieb ungeheuer langsam eine Zahl und seinen Namen, riß das Blatt heraus und legte es auf den Tisch. »Ich wette fünfhundert, daß du lügst.«

Alle waren vom Tisch aufgestanden. Dies war Handel.

Dominick sah auf seine Uhr. »Die Uhr ist neun. Vor elf kann ich in der Stadt sein. Ich nehme die Wette an.«

Fünf Minuten später fuhr er davon. Es war sternenklar. Die Troika verschwand wie eine schnurrende Mühle auf der Steppe.

Vor dem Wagen aber, mit einem Vorsprung, der mit jeder Minute größer wurde, galoppierte ein Mongole zur Stadt; seine Mission war, dem Wirt des Hotels Bescheid zu bringen, bevor Dominick eintraf, damit Verabredungen außerhalb des Spieles nicht stattfinden konnten, und der Bescheid ging darauf aus, die näher bezeichnete Dame, die Dominick genannt hatte, zum Souper im Hotel mit einem nicht näher bezeichneten, eben angekommenen Gast einzuladen.

Gozzelany fuhr mit der Troika, um den Ausfall der Wette zu bezeugen.

Obel, Brecke und G. A. Kellor setzten sich zu einem Bridge zu dreien hin, nachdem sie Dominick und Gozzelany fortbegleitet hatten.

 

Am nächsten Morgen kam Gozzelany in der Troika zurück. Er war allein. Er konnte kaum abwarten, daß der Wagen hielt, als er herabsprang, zum Platzen voll von beispiellosen Begebenheiten. – Wo Nick wäre? Ja, er sei nicht mit, wäre wohl an einem heißeren Ort ... O du meine Güte!

Gozzelany mußte gehalten, geschüttelt und entsprechend mit Magenbitter temperiert werden, bevor er so weit war, daß man einen zusammenhängenden Bericht aus ihm herausbringen konnte. Die Geschichte war an sich kurz und schlagend. Sie waren also zum Hotel gekommen, wo der Wirt bereits den Bescheid bekommen und nach der Dame geschickt hatte; keine zehn Minuten später kam sie, und wer glaubten sie wohl, wer es war, wer war es ... Nicks eigene hübsche Frau ... Tableau!

Gozzelany brüllte und ließ den Unterkiefer ganz auf die Brust herabhängen, um zu veranschaulichen, wie unglaublich es gewesen sei. Natürlich wäre es ein furchtbar peinlicher Auftritt gewesen. Im übrigen wisse er nicht, wie die Sache geendigt habe, denn er sei in eine andere Gesellschaft hineingeraten; nach dem langen Fasten in der Wildnis wäre er ganz ausgehungert nach etwas Zivilisation gewesen, man sei an einem guten Ort gelandet, Damen wären dagewesen, Wein die ganze Nacht und ein Grammophon, auf das sich übrigens ein Schwein gesetzt habe ... und nun wollte Gozzelany erst mal zu Bett. Er taumelte mit halbgebrochenen Augen und außer sich vor Glück, dunkle Krusten auf den Lippen vom Zechen, wie ein Fieberpatient, eine zerbrochene Zigarre aus der Tasche ziehend. Brecke faßte ihn unter und führte ihn am Tisch vorbei, wo er einen langen Arm aus der Manschette nach den Flaschen ausstreckte, die er dort aufgestellt sah, zu seiner Koje; dort mußte er ihn halten, bis er mitten in einer entzückten Gesangstrophe zusammensank und schlief.

»Es tut mir leid um Nick,« sagte Obel. »Aber wie in aller Welt ist es zugegangen, daß seine Frau statt der andern ins Hotel kam?«

»Das will ich dir sagen,« antwortete Brecke; »ich habe gestern abend dem Mongolen eine private Mitteilung für Zablocki (der Wirt des Hotels) mitgegeben, daß er nach Frau Dominick schicken solle.«

Obel nickte, enthielt sich jeder Bemerkung, an den Bewegungen seines Bartes aber konnte man sehen, daß die Affäre ihm nicht schmeckte. Brecke wurde zornig. Er schlug mit der Hand aus, sah Obel scharf an.

»Ja, siehst du, das hab ich getan. Ich wollte dieser Stechfliege doch mal eine Lektion geben. Er verdiente es nach dem Urteil, das er gestern über unsere Damen fällte, seine eigene Frau in Zablockis Chambre séparée zu treffen!«

Mit unbeweglichem Mienenspiel fragte Obel: »Woher wußtest du, daß sie kommen würde?«

»Ich schrieb, daß ich sie erwarte,« antwortete der schöne Mann, offen und mit aufrechter Stirn.

Obels Schnurrbart zuckte, aber er äußerte nichts. Kurz darauf kräuselte der Schnurrbart sich in einer neuen Nuance: »Die Wette hast du aber verloren, Brecke!«

Hierüber lachte Brecke übertrieben, und G. A., der in der Nähe war, mit einem verlegenen Gesicht, gab auch ein kleines gesellschaftliches Lachen von sich. Er war im übrigen gefoltert von all diesen Hindernissen und wollte auf die Jagd, dazu war er hergekommen. Der mongolische Jäger stand vor der Tür und hatte dort schon seit Stunden gestanden, die Klappen der Pelzmütze über den Ohren, schmutzig und geduldig; die Hunde hatten sich niedergelegt, starrten aber in tiefer Schwermut auf die Tür, ob die Jäger denn noch immer nicht kämen.

Die geplante größere Jagd mußte aufgegeben werden, man einigte sich, statt dessen ein nahegelegenes Terrain abzusuchen, wo ein Bock gesehen worden war, und Kellor begab sich sofort mit dem Mongolen und allen Hunden auf den Weg, um das Wild zu umgehen. Brecke sollte langsam nach Nordwesten gehen und Obel noch weiter westlich, und später am Tage wollten sie sich dann bei einer nördlich gelegenen Bucht des Flusses treffen, wo die Ponys hingeschickt wurden, um sie zu erwarten.

Als Brecke auf der Steppe allein geblieben war, setzte er sich nieder, verdrießlich, unaufgelegt zur Jagd. Er blickte zum Haus zurück, das mit rauchendem Schornstein dalag, lächerlich einsam auf der kahlen, noch morgenbereiften Steppe, mit seiner Ringmauer, nach allen Himmelsrichtungen dem Überfall halbwilder Mongolen ausgesetzt und selbst bereit, Blei aus den Schießscharten zu speien – vor kaum zehn Jahren – hu! Eine Viertelmeile entfernt konnte er noch Obel erkennen, der gerade zwischen dem welken Schilf in einer Senkung verschwand; Brecke gähnte laut und unterbrach das Gähnen mit einem ärgerlichen Kopfschütteln, Obel war irritierend.

Brecke hatte Katzenjammer, eine geschwollene Ader im Kopf nach dem Rausch des Abends, fühlte sich auch im allgemeinen gequält, durch und durch mißvergnügt, ohne daß er sich klar machte warum. Daß Menschen sich gegenseitig lieber die Seele aus dem Leib plagen durch zu viel Gesellschaft, und einander mißhandeln, anstatt auseinanderzugehen, das entdeckte er natürlich nicht mit den Nerven, die er hatte, aber als er jetzt allein war, kam doch etwas Unbeeinflußtes in ihm auf, so daß er einsah, daß er ein Esel sei und daß ein anderer Esel ihn schlimmer gemacht hatte als er war.

Er seufzte und blickte betrübt umher, um seinen Gedanken eine Ablenkung zu geben. Für die große majestätische Natur, die ihn umgab, die strahlende Einsamkeit der Sonne am Himmel und die weite Ewigkeitssprache der Horizonte, hatte er natürlich keinen Sinn, seine Aufmerksamkeit richtete sich auf greifbare Dinge, auf das überschwemmte Schilf unten am Fluß, das in dünnem Eis stand, auf den Fluß selbst, der noch immer nicht aufbrechen wollte, obgleich große, offene Stellen mit himmelblauem Wasser zwischen aufgelösten, milchfarbenen Eisschollen lagen; er wollte seine Leichter bald wieder in Betrieb setzen. Weit, weit fort sah er die Eisenbahnbrücke wie ein schwebendes, luftiges Ding in der Landschaft, und die Stadt war durch den Rauch kenntlich, der darüber lag, worin die Kuppel der Kirche wie ein grüner Punkt hing. Der Widerschein auf den gefrorenen Pfützen in der Steppe starrte mit einem fernen blinden Glanz in den Tag hinein.

Brecke zündete sich eine Zigarre an und warf das verfluchte Streichholz fort. Ihn fror, und er klopfte sich die Hände in den gefütterten Handschuhen; das elende Zeug konnte sie nicht mal warm halten. Der üble Beigeschmack von gestern wollte nicht weichen. Er sah zu dem Rande des niedrigen langgestreckten Erdwalles auf, den er im Nordwesten vor sich hatte und über den er hinüber sollte. Wenn er etwas von dem Bock zu sehen bekommen wollte, war's Zeit, daß er weiter kam ...

Da geschah etwas ganz Seltsames, einen Augenblick traute er seinen Sinnen nicht – einige Meter entfernt hörte er einen Schlag auf der Erde, und der gefrorene Staub flog auf, wie ein Wesen, eine kleine Seele von Staub, die sich plötzlich in der Luft bildete – ein Anblick, bei dem Brecke geglaubt haben würde, daß er verrückt geworden sei, wenn er nicht fast gleichzeitig den Knall eines Schusses in nicht allzu großer Entfernung gehört hätte. Er wandte den Kopf und sah zwei- oder dreihundert Meter entfernt, in der Richtung des Hauses, einen gesattelten Pony ohne Reiter auf dem Abhang stehen ... Schwupp! Eine neue Kugel warf Erde und kleine Steine auf, diesmal näher, vor ihm -, und gleichzeitig mit dem Knall, der eine Sekunde später kam, warf Brecke sich längelang in das welke, kalte Gras, als ob er getroffen sei. Ein dritter Schuß fiel, und das Projektil schlug gegen einen Stein, walzte schnurrend durch den Himmelsraum und verschwand mit einem langen abnehmenden Flötenton, und schon fiel ein neuer Schuß. Dort, wo Brecke lag, war keine Deckung, aber in der Nähe sah er ein Chinesengrab auf der Steppe, eine kleine Erdpyramide einige Meter hoch, mit einem Stein auf der Spitze; der letzte Schuß ging über ihn hinweg, pfiff aber unheimlich nah, er erhob sich laut schreiend und stürmte die zehn Schritt zum Grabhügel hin, zwei Schüsse fielen schnell hintereinander, aber er gelangte unbeschädigt in Deckung und atmete schwer auf. O Herr Jesus!

Es war Nick! Der Pony gehörte ihm. Ein hastiger Blick über den Gipfel des Grabhügels erklärte Brecke die ganze Stellung. Nick schien in einem Busch nicht weit vom Pferd zu liegen, ein fast unsichtbarer Dunst von rauchschwachem Pulver hing darüber – und jetzt schoß er wieder, einmal übers andere, die Kugeln spritzten zwischen den kleinen Steinen, schlugen in das lose Füllsel auf dem Grabhügel, er hatte anscheinend ein Rekylgewehr. Brecke tanzte es rot vor den Augen, er schwitzte am ganzen Körper vor Angst und Wut, Speichel drang ihm aus dem Mund, während er sich hinter dem Grabhügel zusammenkauerte. Da entstand eine Pause im Schießen – er ladet, dachte Brecke und fuhr in bebender Hast in die Höhe, er hatte selbst einen Winchester mit Rekylmechanismus und feuerte jetzt fünf, sechs Schüsse wie einen Strahl von Blei auf die Büsche ab. Nick schoß nicht wieder, die Salve zwang ihn anscheinend, in Deckung zu bleiben, schnell verlegte Brecke sein Ziel und feuerte auf den Pony; er sah, daß dieser den Kopf wie vor einer Bremse zurückwarf und mit einem Satz davonrannte – im nächsten Augenblick war er verschwunden, als ob die Erde ihn verschlungen hätte!

Lange lag Brecke in Deckung, ohne daß etwas geschah. Sollte Nick getroffen sein? Tief seufzend richtete er sich auf und sah zu den Büschen hinüber. Da erinnerte er sich, daß hier im Terrain eine Kluft sei, ein altes, ausgetrocknetes Flußbett, groß genug, daß es ein Pferd und einen Menschen verbergen konnte; dort hinunter war also der Pony gesprungen. Möglich, daß er und Nick verwundet oder tot dort unten lagen – möglich aber auch, daß Nick ganz ruhig seines Weges geritten war. In diesem Fall würde er sich sicher hinten herum nach Norden verziehen und vielleicht den Versuch machen, Brecke von dem niedrigen Wall gerade vor anzufallen. Zur Kluft zu gehen und sich zu überzeugen, ob Nick noch da sei, dazu konnte Brecke sich nicht entschließen, er glaubte mehr an die andere Möglichkeit, daß Nick ihn von der entgegengesetzten Seite umgehen würde. Der Mann war ja wahnsinnig! Was in aller Welt fiel ihm ein! Er würde ja hingerichtet oder zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden. Allerdings hatte Brecke wenig davon, ihn sich bestraft vorzustellen, wenn er selbst erschossen oder zum Invaliden gemacht würde. Wie war es möglich, daß Nick auf ihn schießen konnte!

Brecke weinte! Er bekam Mitleid mit sich selbst, jetzt, wo die Spannung vorbei war, und schluchzte mit gebrochener Stimme, trocknete sich die Tränen aus den Augen mit dem Rücken seiner Hand, wie er dort ganz allein auf der Steppe stand. Es war schlecht von Nick, ihm nach dem Leben zu trachten, weil er ihm den Streich mit seiner Frau gespielt hatte, das sah dem kleinen desperaten Bankmenschen ähnlich, und er sah Nicks verzerrte, wie mit Scheidewasser übergossene Physiognomie vor sich – von dort war kein Pardon zu erwarten, Brecke hätte sich selbst sagen können, daß es gefährlich sei, ihn über eine gewisse Grenze hinaus zu reizen. Gott sei Dank, daß er nicht sonderlich gut schoß ...

Brecke schnupfte sich aus und faßte sich, füllte das Magazin von neuem und zählte seine Patronen mit zitternden tränenfeuchten Händen, er hatte dreiundvierzig Schüsse. Unentschlossen blieb er stehen. Wenn er vorwärts ging, gab er dem andern eine Chance, Nick konnte sich dann in einen Hinterhalt legen und ihn mit einem Schuß überraschen, bevor er seiner ansichtig wurde. Legte er sich dagegen selbst in Deckung, würde Nick ihn wahrscheinlich aufsuchen, und dann war er im Vorteil. Rücksicht brauchte man auf so ein giftiges Gewürm nicht zu nehmen. Nick hatte ja selbst das Schießen ohne Warnung aus dem Hinterhalt begonnen und verdiente kein fair play.

Indessen wünschte er sich doch einen Platz mit besserer Deckung und offener, freierer Aussicht, und darum begann er sich langsam nordwärts zu bewegen, indem er den niedrigen Erdwall vor sich scharf im Auge behielt. Plötzlich sah er eine menschliche Gestalt oben auf der Höhe, suchte sofort Deckung und warf sich in seiner ganzen Länge hinter einen Vorsprung, von wo er das Terrain übersehen konnte. Es war Nick, er war hinten herum geritten, hatte das Pferd stehenlassen, und jetzt kam er, ungefähr vierhundert Meter entfernt, er näherte sich schnell, Brecke konnte das Gewehr in seiner Hand unterscheiden, eine schwindelnde Hitze überflog ihn, der Raum um ihn herum wurde rot, die Füße zitterten ihm, er stöhnte halb erstickt, und als der andere auf ungefähr dreihundert Meter herangekommen war, zielte er sorgfältig und feuerte. Der andere lief – gerade auf ihn zu, mit beiden hocherhobenen Armen durch die Luft winkend – ja, warte nur, Schuft, du willst wohl Pardon haben, um dich besser an die Scheibe heranzuschleichen, und Brecke schrie außer sich vor Leidenschaft, schoß noch einmal – und noch einmal – und dann, indem er gewaltsam zusammenzuckte, noch einmal auf den gefallenen Körper.

Dann erhob er sich taumelnd und bürstete den Staub von sich ab, machte einige Schritte, mußte aber stehenbleiben und fing laut an zu heulen, schluchzte und weinte, den Arm übers Gesicht gelegt. So fand Obel ihn, als er einige Minuten später in vollem Lauf ankam, und Brecke warf sich laut jammernd dem Freund um den Hals.

Er brach aber vollständig zusammen, als sie zu dem Toten kamen und es sich zeigte, was er in Wirklichkeit getan hatte. Denn der, den sie tot mit dem Gesicht auf der Steppe liegend fanden, eine Handvoll Erde in jeder Hand festgeballt, war nicht Dominick, sondern G. A. Kellor.

Er war von dem Terrain im Norden, wo er ging, herbeigeeilt, als er all die Schüsse hörte, ebenso wie Obel, und Brecke hatte ihn in seiner blinden Angst und Aufregung für Dominick gehalten. Es war ein Fehlschuß.

»Tse, tse,« sagte Obel vor sich hin, in tiefem Ohnmachtsgefühl vor dem, was hier vernichtet war. Hier stand er auf der Steppe mit einem Toten und einer armen Kreatur, die sich die Hose naß machte und sich nicht zu helfen wußte. Brecke mußte wie ein Kind geführt werden, war taub und blind, von nervösem Weinen niedergebrochen und wimmerte wie ein Idiot, wenn man ihn nicht bei der Hand hielt. Seufzend blickte Obel sich um. Nicht ein Wesen war in meilenweitem Umkreis zu sehen, die Steppe lag gelb unter der Sonne, der Reif war von dem welken Gras fortgetaut und etwas Feuchtes und Weiches in der Farbe der Landschaft ließ ihn plötzlich ahnen, daß Frühling in der Luft sei. Er atmete hörbar in seinen dicken Schnurrbart. Armer G. A.

Unendlich weit fort in der Landschaft sah er wie einen schwarzen Faden, der aus dem fernen, fernen Gesichtskreis im Westen angekrochen kam, den Erpreßzug aus Europa ...

 

Was aber auf der unendlichen Steppe wie ein feiner schwarzer Faden ausgesehen hatte, lief in die Stadt ein und rollte donnernd in den Bahnhof als eine schwere Lokomotive und eine lange Reihe federnder haushoher Schlafwagen mit zolldickem Staub bedeckt, Wagon Lit, auf dem Wege von Paris nach Peking.

Als er sich eine halbe Stunde später nach Osten weiterbewegte, hatte er einen neuen Passagier mit, eine geschmeidige junge Dame mit einer Gesichtsfarbe wie weiße Tulpen und üppigem, kohlschwarzem, sorgfältig aufgestecktem und gepufftem Haar. Sie zwitscherte bereits in mehreren Sprachen, während ein Herr ihr behilflich war, eine Handtasche und einen Hutkoffer mit vielen alten Hoteletiketten ins Netz hinaufzulegen.

Und als der Zug glücklich aus der Stadt war, nahm sie einen funkelnden Diamantring aus ihrer Tasche und steckte ihn sich an den Finger; jetzt konnte sie ihn ruhig tragen.

Es war Frau Dominick, auf dem Weg zu den großen, männerreichen Städten am Stillen Ozean.


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