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Es erregte ungeheures Aufsehen unter dem Waldvolk, als Fyr mit dem Feuer vom Berge herabkam. Es hieß, daß er, von einer Schar Weiber umgeben, in den Tälern mit einem Brand umherzog, der zahm war und ihm überall hin folgte.
Lief ein Feuer brennend neben ihm oder hinter ihm her, machte es halt, wenn er halt machte, legte es sich ihm vielleicht zu Füßen? Konnte es auch gegen den Wind gehen? Machte es einen kleinen Abstecher in den Wald, verzehrte einige Bäume und kehrte zu ihm zurück, wenn er es rief? So fragten Unwissende, die den Anblick noch nicht genossen hatten. Wer es aber gesehen hatte, konnte berichten, daß das Feuer sich nicht frei bewegte, sondern daß Fyr es auf irgendeine Weise auf der Erde festhielt, daß es sein Gefangener sei, und obgleich es sich sehr lebhaft bewegte, mit langen Feuerarmen um sich schlug und Rauch in Mengen von sich gab, dachte es nicht daran zu entfliehen, sondern blieb an Ort und Stelle, solange Fyr es wünschte, war ihm gehorsam. Unerhört war die Macht, die Fyr besaß! Wenn er aber weiterziehen wollte, machte er das Feuer klein; nahm es auf die Spitze eines Astes und ging lange Wege damit, bevor er es wieder auf die Erde legte und großzog.
Man mußte das Feuer nähren, um es festzuhalten, darin steckte ein Teil des Geheimnisses, natürlich nur ein rein äußerlicher, die Sache an sich blieb unaufgeklärt; wie er sich mit dem Feuer angefreundet hatte, das blieb Fyrs tiefstes Geheimnis! Man mußte dem Feuer immerwährend Holz geben und hin und wieder ein Tier, um es zufriedenzustellen, das war der erste, an und für sich nicht schwer faßliche Lehrsatz, den man sich merken mußte.
Es dauerte lange, bevor gewöhnliche Sterbliche sich Fyr und seinem gefährlichen Begleiter überhaupt zu nähern wagten; in aufrechter Stellung ging es nicht an, man kam von weit her auf dem Bauch angekrochen; unter keinen Umständen mit leeren Händen, es verstand sich von selbst, daß man eine Gabe mitbringen mußte, Äste und Zweige, irgendein Tier, das man gefangen hatte, am liebsten ein Schwein, das leicht zwischen dem Wurf geklaut werden konnte; alle die, die Schweine brachten, wurden freundlich empfangen, das Feuer schien besonderen Wert auf dieses Gericht zu legen, polterte in die Höhe und gab einen schönen Geruch von sich, wenn ein Schwein geopfert wurde; Fyr selbst gab seinen Beifall zu erkennen und billigte die Wahl. Das letzte Stück, bevor man das Heiligtum erreichte, wo das Feuer brannte und Fyr wie ein Kenner umherging, von seinen eingeweihten Weibern unterstützt, das letzte Stück kroch man nicht nur auf dem Bauch, man wandte das Antlitz zur Erde, damit man das Feuer nicht durch neugieriges Beglotzen erzürnte und vielleicht mit Blindheit geschlagen wurde; das Gesicht zur Erde kroch man näher, das Opfer vor sich herschiebend, bis es einem abgenommen wurde. Darauf machte man kehrt und galoppierte auf zwei Beinen davon, um sich in Sicherheit zu bringen. So schwer war es, sich an den leibhaftigen Gunung Api zu gewöhnen, obgleich es gar nicht der Berg in eigener, alles verzehrenden Person war, sondern nur einer seiner heißen Abkömmlinge. Der Respekt vor Fyr war nicht minder groß.
Gewohnheit aber macht stumpf. Wenn man Tag für Tag ein Feuer sieht und die Gewißheit bekommt, daß es zahm ist, dann kann man auf die Dauer nicht davor zittern. Einige allerdings, deren Auffassungsvermögen durch ihre Vorfahren und deren Erfahrungen bestimmt wurde, konnten sich nicht beruhigen; wenn sie Feuer sahen, machten sie sich naß, verloren allen Mut, wenn sie ihn gerade am nötigsten brauchten, schlotterten mit den Knien und rannten davon, was das Zeug halten wollte; diese Sorte kam dem Feuer nicht näher und hielt nicht Schritt mit der neuen Zeit; sie aß zeit ihres Lebens kalte Speisen, wie ihre Vorfahren es vor ihnen getan hatten. Das war gut genug für diese Sorte!
Aber es waren andere da, die jungen Leute in den Stämmen, die sich fast zu schnell an Fyr und sein Feuer gewöhnten und naseweis angeschlendert kamen, um zu gucken; Fyr mußte ihnen auf eine kräftige Weise beibringen, was sich schickte, mußte ein brennendes Scheit nach ihnen werfen, um die Frechdachse auf alle viere niederzuzwingen, denn sogar die Frechheit hat ihre Grenzen. Wenn sie Ehrerbietung bezeigten, durften sie Opfer bringen und konnten auf Umwegen, durch die Feuerweiber, gelegentlich einen Happen abbekommen, eine gebratene Schweinspfote oder dergleichen, die ihnen verdeckt aus dem Heiligtum gebracht wurde. So etwas Wunderbares hatten sie noch nie geschmeckt, alle andern Speisen verblaßten dagegen, und sie ließen sich für immer in der Nähe des Feuers nieder.
Fyrs erste Gemeinde bestand aus solchen jüngeren Landstreichern von Stämmen rings umher, die offenen Sinn für Neuigkeiten und eine Draufgängernatur besaßen, denen nichts heilig war; dafür aber konnte man sich auf sie verlassen, wenn man sie auf die richtige Spur brachte. Aus ihnen richtete Fyr seine ersten Fänger ab.
Denn es dauerte nicht lange, da stellten sich keine Opfer mehr ein; es war ja nur eine beschränkte Anzahl Wild, das sich mit den Händen greifen ließ; man lebte allerdings in tiefem Frieden mit den meisten Tieren, wenige aber ließen sich eine Berührung gefallen, und keines ließ sich gutwillig fortschleppen; man mußte es zuerst töten, und das war keine leichte Sache. Man erschlug die Tiere mit einem Stein; das ging ein- oder zweimal gut, dann aber wurde der Rest der Schar scheu und ließ keinen Menschen mehr herankommen. Früher hatte man zwischen den dichten Herden des wilden Viehs, zwischen Hirschen und Pferden umhergehen können, Schulter an Schulter, ohne daß es den verschiedenen Teilen auffiel; als man sich aber um die Tiere zu reißen begann, nahmen sie eine andere Haltung ein. Es war klar, daß man den Fang mit kräftigeren Mitteln angreifen und in System setzen mußte, wollte man dem Feuer fortgesetzt Opfer verschaffen; vor allen Dingen mußte man Werkzeug haben.
Und Fyrs fruchtbarer Kopf begann von neuem zu arbeiten.
Feuer und Herd hatten mancherlei zur Entfaltung gebracht. Unten im ewigen Sommer brauchte man noch keinen Schutz gegen das Wetter, war durch Feuer gegen wilde Tiere gefeit und hatte Geschmack an zubereitetem Fleisch gefunden, was sich nicht wieder ausrotten ließ; eine andere wichtige Seite des Feuers war, daß es Ruhe mit sich brachte, so daß man Gelegenheit hatte, in sich selbst zu gehen. Man war gezwungen, an einem Ort zu bleiben, jedenfalls solange das Feuer brannte, man konnte eine Fackel mit sich führen, aber keinen Herd, der verlangte Seßhaftigkeit. Während der langen Abende, die Fyr am Feuer verbrachte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die notwendigen Fanggeräte. Aus der Unersättlichkeit des Feuers und dem Appetit der Menschen, eine Verzehrung in neuem Stil, ging eine Kunst hervor, die in der ersten Waffe des Menschen ihre Blüte trieb.
Die einzigen angewandten Werkzeuge, unter Umständen Waffen, die das Waldvolk bisher gekannt hatte, waren der Stab und Steine. Der Stab war ein zufällig aufgelesener Ast, mit dem der Mann sich bewaffnet hatte, eine Erfindung, die ihn zum Führer der Schar gemacht hatte; er war ihm ein guter Freund auf der Wanderung gewesen, hatte weiter als ein Arm gereicht, knochenhart geschlagen, und wenn er spitz war, hatte er damit stechen können; auch stumpf verwundete er, wenn man genügend Kraft verwandte. Zuerst verbesserte Fyr darum den Stab, hielt seine Spitze ins Feuer und härtete sie, in der fruchtbaren Vorstellung, daß die Spitze durch Feuer tödliche Kraft bekam, was auch nicht fehlgeschossen war. Speere, die von einem langen, geraden, geschmeidigen Baum genommen und im Feuer gewesen waren, spalteten sich nicht, behielten vielmehr ihre scharfe Spitze. Die Erfahrung lehrte, daß sie sogar Ochsenhaut durchbohrten, wenn man mit einem kräftigen Arm warf; auch Großwild konnte ihnen nicht widerstehen. Fyrs Berechnung erwies sich als richtig: der Speer, der im Feuer gehärtet war, besaß in übertragenem Sinn, aber sehr wirksam, die mörderischen Eigenschaften des Feuers. Diese Erfindung behielt Fyr nicht für sich, sondern ließ alle Männer, die lernen wollten, daran teilhaftig werden; so viel Männer mit Speeren, so viel Aussicht auf Fleisch!
Was schadete es, daß Fyr seinen Mitmenschen Waffen in die Hand gab, er behielt doch stets einen Vorsprung, war mit demselben Atemzug bereits neuen Dingen auf der Spur: während alle Welt zu ihm kam, um Speere zu erhalten, und meinte, daß damit alle Waffenkunst erschöpft sei, war Fyr schon auf dem besten Wege zur Erfindung der Axt.
Sie kam zu ihm wie eine innige Vereinigung von Stab und Stein, naheliegend und dennoch von keinem vor ihm gedacht. Seht, der Stein lag ja von selbst in der Hand, der Mensch war sozusagen mit einem Stein in der Hand geboren, und mit einem bösen Blick, der zu zielen vermochte, wie weit man damit kommen konnte. Entweder behielt man ihn in der Hand zum Schlage, oder man warf damit, und da man ihn bei dieser Gelegenheit los wurde, mußte man mehrere zur Hand haben. Mit Steinen werfen war eine Kunst, Weiber lernten sie nie, sie schwangen den Stein mit steifem Arm und konnten ihn nicht loswerden; doch gab es Männer, die mit sicherem Auge Vögel mit einem Steinwurf aus der Luft herunterholen konnten; der Stein war sozusagen ein Zahn, der weiter reichte als die eigenen. Man konnte Nüsse damit zerschlagen, und wenn er einen scharfen Rand hatte, konnte man sogar zähe Fruchthüllen damit durch sägen. Scharf wurden die Steine, wenn sie entzwei gingen. Schlug man zwei gegeneinander und sie zersplitterten, konnte man einen guten, scharfen Stein bekommen, von dem man lange Nutzen hatte; so weit war man mit dem Gebrauch des Steines gelangt, es war ganz von selbst gekommen, sogar Frauen bedienten sich scharfer Steine, wenn sie das Esten bereiteten, Steine, die die Männer als unbrauchbar fortgeworfen hatten. Weshalb sollte man den Frauen neue Steine geben, mochten sie sich mit den alten abmühen, dazu waren sie da.
Der harte, spröde Feuerstein war längst als das beste Werkzeug erkannt worden, er ließ sich leicht zerschlagen und gab scharfe Ränder; an Form glichen die rohen Flintsteinblöcke Menschenköpfen, alten weißen Männern; man betrachtete den Flintstein wie zur Familie gehörig. Er hatte einen hartgebrannten, gellenden Klang, und jeder Splitter biß, nahm Blut, war begierig, einzudringen und sich rot zu färben ... konnte man Stab und Stein bewegen, eine Verbindung miteinander einzugehen, so konnte man sicher sein, daß sie zusammen Blut zeugen würden!
Fyr machte sinnreiche Versuche mit dem, was ihm im Kopf spukte, – wenn man den Flintstein am Ende des Stockes befestigte, dann konnte die Verbindung zuwege gebracht und der Biß des Steines unzertrennlich mit der Tragweite und dem Schwung des Stockes verbunden werden – aber wie? Andere Männer, die seine Versuche beobachteten, auf den Speer gestützt, den er ihnen gegeben hatte, schüttelten den Kopf und lächelten hinter der Hand ihrem Nebenmann zu. Was bildete der Feuermann sich ein? Sicher war er auf falscher Spur. Sie sahen, wie er Stein und Stock zusammenhielt und grübelte, grübelte, – was sollte das viele Nachdenken, erwartete er, daß der Stein freiwillig am Stock festwuchs? Dann hätte er ein Maul haben müssen, um sich festzubeißen, oder der Stock mußte sich öffnen und den Stein kneifen. Der Feuermann vergeudete seine Zeit unnütz.
Fyr aber ließ sich nicht stören, und nach unzähligen Versuchen zeigte er wirklich eines Tages einen Stock, an dessen Ende ein spitzer Flintstein festsaß und mit dem er schlagen konnte, ohne daß der Stein sich löste; er schlug hart, fällte Bäume. Die anwesenden Männer zuckten mit den Augenwimpern, waren geblendet. Gefährlich, sehr gefährlich war das neue Ding, das Fyr gemacht hatte, das sah man sofort ein!
Wie aber hatte er es zustande gebracht? Es wurde einem erklärt, und dennoch war man nicht klüger als vorher; man sah mit eigenen Augen, wie es gemacht wurde, und konnte es doch nicht nachmachen. Fyr hatte sich zu der Kunst zu binden durchgefingert, wußte, wie zwei Dinge mit Hilfe eines dritten zusammenhängen können; er bediente sich langer, dünner, zäher Dinge, Haare, Sehnen oder Därme, und legte sie auf sehr verwickelte und schwierige Art um die beiden Stücke, die verbunden werden sollten. Versuchte man, es ihm nachzumachen, fiel nach heißem Bemühen doch alles wieder auseinander. Fyr hatte den Knoten erfunden, das war das Geheimnis!
Das wurde das erste Beil. Auch diese Entdeckung und die Überlegenheit, die sie ihrem Besitzer verlieh, behielt Fyr nicht für sich, sondern übergab den jungen tatkräftigen Männern des Stammes die Axt und verlangte von ihnen, daß sie gute Jäger werden sollten. Man ging bei ihm in die Lehre, empfing eine Axt aus seiner Hand, und einige lernten es sogar, sich selbst eine anzufertigen. Die Bindekunst war schwer, erforderte außer Fingerfertigkeit auch eine bedeutende Gedankenreife; man bekam Kopfschmerzen von dem praktischen Lehrsatz des Knotens, mußte sich oftmals niedersetzen und den Kopf in die Hand stützen, bevor man fertig war.
Während die Axt sich bei den meisten Stämmen des Waldvolkes verbreitete und ihre ursprüngliche Form behielt – denn so, wie sie war, biß sie gut –, trocknete die Quelle hinter der Stirn des fruchtbaren Fyr nicht ein. Bald war er sich klar darüber, daß in der neuen Zusammensetzung mehr als eine Waffe und ein Werkzeug verborgen lag; wenn man den Schaft kurz machte und einen schweren, breiten Stein daran befestigte, dann hatte man die Axt, mit der es sich gut hacken ließ; machte man aber den Schaft lang und band einen spitzzulaufenden Stein ans Ende, so hatte man einen verbesserten Speer, schärfer und durchdringender als den alten. Auch diese Neuerwerbung enthielt Fyr dem Waldvolk nicht vor.
Und nun hatte er das Gefühl, daß er etwas erreicht hatte. Mochten Axt und Speer in der Hand des Waldvolkes für ihn arbeiten, er hatte für das Feuer und seinen eigenen Einfluß bis in ferne Zeiten gesorgt! Er war keineswegs blind dagegen, daß er den Stämmen eine Macht in die Hand gegeben hatte, sie waren ihrer viele, viele Beile und Speere gegen einen, – er aber hatte das Feuer, war fast das Feuer selbst! Die Stämme glaubten es und würden es glauben, auch wenn er sie gutwillig über den wirklichen Zusammenhang aufklären wollte. Die Frauen glaubten es, alle glaubten es, wollten es glauben; viel fehlte nicht, daß er selbst es glaubte. Er war wahrlich Gunung Api. Alle waren davon überzeugt, daß in der Axt, die er sich zum eigenen Gebrauch gemacht hatte und meisterhaft zu führen verstand, der Blitz selbst wohnte; alle fürchteten sie mehr als ein gewöhnliches Beil, es war Gunung Apis Feuerstrahl!
Seine Hauptmacht aber beruhte darin, daß er das Feuer besaß. Noch gehörte es ihm allein, denn wenn er den Stämmen auch das Feuer gegeben hatte, das Geheimnis, das damit verbunden war, lieferte er ihnen nicht aus; nur seine Söhne sollten es kennenlernen und seine Macht erben. Es bestand darin, daß er den Brand jederzeit erneuern konnte, auch wenn das Feuer ausging. Die andern konnten das Feuer von ihm bekommen, nicht aber die Feuerquelle, die beruhte in seinem Kopf, und ging der Brand aus, nun, dann kannte er den Weg zu einem ganzen Berg von Feuer!
Mitten auf der Ebene brennt das Lagerfeuer, und von allen Seiten kommt das Waldvolk auf dem Bauch angekrochen mit Opfergaben für Gunung Api; so unbeschränkt und übernatürlich ist Fyrs Macht.
Was aber sagten die Tiere? Sie hatten allen Grund, mit der neuen Ordnung der Dinge unzufrieden zu sein, denn sie waren es ja, die geopfert wurden. Der Friede zwischen Mensch und Tier, derselbe wie zwischen den Tieren, war gekündigt worden, und zwar von dem, wie man annehmen durfte, schwächeren Teil, den kleinen hüpfenden und redseligen Waldmännern. Sie waren unheimlich still geworden, begannen mehr und mehr Tiere abzuschlachten und bekamen auf unerklärliche Weise auch Gewalt über die, die viel größer und stärker waren als sie, sogar über den allein durch seine Größe unnahbaren Elefanten.
Die Wiederkäuer schwiegen, waren es gewöhnt, Fleischfressern ihren Tribut zu zahlen; stumm sank der Hirsch um, mit gespaltener Stirn, von einem Speer durchbohrt; früher starb er unter einer Tatze oder einem Zahn und sah seinen kriechenden Feind an den Trinkstellen oder im hohen Gras; jetzt kam der Feind ihm aufrecht entgegen, wenn er sich niedergelegt hatte und nicht mehr aufstehen konnte, stimmte ein Menschengelächter an und schlug ihm in die Augen; der Tod war gnädiger als er. Die grasfressenden Tiere nahmen Abstand vom Menschen, erst in Armeslänge, dann, wie die Erfahrung sie lehrte, soweit, wie ein Speer fliegen konnte; schließlich aber scheuten sie den bloßen Geruch des Menschen auf meilenweite Entfernung; nur gegen den Wind und ganz leise konnte man ihnen nah kommen.
Mit der Machtfülle der Raubtiere war es vorbei, sie konnten nicht mehr zu jeder Tageszeit Menschen holen; harte und tödliche Dinge kamen ihnen entgegengeflogen, der Kampf war schon entschieden, bevor man sich in den Armen gelegen hatte; die Zweibeinigen bissen durch die Luft, Dinge gingen von ihnen aus, die Schaden anrichteten. Die Menschlein waren gar nicht mehr wohlschmeckend und benahmen sich höchst unfreundlich. Versuchte man, sie in der Nacht zu überlisten, fand man sie mit dem Feuer im Bunde und mußte beschämt seines Weges ziehen; darum mied man sie am liebsten ganz. Bald aber wurde das Verhältnis umgekehrt, die Menschen kamen zu ihnen, meistens viele auf einmal und heimtückisch von allen Seiten, mit langen, gefährlichen Dingen in den Händen, und gar häufig kam es vor, daß der Fleischfresser in die Bäuche derjenigen wanderte, die er als sein Frühstück betrachtet hatte. Der Tiger nieste, wenn er Menschen witterte, sie hatten einen strammeren Geruch als früher und führten den Dunst von Feuer im Haar mit sich. Auch der Tiger ging hinter den Wind und mied den Menschen.
Doch kam eine Zeit, wo es nicht mehr genügte, den Nahkampf mit den Menschen zu meiden und sich vor ihren stechenden Gegenständen zu hüten; sie stellten den Tieren durch andere Künste nach, gruben ihnen Gruben; überall lief man Gefahr, daß die Erde einem unter den Pfoten versank; das Leben im Walde wurde wirklich unerträglich. Auf solche Weise begegnete sogar der Elefant seinem Überlister, ein harter Schlag für das Ansehen eines Tieres, und nachdem er sich das erstemal mit Hilfe seiner Stoßzähne wieder aus der Fallgrube herausgegraben hatte, stand das nächstemal ein zugespitzter und im Feuer gehärteter Pfahl im Grunde, und da mußte er drunten bleiben. In vielen Köpfen arbeitete es tüchtig, und auf Fleisch schien man großen Wert zu legen!
Auch die wilden Pferde wurden von den schlimmen Jägern belästigt, die mit Stöcken in der Hand und unter vielstimmigem Geheul sie einzukreisen versuchten. Da beschlossen die Pferde wie ein Pferd, vor diesem Pack davonzulaufen, aus dem Lande auszuwandern, ihres Bleibens war hier nicht länger, und sie galoppierten nach der Seite, wo die Stangenmänner ihnen den Weg nicht vertraten – genau wie die Jäger berechnet hatten! Denn dort fiel das Land plötzlich in einem steilen Abhang ab, den man von oben nicht sehen konnte, und die ganze mächtige Herde galoppierender Pferde stürzte auf ein Steinfeld hinab, die eine Woge von Tieren immer über der andern! Nicht eines entkam. So viele Pferde wurden bei dieser Gelegenheit getötet, daß die Jäger nur einen kleinen Teil davon verzehren konnten, bevor das ganze Leichenfeld verweste.
Ja, ja, die Tiere hatten allen Grund, die blutigen Handlanger und Verbündeten des Feuers zu fürchten.
Vorbei war der Frieden in den immergrünen Wäldern vor der Eiszeit, wo grasfressende Tiere zu Scharen auf den Feldern gingen und Menschen aus den Gehölzen kamen und sich unter sie mischten, ohne Furcht voreinander. Eine alte Freundschaft bestand zwischen den spieligen Kälbern der Wiederkäuer und den lebhaft umherhüpfenden, nach Abwechslung verlangenden Menschen. Am Morgen der Zeiten tummelten sich Menschenkinder, Füllen und junge Hunde in zottigem, sonnigem Spiel auf den Weiden. Sie mußten von einander lassen. Es war ihnen allerdings vom Schicksal bestimmt, daß sie sich wiederfinden sollten; bis dahin aber war es noch lang, vorher mußte die Schöpfung bittere Prüfungen, eine harte Schule durchmachen.
Im Walde der Verwandlung war die Verwandlung der Tiere vollbracht, soweit ewiger Sommer und gute Tage sie vollbringen konnten; auf Grund der Bedingungen, unter denen sie lebten, Aufenthaltsort, Nahrung und ihr Verhältnis zu einander, hatten die Tiere ihre endgültige Form erhalten. In den offenen Wäldern lebten Hirsch und Vieh, von Raubtieren umschlichen; auf den Steppen Pferde und Stelzvögel; in der Erde Nager und Pflanzen mit unterirdischen Knollen, von denen sie sich nährten; auf den Bergen Ziegen und Gemsen, und auf den höchsten Höhen Renntiere, die in Frieden leben wollten; nur der Vielfraß fand sie dort; in den Sümpfen Büffel und Schweine, der Wolf um sie herum im Schilf; der Bieber begegnete dem Lachs in den reißenden Flüssen, draußen im Meer steckte der Seehund seinen männlichen Kopf aus den Wogen, und zwischen Heringszügen und einer Wolke von Möwen blies der Wal Wasserstrahlen aus. Die Natur hatte ihr Gleichgewicht erreicht, nun sollten andere Kräfte in die Natur eingreifen.
Wo die Tiere sich auch versteckten, wie sie sich auch voreinander verteidigten und dadurch zu dem wurden, was sie waren, gegen den Menschen konnten sie sich nicht wehren, er fand sie alle und überall. Eine blutige Grenzscheide war zwischen den Menschen und allen übrigen Wesen gesetzt worden. Der Mensch war in sein Dasein als Jäger eingetreten, die Elemente jagten ihn, und gemeinsam mit dem Feuer jagte er die Tiere; eine Jagd wurde sein Leben für die kommenden Jahrtausende.
So kam es, weil es nicht anders kommen konnte, es lag in der Luft, daß der Mensch sich auf Kosten aller übrigen Lebewesen dem Feuer nähern mußte. Keiner konnte es mit diesen Zweibeinigen aufnehmen, die sich durch allerhand untierische Künste größer machten, als sie waren. Doch war die Zeit nicht mehr fern, wo der Mensch seine Waffen gegen sich selbst richtete und sein eigener bitterster Feind wurde.