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Vorrede

Auf die Kritik der praktischen Vernunft sollte das System, die Metaphysik der Sitten, folgen, welches in metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre und in eben solche für die Tugendlehre zerfällt (als ein Gegenstück der schon gelieferten metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft), wozu die hier folgende Einleitung die Form des Systems in beiden vorstellig und zum Teil anschaulich macht.

Die Rechtslehre als der erste Teil der Sittenlehre ist nun das, wovon ein aus der Vernunft hervorgehendes System verlangt wird, welches man die Metaphysik des Rechts nennen könnte. Da aber der Begriff des Rechts als ein reiner, jedoch auf die Praxis (Anwendung auf in der Erfahrung vorkommende Fälle) gestellter Begriff ist, mithin ein metaphysisches System desselben in seiner Einteilung auch auf die empirische Mannigfaltigkeit jener Fälle Rücksicht nehmen müßte, um die Einteilung vollständig zu machen (welches zur Errichtung eines Systems der Vernunft eine unerläßliche Forderung ist), Vollständigkeit der Einteilung des Empirischen aber unmöglich ist, und, wo sie versucht wird (wenigstens um ihr nahe zu kommen), solche Begriffe nicht als integrierende Teile in das System, sondern nur als Beispiele in die Anmerkungen kommen können: so wird der für den ersten Teil der Metaphysik der Sitten allein schickliche Ausdruck sein metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre: weil in Rücksicht auf jene Fälle der Anwendung nur Annäherung zum System, nicht dieses selbst erwartet werden kann. Es wird daher hiemit, so wie mit den (früheren) metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft, auch hier gehalten werden: nämlich das Recht, was zum a priori entworfenen System gehört, in den Text, die Rechte aber, welche auf besondere Erfahrungsfälle bezogen werden, in zum Teil weitläuftige Anmerkungen zu bringen: weil sonst das, was hier Metaphysik ist, von dem, was empirische Rechtspraxis ist, nicht wohl unterschieden werden könnte.

Ich kann dem so oft gemachten Vorwurf der Dunkelheit, ja wohl gar einer geflissenen, den Schein tiefer Einsicht affektierenden Undeutlichkeit im philosophischen Vortrage nicht besser zuvorkommen oder abhelfen, als daß ich, was Herr Garve, ein Philosoph in der ächten Bedeutung des Worts, jedem, vornehmlich dem philosophierenden Schriftsteller zur Pflicht macht, bereitwillig annehme und meinerseits diesen Anspruch bloß auf die Bedingung einschränke, ihm nur so weit Folge zu leisten, als es die Natur der Wissenschaft erlaubt, die zu berichtigen und zu erweitern ist.

Der weise Mann fordert (in seinem Werk, Vermischte Aufsätze betitelt, S. 352 u. f.) mit Recht, eine jede philosophische Lehre müsse, wenn der Lehrer nicht selbst in den Verdacht der Dunkelheit seiner Begriffe kommen soll – zur Popularität (einer zur allgemeinen Mitteilung hinreichenden Versinnlichung) gebracht werden können. Ich räume das gern ein, nur mit Ausnahme des Systems einer Kritik des Vernunftvermögens selbst und alles dessen, was nur durch dieser ihre Bestimmung beurkundet werden kann: weil es zur Unterscheidung des Sinnlichen in unserem Erkenntnis vom Übersinnlichen, dennoch aber der Vernunft Zustehenden gehört. Dieses kann nie populär werden, so wie überhaupt keine formelle Metaphysik; obgleich ihre Resultate für die gesunde Vernunft (eines Metaphysikers, ohne es zu wissen) ganz einleuchtend gemacht werden können. Hier ist an keine Popularität (Volkssprache) zu denken, sondern es muß auf scholastische Pünktlichkeit, wenn sie auch Peinlichkeit gescholten würde, gedrungen werden (denn es ist Schulsprache): weil dadurch allein die voreilige Vernunft dahin gebracht werden kann, vor ihren dogmatischen Behauptungen sich erst selbst zu verstehen.

Wenn aber Pedanten sich anmaßen, zum Publikum (auf Kanzeln und in Volksschriften) mit Kunstwörtern zu reden, die ganz für die Schule geeignet sind, so kann das so wenig dem kritischen Philosophen zur Last fallen, als dem Grammatiker der Unverstand des Wortklaubers ( logodaedalus). Das Belachen kann hier nur den Mann, aber nicht die Wissenschaft treffen.

Es klingt arrogant, selbstsüchtig und für die, welche ihrem alten System noch nicht entsagt haben, verkleinerlich, zu behaupten: daß vor dem Entstehen der kritischen Philosophie es noch gar keine gegeben habe. – Um nun über diese scheinbare Anmaßung absprechen zu können, kommt es auf die Frage an: ob es wohl mehr als eine Philosophie geben könne. Verschiedene Arten zu philosophieren und zu den ersten Vernunftprinzipien zurückzugehen, um darauf mit mehr oder weniger Glück ein System zu gründen, hat es nicht allein gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art, deren jeder auch um die gegenwärtige sein Verdienst hat, geben; aber da es doch, objektiv betrachtet, nur Eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophieen geben, d. i. es ist nur Ein wahres System derselben aus Prinzipien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophiert haben mag. So sagt der Moralist mit Recht: es gibt nur Eine Tugend und Lehre derselben, d. i. ein einziges System, das alle Tugendpflichten durch Ein Prinzip verbindet; der Chymist: es gibt nur Eine Chemie (die nach Lavoisier); der Arzneilehrer: es gibt nur Ein Prinzip zum System der Krankheitseinteilung (nach Brown), ohne doch darum, weil das neue System alle andere ausschließt, das Verdienst der älteren (Moralisten, Chemiker und Arzneilehrer) zu schmälern: weil ohne dieser ihre Entdeckungen, oder auch mißlungene Versuche wir zu jener Einheit des wahren Prinzips der ganzen Philosophie in einem System nicht gelangt wären. – Wenn also jemand ein System der Philosophie als sein eigenes Fabrikat ankündigt, so ist es eben so viel, als ob er sagte: vor dieser Philosophie sei gar keine andere noch gewesen. Denn wollte er einräumen, es wäre eine andere (und wahre) gewesen, so würde es über dieselbe Gegenstände zweierlei wahre Philosophieen gegeben haben, welches sich widerspricht. – Wenn also die kritische Philosophie sich als eine solche ankündigt, vor der es überall noch gar keine Philosophie gegeben habe, so tut sie nichts anders, als was alle getan haben, tun werden, ja tun müssen, die eine Philosophie nach ihrem eigenen Plane entwerfen.

Von minderer Bedeutung, jedoch nicht ganz ohne alle Wichtigkeit wäre der Vorwurf: daß ein diese Philosophie wesentlich unterscheidendes Stück doch nicht ihr eigenes Gewächs, sondern etwa einer anderen Philosophie (oder Mathematik) abgeborgt sei: dergleichen ist der Fund, den ein tübingscher Rezensent gemacht haben will, und der die Definition der Philosophie überhaupt angeht, welche der Verfasser der Kritik d. r. V. für sein eigenes, nicht unerhebliches Produkt ausgibt, und die doch schon vor vielen Jahren von einem anderen fast mit denselben Ausdrücken gegeben worden sei. Porro de actuali constructione hic non quaeritur, cum ne possint quidem sensibiles figurae ad rigorem definitionum effingi; sed requiritur cognitio eorum, quibus absolvitur formatio, quae intellectualis quaedam constructio est. C. A. Hausen, Elem. Mathes. Pars I. p. 86. A. 1734. Ich überlasse es einem jeden, zu beurteilen, ob die Worte: intellectualis quaedam constructio den Gedanken der Darstellung eines gegebenen Begriffs in einer Anschauung a priori hätten hervorbringen können, wodurch auf einmal die Philosophie von der Mathematik ganz bestimmt geschieden wird. Ich bin gewiß: Hausen selbst würde sich geweigert haben, diese Erklärung seines Ausdrucks anzuerkennen; denn die Möglichkeit einer Anschauung a priori, und daß der Raum eine solche und nicht ein bloß der empirischen Anschauung (Wahrnehmung) gegebenes Nebeneinandersein des Mannigfaltigen außer einander sei (wie Wolff ihn erklärt), würde ihn schon aus dem Grunde abgeschreckt haben, weil er sich hiemit in weit hinaussehende philosophische Untersuchungen verwickelt gefühlt hätte. Die gleichsam durch den Verstand gemachte Darstellung bedeutete dem scharfsinnigen Mathematiker nichts weiter, als die einem Begriffe korrespondierende (empirische) Verzeichnung einer Linie, bei der bloß auf die Regel Acht gegeben, von den in der Ausführung unvermeidlichen Abweichungen aber abstrahiert wird; wie man es in der Geometrie auch an der Konstruktion der Gleichungen wahrnehmen kann.

Von der allermindesten Bedeutung aber in Ansehung des Geistes dieser Philosophie ist wohl der Unfug, den einige Nachäffer derselben mit den Wörtern stiften, die in der Kritik d. r. V. selbst nicht wohl durch andere gangbare zu ersetzen sind, sie auch außerhalb derselben zum öffentlichen Gedankenverkehr zu brauchen, und welcher allerdings gezüchtigt zu werden verdient, wie Hr. Nicolai tut, wiewohl er über die gänzliche Entbehrung derselben in ihrem eigentümlichen Felde, gleich als einer überall bloß versteckten Armseligkeit an Gedanken, kein Urteil zu haben sich selbst bescheiden wird. – Indessen läßt sich über den unpopulären Pedanten freilich viel lustiger lachen, als über den unkritischen Ignoranten (denn in der Tat kann der Metaphysiker, welcher seinem Systeme steif anhängt, ohne sich an alle Kritik zu kehren, zur letzteren Klasse gezählt werden, ob er zwar nur willkürlich ignoriert, was er nicht aufkommen lassen will, weil es zu seiner älteren Schule nicht gehört). Wenn aber nach Shaftesburys Behauptung es ein nicht zu verachtender Probierstein für die Wahrheit einer (vornehmlich praktischen) Lehre ist, wenn sie das Belachen aushält, so müßte wohl an den kritischen Philosophen mit der Zeit die Reihe kommen zuletzt und so auch am besten zu lachen: wenn er die papierne Systeme derer, die eine lange Zeit das große Wort führten, nach einander einstürzen und alle Anhänger derselben sich verlaufen sieht: ein Schicksal, was jenen unvermeidlich bevorsteht.

Gegen das Ende des Buchs habe ich einige Abschnitte mit minderer Ausführlichkeit bearbeitet, als in Vergleichung mit den vorhergehenden erwartet werden konnte: teils weil sie mir aus diesen leicht gefolgert werden zu können schienen, teils auch weil die letzte (das öffentliche Recht betreffende) eben jetzt so vielen Diskussionen unterworfen und dennoch so wichtig sind, daß sie den Aufschub des entscheidenden Urteils auf einige Zeit wohl rechtfertigen können.

Die metaphysische Anfangsgründe der Tugendlehre hoffe ich in Kurzem liefern zu können.

 

Tafel
der Einteilung der Rechtslehre

Erster Teil

Das Privatrecht in Ansehung äußerer Gegenstände (Inbegriff derjenigen Gesetze, die keiner äußeren Bekanntmachung bedürfen).

Erstes Hauptstück

Von der Art etwas Äußeres als das Seine zu haben.

Zweites Hauptstück

Von der Art etwas Äußeres zu erwerben.

Einteilung der Äußeren Erwerbung

Erster Abschnitt

Vom Sachenrecht.

Zweiter Abschnitt

Vom persönlichen Recht.

Dritter Abschnitt

Von dem auf dingliche Art persönlichen Recht.

Episodischer Abschnitt

Von der idealen Erwerbung.

Drittes Hauptstück

Von der subjektiv-bedingten Erwerbung vor einer Gerichtsbarkeit.

Zweiter Teil

Das öffentliche Recht
(Inbegriff der Gesetze, die einer öffentlichen Bekanntmachung bedürfen).

Erster Abschnitt

Das Staatsrecht.

Zweiter Abschnitt

Das Völkerrecht.

Dritter Abschnitt

Das Weltbürgerrecht.

Einleitung in die Metaphysik der Sitten

I.
Von dem Verhältnis der Vermögen des menschlichen Gemüts zu den Sittengesetzen

BEGEHRUNGSVERMÖGEN ist das Vermögen durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. Das Vermögen eines Wesens, seinen Vorstellungen gemäß zu handeln, heißt das Leben.

Mit dem Begehren oder Verabscheuen ist erstlich jederzeit Lust oder Unlust, deren Empfänglichkeit man Gefühl nennt, verbunden; aber nicht immer umgekehrt. Denn es kann eine Lust geben, welche mit gar keinem Begehren des Gegenstandes, sondern mit der bloßen Vorstellung, die man sich von einem Gegenstande macht (gleichgültig, ob das Objekt derselben existiere oder nicht), schon verknüpft ist. Auch geht zweitens nicht immer die Lust oder Unlust an dem Gegenstande des Begehrens vor dem Begehren vorher und darf nicht allemal als Ursache, sondern kann auch als Wirkung desselben angesehen werden.

Man nennt aber die Fähigkeit, Lust oder Unlust bei einer Vorstellung zu haben, darum Gefühl, weil beides das bloß Subjektive im Verhältnisse unserer Vorstellung und gar keine Beziehung auf ein Objekt zum möglichen Erkenntnisse desselben Man kann Sinnlichkeit durch das Subjektive unserer Vorstellungen überhaupt erklären; denn der Verstand bezieht allererst die Vorstellungen auf ein Objekt, d. i. er allein denkt sich etwas vermittelst derselben. Nun kann das Subjektive unserer Vorstellung entweder von der Art sein, daß es auch auf ein Objekt zum Erkenntnis desselben (der Form oder Materie nach, da es im ersteren Falle reine Anschauung, im zweiten Empfindung heißt) bezogen werden kann; in diesem Fall ist die Sinnlichkeit, als Empfänglichkeit der gedachten Vorstellung, der Sinn. Oder das Subjektive der Vorstellung kann gar kein Erkenntnisstück werden: weil es bloß die Beziehung derselben aufs Subjekt und nichts zur Erkenntnis des Objekts Brauchbares enthält; und alsdann heißt diese Empfänglichkeit der Vorstellung Gefühl, welches die Wirkung der Vorstellung (diese mag sinnlich oder intellektuell sein) aufs Subjekt enthält und zur Sinnlichkeit gehört, obgleich die Vorstellung selbst zum Verstande oder der Vernunft gehören mag. (nicht einmal dem Erkenntnisse unseres Zustandes) enthält; da sonst selbst Empfindungen außer der Qualität, die ihnen der Beschaffenheit des Subjekts wegen anhängt (z. B. des Roten, des Süßen usw.), doch auch als Erkenntnisstücke auf ein Objekt bezogen werden, die Lust oder Unlust aber (am Roten und Süßen) schlechterdings nichts am Objekte, sondern lediglich Beziehung aufs Subjekt ausdrückt. Näher können Lust und Unlust für sich und zwar eben um des angeführten Grundes willen nicht erklärt werden, sondern man kann allenfalls nur, was sie in gewissen Verhältnissen für Folgen haben, anführen, um sie im Gebrauch kennbar zu machen.

Man kann die Lust, welche mit dem Begehren (des Gegenstandes, dessen Vorstellung das Gefühl so affiziert) notwendig verbunden ist, praktische Lust nennen: sie mag nun Ursache oder Wirkung vom Begehren sein. Dagegen würde man die Lust, die mit dem Begehren des Gegenstandes nicht notwendig verbunden ist, die also im Grunde nicht eine Lust an der Existenz des Objekts der Vorstellung ist, sondern bloß an der Vorstellung allein haftet, bloß kontemplative Lust oder untätiges Wohlgefallen nennen können. Das Gefühl der letztern Art von Lust nennen wir Geschmack. Von diesem wird also in einer praktischen Philosophie nicht als von einem einheimischen Begriffe, sondern allenfalls nur episodisch die Rede sein. Was aber die praktische Lust betrifft, so wird die Bestimmung des Begehrungsvermögens, vor welcher diese Lust als Ursache notwendig vorhergehen muß, im engen Verstande Begierde, die habituelle Begierde aber Neigung heißen, und weil die Verbindung der Lust mit dem Begehrungsvermögen, so fern diese Verknüpfung durch den Verstand nach einer allgemeinen Regel (allenfalls auch nur für das Subjekt) gültig zu sein geurteilt wird, Interesse heißt, so wird die praktische Lust in diesem Falle ein Interesse der Neigung, dagegen wenn die Lust nur auf eine vorhergehende Bestimmung des Begehrungsvermögens folgen kann, so wird sie eine intellektuelle Lust und das Interesse an dem Gegenstande ein Vernunftinteresse genannt werden müssen; denn wäre das Interesse sinnlich und nicht bloß auf reine Vernunftprinzipien gegründet, so müßte Empfindung mit Lust verbunden sein und so das Begehrungsvermögen bestimmen können. Obgleich, wo ein bloß reines Vernunftinteresse angenommen werden muß, ihm kein Interesse der Neigung untergeschoben werden kann, so können wir doch, um dem Sprachgebrauche gefällig zu sein, einer Neigung selbst zu dem, was nur Objekt einer intellektuellen Lust sein kann, ein habituelles Begehren aus reinem Vernunftinteresse einräumen, welche alsdann aber nicht die Ursache, sondern die Wirkung des letztern Interesse sein würde, und die wir die sinnenfreie Neigung ( propensio intellectualis) nennen könnten.

Noch ist die Konkupiszenz (das Gelüsten) von dem Begehren selbst als Anreiz zur Bestimmung desselben zu unterscheiden. Sie ist jederzeit eine sinnliche, aber noch zu keinem Akt des Begehrungsvermögens gediehene Gemütsbestimmung.

Das Begehrungsvermögen nach Begriffen, so fern der Bestimmungsgrund desselben zur Handlung in ihm selbst, nicht in dem Objekte angetroffen wird, heißt ein Vermögen nach Belieben zu tun oder zu lassen. So fern es mit dem Bewußtsein des Vermögens seiner Handlung zur Hervorbringung des Objekts verbunden ist, heißt es Willkür; ist es aber damit nicht verbunden, so heißt der Aktus desselben ein Wunsch. Das Begehrungsvermögen, dessen innerer Bestimmungsgrund, folglich selbst das Belieben in der Vernunft des Subjekts angetroffen wird, heißt der Wille. Der Wille ist also das Begehrungsvermögen, nicht sowohl (wie die Willkür) in Beziehung auf die Handlung, als vielmehr auf den Bestimmungsgrund der Willkür zur Handlung betrachtet, und hat selber vor sich eigentlich keinen Bestimmungsgrund, sondern ist, so fern sie die Willkür bestimmen kann, die praktische Vernunft selbst.

Unter dem Willen kann die Willkür, aber auch der bloße Wunsch enthalten sein, so fern die Vernunft das Begehrungsvermögen überhaupt bestimmen kann. Die Willkür, die durch reine Vernunft bestimmt werden kann, heißt die freie Willkür. Die, welche nur durch Neigung (sinnlichen Antrieb, Stimulus) bestimmbar ist, würde tierische Willkür ( arbitrium brutum) sein. Die menschliche Willkür ist dagegen eine solche, welche durch Antriebe zwar affiziert, aber nicht bestimmt wird, und ist also für sich (ohne erworbene Fertigkeit der Vernunft) nicht rein, kann aber doch zu Handlungen aus reinem Willen bestimmt werden. Die Freiheit der Willkür ist jene Unabhängigkeit ihrer Bestimmung durch sinnliche Antriebe; dies ist der negative Begriff derselben. Der positive ist: das Vermögen der reinen Vernunft für sich selbst praktisch zu sein. Dieses ist aber nicht anders möglich, als durch die Unterwerfung der Maxime einer jeden Handlung unter die Bedingung der Tauglichkeit der erstern zum allgemeinen Gesetze. Denn als reine Vernunft, auf die Willkür unangesehen dieser ihres Objekts angewandt, kann sie als Vermögen der Prinzipien (und hier praktischer Prinzipien, mithin als gesetzgebendes Vermögen), da ihr die Materie des Gesetzes abgeht, nichts mehr als die Form der Tauglichkeit der Maxime der Willkür zum allgemeinen Gesetze selbst zum obersten Gesetze und Bestimmungsgrunde der Willkür machen und, da die Maximen des Menschen aus subjektiven Ursachen mit jenen objektiven nicht von selbst übereinstimmen, dieses Gesetz nur schlechthin als Imperativ des Verbots oder Gebots vorschreiben.

Diese Gesetze der Freiheit heißen zum Unterschiede von Naturgesetzen moralisch. So fern sie nur auf bloße äußere Handlungen und deren Gesetzmäßigkeit gehen, heißen sie juridisch; fordern sie aber auch, daß sie (die Gesetze) selbst die Bestimmungsgründe der Handlungen sein sollen, so sind sie ethisch, und alsdann sagt man: die Übereinstimmung mit den ersteren ist die Legalität, die mit den zweiten die Moralität der Handlung. Die Freiheit, auf die sich die erstern Gesetze beziehen, kann nur die Freiheit im äußeren Gebrauche, diejenige aber, auf die sich die letztere beziehen, die Freiheit sowohl im äußern als innern Gebrauche der Willkür sein, so fern sie durch Vernunftgesetze bestimmt wird. So sagt man in der theoretischen Philosophie: im Raume sind nur die Gegenstände äußerer Sinne, in der Zeit aber alle, sowohl die Gegenstände äußerer als des inneren Sinnes: weil die Vorstellungen beider doch Vorstellungen sind und so fern insgesamt zum inneren Sinne gehören. Eben so, mag die Freiheit im äußeren oder inneren Gebrauche der Willkür betrachtet werden, so müssen doch ihre Gesetze, als reine praktische Vernunftgesetze für die freie Willkür überhaupt, zugleich innere Bestimmungsgründe derselben sein: obgleich sie nicht immer in dieser Beziehung betrachtet werden dürfen.

II.
Von der Idee und der Notwendigkeit einer Metaphysik der Sitten

Daß man für die Naturwissenschaft, welche es mit den Gegenständen äußerer Sinne zu tun hat, Prinzipien a priori haben müsse, und daß es möglich, ja notwendig sei, ein System dieser Prinzipien unter dem Namen einer metaphysischen Naturwissenschaft vor der auf besondere Erfahrungen angewandten, d. i. der Physik, voranzuschicken, ist an einem andern Orte bewiesen worden. Allein die letztere kann (wenigstens wenn es ihr darum zu tun ist, von ihren Sätzen den Irrtum abzuhalten) manches Prinzip auf das Zeugnis der Erfahrung als allgemein annehmen, obgleich das letztere, wenn es in strenger Bedeutung allgemein gelten soll, aus Gründen a priori abgeleitet werden müßte, wie Newton das Prinzip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung im Einflusse der Körper auf einander als auf Erfahrung gegründet annahm und es gleichwohl über die ganze materielle Natur ausdehnte. Die Chymiker gehen noch weiter und gründen ihre allgemeinste Gesetze der Vereinigung und Trennung der Materien durch ihre eigene Kräfte gänzlich auf Erfahrung und vertrauen gleichwohl auf ihre Allgemeinheit und Notwendigkeit so, daß sie in den mit ihnen angestellten Versuchen keine Entdeckung eines Irrtums besorgen.

Allein mit den Sittengesetzen ist es anders bewandt. Nur so fern sie als a priori gegründet und notwendig eingesehen werden können, gelten sie als Gesetze, ja die Begriffe und Urteile über uns selbst und unser Tun und Lassen bedeuten gar nichts Sittliches, wenn sie das, was sich bloß von der Erfahrung lernen läßt, enthalten, und wenn man sich etwa verleiten läßt, etwas aus der letztern Quelle zum moralischen Grundsatze zu machen, so gerät man in Gefahr der gröbsten und verderblichsten Irrtümer.

Wenn die Sittenlehre nichts als Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein, zum Behuf derselben sich nach Prinzipien a priori umzusehen. Denn so scheinbar es immer auch lauten mag: daß die Vernunft noch vor der Erfahrung einsehen könne, durch welche Mittel man zum dauerhaften Genuß wahrer Freuden des Lebens gelangen könne, so ist doch alles, was man darüber a priori lehrt, entweder tautologisch, oder ganz grundlos angenommen. Nur die Erfahrung kann lehren, was uns Freude bringe. Die natürlichen Triebe zur Nahrung, zum Geschlecht, zur Ruhe, zur Bewegung und (bei der Entwickelung unserer Naturanlagen) die Triebe zur Ehre, zur Erweiterung unserer Erkenntnis u. dgl., können allein und einem jeden nur auf seine besondere Art zu erkennen geben, worin er jene Freuden zu setzen, eben dieselbe kann ihm auch die Mittel lehren, wodurch er sie zu suchen habe. Alles scheinbare Vernünfteln a priori ist hier im Grunde nichts, als durch Induktion zur Allgemeinheit erhobene Erfahrung, welche Allgemeinheit ( secundum principia generalia, non universalia) noch dazu so kümmerlich ist, daß man einem jeden unendlich viel Ausnahmen erlauben muß, um jene Wahl seiner Lebensweise seiner besondern Neigung und seiner Empfänglichkeit für die Vergnügen anzupassen und am Ende doch nur durch seinen oder anderer ihren Schaden klug zu werden.

Allein mit den Lehren der Sittlichkeit ist es anders bewandt. Sie gebieten für jedermann, ohne Rücksicht auf seine Neigungen zu nehmen: bloß weil und so fern er frei ist und praktische Vernunft hat. Die Belehrung in ihren Gesetzen ist nicht aus der Beobachtung seiner selbst und der Tierheit in ihm, nicht aus der Wahrnehmung des Weltlaufs geschöpft, von dem, was geschieht und wie gehandelt wird (obgleich das deutsche Wort Sitten eben so wie das lateinische mores nur Manieren und Lebensart bedeutet), sondern die Vernunft gebietet, wie gehandelt werden soll, wenn gleich noch kein Beispiel davon angetroffen würde, auch nimmt sie keine Rücksicht auf den Vorteil, der uns dadurch erwachsen kann, und den freilich nur die Erfahrung lehren könnte. Denn ob sie zwar erlaubt, unsern Vorteil auf alle uns mögliche Art zu suchen, überdem auch sich, auf Erfahrungszeugnisse fußend, von der Befolgung ihrer Gebote, vornehmlich wenn Klugheit dazu kommt, im Durchschnitte größere Vorteile, als von ihrer Übertretung wahrscheinlich versprechen kann, so beruht darauf doch nicht die Autorität ihrer Vorschriften als Gebote, sondern sie bedient sich derselben (als Ratschläge) nur als eines Gegengewichts wider die Verleitungen zum Gegenteil, um den Fehler einer parteiischen Wage in der praktischen Beurteilung vorher auszugleichen und alsdann allererst dieser nach dem Gewicht der Gründe a priori einer reinen praktischen Vernunft den Ausschlag zu sichern.

Wenn daher ein System der Erkenntnis a priori aus bloßen Begriffen Metaphysik heißt, so wird eine praktische Philosophie, welche nicht Natur, sondern die Freiheit der Willkür zum Objekte hat, eine Metaphysik der Sitten voraussetzen und bedürfen: d. i. eine solche zu haben ist selbst Pflicht, und jeder Mensch hat sie auch, obzwar gemeiniglich nur auf dunkle Art in sich; denn wie könnte er ohne Prinzipien a priori eine allgemeine Gesetzgebung in sich zu haben glauben? So wie es aber in einer Metaphysik der Natur auch Prinzipien der Anwendung jener allgemeinen obersten Grundsätze von einer Natur überhaupt auf Gegenstände der Erfahrung geben muß, so wird es auch eine Metaphysik der Sitten daran nicht können mangeln lassen, und wir werden oft die besondere Natur des Menschen, die nur durch Erfahrung erkannt wird, zum Gegenstande nehmen müssen, um an ihr die Folgerungen aus den allgemeinen moralischen Prinzipien zu zeigen, ohne daß jedoch dadurch der Reinigkeit der letzteren etwas benommen, noch ihr Ursprung a priori dadurch zweifelhaft gemacht wird. – Das will so viel sagen als: eine Metaphysik der Sitten kann nicht auf Anthropologie gegründet, aber doch auf sie angewandt werden.

Das Gegenstück einer Metaphysik der Sitten, als das andere Glied der Einteilung der praktischen Philosophie überhaupt, würde die moralische Anthropologie sein, welche, aber nur die subjektive, hindernde sowohl als begünstigende Bedingungen der Ausführung der Gesetze der ersteren in der menschlichen Natur, die Erzeugung, Ausbreitung und Stärkung moralischer Grundsätze (in der Erziehung, der Schul- und Volksbelehrung) und dergleichen andere sich auf Erfahrung gründende Lehren und Vorschriften enthalten würde, und die nicht entbehrt werden kann, aber durchaus nicht vor jener vorausgeschickt, oder mit ihr vermischt werden muß: weil man alsdann Gefahr läuft, falsche oder wenigstens nachsichtliche moralische Gesetze herauszubringen, welche das für unerreichbar vorspiegeln, was nur eben darum nicht erreicht wird, weil das Gesetz nicht in seiner Reinigkeit (als worin auch seine Stärke besteht) eingesehen und vorgetragen worden, oder gar unächte oder unlautere Triebfedern zu dem, was an sich pflichtmäßig und gut ist, gebraucht werden, welche keine sichere moralische Grundsätze übrig lassen, weder zum Leitfaden der Beurteilung, noch zur Disziplin des Gemüts in der Befolgung der Pflicht, deren Vorschrift schlechterdings nur durch reine Vernunft a priori gegeben werden muß.

Was aber die Obereinteilung, unter welcher die eben jetzt erwähnte steht, nämlich die der Philosophie in die theoretische und praktische, und daß diese keine andere als die moralische Weltweisheit sein könne, betrifft, darüber habe ich mich schon anderwärts (in der Kritik der Urteilskraft) erklärt. Alles Praktische, was nach Naturgesetzen möglich sein soll (die eigentliche Beschäftigung der Kunst), hängt seiner Vorschrift nach gänzlich von der Theorie der Natur ab; nur das Praktische nach Freiheitsgesetzen kann Prinzipien haben, die von keiner Theorie abhängig sind; denn über die Naturbestimmungen hinaus gibt es keine Theorie. Also kann die Philosophie unter dem praktischen Teile (neben ihrem theoretischen) keine technisch-, sondern bloß moralisch-praktische Lehre verstehen, und wenn die Fertigkeit der Willkür nach Freiheitsgesetzen im Gegensatze der Natur hier auch Kunst genannt werden sollte, so würde darunter eine solche Kunst verstanden werden müssen, welche ein System der Freiheit gleich einem System der Natur möglich macht; fürwahr eine göttliche Kunst, wenn wir im Stande wären, das, was uns die Vernunft vorschreibt, vermittelst ihrer auch völlig auszuführen und die Idee davon ins Werk zu richten.

III.
Von der Einteilung einer Metaphysik der Sitten

Die Deduktion der Einteilung eines Systems: d. i. der Beweis ihrer Vollständigkeit sowohl als auch der Stetigkeit, daß nämlich der Übergang vom eingeteilten Begriffe zum Gliede der Einteilung in der ganzen Reihe der Untereinteilungen durch keinen Sprung ( divisio per saltum) geschehe, ist eine der am schwersten zu erfüllenden Bedingungen für den Baumeister eines Systems. Auch was der oberste eingeteilte Begriff zu der Einteilung Recht oder Unrecht ( aut fas aut nefas) sei, hat seine Bedenklichkeit. Es ist der Akt der freien Willkür überhaupt. So wie die Lehrer der Ontologie vom Etwas und Nichts zu oberst anfangen, ohne inne zu werden, daß dieses schon Glieder einer Einteilung sind, dazu noch der eingeteilte Begriff fehlt, der kein anderer, als der Begriff von einem Gegenstande überhaupt sein kann.

Zu aller Gesetzgebung (sie mag nun innere oder äußere Handlungen und diese entweder a priori durch bloße Vernunft, oder durch die Willkür eines andern vorschreiben) gehören zwei Stücke: ERSTLICH ein Gesetz, welches die Handlung, die geschehen soll, objektiv als notwendig vorstellt, d. i. welches die Handlung zur Pflicht macht, ZWEITENS eine Triebfeder, welche den Bestimmungsgrund der Willkür zu dieser Handlung subjektiv mit der Vorstellung des Gesetzes verknüpft; mithin ist das zweite Stück dieses: daß das Gesetz die Pflicht zur Triebfeder macht. Durch das erstere wird die Handlung als Pflicht vorgestellt, welches ein bloßes theoretisches Erkenntnis der möglichen Bestimmung der Willkür, d. i. praktischer Regeln, ist: durch das zweite wird die Verbindlichkeit so zu handeln mit einem Bestimmungsgrunde der Willkür überhaupt im Subjekte verbunden.

Alle Gesetzgebung also (sie mag auch in Ansehung der Handlung, die sie zur Pflicht macht, mit einer anderen übereinkommen, z. B. die Handlungen mögen in allen Fällen äußere sein) kann doch in Ansehung der Triebfedern unterschieden sein. Diejenige, welche eine Handlung zur Pflicht und diese Pflicht zugleich zur Triebfeder macht, ist ethisch. Diejenige aber, welche das letztere nicht im Gesetze mit einschließt, mithin auch eine andere Triebfeder als die Idee der Pflicht selbst zuläßt, ist juridisch. Man sieht in Ansehung der letztern leicht ein, daß diese von der Idee der Pflicht unterschiedene Triebfeder von den pathologischen Bestimmungsgründen der Willkür der Neigungen und Abneigungen und unter diesen von denen der letzteren Art hergenommen sein müssen, weil es eine Gesetzgebung, welche nötigend, nicht eine Anlockung, die einladend ist, sein soll.

Man nennt die bloße Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung einer Handlung mit dem Gesetze ohne Rücksicht auf die Triebfeder derselben die Legalität (Gesetzmäßigkeit), diejenige aber, in welcher die Idee der Pflicht aus dem Gesetze zugleich die Triebfeder der Handlung ist, die Moralität (Sittlichkeit) derselben.

Die Pflichten nach der rechtlichen Gesetzgebung können nur äußere Pflichten sein, weil diese Gesetzgebung nicht verlangt, daß die Idee dieser Pflicht, welche innerlich ist, für sich selbst Bestimmungsgrund der Willkür des Handelnden sei, und, da sie doch einer für Gesetze schicklichen Triebfeder bedarf, nur äußere mit dem Gesetze verbinden kann. Die ethische Gesetzgebung dagegen macht zwar auch innere Handlungen zu Pflichten, aber nicht etwa mit Ausschließung der äußeren, sondern geht auf alles, was Pflicht ist, überhaupt. Aber eben darum, weil die ethische Gesetzgebung die innere Triebfeder der Handlung (die Idee der Pflicht) in ihr Gesetz mit einschließt, welche Bestimmung durchaus nicht in die äußere Gesetzgebung einfließen muß, so kann die ethische Gesetzgebung keine äußere (selbst nicht die eines göttlichen Willens) sein, ob sie zwar die Pflichten, die auf einer anderen, nämlich äußeren Gesetzgebung beruhen, als Pflichten in ihre Gesetzgebung zu Triebfedern aufnimmt.

Hieraus ist zu ersehen, daß alle Pflichten bloß darum, weil sie Pflichten sind, mit zur Ethik gehören; aber ihre Gesetzgebung ist darum nicht allemal in der Ethik enthalten, sondern von vielen derselben außerhalb derselben. So gebietet die Ethik, daß ich eine in einem Vertrage getane Anheischigmachung, wenn mich der andere Teil gleich nicht dazu zwingen könnte, doch erfüllen müsse: allein sie nimmt das Gesetz ( pacta sunt servanda) und die diesem korrespondierende Pflicht aus der Rechtslehre als gegeben an. Also nicht in der Ethik, sondern im Ius liegt die Gesetzgebung, daß angenommene Versprechen gehalten werden müssen. Die Ethik lehrt hernach nur, daß, wenn die Triebfeder, welche die juridische Gesetzgebung mit jener Pflicht verbindet, nämlich der äußere Zwang, auch weggelassen wird, die Idee der Pflicht allein schon zur Triebfeder hinreichend sei. Denn wäre das nicht und die Gesetzgebung selber nicht juridisch, mithin die aus ihr entspringende Pflicht nicht eigentliche Rechtspflicht (zum Unterschiede von der Tugendpflicht), so würde man die Leistung der Treue (gemäß seinem Versprechen in einem Vertrage) mit den Handlungen des Wohlwollens und der Verpflichtung zu ihnen in eine Klasse setzen, welches durchaus nicht geschehen muß. Es ist keine Tugendpflicht, sein Versprechen zu halten, sondern eine Rechtspflicht, zu deren Leistung man gezwungen werden kann. Aber es ist doch eine tugendhafte Handlung (Beweis der Tugend), es auch da zu tun, wo kein Zwang besorgt werden darf. Rechtslehre und Tugendlehre unterscheiden sich also nicht sowohl durch ihre verschiedene Pflichten, als vielmehr durch die Verschiedenheit der Gesetzgebung, welche die eine oder die andere Triebfeder mit dem Gesetze verbindet.

Die ethische Gesetzgebung (die Pflichten mögen allenfalls auch äußere sein) ist diejenige, welche nicht äußerlich sein kann; die juridische ist, welche auch äußerlich sein kann. So ist es eine äußerliche Pflicht, sein vertragsmäßiges Versprechen zu halten; aber das Gebot, dieses bloß darum zu tun, weil es Pflicht ist, ohne auf eine andere Triebfeder Rücksicht zu nehmen, ist bloß zur innern Gesetzgebung gehörig. Also nicht als besondere Art von Pflicht (eine besondere Art Handlungen, zu denen man verbunden ist) – denn es ist in der Ethik sowohl als im Rechte eine äußere Pflicht, – sondern weil die Gesetzgebung im angeführten Falle eine innere ist und keinen äußeren Gesetzgeber haben kann, wird die Verbindlichkeit zur Ethik gezählt. Aus eben dem Grunde werden die Pflichten des Wohlwollens, ob sie gleich äußere Pflichten (Verbindlichkeiten zu äußeren Handlungen) sind, doch zur Ethik gezählt, weil ihre Gesetzgebung nur innerlich sein kann. – Die Ethik hat freilich auch ihre besondern Pflichten (z. B. die gegen sich selbst), aber hat doch auch mit dem Rechte Pflichten, aber nur nicht die Art der Verpflichtung gemein. Denn Handlungen bloß darum, weil es Pflichten sind, ausüben und den Grundsatz der Pflicht selbst, woher sie auch komme, zur hinreichenden Triebfeder der Willkür zu machen, ist das Eigentümliche der ethischen Gesetzgebung. So gibt es also zwar viele direkt-ethische Pflichten, aber die innere Gesetzgebung macht auch die übrigen alle und insgesamt zu indirekt-ethischen.

IV.
Vorbegriffe zur Metaphysik der Sitten

(Philosophia practica universalis)

Der Begriff der Freiheit ist ein reiner Vernunftbegriff, der eben darum für die theoretische Philosophie transszendent, d. i. ein solcher ist, dem kein angemessenes Beispiel in irgend einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann, welcher also keinen Gegenstand einer uns möglichen theoretischen Erkenntnis ausmacht und schlechterdings nicht für ein konstitutives, sondern lediglich als regulatives und zwar nur bloß negatives Prinzip der spekulativen Vernunft gelten kann, im praktischen Gebrauch derselben aber seine Realität durch praktische Grundsätze beweiset, die als Gesetze eine Kausalität der reinen Vernunft, unabhängig von allen empirischen Bedingungen (dem Sinnlichen überhaupt) die Willkür zu bestimmen, und einen reinen Willen in uns beweisen, in welchem die sittlichen Begriffe und Gesetze ihren Ursprung haben.

Auf diesem (in praktischer Rücksicht) positiven Begriffe der Freiheit gründen sich unbedingte praktische Gesetze, welche moralisch heißen, die in Ansehung Unser, deren Willkür sinnlich affiziert und so dem reinen Willen nicht von selbst angemessen, sondern oft widerstrebend ist, Imperativen (Gebote oder Verbote) und zwar kategorische (unbedingte) Imperativen sind, wodurch sie sich von den technischen (den Kunst-Vorschriften), als die jederzeit nur bedingt gebieten, unterscheiden, nach denen gewisse Handlungen erlaubt oder unerlaubt, d. i. moralisch möglich oder unmöglich, einige derselben aber, oder ihr Gegenteil moralisch notwendig, d. i. verbindlich, sind, woraus dann für jene der Begriff einer Pflicht entspringt, deren Befolgung oder Übertretung zwar auch mit einer Lust oder Unlust von besonderer Art (der eines moralischen Gefühls) verbunden ist, auf welche wir aber [weil sie nicht den Grund der praktischen Gesetze, sondern nur die subjektive Wirkung im Gemüt bei der Bestimmung unserer Willkür durch jene betreffen und (ohne jener ihrer Gültigkeit oder Einflüsse objektiv, d. i. im Urteil der Vernunft, etwas hinzuzutun oder zu benehmen) nach Verschiedenheit der Subjekte verschieden sein kann] in praktischen Gesetzen der Vernunft gar nicht Rücksicht nehmen.

Folgende Begriffe sind der Metaphysik der Sitten in ihren beiden Teilen gemein.

Verbindlichkeit ist die Notwendigkeit einer freien Handlung unter einem kategorischen Imperativ der Vernunft.

Der Imperativ ist eine praktische Regel, wodurch die an sich zufällige Handlung notwendig gemacht wird. Er unterscheidet sich darin von einem praktischen Gesetze, daß dieses zwar die Notwendigkeit einer Handlung vorstellig macht, aber ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob diese an sich schon dem handelnden Subjekte (etwa einem heiligen Wesen) innerlich notwendig beiwohne, oder (wie dem Menschen) zufällig sei; denn wo das erstere ist, da findet kein Imperativ statt. Also ist der Imperativ eine Regel, deren Vorstellung die subjektiv-zufällige Handlung notwendig macht, mithin das Subjekt als ein solches, was zur Übereinstimmung mit dieser Regel genötigt (nezessitiert) werden muß, vorstellt. – Der kategorische (unbedingte) Imperativ ist derjenige, welcher nicht etwa mittelbar, durch die Vorstellung eines Zwecks, der durch die Handlung erreicht werden könne, sondern der sie durch die bloße Vorstellung dieser Handlung selbst (ihrer Form), also unmittelbar, als objektiv-notwendig denkt und notwendig macht; dergleichen Imperativen keine andere praktische Lehre als allein die, welche Verbindlichkeit vorschreibt (die der Sitten), zum Beispiele aufstellen kann. Alle andere Imperativen sind technisch und insgesamt bedingt. Der Grund der Möglichkeit kategorischer Imperativen liegt aber darin: daß sie sich auf keine andere Bestimmung der Willkür (wodurch ihr eine Absicht untergelegt werden kann), als lediglich auf die Freiheit derselben beziehen.

Erlaubt ist eine Handlung ( licitum), die der Verbindlichkeit nicht entgegen ist; und diese Freiheit, die durch keinen entgegengesetzten Imperativ eingeschränkt wird, heißt die Befugnis ( facultas moralis). Hieraus versteht sich von selbst, was unerlaubt ( illicitum) sei.

Pflicht ist diejenige Handlung, zu welcher jemand verbunden ist. Sie ist also die Materie der Verbindlichkeit, und es kann einerlei Pflicht (der Handlung nach) sein, ob wir zwar auf verschiedene Art dazu verbunden werden können.

Der kategorische Imperativ, indem er eine Verbindlichkeit in Ansehung gewisser Handlungen aussagt, ist ein moralisch-praktisches Gesetz. Weil aber Verbindlichkeit nicht bloß praktische Notwendigkeit (dergleichen ein Gesetz überhaupt aussagt), sondern auch Nötigung enthält, so ist der gedachte Imperativ entweder ein Gebot- oder Verbot-Gesetz, nachdem die Begehung oder Unterlassung als Pflicht vorgestellt wird. Eine Handlung, die weder geboten noch verboten ist, ist bloß erlaubt, weil es in Ansehung ihrer gar kein die Freiheit (Befugnis) einschränkendes Gesetz und also auch keine Pflicht gibt. Eine solche Handlung heißt sittlich-gleichgültig ( indifferens, adiaphoron, res merae facultatis). Man kann fragen: ob es dergleichen gebe, und, wenn es solche gibt, ob dazu, daß es jemanden freistehe, etwas nach seinem Belieben zu tun oder zu lassen, außer dem Gebotgesetze ( lex praeceptiva, lex mandati) und dem Verbotgesetze ( lex prohibitiva, lex vetiti) noch ein Erlaubnisgesetz ( lex permissiva) erforderlich sei. Wenn dieses ist, so würde die Befugnis nicht allemal eine gleichgültige Handlung ( adiaphoron) betreffen; denn zu einer solchen, wenn man sie nach sittlichen Gesetzen betrachtet, würde kein besonderes Gesetz erfordert werden.

Tat heißt eine Handlung, so fern sie unter Gesetzen der Verbindlichkeit steht, folglich auch so fern das Subjekt in derselben nach der Freiheit seiner Willkür betrachtet wird. Der Handelnde wird durch einen solchen Akt als Urheber der Wirkung betrachtet, und diese zusamt der Handlung selbst können ihm zugerechnet werden, wenn man vorher das Gesetz kennt, kraft welches auf ihnen eine Verbindlichkeit ruht.

 

Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die moralische Persönlichkeit ist also nichts anders, als die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen (die psychologische aber bloß das Vermögen, sich der Identität seiner selbst in den verschiedenen Zuständen seines Daseins bewußt zu werden), woraus dann folgt, daß eine Person keinen anderen Gesetzen als denen, die sie (entweder allein, oder wenigstens zugleich mit anderen) sich selbst gibt, unterworfen ist.

Sache ist ein Ding, was keiner Zurechnung fähig ist. Ein jedes Objekt der freien Willkür, welches selbst der Freiheit ermangelt, heißt daher Sache ( res corporalis).

Recht oder unrecht (rectum aut minus rectum) überhaupt ist eine Tat, so fern sie pflichtmäßig oder pflichtwidrig ( factum licitum aut illicitum) ist; die Pflicht selbst mag ihrem Inhalte oder ihrem Ursprunge nach sein, von welcher Art sie wolle. Eine pflichtwidrige Tat heißt Übertretung (reatus).

Eine unvorsetzliche Übertretung, die gleichwohl zugerechnet werden kann, heißt bloße Verschuldung (culpa). Eine vorsetzliche (d. i. diejenige, welche mit dem Bewußtsein, daß sie Übertretung sei, verbunden ist) heißt Verbrechen ( dolus). Was nach äußeren Gesetzen recht ist, heißt gerecht ( iustum), was es nicht ist, ungerecht ( iniustum).

Ein Widerstreit der Pflichten ( collisio officiorum s. obligationum) würde das Verhältnis derselben sein, durch welches eine derselben die andere (ganz oder zum Teil) aufhöbe. – Da aber Pflicht und Verbindlichkeit überhaupt Begriffe sind, welche die objektive praktische Notwendigkeit gewisser Handlungen ausdrücken, und zwei einander entgegengesetzte Regeln nicht zugleich notwendig sein können, sondern wenn nach einer derselben zu handeln es Pflicht ist, so ist nach der entgegengesetzten zu handeln nicht allein keine Pflicht, sondern sogar pflichtwidrig: so ist eine Kollision von Pflichten und Verbindlichkeiten gar nicht denkbar ( obligationes non colliduntur). Es können aber gar wohl zwei Gründe der Verbindlichkeit ( rationes obligandi), deren einer aber oder der andere zur Verpflichtung nicht zureichend ist ( rationes obligandi non obligantes), in einem Subjekt und der Regel, die es sich vorschreibt, verbunden sein, da dann der eine nicht Pflicht ist. – Wenn zwei solcher Gründe einander widerstreiten, so sagt die praktische Philosophie nicht: daß die stärkere Verbindlichkeit die Oberhand behalte ( fortior obligatio vincit), sondern der stärkere Verpflichtungsgrund behält den Platz ( fortior obligandi ratio vincit).

Überhaupt heißen die verbindenden Gesetze, für die eine äußere Gesetzgebung möglich ist, äußere Gesetze ( leges externae). Unter diesen sind diejenigen, zu denen die Verbindlichkeit auch ohne äußere Gesetzgebung a priori durch die Vernunft erkannt werden kann, zwar äußere, aber natürliche Gesetze; diejenigen dagegen, die ohne wirkliche äußere Gesetzgebung gar nicht verbinden (also ohne die letztere nicht Gesetze sein würden), heißen positive Gesetze. Es kann also eine äußere Gesetzgebung gedacht werden, die lauter positive Gesetze enthielte; alsdann aber müßte doch ein natürliches Gesetz vorausgehen, welches die Autorität des Gesetzgebers (d. i. die Befugnis, durch seine bloße Willkür andere zu verbinden) begründete.

Der Grundsatz, welcher gewisse Handlungen zur Pflicht macht, ist ein praktisches Gesetz. Die Regel des Handelnden, die er sich selbst aus subjektiven Gründen zum Prinzip macht, heißt seine Maxime; daher bei einerlei Gesetzen doch die Maximen der Handelnden sehr verschieden sein können.

Der kategorische Imperativ, der überhaupt nur aussagt, was Verbindlichkeit sei, ist: handle nach einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz gelten kann! – Deine Handlungen mußt du also zuerst nach ihrem subjektiven Grundsatze betrachten: ob aber dieser Grundsatz auch objektiv gültig sei, kannst du nur daran erkennen, daß, weil deine Vernunft ihn der Probe unterwirft, durch denselben dich zugleich als allgemein gesetzgebend zu denken, er sich zu einer solchen allgemeinen Gesetzgebung qualifiziere.

Die Einfachheit dieses Gesetzes in Vergleichung mit den großen und mannigfaltigen Folgerungen, die daraus gezogen werden können, imgleichen das gebietende Ansehen, ohne daß es doch sichtbar eine Triebfeder bei sich führt, muß freilich anfänglich befremden. Wenn man aber in dieser Verwunderung über ein Vermögen unserer Vernunft, durch die bloße Idee der Qualifikation einer Maxime zur Allgemeinheit eines praktischen Gesetzes die Willkür zu bestimmen, belehrt wird: daß eben diese praktischen Gesetze (die moralischen) eine Eigenschaft der Willkür zuerst kund machen, auf die keine spekulative Vernunft weder aus Gründen a priori, noch durch irgend eine Erfahrung geraten hätte und, wenn sie darauf geriet, ihre Möglichkeit theoretisch durch nichts dartun könnte, gleichwohl aber jene praktischen Gesetze diese Eigenschaft, nämlich die Freiheit, unwidersprechlich dartun: so wird es weniger befremden, diese Gesetze gleich mathematischen Postulaten unerweislich und doch apodiktisch zu finden, zugleich aber ein ganzes Feld von praktischen Erkenntnissen vor sich eröffnet zu sehen, wo die Vernunft mit derselben Idee der Freiheit, ja jeder anderen ihrer Ideen des Übersinnlichen im Theoretischen alles schlechterdings vor ihr verschlossen finden muß. Die Übereinstimmung einer Handlung mit dem Pflichtgesetze ist die Gesetzmäßigkeit (legalitas) – die der Maxime der Handlung mit dem Gesetze die Sittlichkeit (moralitas) derselben. Maxime aber ist das subjektive Prinzip zu handeln, was sich das Subjekt selbst zur Regel macht (wie es nämlich handeln will). Dagegen ist der Grundsatz der Pflicht das, was ihm die Vernunft schlechthin, mithin objektiv gebietet (wie es handeln soll).

Der oberste Grundsatz der Sittenlehre ist also: handle nach einer Maxime, die zugleich als allgemeines Gesetz gelten kann. – Jede Maxime, die sich hiezu nicht qualifiziert, ist der Moral zuwider.

Von dem Willen gehen die Gesetze aus; von der Willkür die Maximen. Die letztere ist im Menschen eine freie Willkür; der Wille, der auf nichts anderes, als bloß auf Gesetz geht, kann weder frei noch unfrei genannt werden, weil er nicht auf Handlungen, sondern unmittelbar auf die Gesetzgebung für die Maxime der Handlungen (also die praktische Vernunft selbst) geht, daher auch schlechterdings notwendig und selbst keiner Nötigung fähig ist. Nur die Willkür also kann frei genannt werden.

Die Freiheit der Willkür aber kann nicht durch das Vermögen der Wahl, für oder wider das Gesetz zu handeln, ( libertas indifferentiae) definiert werden – wie es wohl einige versucht haben, – obzwar die Willkür als Phänomen davon in der Erfahrung häufige Beispiele gibt. Denn die Freiheit (so wie sie uns durchs moralische Gesetz allererst kundbar wird) kennen wir nur als negative Eigenschaft in uns, nämlich durch keine sinnliche Bestimmungsgründe zum Handeln genötigt zu werden. Als Noumen aber, d. i. nach dem Vermögen des Menschen bloß als Intelligenz betrachtet, wie sie in Ansehung der sinnlichen Willkür nötigend ist, mithin ihrer positiven Beschaffenheit nach, können wir sie theoretisch gar nicht darstellen. Nur das können wir wohl einsehen: daß, obgleich der Mensch als Sinnenwesen der Erfahrung nach ein Vermögen zeigt dem Gesetze nicht allein gemäß, sondern auch zuwider zu wählen, dadurch doch nicht seine Freiheit als intelligiblen Wesens definiert werden könne, weil Erscheinungen kein übersinnliches Objekt (dergleichen doch die freie Willkür ist) verständlich machen können, und daß die Freiheit nimmermehr darin gesetzt werden kann, daß das vernünftige Subjekt auch eine wider seine (gesetzgebende) Vernunft streitende Wahl treffen kann; wenn gleich die Erfahrung oft genug beweist, daß es geschieht (wovon wir doch die Möglichkeit nicht begreifen können). – Denn ein anderes ist, einen Satz (der Erfahrung) einräumen, ein anderes, ihn zum Erklärungsprinzip (des Begriffs der freien Willkür) und allgemeinen Unterscheidungsmerkmal (vom arbitrio bruto s. servo) machen: weil das erstere nicht behauptet, daß das Merkmal notwendig zum Begriff gehöre, welches doch zum zweiten erforderlich ist. – Die Freiheit in Beziehung auf die innere Gesetzgebung der Vernunft ist eigentlich allein ein Vermögen; die Möglichkeit von dieser abzuweichen ein Unvermögen. Wie kann nun jenes aus diesem erklärt werden? Es ist eine Definition, die über den praktischen Begriff noch die Ausübung desselben, wie sie die Erfahrung lehrt, hinzutut, eine Bastarderklärung ( definitio hybrida), welche den Begriff im falschen Lichte darstellt.

Gesetz (ein moralisch praktisches) ist ein Satz, der einen kategorischen Imperativ (Gebot) enthält. Der Gebietende ( imperans) durch ein Gesetz ist der Gesetzgeber (legislator). Er ist Urheber ( autor) der Verbindlichkeit nach dem Gesetze, aber nicht immer Urheber des Gesetzes. Im letzteren Fall würde das Gesetz positiv (zufällig) und willkürlich sein. Das Gesetz, was uns a priori und unbedingt durch unsere eigene Vernunft verbindet, kann auch als aus dem Willen eines höchsten Gesetzgebers, d. i. eines solchen, der lauter Rechte und keine Pflichten hat (mithin dem göttlichen Willen) hervorgehend ausgedrückt werden, welches aber nur die Idee von einem moralischen Wesen bedeutet, dessen Wille für alle Gesetz ist, ohne ihn doch als Urheber desselben zu denken.

Zurechnung (imputatio) in moralischer Bedeutung ist das Urteil, wodurch jemand als Urheber ( causa libera) einer Handlung, die alsdann Tat (factum) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird; welches, wenn es zugleich die rechtlichen Folgen aus dieser Tat bei sich führt, eine rechtskräftige ( imputatio iudiciaria s. valida), sonst aber nur eine beurteilende Zurechnung ( imputatio diiudicatoria) sein würde. – Diejenige (physische oder moralische) Person, welche rechtskräftig zuzurechnen die Befugnis hat, heißt der Richter oder auch der Gerichtshof ( iudex s. forum).

Was jemand pflichtmäßig mehr tut, als wozu er nach dem Gesetze gezwungen werden kann, ist verdienstlich (meritum); was er nur gerade dem letzteren angemessen tut, ist Schuldigkeit (debitum); was er endlich weniger tut, als die letztere fordert, ist moralische Verschuldung (demeritum). Der rechtliche Effekt einer Verschuldung ist die Strafe (poena); der einer verdienstlichen Tat Belohnung (praemium) (vorausgesetzt, daß sie, im Gesetz verheißen, die Bewegursache war); die Angemessenheit des Verfahrens zur Schuldigkeit hat gar keinen rechtlichen Effekt. – Die gütige Vergeltung (remuneratio s. repensio benefica) steht zur Tat in gar keinem Rechtsverhältnis.

Die guten oder schlimmen Folgen einer schuldigen Handlung – imgleichen die Folgen der Unterlassung einer verdienstlichen – können dem Subjekt nicht zugerechnet werden ( modus imputationis tollens).

Die guten Folgen einer verdienstlichen – imgleichen die schlimmen Folgen einer unrechtmäßigen Handlung können dem Subjekt zugerechnet werden ( modus imputationis ponens).

Subjektiv ist der Grad der Zurechnungsfähigkeit ( imputabilitas) der Handlungen nach der Größe der Hindernisse zu schätzen, die dabei haben überwunden werden müssen. – Je größer die Naturhindernisse (der Sinnlichkeit), je kleiner das moralische Hindernis (der Pflicht), desto mehr wird die gute Tat zum Verdienst angerechnet; z. B. wenn ich einen mir ganz fremden Menschen mit meiner beträchtlichen Aufopferung aus großer Not rette.

Dagegen: je kleiner das Naturhindernis, je größer das Hindernis aus Gründen der Pflicht, desto mehr wird die Übertretung (als Verschuldung) zugerechnet. – Daher der Gemütszustand, ob das Subjekt die Tat im Affekt, oder mit ruhiger Überlegung verübt habe, in der Zurechnung einen Unterschied macht, der Folgen hat.


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