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1. Der Materie (dem Objekte) nach erwerbe ich entweder eine körperliche Sache (Substanz) oder die Leistung (Kausalität) eines Anderen oder diese andere Person selbst, d. i. den Zustand derselben, so fern ich ein Recht erlange, über denselben zu verfügen (das Kommerzium mit derselben).
2. Der Form (Erwerbungsart) nach ist es entweder ein Sachenrecht ( ius reale) oder persönliches Recht ( ius personale) oder ein dinglich-persönliches Recht ( ius realiter personale) des Besitzes (obzwar nicht des Gebrauchs) einer anderen Person als einer Sache.
3. Nach dem Rechtsgrunde ( titulus) der Erwerbung; welches eigentlich kein besonderes Glied der Einteilung der Rechte, aber doch ein Moment der Art ihrer Ausübung ist: entweder durch den Akt einer einseitigen oder doppelseitigen oder allseitigen Willkür, wodurch etwas Äußeres ( facto, pacto, lege) erworben wird.
Die gewöhnliche Erklärung des Rechts in einer Sache ( ius reale, ius in re), »es sei das Recht gegen jeden Besitzer derselben«, ist eine richtige Nominaldefinition. – Aber was ist das, was da macht, daß ich mich wegen eines äußeren Gegenstandes an jeden Inhaber desselben halten und ihn ( per vindicationem) nötigen kann, mich wieder in Besitz desselben zu setzen? Ist dieses äußere rechtliche Verhältnis meiner Willkür etwa ein unmittelbares Verhältnis zu einem körperlichen Dinge? So müßte derjenige, welcher sein Recht nicht unmittelbar auf Personen, sondern auf Sachen bezogen denkt, es sich freilich (obzwar nur auf dunkele Art) vorstellen: nämlich, weil dem Recht auf einer Seite eine Pflicht auf der andern korrespondiert, daß die äußere Sache, ob sie zwar dem ersten Besitzer abhanden gekommen, diesem doch immer verpflichtet bleibe, d. i. sich jedem anmaßlichen anderen Besitzer weigere, weil sie jenem schon verbindlich ist, und so mein Recht gleich einem die Sache begleitenden und vor allem fremden Angriffe bewahrenden Genius den fremden Besitzer immer an mich weise. Es ist also ungereimt, sich Verbindlichkeit einer Person gegen Sachen und umgekehrt zu denken, wenn es gleich allenfalls erlaubt werden mag, das rechtliche Verhältnis durch ein solches Bild zu versinnlichen und sich so auszudrücken.
Die Realdefinition würde daher so lauten müssen: Das Recht in einer Sache ist ein Recht des Privatgebrauchs einer Sache, in deren (ursprünglichen, oder gestifteten) Gesamtbesitze ich mit allen andern bin. Denn das Letztere ist die einzige Bedingung, unter der es allein möglich ist, daß ich jeden anderen Besitzer vom Privatgebrauch der Sache ausschließe ( ius contra quemlibet huius rei possessorem), weil, ohne einen solchen Gesamtbesitz vorauszusetzen, sich gar nicht denken läßt, wie ich, der ich doch nicht im Besitz der Sache bin, von Andern, die es sind, und die sie brauchen, lädiert werden könne. – Durch einseitige Willkür kann ich keinen Andern verbinden, sich des Gebrauchs einer Sache zu enthalten, wozu er sonst keine Verbindlichkeit haben würde: also nur durch vereinigte Willkür Aller in einem Gesamtbesitz. Sonst müßte ich mir ein Recht in einer Sache so denken: als ob die Sache gegen mich eine Verbindlichkeit hätte, und davon allererst das Recht gegen jeden Besitzer derselben ableiten; welches eine ungereimte Vorstellungsart ist.
Unter dem Wort: Sachenrecht ( ius reale) wird übrigens nicht bloß das Recht in einer Sache ( ius in re), sondern auch der Inbegriff aller Gesetze, die das dingliche Mein und Dein betreffen, verstanden. – Es ist aber klar, daß ein Mensch, der auf Erden ganz allein wäre, eigentlich kein äußeres Ding als das Seine haben oder erwerben könnte: weil zwischen ihm als Person und allen anderen äußeren Dingen als Sachen es gar kein Verhältnis der Verbindlichkeit gibt. Es gibt also, eigentlich und buchstäblich verstanden, auch kein (direktes) Recht in einer Sache, sondern nur dasjenige wird so genannt, was jemanden gegen eine Person zukommt, die mit allen Anderen (im bürgerlichen Zustande) im gemeinsamen Besitz ist.
Der Boden (unter welchem alles bewohnbare Land verstanden wird) ist in Ansehung alles Beweglichen auf demselben als Substanz, die Existenz des Letzteren aber nur als Inhärenz zu betrachten, und so wie im theoretischen Sinne die Akzidenzen nicht außerhalb der Substanz existieren können, so kann im praktischen das Bewegliche auf dem Boden nicht das Seine von jemanden sein, wenn dieser nicht vorher als im rechtlichen Besitz desselben befindlich (als das Seine desselben) angenommen wird.
Denn setzet, der Boden gehöre niemanden an: so werde ich jede bewegliche Sache, die sich auf ihm befindet, aus ihrem Platze stoßen können, um ihn selbst einzunehmen, bis sie sich gänzlich verliert, ohne daß der Freiheit irgend eines Anderen, der jetzt gerade nicht Inhaber desselben ist, dadurch Abbruch geschieht; alles aber, was zerstört werden kann, ein Baum, Haus usw., ist (wenigstens der Materie nach) beweglich, und wenn man die Sache, die ohne Zerstörung ihrer Form nicht bewegt werden kann, ein Immobile nennt, so wird das Mein und Dein an jener nicht von der Substanz, sondern dem ihr Anhängenden verstanden, welches nicht die Sache selbst ist.
Was das erste betrifft, so gründet sich dieser Satz auf dem Postulat der praktischen Vernunft (Ȼ 2); das zweite auf folgenden Beweis.
Alle Menschen sind ursprünglich (d. i. vor allem rechtlichen Akt der Willkür) im rechtmäßigen Besitz des Bodens, d. i. sie haben ein Recht, da zu sein, wohin sie die Natur, oder der Zufall (ohne ihren Willen) gesetzt hat. Dieser Besitz ( possessio), der vom Sitz ( sedes) als einem willkürlichen, mithin erworbenen, dauernden Besitz unterschieden ist, ist ein gemeinsamer Besitz wegen der Einheit aller Plätze auf der Erdfläche als Kugelfläche: weil, wenn sie eine unendliche Ebene wäre, die Menschen sich darauf so zerstreuen könnten, daß sie in gar keine Gemeinschaft mit einander kämen, diese also nicht eine notwendige Folge von ihrem Dasein auf Erden wäre. – Der Besitz aller Menschen auf Erden, der vor allem rechtlichen Akt derselben vorhergeht (von der Natur selbst konstituiert ist), ist ein ursprünglicher Gesamtbesitz (communio possessionis originaria), dessen Begriff nicht empirisch und von Zeitbedingungen abhängig ist, wie etwa der gedichtete, aber nie erweisliche eines uranfänglichen Gesamtbesitzes (communio primaeva), sondern ein praktischer Vernunftbegriff, der a priori das Prinzip enthält, nach welchem allein die Menschen den Platz auf Erden nach Rechtsgesetzen gebrauchen können.
Die Besitznehmung (apprehensio), als der Anfang der Inhabung einer körperlichen Sache im Raume ( possessionis physicae), stimmt unter keiner anderen Bedingung mit dem Gesetz der äußeren Freiheit von jedermann (mithin a priori) zusammen, als unter der der Priorität in Ansehung der Zeit, d. i. nur als erste Besitznehmung ( prior apprehensio), welche ein Akt der Willkür ist. Der Wille aber, die Sache (mithin auch ein bestimmter abgeteilter Platz auf Erden) solle mein sein, d. i. die Zueignung ( appropriatio), kann in einer ursprünglichen Erwerbung nicht anders als einseitig (voluntas unilateralis s. propria) sein. Die Erwerbung eines äußeren Gegenstandes der Willkür durch einseitigen Willen ist die Bemächtigung. Also kann die ursprüngliche Erwerbung desselben, mithin auch eines abgemessenen Bodens nur durch Bemächtigung ( occupatio) geschehen. –
Die Möglichkeit auf solche Art zu erwerben läßt sich auf keine Weise einsehen, noch durch Gründe dartun, sondern ist die unmittelbare Folge aus dem Postulat der praktischen Vernunft. Derselbe Wille aber kann doch eine äußere Erwerbung nicht anders berechtigen, als nur so fern er in einem a priori vereinigten (d. i. durch die Vereinigung der Willkür Aller, die in ein praktisches Verhältnis gegen einander kommen können) absolut gebietenden Willen enthalten ist; denn der einseitige Wille (wozu auch der doppelseitige, aber doch besondere Wille gehört) kann nicht jedermann eine Verbindlichkeit auflegen, die an sich zufällig ist, sondern dazu wird ein allseitiger, nicht zufällig, sondern a priori, mithin notwendig vereinigter und darum allein gesetzgebender Wille erfordert; denn nur nach dieses seinem Prinzip ist Übereinstimmung der freien Willkür eines jeden mit der Freiheit von jedermann, mithin ein Recht überhaupt, und also auch ein äußeres Mein und Dein möglich.
Die bürgerliche Verfassung, obzwar ihre Wirklichkeit subjektiv zufällig ist, ist gleichwohl objektiv, d. i. als Pflicht, notwendig. Mithin gibt es in Hinsicht auf dieselbe und ihre Stiftung ein wirkliches Rechtsgesetz der Natur, dem alle äußere Erwerbung unterworfen ist.
Der empirische Titel der Erwerbung war die auf ursprüngliche Gemeinschaft des Bodens gegründete physische Besitznehmung (apprehensio physica), welchem, weil dem Besitz nach Vernunftbegriffen des Rechts nur ein Besitz in der Erscheinung untergelegt werden kann, der einer intellektuellen Besitznehmung (mit Weglassung aller empirischen Bedingungen in Raum und Zeit) korrespondieren muß, und die den Satz gründet: »Was ich nach Gesetzen der äußeren Freiheit in meine Gewalt bringe und will, es solle mein sein, das wird mein.«
Der Vernunfttitel der Erwerbung aber kann nur in der Idee eines a priori vereinigten (notwendig zu vereinigenden) Willens Aller liegen, welche hier als unumgängliche Bedingung (conditio sine qua non) stillschweigend vorausgesetzt wird; denn durch einseitigen Willen kann Anderen eine Verbindlichkeit, die sie für sich sonst nicht haben würden, nicht auferlegt werden. – Der Zustand aber eines zur Gesetzgebung allgemein wirklich vereinigten Willens ist der bürgerliche Zustand. Also nur in Konformität mit der Idee eines bürgerlichen Zustandes, d. i. in Hinsicht auf ihn und seine Bewirkung, aber vor der Wirklichkeit desselben (denn sonst wäre die Erwerbung abgeleitet), mithin nur provisorisch kann etwas Äußeres ursprünglich erworben werden. – Die peremtorische Erwerbung findet nur im bürgerlichen Zustande statt.
Gleichwohl ist jene provisorische dennoch eine wahre Erwerbung; denn nach dem Postulat der rechtlich-praktischen Vernunft ist die Möglichkeit derselben, in welchem Zustande die Menschen neben einander sein mögen, (also auch im Naturzustande) ein Prinzip des Privatrechts, nach welchem jeder zu demjenigen Zwange berechtigt ist, durch welchen es allein möglich wird, aus jenem Naturzustande heraus zu gehen und in den bürgerlichen, der allein alle Erwerbung peremtorisch machen kann, zu treten.
Es ist die Frage: wie weit erstreckt sich die Befugnis der Besitznehmung eines Bodens? So weit, als das Vermögen ihn in seiner Gewalt zu haben, d. i. als der, so ihn sich zueignen will, ihn verteidigen kann; gleich als ob der Boden spräche: wenn ihr mich nicht beschützen könnt, so könnt ihr mir auch nicht gebieten. Darnach müßte also auch der Streit über das freie oder verschlossene Meer entschieden werden; z. B. innerhalb der Weite, wohin die Kanonen reichen, darf niemand an der Küste eines Landes, das schon einem gewissen Staat zugehört, fischen, Bernstein aus dem Grunde der See holen u. dgl. – Ferner: ist die Bearbeitung des Bodens (Bebauung, Beackerung, Entwässerung u. dgl.) zur Erwerbung desselben notwendig? Nein! denn da diese Formen (der Spezifizierung) nur Akzidenzen sind, so machen sie kein Objekt eines unmittelbaren Besitzes aus und können zu dem des Subjekts nur gehören, so fern die Substanz vorher als das Seine desselben anerkannt ist. Die Bearbeitung ist, wenn es auf die Frage von der ersten Erwerbung ankommt, nichts weiter als ein äußeres Zeichen der Besitznehmung, welches man durch viele andere, die weniger Mühe kosten, ersetzen kann. – Ferner: darf man wohl jemanden in dem Akt seiner Besitznehmung hindern, so daß keiner von beiden des Rechts der Priorität teilhaftig werde, und so der Boden immer als keinem angehörig frei bleibe? Gänzlich kann diese Hinderung nicht statt finden, weil der Andere, um dieses tun zu können, sich doch auch selbst auf irgend einem benachbarten Boden befinden muß, wo er also selbst behindert werden kann zu sein, mithin eine absolute Verhinderung ein Widerspruch wäre; aber respektiv auf einen gewissen (zwischenliegenden) Boden, diesen als neutral zur Scheidung zweier benachbarten unbenutzt liegen zu lassen, würde doch mit dem Rechte der Bemächtigung zusammen bestehen; aber alsdann gehört wirklich dieser Boden beiden gemeinschaftlich und ist nicht herrenlos ( res nullius) eben darum, weil er von beiden dazu gebraucht wird, um sie von einander zu scheiden. – Ferner kann man auf einem Boden, davon kein Teil das Seine von jemanden ist, doch eine Sache als die seine haben? Ja, wie in der Mongolei jeder sein Gepäck, was er hat, liegen lassen, oder sein Pferd, was ihm entlaufen ist, als das Seine in seinen Besitz bringen kann, weil der ganze Boden dem Volk, der Gebrauch desselben also jedem einzelnen zusteht; daß aber jemand eine bewegliche Sache auf dem Boden eines Anderen als das Seine haben kann, ist zwar möglich, aber nur durch Vertrag. – Endlich ist die Frage: können zwei benachbarte Völker (oder Familien) einander widerstehen, eine gewisse Art des Gebrauchs eines Bodens anzunehmen, z. B. die Jagdvölker dem Hirtenvolk oder den Ackerleuten, oder diese den Pflanzern u. dgl.? Allerdings; denn die Art, wie sie sich auf dem Erdboden überhaupt ansässig machen wollen, ist, wenn sie sich innerhalb ihrer Grenzen halten, eine Sache des bloßen Beliebens ( res merae facultatis).
Zuletzt kann noch gefragt werden: ob, wenn uns weder die Natur noch der Zufall, sondern bloß unser eigener Wille in Nachbarschaft mit einem Volk bringt, welches keine Aussicht zu einer bürgerlichen Verbindung mit ihm verspricht, wir nicht in der Absicht diese zu stiften und diese Menschen (Wilde) in einen rechtlichen Zustand zu versetzen (wie etwa die amerikanischen Wilden, die Hottentotten, die Neuholländer) befugt sein sollten, allenfalls mit Gewalt, oder (welches nicht viel besser ist) durch betrügerischen Kauf Kolonien zu errichten und so Eigentümer ihres Bodens zu werden und ohne Rücksicht auf ihren ersten Besitz Gebrauch von unserer Überlegenheit zu machen; zumal es die Natur selbst (als die das Leere verabscheuet) so zu fordern scheint, und große Landstriche in anderen Weltteilen an gesitteten Einwohnern sonst menschenleer geblieben wären, die jetzt herrlich bevölkert sind, oder gar auf immer bleiben müßten, und so der Zweck der Schöpfung vereitelt werden würde. Allein man sieht durch diesen Schleier der Ungerechtigkeit (Jesuitism), alle Mittel zu guten Zwecken zu billigen, leicht durch; diese Art der Erwerbung des Bodens ist also verwerflich.
Die Unbestimmtheit in Ansehung der Quantität sowohl als der Qualität des äußeren erwerblichen Objekts macht diese Aufgabe (der einzigen ursprünglichen äußeren Erwerbung) unter allen zur schwersten sie aufzulösen. Irgend eine ursprüngliche Erwerbung des Äußeren aber muß es indessen doch geben; denn abgeleitet kann nicht alle sein. Daher kann man diese Aufgabe auch nicht als unauflöslich und als an sich unmöglich aufgeben. Aber wenn sie auch durch den ursprünglichen Vertrag aufgelöset wird, so wird, wenn dieser sich nicht aufs ganze menschliche Geschlecht erstreckt, die Erwerbung doch immer nur provisorisch bleiben.
Alle Menschen sind ursprünglich in einem Gesamt-Besitz des Bodens der ganzen Erde ( communio fundi originaria) mit dem ihnen von Natur zustehenden Willen (eines jeden) denselben zu gebrauchen ( lex iusti), der wegen der natürlich unvermeidlichen Entgegensetzung der Willkür des Einen gegen die des Anderen allen Gebrauch desselben aufheben würde, wenn nicht jener zugleich das Gesetz für diese enthielte, nach welchem einem jeden ein besonderer Besitz auf dem gemeinsamen Boden bestimmt werden kann ( lex iuridica). Aber das austeilende Gesetz des Mein und Dein eines jeden am Boden kann nach dem Axiom der äußeren Freiheit nicht anders als aus einem ursprünglich und a priori vereinigten Willen (der zu dieser Vereinigung keinen rechtlichen Akt voraussetzt), mithin nur im bürgerlichen Zustande hervorgehen ( lex iustitiae distributivae), der allein, was recht, was rechtlich und was Rechtens ist, bestimmt. – In diesem Zustand aber, d. i. vor Gründung und doch in Absicht auf denselben, d. i. provisorisch, nach dem Gesetz der äußeren Erwerbung zu verfahren, ist Pflicht, folglich auch rechtliches Vermögen des Willens jedermann zu verbinden, den Akt der Besitznehmung und Zueignung, ob er gleich nur einseitig ist, als gültig anzuerkennen; mithin ist eine provisorische Erwerbung des Bodens mit allen ihren rechtlichen Folgen möglich.
Eine solche Erwerbung aber bedarf doch und hat auch eine Gunst des Gesetzes ( lex permissiva) in Ansehung der Bestimmung der Grenzen des rechtlich-möglichen Besitzes für sich: weil sie vor dem rechtlichen Zustande vorhergeht und, als bloß dazu einleitend, noch nicht peremtorisch ist, welche Gunst sich aber nicht weiter erstreckt, als bis zur Einwilligung Anderer (Teilnehmender) zu Errichtung des Letzteren, bei dem Widerstande derselben aber in diesen (den bürgerlichen) zu treten, und so lange derselbe währt, allen Effekt einer rechtmäßigen Erwerbung bei sich führt, weil dieser Ausgang auf Pflicht gegründet ist.
Wir haben den Titel der Erwerbung in einer ursprünglichen Gemeinschaft des Bodens, mithin unter Raumsbedingungen eines äußeren Besitzes, die Erwerbungsart aber in den empirischen Bedingungen der Besitznehmung ( apprehensio), verbunden mit dem Willen, den äußeren Gegenstand als den seinen zu haben, gefunden. Nun ist noch nötig die Erwerbung selbst, d. i. das äußere Mein und Dein, was aus beiden gegebenen Stücken folgt, nämlich den intelligibelen Besitz ( possessio noumenon) des Gegenstandes, nach dem, was sein Begriff enthält, aus den Prinzipien der reinen rechtlich-praktischen Vernunft zu entwickeln.
Der Rechtsbegriff vom äußeren Mein und Dein, so fern es Substanz ist, kann, was das Wort außer mir betrifft, nicht einen anderen Ort, als wo ich bin, bedeuten: denn er ist ein Vernunftbegriff; sondern, da unter diesem nur ein reiner Verstandesbegriff subsumiert werden kann, bloß etwas von mir Unterschiedenes und den eines nicht empirischen Besitzes (der gleichsam fortdauernden Apprehension), sondern nur den des in meiner Gewalt Habens (die Verknüpfung desselben mit mir als subjektive Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs) des äußeren Gegenstandes, welcher ein reiner Verstandesbegriff ist, bedeuten. Nun ist die Weglassung oder das Absehen (Abstraktion) von diesen sinnlichen Bedingungen des Besitzes als eines Verhältnisses der Person zu Gegenständen, die keine Verbindlichkeit haben, nichts anders als das Verhältnis einer Person zu Personen, diese alle durch den Willen der ersteren, so fern er dem Axiom der äußeren Freiheit, dem Postulat des Vermögens und der allgemeinen Gesetzgebung des a priori als vereinigt gedachten Willens gemäß ist, in Ansehung des Gebrauchs der Sachen zu verbinden, welches also der intelligibele Besitz derselben, d. i. der durchs bloße Recht, ist, obgleich der Gegenstand (die Sache, die ich besitze) ein Sinnenobjekt ist.
Daß die erste Bearbeitung, Begrenzung, oder überhaupt Formgebung eines Bodens keinen Titel der Erwerbung desselben, d. i. der Besitz des Akzidens nicht einen Grund des rechtlichen Besitzes der Substanz abgeben könne, sondern vielmehr umgekehrt das Mein und Dein nach der Regel ( accessorium sequitur suum principale) aus dem Eigentum der Substanz gefolgert werden müsse, und daß der, welcher an einen Boden, der nicht schon vorher der seine war, Fleiß verwendet, seine Mühe und Arbeit gegen den Ersteren verloren hat, ist für sich selbst so klar, daß man jene so alte und noch weit und breit herrschende Meinung schwerlich einer anderen Ursache zuschreiben kann, als der ingeheim obwaltenden Täuschung, Sachen zu personifizieren und, gleich als ob jemand sie sich durch an sie verwandte Arbeit verbindlich machen könne, keinem Anderen als ihm zu Diensten zu stehen, unmittelbar gegen sie sich ein Recht zu denken; denn wahrscheinlicher Weise würde man auch nicht so leichten Fußes über die natürliche Frage (von der oben schon Erwähnung geschehen) weggeglitten sein: »Wie ist ein Recht in einer Sache möglich?« Denn das Recht gegen einen jeden Besitzer einer Sache bedeutet nur die Befugnis der besonderen Willkür zum Gebrauch eines Objekts, so fern sie als im synthetisch-allgemeinen Willen enthalten und mit dem Gesetz desselben zusammenstimmend gedacht werden kann.
Was die Körper auf einem Boden betrifft, der schon der meinige ist, so gehören sie, wenn sie sonst keines Anderen sind, mir zu, ohne daß ich zu diesem Zweck eines besonderen rechtlichen Akts bedürfte (nicht facto, sondern lege); nämlich weil sie als der Substanz inhärierende Akzidenzen betrachtet werden können ( iure rei meae), wozu auch Alles gehört, was mit meiner Sache so verbunden ist, daß ein Anderer sie von dem Meinen nicht trennen kann, ohne dieses selbst zu verändern (z. B. Vergoldung, Mischung eines mir zugehörigen Stoffes mit andern Materien, Anspülung oder auch Veränderung des anstoßenden Strombettes und dadurch geschehende Erweiterung meines Bodens usw.) Ob aber der erwerbliche Boden sich noch weiter als das Land, nämlich auch auf eine Strecke des Seegrundes hinaus (das Recht, noch an meinen Ufern zu fischen, oder Bernstein herauszubringen u. dgl.), ausdehnen lasse, muß nach eben denselben Grundsätzen beurteilt werden. So weit ich aus meinem Sitze mechanisches Vermögen habe, meinen Boden gegen den Eingriff Anderer zu sichern, (z. B. so weit die Kanonen vom Ufer abreichen), gehört er zu meinem Besitz, und das Meer ist bis dahin geschlossen ( mare clausum). Da aber auf dem weiten Meere selbst kein Sitz möglich ist, so kann der Besitz auch nicht bis dahin ausgedehnt werden, und offene See ist frei ( mare liberum). Das Stranden aber, es sei der Menschen oder der ihnen zugehörigen Sachen, kann als unvorsetzlich von dem Strandeigentümer nicht zum Erwerbrecht gezählt werden: weil es nicht Läsion (ja überhaupt kein Faktum) ist, und die Sache, die auf einen Boden geraten ist, der doch irgend Einem angehört, nicht als res nullius behandelt werden kann. Ein Fluß dagegen kann, so weit der Besitz seines Ufers reicht, so gut wie ein jeder Landboden unter obbenannten Einschränkungen ursprünglich von dem erworben werden, der im Besitz beider Ufer ist.
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Der äußere Gegenstand, welcher der Substanz nach das Seine von jemanden ist, ist dessen Eigentum ( dominium), welchem alle Rechte in dieser Sache (wie Akzidenzen der Substanz) inhärieren, über welche also der Eigentümer ( dominus) nach Belieben verfügen kann ( ius disponendi de re sua). Aber hieraus folgt von selbst: daß ein solcher Gegenstand nur eine körperliche Sache (gegen die man keine Verbindlichkeit hat) sein könne, daher ein Mensch sein eigener Herr (sui iuris), aber nicht Eigentümer von sich selbst ( sui dominus) (über sich nach Belieben disponieren zu können), geschweige denn von anderen Menschen sein kann, weil er der Menschheit in seiner eigenen Person verantwortlich ist; wiewohl dieser Punkt, der zum Recht der Menschheit, nicht dem der Menschen gehört, hier nicht seinen eigentlichen Platz hat, sondern nur beiläufig zum besseren Verständnis des kurz vorher Gesagten angeführt wird. – Es kann ferner zwei volle Eigentümer einer und derselben Sache geben ohne ein gemeinsames Mein und Dein, sondern nur als gemeinsame Besitzer dessen, was nur einem als das Seine zugehört, wenn von den sogenannten Miteigentümern ( condomini) Einem nur der ganze Besitz ohne Gebrauch, dem Anderen aber aller Gebrauch der Sache samt dem Besitz zukommt, jener also ( dominus directus) diesen ( dominus utilis) nur auf die Bedingung einer beharrlichen Leistung restringiert, ohne dabei seinen Gebrauch zu limitieren.
Der Besitz der Willkür eines Anderen, als Vermögen sie durch die meine nach Freiheitsgesetzen zu einer gewissen Tat zu bestimmen (das äußere Mein und Dein in Ansehung der Kausalität eines Anderen) ist ein Recht (dergleichen ich mehrere gegen eben dieselbe Person oder gegen Andere haben kann): der Inbegriff (das System) der Gesetze aber, nach welchen ich in diesem Besitz sein kann, das persönliche Recht, welches nur ein einziges ist.
Die Erwerbung eines persönlichen Rechts kann niemals ursprünglich und eigenmächtig sein (denn eine solche würde nicht dem Prinzip der Einstimmung der Freiheit meiner Willkür mit der Freiheit von jedermann gemäß, mithin unrecht sein). Eben so kann ich auch nicht durch rechtswidrige Tat eines Anderen ( facto iniusto alterius) erwerben; denn wenn diese Läsion mir auch selbst widerfahren wäre, und ich von dem Anderen mit Recht Genugtuung fordern kann, so wird dadurch doch nur das Meine unvermindert erhalten, aber nichts über das, was ich schon vorher hatte, erworben.
Erwerbung durch die Tat eines Anderen, zu der ich diesen nach Rechtsgesetzen bestimme, ist also jederzeit von dem Seinen des Anderen abgeleitet, und diese Ableitung als rechtlicher Akt kann nicht durch diesen als einen negativen Akt, nämlich der Verlassung, oder einer auf das Seine geschehenen Verzichttuung (per derelictionem aut renunciationem), geschehen, denn dadurch wird nur das Seine Eines oder des Anderen aufgehoben, aber nichts erworben, – sondern allein durch Übertragung (translatio), welche nur durch einen gemeinschaftlichen Willen möglich ist, vermittelst dessen der Gegenstand immer in die Gewalt des Einen oder des Anderen kommt, alsdann einer seinem Anteile an dieser Gemeinschaft entsagt, und so das Objekt durch Annahme desselben (mithin einen positiven Akt der Willkür) das Seine wird. – Die Übertragung seines Eigentums an einen Anderen ist die Veräußerung. Der Akt der vereinigten Willkür zweier Personen, wodurch überhaupt das Seine des Einen auf den Anderen übergeht, ist der Vertrag.
In jedem Vertrage sind zwei vorbereitende und zwei konstituierende rechtliche Akte der Willkür; die beiden ersteren (die des Traktierens) sind das Angebot (oblatio) und die Billigung (approbatio) desselben; die beiden andern (nämlich des Abschließens) sind das Versprechen (promissum) und die Annehmung (acceptatio). – Denn ein Anerbieten kann nicht eher ein Versprechen heißen, als wenn ich vorher urteile, das Angebotene ( oblatum) sei etwas, was dem Promissar angenehm sein könne; welches durch die zwei erstern Deklarationen angezeigt, durch diese allein aber noch nichts erworben wird.
Aber weder durch den besonderen Willen des Promittenten, noch den des Promissars (als Akzeptanten) geht das Seine des ersteren zu dem letzteren über, sondern nur durch den vereinigten Willen beider, mithin so fern beider Wille zugleich deklariert wird. Nun ist dies aber durch empirische Aktus der Deklaration, die einander notwendig in der Zeit folgen müssen und niemals zugleich sind, unmöglich. Denn wenn ich versprochen habe und der Andere nun akzeptieren will, so kann ich während der Zwischenzeit (so kurz sie auch sein mag) es mich gereuen lassen, weil ich vor der Akzeption noch frei bin; so wie anderseits der Akzeptant eben darum an seine auf das Versprechen folgende Gegenerklärung auch sich nicht für gebunden halten darf. – Die äußern Förmlichkeiten ( solennia) bei Schließung des Vertrags [der Handschlag, oder die Zerbrechung eines von beiden Personen angefaßten Strohhalms ( stipula)] und alle hin und her geschehene Bestätigungen seiner vorherigen Erklärung beweisen vielmehr die Verlegenheit der Paziszenten, wie und auf welche Art sie die immer nur auf einander folgenden Erklärungen als in einem Augenblicke zugleich existierend vorstellig machen wollen, was ihnen doch nicht gelingt: weil es immer nur in der Zeit einander folgende Aktus sind, wo, wenn der eine Akt ist, der andere entweder noch nicht, oder nicht mehr ist.
Aber die transszendentale Deduktion des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag kann allein alle diese Schwierigkeiten heben. In einem rechtlichen äußeren Verhältnisse wird meine Besitznehmung der Willkür eines Anderen (und so wechselseitig), als Bestimmungsgrund desselben zu einer Tat, zwar erst empirisch durch Erklärung und Gegenerklärung der Willkür eines jeden von beiden in der Zeit, als sinnlicher Bedingung der Apprehension, gedacht, wo beide rechtliche Akte immer nur auf einander folgen: weil jenes Verhältnis (als ein rechtliches) rein intellektuell ist, durch den Willen als ein gesetzgebendes Vernunftvermögen jener Besitz als ein intelligibeler ( possessio noumenon) nach Freiheitsbegriffen mit Abstraktion von jenen empirischen Bedingungen als das Mein oder Dein vorgestellt; wo beide Akte, des Versprechens und der Annehmung, nicht als auf einander folgend, sondern (gleich als pactum re initum) aus einem einzigen gemeinsamen Willen hervorgehend (welches durch das Wort zugleich ausgedrückt wird) und der Gegenstand ( promissum) durch Weglassung der empirischen Bedingungen nach dem Gesetz der reinen praktischen Vernunft als erworben vorgestellt wird.
Daß dieses die wahre und einzig mögliche Deduktion des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag sei, wird durch die mühselige und doch immer vergebliche Bestrebung der Rechtsforscher (z. B. Moses Mendelssohns in seinem »Jerusalem«) zur Beweisführung jener Möglichkeit hinreichend bestätigt. – Die Frage war: warum soll ich mein Versprechen halten? Denn daß ich es soll, begreift ein jeder von selbst. Es ist aber schlechterdings unmöglich, von diesem kategorischen Imperativ noch einen Beweis zu führen; eben so wie es für den Geometer unmöglich ist, durch Vernunftschlüsse zu beweisen, daß ich, um ein Dreieck zu machen, drei Linien nehmen müsse (ein analytischer Satz), deren zwei aber zusammengenommen größer sein müssen, als die dritte (ein synthetischer; beide aber a priori). Es ist ein Postulat der reinen (von allen sinnlichen Bedingungen des Raumes und der Zeit, was den Rechtsbegriff betrifft, abstrahierenden) Vernunft, und die Lehre der Möglichkeit der Abstraktion von jenen Bedingungen, ohne daß dadurch der Besitz desselben aufgehoben wird, ist selbst die Deduktion des Begriffs der Erwerbung durch Vertrag; so wie es in dem vorigen Titel die Lehre von der Erwerbung durch Bemächtigung der äußeren Sache war.
Was ist aber das Äußere, das ich durch den Vertrag erwerbe? Da es nur die Kausalität der Willkür des Anderen in Ansehung einer mir versprochenen Leistung ist, so erwerbe ich dadurch unmittelbar nicht eine äußere Sache, sondern eine Tat desselben, dadurch jene Sache in meine Gewalt gebracht wird, damit ich sie zu der meinen mache. – Durch den Vertrag also erwerbe ich das Versprechen eines Anderen (nicht das Versprochene), und doch kommt etwas zu meiner äußeren Habe hinzu; ich bin vermögender (locupletior) geworden durch Erwerbung einer aktiven Obligation auf die Freiheit und das Vermögen des Anderen. – Dieses mein Recht aber ist nur ein persönliches, nämlich gegen eine bestimmte physische Person, und zwar auf ihre Kausalität (ihre Willkür) zu wirken, mir etwas zu leisten, nicht ein Sachenrecht gegen diejenige moralische Person, welche nichts anders als die Idee der a priori vereinigten Willkür Aller ist, und wodurch ich allein ein Recht gegen jeden Besitzer derselben erwerben kann; als worin alles Recht in einer Sache besteht.
Die Übertragung des Meinen durch Vertrag geschieht nach dem Gesetz der Stetigkeit ( lex continui), d. i. der Besitz des Gegenstandes ist während diesem Akt keinen Augenblick unterbrochen, denn sonst würde ich in diesem Zustande einen Gegenstand als etwas, das keinen Besitzer hat ( res vacua), folglich ursprünglich erwerben; welches dem Begriff des Vertrages widerspricht. – Diese Stetigkeit aber bringt es mit sich, daß nicht eines von beiden ( promittentis et acceptantis) besonderer, sondern ihr vereinigter Wille derjenige ist, welcher das Meine auf den Anderen überträgt; also nicht auf die Art: daß der Versprechende zuerst seinen Besitz zum Vorteil des Anderen verläßt ( derelinquit), oder seinem Recht entsagt ( renunciat), und der Andere sogleich darin eintritt, oder umgekehrt. Die Translation ist also ein Akt, in welchem der Gegenstand einen Augenblick beiden zusammen angehört, so wie in der parabolischen Bahn eines geworfenen Steins dieser im Gipfel derselben einen Augenblick als im Steigen und Fallen zugleich begriffen betrachtet werden kann und so allererst von der steigenden Bewegung zum Fallen übergeht.
Eine Sache wird in einem Vertrage nicht durch Annehmung (acceptatio) des Versprechens, sondern nur durch Übergabe (traditio) des Versprochenen erworben. Denn alles Versprechen geht auf eine Leistung, und wenn das Versprochene eine Sache ist, kann jene nicht anders entrichtet werden, als durch einen Akt, wodurch der Promissar vom Promittenten in den Besitz derselben gesetzt wird, d. i. durch die Übergabe. Vor dieser also und dem Empfang ist die Leistung noch nicht geschehen; die Sache ist von dem Einen zu dem Anderen noch nicht übergegangen, folglich von diesem nicht erworben worden, mithin das Recht aus einem Vertrage nur ein persönliches und wird nur durch die Tradition ein dingliches Recht.
Der Vertrag, auf den unmittelbar die Übergabe folgt ( pactum re initum), schließt alle Zwischenzeit zwischen der Schließung und Vollziehung aus und bedarf keines besonderen noch zu erwartenden Akts, wodurch das Seine des Einen auf den Anderen übertragen wird. Aber wenn zwischen jenen beiden noch eine (bestimmte oder unbestimmte) Zeit zur Übergabe bewilligt ist, frägt sich: ob die Sache schon vor dieser durch den Vertrag das Seine des Akzeptanten geworden und das Recht des Letzteren ein Recht in der Sache sei, oder ob noch ein besonderer Vertrag, der allein die Übergabe betrifft, dazu kommen müsse, mithin das Recht durch die bloße Akzeptation nur ein persönliches sei und allererst durch die Übergabe ein Recht in der Sache werde. – Daß es sich hiemit wirklich so, wie das letztere besagt, verhalte, erhellt aus nachfolgendem:
Wenn ich einen Vertrag über eine Sache, z. B. über ein Pferd, das ich erwerben will, schließe und nehme es zugleich mit in meinen Stall, oder sonst in meinen physischen Besitz, so ist es mein ( vi pacti re initi), und mein Recht ist ein Recht in der Sache; lasse ich es aber in den Händen des Verkäufers, ohne mit ihm darüber besonders auszumachen, in wessen physischem Besitz (Inhabung) diese Sache vor meiner Besitznehmung ( apprehensio), mithin vor dem Wechsel des Besitzes sein solle: so ist dieses Pferd noch nicht mein, und mein Recht, was ich erwerbe, ist nur ein Recht gegen eine bestimmte Person, nämlich den Verkäufer, von ihm in den Besitz gesetzt zu werden ( poscendi traditionem), als subjektive Bedingung der Möglichkeit alles beliebigen Gebrauchs desselben, d. i. mein Recht ist nur ein persönliches Recht, von jenem die Leistung des Versprechens ( praestatio), mich in den Besitz der Sache zu setzen, zu fordern. Nun kann ich, wenn der Vertrag nicht zugleich die Übergabe (als pactum re initum) enthält, mithin eine Zeit zwischen dem Abschluß desselben und der Besitznehmung des Erworbenen verläuft, in dieser Zeit nicht anders zum Besitz gelangen, als dadurch, daß ich einen besonderen rechtlichen, nämlich einen Besitzakt ( actum possessorium) ausübe, der einen besonderen Vertrag ausmacht, und dieser ist: daß ich sage, ich werde die Sache (das Pferd) abholen lassen, wozu der Verkäufer einwilligt. Denn daß dieser eine Sache zum Gebrauche eines Anderen auf eigene Gefahr in seine Gewahrsame nehmen werde, versteht sich nicht von selbst, sondern dazu gehört ein besonderer Vertrag, nach welchem der Veräußerer seiner Sache innerhalb der bestimmten Zeit noch immer Eigentümer bleibt (und alle Gefahr, die die Sache treffen möchte, tragen muß), der Erwerbende aber nur dann, wenn er über diese Zeit zögert, von dem Verkäufer dafür angesehen werden kann, als sei sie ihm überliefert. Vor diesem Besitzakt ist also alles durch den Vertrag Erworbene nur ein persönliches Recht, und der Promissar kann eine äußere Sache nur durch Tradition erwerben.
Dieses Recht ist das des Besitzes eines äußeren Gegenstandes als einer Sache und des Gebrauchs desselben als einer Person. – Das Mein und Dein nach diesem Recht ist das häusliche, und das Verhältnis in diesem Zustande ist das der Gemeinschaft freier Wesen, die durch den wechselseitigen Einfluß (der Person des einen auf das andere) nach dem Prinzip der äußeren Freiheit ( Kausalität) eine Gesellschaft von Gliedern eines Ganzen (in Gemeinschaft stehender Personen) ausmachen, welches das Hauswesen heißt. – Die Erwerbungsart dieses Zustandes und in demselben geschieht weder durch eigenmächtige Tat ( facto), noch durch bloßen Vertrag ( pacto), sondern durchs Gesetz ( lege), welches, weil es kein Recht in einer Sache, auch nicht ein bloßes Recht gegen eine Person, sondern auch ein Besitz derselben zugleich ist, ein über alles Sachen- und persönliche hinaus liegendes Recht, nämlich das Recht der Menschheit in unserer eigenen Person sein muß, welches ein natürliches Erlaubnisgesetz zur Folge hat, durch dessen Gunst uns eine solche Erwerbung möglich ist.
Die Erwerbung nach diesem Gesetz ist dem Gegenstande nach dreierlei: Der Mann erwirbt ein Weib, das Paar erwirbt Kinder und die Familie Gesinde. – Alles dieses Erwerbliche ist zugleich unveräußerlich und das Recht des Besitzers dieser Gegenstände das allerpersönlichste.
Des Rechts der häuslichen Gesellschaft
Erster Titel:
Das Eherecht
Geschlechtsgemeinschaft (commercium sexuale) ist der wechselseitige Gebrauch, den ein Mensch von eines anderen Geschlechtsorganen und Vermögen macht ( usus membrorum et facultatum sexualium alterius), und entweder ein natürlicher (wodurch seines Gleichen erzeugt werden kann), oder unnatürlicher Gebrauch und dieser entweder an einer Person eben desselben Geschlechts, oder einem Tiere von einer anderen als der Menschengattung; welche Übertretungen der Gesetze, unnatürliche Laster ( crimina carnis contra naturam), die auch unnennbar heißen, als Läsion der Menschheit in unserer eigenen Person durch gar keine Einschränkungen und Ausnahmen wider die gänzliche Verwerfung gerettet werden können.
Die natürliche Geschlechtsgemeinschaft ist nun entweder die nach der bloßen tierischen Natur ( vaga libido, venus volgivaga, fornicatio), oder nach dem Gesetz. – Die letztere ist die Ehe ( matrimonium), d. i. die Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften. – Der Zweck, Kinder zu erzeugen und zu erziehen, mag immer ein Zweck der Natur sein, zu welchem sie die Neigung der Geschlechter gegen einander einpflanzte; aber daß der Mensch, der sich verehlicht, diesen Zweck sich vorsetzen müsse, wird zur Rechtmäßigkeit dieser seiner Verbindung nicht erfordert; denn sonst würde, wenn das Kinderzeugen aufhört, die Ehe sich zugleich von selbst auflösen.
Es ist nämlich, auch unter Voraussetzung der Lust zum wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigenschaften, der Ehevertrag kein beliebiger, sondern durchs Gesetz der Menschheit notwendiger Vertrag, d. i. wenn Mann und Weib einander ihren Geschlechtseigenschaften nach wechselseitig genießen wollen, so müssen sie sich notwendig verehlichen, und dieses ist nach Rechtsgesetzen der reinen Vernunft notwendig.
Denn der natürliche Gebrauch, den ein Geschlecht von den Geschlechtsorganen des anderen macht, ist ein Genuß, zu dem sich ein Teil dem anderen hingibt. In diesem Akt macht sich ein Mensch selbst zur Sache, welches dem Rechte der Menschheit an seiner eigenen Person widerstreitet. Nur unter der einzigen Bedingung ist dieses möglich, daß, indem die eine Person von der anderen gleich als Sache erworben wird, diese gegenseitig wiederum jene erwerbe; denn so gewinnt sie wiederum sich selbst und stellt ihre Persönlichkeit wieder her. Es ist aber der Erwerb eines Gliedmaßes am Menschen zugleich Erwerbung der ganzen Person, – weil diese eine absolute Einheit ist; – folglich ist die Hingebung und Annehmung eines Geschlechts zum Genuß des andern nicht allein unter der Bedingung der Ehe zulässig, sondern auch allein unter derselben möglich. Daß aber dieses persönliche Recht es doch zugleich auf dingliche Art sei, gründet sich darauf, weil, wenn eines der Eheleute sich verlaufen, oder sich in eines Anderen Besitz gegeben hat, das andere es jederzeit und unweigerlich gleich als eine Sache in seine Gewalt zurückzubringen berechtigt ist.
Aus denselben Gründen ist das Verhältnis der Verehlichten ein Verhältnis der Gleichheit des Besitzes, sowohl der Personen, die einander wechselseitig besitzen (folglich nur in Monogamie, denn in einer Polygamie gewinnt die Person, die sich weggibt, nur einen Teil desjenigen, dem sie ganz anheimfällt, und macht sich also zur bloßen Sache), als auch der Glücksgüter, wobei sie doch die Befugnis haben, sich, obgleich nur durch einen besonderen Vertrag, des Gebrauchs eines Teils derselben zu begeben.
Daß der Konkubinat keines zu Recht beständigen Kontrakts fähig sei, so wenig als die Verdingung einer Person zum einmaligen Genuß ( pactum fornicationis), folgt aus dem obigen Grunde. Denn was den letzteren Vertrag betrifft: so wird jedermann gestehen, daß die Person, welche ihn geschlossen hat, zur Erfüllung ihres Versprechen rechtlich nicht angehalten werden könnte, wenn es ihr gereuete; und so fällt auch der erstere, nämlich der des Konkubinats, (als pactum turpe) weg, weil dieser ein Kontrakt der Verdingung ( locatio-conductio) sein würde und zwar eines Gliedmaßes zum Gebrauch eines Anderen, mithin wegen der unzertrennlichen Einheit der Glieder an einer Person diese sich selbst als Sache der Willkür des Anderen hingeben würde; daher jeder Teil den eingegangenen Vertrag mit dem anderen aufheben kann, so bald es ihm beliebt, ohne daß der andere über Läsion seines Rechts gegründete Beschwerde führen kann. – Eben dasselbe gilt auch von der Ehe an der linken Hand, um die Ungleichheit des Standes beider Teile zur größeren Herrschaft des einen Teils über den anderen zu benutzen; denn in der Tat ist sie nach dem bloßen Naturrecht vom Konkubinat nicht unterschieden und keine wahre Ehe. – Wenn daher die Frage ist: ob es auch der Gleichheit der Verehlichten als solcher widerstreite, wenn das Gesetz von dem Manne in Verhältnis auf das Weib sagt: er soll dein Herr (er der befehlende, sie der gehorchende Teil) sein, so kann dieses nicht als der natürlichen Gleichheit eines Menschenpaares widerstreitend angesehen werden, wenn dieser Herrschaft nur die natürliche Überlegenheit des Vermögens des Mannes über das weibliche in Bewirkung des gemeinschaftlichen Interesse des Hauswesens und des darauf gegründeten Rechts zum Befehl zum Grunde liegt, welches daher selbst aus der Pflicht der Einheit und Gleichheit in Ansehung des Zwecks abgeleitet werden kann.
Der Ehevertrag wird nur durch eheliche Beiwohnung (copula carnalis) vollzogen. Ein Vertrag zweier Personen beiderlei Geschlechts mit dem geheimen Einverständnis entweder sich der fleischlichen Gemeinschaft zu enthalten, oder mit dem Bewußtsein eines oder beider Teile, dazu unvermögend zu sein, ist ein simulierter Vertrag und stiftet keine Ehe; kann auch durch jeden von beiden nach Belieben aufgelöset werden. Tritt aber das Unvermögen nur nachher ein, so kann jenes Recht durch diesen unverschuldeten Zufall nichts einbüßen.
Die Erwerbung einer Gattin oder eines Gatten geschieht also nicht facto (durch die Beiwohnung) ohne vorhergehenden Vertrag, auch nicht pacto (durch den bloßen ehelichen Vertrag ohne nachfolgende Beiwohnung), sondern nur lege: d. i. als rechtliche Folge aus der Verbindlichkeit in eine Geschlechtsverbindung nicht anders, als vermittelst des wechselseitigen Besitzes der Personen, als welcher nur durch den gleichfalls wechselseitigen Gebrauch ihrer Geschlechtseigentümlichkeiten seine Wirklichkeit erhält, zu treten.
Des Rechts der häuslichen Gesellschaft
Zweiter Titel:
Das Elternrecht
Gleichwie aus der Pflicht des Menschen gegen sich selbst, d. i. gegen die Menschheit in seiner eigenen Person, ein Recht ( ius personale) beider Geschlechter entsprang, sich als Personen wechselseitig einander auf dingliche Art durch Ehe zu erwerben: so folgt aus der Zeugung in dieser Gemeinschaft eine Pflicht der Erhaltung und Versorgung in Absicht auf ihr Erzeugnis, d. i. die Kinder als Personen haben hiemit zugleich ein ursprünglich-angebornes (nicht angeerbtes) Recht auf ihre Versorgung durch die Eltern, bis sie vermögend sind, sich selbst zu erhalten; und zwar durchs Gesetz ( lege) unmittelbar, d. i. ohne daß ein besonderer rechtlicher Akt dazu erforderlich ist.
Denn da das Erzeugte eine
Person ist, und es unmöglich ist, sich von der Erzeugung eines mit Freiheit begabten Wesens durch eine physische Operation einen Begriff zu machen
Selbst nicht, wie es möglich ist, daß
Gott freie Wesen
erschaffe; denn da wären, wie es scheint, alle künftige Handlungen derselben, durch jenen ersten Akt vorherbestimmt, in der Kette der Naturnotwendigkeit enthalten, mithin nicht frei. Daß sie aber (wir Menschen) doch frei sind, beweiset der kategorische Imperativ in moralisch-praktischer Absicht, wie durch einen Machtspruch der Vernunft, ohne daß diese doch die Möglichkeit dieses Verhältnisses einer Ursache zur Wirkung in theoretischer begreiflich machen kann, weil beide übersinnlich sind. – Was man ihr hiebei allein zumuten kann, wäre bloß: daß sie beweise, es sei in dem Begriffe von einer
Schöpfung freier Wesen kein Widerspruch; und dieses kann dadurch gar wohl geschehen, daß gezeigt wird: der Widerspruch eräugne sich nur dann, wenn mit der Kategorie der Kausalität zugleich die
Zeitbedingung, die im Verhältnis zu Sinnenobjekten nicht vermieden werden kann (daß nämlich der Grund einer Wirkung vor dieser vorhergehe), auch in das Verhältnis des Übersinnlichen zu einander hinüber gezogen wird (welches auch wirklich, wenn jener Kausalbegriff in theoretischer Absicht objektive Realität bekommen soll, geschehen müßte), er – der Widerspruch – aber verschwinde, wenn in moralisch-praktischer, mithin nicht-sinnlicher Absicht die reine Kategorie (ohne ein ihr untergelegtes Schema) im Schöpfungsbegriffe gebraucht wird.
Der philosophische Rechtslehrer wird diese Nachforschung bis zu den ersten Elementen der Transszendentalphilosophie in einer Metaphysik der Sitten nicht für unnötige Grübelei erklären, die sich in zwecklose Dunkelheit verliert, wenn er die Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe und doch auch die Notwendigkeit, hierin den Rechtsprinzipien genug zu tun, in Überlegung zieht.: so ist es eine in
praktischer Hinsicht ganz
richtige und auch notwendige Idee, den Akt der Zeugung als einen solchen anzusehen, wodurch wir eine Person ohne ihre Einwilligung auf die Welt gesetzt und eigenmächtig in sie herüber gebracht haben; für welche Tat auf den Eltern nun auch eine Verbindlichkeit haftet, sie, so viel in ihren Kräften ist, mit diesem ihrem Zustande zufrieden zu machen. – Sie können ihr Kind nicht gleichsam als ihr
Gemächsel (denn ein solches kann kein mit Freiheit begabtes Wesen sein) und als ihr Eigentum zerstören oder es auch nur dem Zufall überlassen, weil an ihm nicht bloß ein Weltwesen, sondern auch ein Weltbürger in einen Zustand herüber gezogen, der ihnen nun auch nach Rechtsbegriffen nicht gleichgültig sein kann.
Aus dieser Pflicht entspringt auch notwendig das Recht der Eltern zur Handhabung und Bildung des Kindes, so lange es des eigenen Gebrauchs seiner Gliedmaßen, imgleichen des Verstandesgebrauchs noch nicht mächtig ist, außer der Ernährung und Pflege es zu erziehen und sowohl pragmatisch, damit es künftig sich selbst erhalten und fortbringen könne, als auch moralisch, weil sonst die Schuld ihrer Verwahrlosung auf die Eltern fallen würde, – es zu bilden; Alles bis zur Zeit der Entlassung (emancipatio), da diese sowohl ihrem väterlichen Recht zu befehlen, als auch allem Anspruch auf Kostenerstattung für ihre bisherige Verpflegung und Mühe entsagen, wofür und nach vollendeter Erziehung sie der Kinder ihre Verbindlichkeit (gegen die Eltern) nur als bloße Tugendpflicht, nämlich als Dankbarkeit, in Anschlag bringen können.
Aus dieser Persönlichkeit der erstern folgt nun auch, daß, da die Kinder nie als Eigentum der Eltern angesehen werden können, aber doch zum Mein und Dein derselben gehören (weil sie gleich den Sachen im Besitz der Eltern sind und aus jedes Anderen Besitz, selbst wider ihren Willen, in diesen zurückgebracht werden können), das Recht der ersteren kein bloßes Sachenrecht, mithin nicht veräußerlich (ius personalissimum), aber auch nicht ein bloß persönliches, sondern ein auf dingliche Art persönliches Recht ist.
Hiebei fällt also in die Augen, daß der Titel eines auf dingliche Art persönlichen Rechts in der Rechtslehre noch über dem des Sachen- und persönlichen Rechts notwendig hinzukommen müsse, jene bisherige Einteilung also nicht vollständig gewesen ist, weil, wenn von dem Recht der Eltern an den Kindern als einem Stück ihres Hauses die Rede ist, jene sich nicht bloß auf die Pflicht der Kinder berufen dürfen, zurückzukehren, wenn sie entlaufen sind, sondern sich ihrer als Sachen (verlaufener Haustiere) zu bemächtigen und sie einzufangen berechtigt sind.
Des Rechts der häuslichen Gesellschaft
Dritter Titel:
Das Hausherrenrecht
Die Kinder des Hauses, die mit den Eltern zusammen eine Familie ausmachten, werden auch ohne allen Vertrag der Aufkündigung ihrer bisherigen Abhängigkeit, durch die bloße Gelangung zu dem Vermögen ihrer Selbsterhaltung (so wie es teils als natürliche Volljährigkeit dem allgemeinen Laufe der Natur überhaupt, teils ihrer besonderen Naturbeschaffenheit gemäß eintritt), mündig (maiorennes), d. i. ihre eigene Herren (sui iuris), und erwerben dieses Recht ohne besonderen rechtlichen Akt, mithin bloß durchs Gesetz (lege) – sind den Eltern für ihre Erziehung nichts schuldig, so wie gegenseitig die letzteren ihrer Verbindlichkeit gegen diese auf eben dieselbe Art los werden, hiemit beide ihre natürliche Freiheit gewinnen oder wieder gewinnen – die häusliche Gesellschaft aber, welche nach dem Gesetz notwendig war, nunmehr aufgelöset wird.
Beide Teile können nun wirklich eben dasselbe Hauswesen, aber in einer anderen Form der Verpflichtung, nämlich als Verknüpfung des Hausherren mit dem Gesinde (den Dienern oder Dienerinnen des Hauses), mithin eben diese häusliche Gesellschaft, aber jetzt als hausherrliche (societas herilis) erhalten, durch einen Vertrag, durch den der erstere mit den mündig gewordenen Kindern, oder, wenn die Familie keine Kinder hat, mit anderen freien Personen (der Hausgenossenschaft) eine häusliche Gesellschaft stiften, welche eine ungleiche Gesellschaft (des Gebietenden oder der Herrschaft und der Gehorchenden, d. i. der Dienerschaft, imperantis et subiecti domestici) sein würde.
Das Gesinde gehört nun zu dem Seinen des Hausherrn und zwar, was die Form (den Besitzstand) betrifft, gleich als nach einem Sachenrecht; denn der Hausherr kann, wenn es ihm entläuft, es durch einseitige Willkür in seine Gewalt bringen; was aber die Materie betrifft, d. i. welchen Gebrauch er von diesen seinen Hausgenossen machen kann, so kann er sich nie als Eigentümer desselben (dominus servi) betragen: weil er nur durch Vertrag unter seine Gewalt gebracht ist, ein Vertrag aber, durch den ein Teil zum Vorteil des anderen auf seine ganze Freiheit Verzicht tut, mithin aufhört, eine Person zu sein, folglich auch keine Pflicht hat, einen Vertrag zu halten, sondern nur Gewalt anerkennt, in sich selbst widersprechend, d. i. null und nichtig, ist. (Von dem Eigentumsrecht gegen den, der sich durch ein Verbrechen seiner Persönlichkeit verlustig gemacht hat, ist hier nicht die Rede.)
Dieser Vertrag also der Hausherrschaft mit dem Gesinde kann nicht von solcher Beschaffenheit sein, daß der Gebrauch desselben ein Verbrauch sein würde, worüber das Urteil aber nicht bloß dem Hausherrn, sondern auch der Dienerschaft (die also nie Leibeigenschaft sein kann) zukommt; kann also nicht auf lebenslängliche, sondern allenfalls nur auf unbestimmte Zeit, binnen der ein Teil dem anderen die Verbindung aufkündigen darf, geschlossen werden. Die Kinder aber (selbst die eines durch sein Verbrechen zum Sklaven Gewordenen) sind jederzeit frei. Denn frei geboren ist jeder Mensch, weil er noch nichts verbrochen hat, und die Kosten der Erziehung bis zu seiner Volljährigkeit können ihm auch nicht als eine Schuld angerechnet werden, die er zu tilgen habe. Denn der Sklave müßte, wenn er könnte, seine Kinder auch erziehen, ohne ihnen dafür Kosten zu verrechnen; der Besitzer des Sklaven tritt also bei dieses seinem Unvermögen in die Stelle seiner Verbindlichkeit.
*
Man sieht also auch hier, wie unter beiden vorigen Titeln, daß es ein auf dingliche Art persönliches Recht (der Herrschaft über das Gesinde) gebe: weil man sie zurück holen und als das äußere Seine von jedem Besitzer abfordern kann, ehe noch die Gründe, welche sie dazu vermocht haben mögen, und ihr Recht untersucht werden dürfen.
Dogmatische Einteilung aller erwerblichen Rechte aus Verträgen
Von einer metaphysischen Rechtslehre kann gefordert werden, daß sie a priori die Glieder der Einteilung (divisio logica) vollständig und bestimmt aufzähle und so ein wahres System derselben aufstelle; statt dessen alle empirische Einteilung bloß fragmentarisch (partitio) ist und es ungewiß läßt, ob es nicht noch mehr Glieder gebe, welche zur Ausfüllung der ganzen Sphäre des eingeteilten Begriffs erfordert würden. – Eine Einteilung nach einem Prinzip a priori (im Gegensatz der empirischen) kann man nun dogmatisch nennen.
Aller Vertrag besteht an sich, d. i. objektiv betrachtet, aus zwei rechtlichen Akten: dem Versprechen und der Annehmung desselben; die Erwerbung durch die letztere (wenn es nicht ein pactum re initum ist, welches Übergabe erfordert) ist nicht ein Teil, sondern die rechtlich notwendige Folge desselben. – Subjektiv aber erwogen, d. i. als Antwort auf die Frage: ob jene nach der Vernunft notwendige Folge (welche die Erwerbung sein sollte) auch wirklich erfolgen (physische Folge sein) werde, dafür habe ich durch die Annehmung des Versprechens noch keine Sicherheit. Diese ist also, als äußerlich zur Modalität des Vertrages, nämlich der Gewißheit der Erwerbung durch denselben, gehörend, ein Ergänzungsstück zur Vollständigkeit der Mittel zur Erreichung der Absicht des Vertrags, nämlich der Erwerbung. – Es treten zu diesem Behuf drei Personen auf: der Promittent, der Akzeptant und der Kavent; durch welchen letzteren und seinen besonderen Vertrag mit dem Promittenten der Akzeptant zwar nichts mehr in Ansehung des Objekts, aber doch der Zwangsmittel gewinnt, zu dem Seinen zu gelangen.
Nach diesen Grundsätzen der logischen (rationalen) Einteilung gibt es nun eigentlich nur drei einfache und reine Vertragsarten, der vermischten aber und empirischen, welche zu den Prinzipien des Mein und Dein nach bloßen Vernunftgesetzen noch statutarische und konventionelle hinzutun, gibt es unzählige, sie liegen aber außerhalb dem Kreise der metaphysischen Rechtslehre, die hier allein verzeichnet werden soll.
Alle Verträge nämlich haben entweder A. einseitigen Erwerb (wohltätiger Vertrag), oder B. wechselseitigen (belästigter Vertrag), oder gar keinen Erwerb, sondern nur C. Sicherheit des Seinen (der einerseits wohltätig, anderseits doch auch zugleich belästigend sein kann) zur Absicht.
A. Der wohltätige Vertrag (pactum gratuitum) ist:
B. Der belästigte Vertrag.
I. Der Veräußerungsvertrag ( permutatio late sic dicta).
II. Der Verdingungsvertrag ( locatio conductio).
C. Der Zusicherungsvertrag (cautio).
In dieser Tafel aller Arten der Übertragung ( translatio) des Seinen auf einen Anderen finden sich Begriffe von Objekten oder Werkzeugen dieser Übertragung vor, welche ganz empirisch zu sein und selbst ihrer Möglichkeit nach in einer metaphysischen Rechtslehre eigentlich nicht Platz haben, in der die Einteilungen nach Prinzipien a priori gemacht werden müssen, mithin von der Materie des Verkehrs (welche konventionell sein könnte) abstrahiert und bloß auf die Form gesehen werden muß, dergleichen der Begriff des Geldes im Gegensatz mit aller anderen veräußerlichen Sache, nämlich der Ware, im Titel des Kaufs und Verkaufs, oder der eines Buchs ist. – Allein es wird sich zeigen, daß jener Begriff des größten und brauchbarsten aller Mittel des Verkehrs der Menschen mit Sachen, Kauf und Verkauf (Handel) genannt, imgleichen der eines Buchs, als das des größten Verkehrs der Gedanken, sich doch in lauter intellektuelle Verhältnisse auflösen lasse und so die Tafel der reinen Verträge nicht durch empirische Beimischung verunreinigen dürfe.
I
Was ist Geld?
Geld ist eine Sache, deren Gebrauch nur dadurch möglich ist, daß man sie veräußert. Dies ist eine gute Namenerklärung desselben (nach Achenwall), nämlich hinreichend zur Unterscheidung dieser Art Gegenstände der Willkür von allen andern; aber sie gibt uns keinen Aufschluß über die Möglichkeit einer solchen Sache. Doch sieht man so viel daraus: daß erstlich diese Veräußerung im Verkehr nicht als Verschenkung, sondern als zur wechselseitigen Erwerbung (durch ein pactum onerosum) beabsichtigt ist; zweitens daß, da es als ein (in einem Volke) allgemein beliebtes bloßes Mittel des Handels, was an sich keinen Wert hat, im Gegensatz einer Sache als Ware (d. i. desjenigen, was einen solchen hat und sich auf das besondere Bedürfnis eines oder des anderen im Volk bezieht) gedacht wird, es alle Ware repräsentiert.
Ein Scheffel Getreide hat den größten direkten Wert als Mittel zu menschlichen Bedürfnissen. Man kann damit Tiere futtern, die uns zur Nahrung, zur Bewegung und zur Arbeit an unserer statt, und dann auch vermittelst desselben also Menschen vermehren und erhalten, welche nicht allein jene Naturprodukte immer wieder erzeugen, sondern auch durch Kunstprodukte allen unseren Bedürfnissen zu Hülfe kommen können: zur Verfertigung unserer Wohnung, Kleidung, ausgesuchtem Genusse und aller Gemächlichkeit überhaupt, welche die Güter der Industrie ausmachen. Der Wert des Geldes ist dagegen nur indirekt. Man kann es selbst nicht genießen, oder als ein solches irgend wozu unmittelbar gebrauchen; aber doch ist es ein Mittel, was unter allen Sachen von der höchsten Brauchbarkeit ist.
Hierauf läßt sich vorläufig eine Realdefinition des Geldes gründen: es ist das allgemeine Mittel den Fleiß der Menschen gegen einander zu verkehren, so: daß der Nationalreichtum, in sofern er vermittelst des Geldes erworben worden, eigentlich nur die Summe des Fleißes ist, mit dem Menschen sich unter einander lohnen, und welcher durch das in dem Volk umlaufende Geld repräsentiert wird.
Die Sache nun, welche Geld heißen soll, muß also selbst so viel Fleiß gekostet haben, um sie hervorzubringen, oder auch anderen Menschen in die Hände zu schaffen, daß dieser demjenigen Fleiß, durch welchen die Ware (in Natur- oder Kunstprodukten) hat erworben werden müssen, und gegen welchen jener ausgetauscht wird, gleich komme. Denn wäre es leichter den Stoff, der Geld heißt, als die Ware anzuschaffen, so käme mehr Geld zu Markte, als Ware feil steht, und weil der Käufer mehr Fleiß auf seine Ware verwenden müßte, als der Käufer, dem das Geld schneller zuströmt: so würde der Fleiß in Verfertigung der Ware und so das Gewerbe überhaupt mit dem Erwerbfleiß, der den öffentlichen Reichtum zu Folge hat, zugleich schwinden und verkürzt werden. – Daher können Banknoten und Assignaten nicht für Geld angesehen werden, ob sie gleich eine Zeit hindurch die Stelle desselben vertreten: weil es beinahe gar keine Arbeit kostet, sie zu verfertigen, und ihr Wert sich bloß auf die Meinung der ferneren Fortdauer der bisher gelungenen Umsetzung derselben in Barschaft gründet, welche bei einer etwanigen Entdeckung, daß die letztere nicht in einer zum leichten und sicheren Verkehr hinreichenden Menge da sei, plötzlich verschwindet und den Ausfall der Zahlung unvermeidlich macht. – So ist der Erwerbfleiß derer, welche die Gold- und Silberbergwerke in Peru oder Neumexiko anbauen, vornehmlich bei den so vielfältig mißlingenden Versuchen eines vergeblich angewandten Fleißes im Aufsuchen der Erzgänge, wahrscheinlich noch größer, als der auf Verfertigung der Waren in Europa verwendete und würde als unvergolten, mithin von selbst nachlassend, jene Länder bald in Armut sinken lassen, wenn nicht der Fleiß Europens dagegen, eben durch diese Materialien gereizt, sich proportionierlich zugleich erweiterte, um bei jenen die Lust zum Bergbau durch ihnen angebotene Sachen des Luxus beständig rege zu erhalten: so daß immer Fleiß gegen Fleiß in Konkurrenz kommen.
Wie ist es aber möglich, daß das, was anfänglich Ware war, endlich Geld ward? Wenn ein großer und machthabender Vertuer einer Materie, die er anfangs bloß zum Schmuck und Glanz seiner Diener (des Hofes) brauchte (z. B. Gold, Silber, Kupfer, oder eine Art schöner Muschelschalen, Kauris, oder auch wie in Kongo eine Art Matten, Makuten genannt, oder wie am Senegal Eisenstangen und auf der Guineaküste selbst Negersklaven), d. i. wenn ein Landesherr die Abgaben von seinen Untertanen in dieser Materie (als Ware) einfordert und die, deren Fleiß in Anschaffung derselben dadurch bewegt werden soll, mit eben denselben nach Verordnungen des Verkehrs unter und mit ihnen überhaupt (auf einem Markt oder einer Börse) wieder lohnt. – Dadurch allein hat (meinem Bedünken nach) eine Ware ein gesetzliches Mittel des Verkehrs des Fleißes der Untertanen unter einander und hiemit auch des Staatsreichtums, d. i. Geld, werden können.
Der intellektuelle Begriff, dem der empirische vom Gelde untergelegt ist, ist also der von einer Sache, die, im Umlauf des Besitzes begriffen ( permutatio publica), den Preis aller anderen Dinge (Waren) bestimmt, unter welche letztere sogar Wissenschaften, so fern sie Anderen nicht umsonst gelehrt werden, gehören: dessen Menge also in einem Volk die Begüterung ( opulentia) desselben ausmacht. Denn Preis ( pretium) ist das öffentliche Urteil über den Wert ( valor) einer Sache in Verhältnis auf die proportionierte Menge desjenigen, was das allgemeine stellvertretende Mittel der gegenseitigen Vertauschung des Fleißes (des Umlaufs) ist. – Daher werden, wo der Verkehr groß ist, weder Gold noch Kupfer für eigentliches Geld, sondern nur für Ware gehalten: weil von dem ersteren zu wenig, vom anderen zu viel da ist, um es leicht in Umlauf zu bringen und dennoch in so kleinen Teilen zu haben, als zum Umsatz gegen Ware, oder eine Menge derselben im kleinsten Erwerb nötig ist. Silber (weniger oder mehr mit Kupfer versetzt) wird daher im großen Verkehr der Welt für das eigentliche Material des Geldes und den Maßstab der Berechnung aller Preise genommen; die übrigen Metalle (noch viel mehr also die unmetallischen Materien) können nur in einem Volk von kleinem Verkehr statt finden. – Die erstern beiden, wenn sie nicht bloß gewogen, sondern auch gestempelt, d. i. mit einem Zeichen, für wie viel sie gelten sollen, versehen worden, sind gesetzliches Geld, d. i. Münze.
»Geld ist also (nach Adam Smith) derjenige Körper, dessen Veräußerung das Mittel und zugleich der Maßstab des Fleißes ist, mit welchem Menschen und Völker unter einander Verkehr treiben.« – Diese Erklärung führt den empirischen Begriff des Geldes dadurch auf den intellektuellen hinaus, daß sie nur auf die Form der wechselseitigen Leistungen im belästigten Vertrage sieht (und von dieser ihrer Materie abstrahiert), und so auf Rechtsbegriff in der Umsetzung des Mein und Dein ( commutatio late sic dicta) überhaupt, um die obige Tafel einer dogmatischen Einteilung a priori, mithin der Metaphysik des Rechts als eines Systems angemessen vorzustellen.
II
Was ist ein Buch?
Ein Buch ist eine Schrift (ob mit der Feder oder durch Typen, auf wenig oder viel Blättern verzeichnet, ist hier gleichgültig), welche eine Rede vorstellt, die jemand durch sichtbare Sprachzeichen an das Publikum hält. – Der, welcher zu diesem in seinem eigenen Namen spricht, heißt der Schriftsteller ( autor). Der, welcher durch eine Schrift im Namen eines Anderen (des Autors) öffentlich redet, ist der Verleger. Dieser, wenn er es mit Jenes seiner Erlaubnis tut, ist der rechtmäßige; tut er es aber ohne dieselbe, der unrechtmäßige Verleger, d. i. der Nachdrucker. Die Summe aller Kopeien der Urschrift (Exemplare) ist der Verlag.
Der Büchernachdruck ist von rechtswegen verboten
Schrift ist nicht unmittelbar Bezeichnung eines Begriffs (wie etwa ein Kupferstich, der als Porträt, oder ein Gypsabguß, der als die Büste eine bestimmte Person vorstellt), sondern eine Rede ans Publikum, d. i. der Schriftsteller spricht durch den Verleger öffentlich. – Dieser aber, nämlich der Verleger, spricht (durch seinen Werkmeister, operarius, den Drucker) nicht in seinem eigenen Namen (denn sonst würde er sich für den Autor ausgeben); sondern im Namen des Schriftstellers, wozu er also nur durch eine ihm von dem letzteren erteilte Vollmacht ( mandatum) berechtigt ist. – Nun spricht der Nachdrucker durch seinen eigenmächtigen Verlag zwar auch im Namen des Schriftstellers, aber ohne dazu Vollmacht von demselben zu haben ( gerit se mandatarium absque mandato); folglich begeht er an dem von dem Autor bestellten (mithin einzig rechtmäßigen) Verleger ein Verbrechen der Entwendung des Vorteils, den der letztere aus dem Gebrauch seines Rechts ziehen konnte und wollte ( furtum usus); also ist der Büchernachdruck von rechtswegen verboten.
Die Ursache des rechtlichen Anscheins einer gleichwohl beim ersten Anblick so stark auffallenden Ungerechtigkeit, als der Büchernachdruck ist, liegt darin: daß das Buch einerseits ein körperliches Kunstprodukt ( opus mechanicum) ist, was nachgemacht werden kann (von dem, der sich im rechtmäßigen Besitz eines Exemplars desselben befindet), mithin daran ein Sachenrecht statt hat: andrerseits aber ist das Buch auch bloße Rede des Verlegers ans Publikum, die dieser, ohne dazu Vollmacht vom Verfasser zu haben, öffentlich nicht nachsprechen darf ( praestatio operae), ein persönliches Recht, und nun besteht der Irrtum darin, daß beides mit einander verwechselt wird.
*
Die Verwechselung des persönlichen Rechts mit dem Sachenrecht ist noch in einem anderen, unter den Verdingungsvertrag gehörigen Falle (B, II, a), nämlich dem der Einmietung ( ius incolatus), ein Stoff zu Streitigkeiten. – Es fragt sich nämlich: ist der Eigentümer, wenn er sein an jemanden vermietetes Haus (oder seinen Grund) vor Ablauf der Mietszeit an einen Anderen verkauft, verbunden, die Bedingung der fortdauernden Miete dem Kaufkontrakte beizufügen, oder kann man sagen: Kauf bricht Miete (doch in einer durch den Gebrauch bestimmten Zeit der Aufkündigung)? – Im ersteren Fall hätte das Haus wirklich eine Belästigung ( onus) auf sich liegend, ein Recht in dieser Sache, das der Mieter sich an derselben (dem Hause) erworben hätte; welches auch wohl geschehen kann (durch Ingrossation des Mietskontrakts auf das Haus), aber alsdann kein bloßer Mietskontrakt sein würde, sondern wozu noch ein anderer Vertrag (dazu sich nicht viel Vermieter verstehen würden) hinzukommen müßte. Also gilt der Satz: »Kauf bricht Miete«, d. i. das volle Recht in einer Sache (das Eigentum) überwiegt alles persönliche Recht, was mit ihm nicht zusammen bestehen kann; wobei doch die Klage aus dem Grunde des letzteren dem Mieter offen bleibt, ihn wegen des aus der Zerreißung des Kontrakts entspringenden Nachteils schadenfrei zu halten.
Ich nenne diejenige Erwerbung ideal, die keine Kausalität in der Zeit enthält, mithin eine bloße Idee der reinen Vernunft zum Grunde hat. Sie ist nichts desto weniger wahre, nicht eingebildete Erwerbung und heißt nur darum nicht real, weil der Erwerbakt nicht empirisch ist, indem das Subjekt von einem Anderen, der entweder noch nicht ist (von dem man bloß die Möglichkeit annimmt, daß er sei), oder, indem dieser eben aufhört zu sein, oder, wenn er nicht mehr ist, erwirbt, mithin die Gelangung zum Besitz eine bloße praktische Idee der Vernunft ist. – Es sind die drei Erwerbungsarten: 1. durch Ersitzung, 2. durch Beerbung, 3. durch unsterbliches Verdienst (meritum immortale), d. i. der Anspruch auf den guten Namen nach dem Tode. Alle drei können zwar nur im öffentlichen rechtlichen Zustande ihren Effekt haben, gründen sich aber nicht nur auf der Konstitution desselben und willkürlichen Statuten, sondern sind auch a priori im Naturzustande und zwar notwendig zuvor denkbar, um hernach die Gesetze in der bürgerlichen Verfassung darnach einzurichten ( sunt iuris naturae).
I
Die Erwerbungsart durch Ersitzung
Ich erwerbe das Eigentum eines Anderen bloß durch den langen Besitz ( usucapio); nicht weil ich dieses seine Einwilligung dazu rechtmäßig voraussetzen darf ( per consensum praesumtum), noch weil ich, da er nicht widerspricht, annehmen kann, er habe seine Sache aufgegeben ( rem derelictam), sondern weil, wenn es auch einen wahren und auf diese Sache als Eigentümer Anspruch Machenden (Prätendenten) gäbe, ich ihn doch bloß durch meinen langen Besitz ausschließen, sein bisheriges Dasein ignorieren und gar, als ob er zur Zeit meines Besitzes nur als Gedankending existierte, verfahren darf: wenn ich gleich von seiner Wirklichkeit sowohl, als der seines Anspruchs hinterher benachrichtigt sein möchte. – Man nennt diese Art der Erwerbung nicht ganz richtig die durch Verjährung ( per praescriptionem); denn die Ausschließung ist nur als die Folge von jener anzusehen; die Erwerbung muß vorhergegangen sein. – Die Möglichkeit auf diese Art zu erwerben ist nun zu beweisen.
Wer nicht einen beständigen Besitzakt ( actus possessorius) einer äußeren Sache, als der seinen, ausübt, wird mit Recht als einer, der (als Besitzer) gar nicht existiert, angesehen; denn er kann nicht über Läsion klagen, so lange er sich nicht zum Titel eines Besitzers berechtigt, und wenn er sich hinten nach, da schon ein Anderer davon Besitz genommen hat, auch dafür erklärte, so sagt er doch nur, er sei ehedem einmal Eigentümer gewesen, aber nicht, er sei es noch, und der Besitz sei ohne einen kontinuierlichen rechtlichen Akt ununterbrochen geblieben. – Es kann also nur ein rechtlicher und zwar sich kontinuierlich erhaltender und dokumentierter Besitzakt sein, durch welchen er bei einem langen Nichtgebrauch sich das Seine sichert.
Denn setzet: die Versäumung dieses Besitzakts hätte nicht die Folge, daß ein Anderer auf seinen gesetzmäßigen und ehrlichen Besitz ( possessio bonae fidei) einen zu Recht beständigen ( possessio irrefragabilis) gründe und die Sache, die in seinem Besitz ist, als von ihm erworben ansehe, so würde gar keine Erwerbung peremtorisch (gesichert), sondern alle nur provisorisch (einstweilig) sein: weil die Geschichtskunde ihre Nachforschung bis zum ersten Besitzer und dessen Erwerbakt hinauf zurückzuführen nicht vermögend ist. – Die Präsumtion, auf welcher sich die Ersitzung ( usucapio) gründet, ist also nicht bloß rechtmäßig (erlaubt, iusta) als Vermutung, sondern auch rechtlich ( praesumtio iuris et de iure) als Voraussetzung nach Zwangsgesetzen ( suppositio legalis): wer seinen Besitzakt zu dokumentieren verabsäumt, hat seinen Anspruch auf den dermaligen Besitzer verloren, wobei die Länge der Zeit der Verabsäumung (die gar nicht bestimmt werden kann und darf) nur zum Behuf der Gewißheit dieser Unterlassung angeführt wird. Daß aber ein bisher unbekannter Besitzer, wenn jener Besitzakt (es sei auch ohne seine Schuld) unterbrochen worden, die Sache immer wiedererlangen (vindizieren) könne ( dominia rerum incerta facere), widerspricht dem obigen Postulat der rechtlich-praktischen Vernunft.
Nun kann ihm aber, wenn er ein Glied des gemeinen Wesens ist, d. i. im bürgerlichen Zustande, der Staat wohl seinen Besitz (stellvertretend) erhalten, ob dieser gleich als Privatbesitz unterbrochen war, und der jetzige Besitzer darf seinen Titel der Erwerbung bis zur ersten nicht beweisen, noch auch sich auf den der Ersitzung gründen. Aber im Naturzustande ist der letztere rechtmäßig, nicht eigentlich eine Sache dadurch zu erwerben, sondern ohne einen rechtlichen Akt sich im Besitz derselben zu erhalten: welche Befreiung von Ansprüchen dann auch Erwerbung genannt zu werden pflegt. – Die Präscription des älteren Besitzers gehört also zum Naturrecht ( est iuris naturae).
II
Die Beerbung (
Acquisitio haereditatis)
Die Beerbung ist die Übertragung ( translatio) der Habe und des Guts eines Sterbenden auf den Überlebenden durch Zusammenstimmung des Willens beider. – Die Erwerbung des Erbnehmers (haeredis instituti) und die Verlassung des Erblassers (testatoris), d. i. dieser Wechsel des Mein und Dein, geschieht in einem Augenblick ( articulo mortis), nämlich da der letztere eben aufhört zu sein, und ist also eigentlich keine Übertragung ( translatio) im empirischen Sinn, welche zwei Aktus nach einander, nämlich wo der eine zuerst seinen Besitz verläßt, und darauf der Andere darin eintritt, voraussetzt; sondern eine ideale Erwerbung. – Da die Beerbung ohne Vermächtnis (dispositio ultimae voluntatis) im Naturzustande nicht gedacht werden kann, und, ob es ein Erbvertrag (pactum successorium), oder einseitige Erbeseinsetzung (testamentum) sei, es bei der Frage, ob und wie gerade in demselben Augenblick, da das Subjekt aufhört zu sein, ein Übergang des Mein und Dein möglich sei, ankommt, so muß die Frage: wie ist die Erwerbart durch Beerbung möglich? von den mancherlei möglichen Formen ihrer Ausführung (die nur in einem gemeinen Wesen statt finden) unabhängig untersucht werden.
»Es ist möglich, durch Erbeseinsetzung zu erwerben.« – Denn der Erblasser Cajus verspricht und erklärt in seinem letzten Willen dem Titius, der nichts von jenem Versprechen weiß, seine Habe solle im Sterbefall auf diesen übergehen, und bleibt also, so lange er lebt, alleiniger Eigentümer derselben. Nun kann zwar durch den bloßen einseitigen Willen nichts auf den Anderen übergehen: sondern es wird über dem Versprechen noch Annehmung ( acceptatio) des anderen Teils dazu erfordert und ein gleichzeitiger Wille ( voluntas simultanea), welcher jedoch hier mangelt; denn so lange Cajus lebt, kann Titius nicht ausdrücklich akzeptieren, um dadurch zu erwerben: weil jener nur auf den Fall des Todes versprochen hat (denn sonst wäre das Eigentum einen Augenblick gemeinschaftlich, welches nicht der Wille des Erblassers ist). – Dieser aber erwirbt doch stillschweigend ein eigentümliches Recht an der Verlassenschaft als ein Sachenrecht, nämlich ausschließlich sie zu akzeptieren ( ius in re iacente), daher diese in dem gedachten Zeitpunkt haereditas iacens heißt. Da nun jeder Mensch notwendigerweise (weil er dadurch wohl gewinnen, nie aber verlieren kann) ein solches Recht, mithin auch stillschweigend akzeptiert und Titius nach dem Tode des Cajus in diesem Falle ist, so kann er die Erbschaft durch Annahme des Versprechens erwerben, und sie ist nicht etwa mittlerweile ganz herrenlos ( res nullius), sondern nur erledigt (res vacua) gewesen: weil er ausschließlich das Recht der Wahl hatte, ob er die hinterlassene Habe zu der seinigen machen wollte, oder nicht.
Also sind die Testamente auch nach dem bloßen Naturrecht gültig ( sunt iuris naturae); welche Behauptung aber so zu verstehen ist, daß sie fähig und würdig seien im bürgerlichen Zustande (wenn dieser dereinst eintritt) eingeführt und sanktioniert zu werden. Denn nur dieser (der allgemeine Wille in demselben) bewahrt den Besitz der Verlassenschaft während dessen, daß diese zwischen der Annahme und der Verwerfung schwebt und eigentlich keinem angehört.
III
Der Nachlaß eines guten Namens nach dem Tode (
Bona fama defuncti)
Daß der Verstorbene nach seinem Tode (wenn er also nicht mehr ist) noch etwas besitzen könne, wäre eine Ungereimtheit zu denken, wenn der Nachlaß eine Sache wäre. Nun ist aber der gute Name ein angebornes äußeres, obzwar bloß ideales Mein oder Dein, was dem Subjekt als einer Person anhängt, von deren Natur, ob sie mit dem Tode gänzlich aufhöre zu sein, oder immer noch als solche übrig bleibe, ich abstrahieren kann und muß, weil ich im rechtlichen Verhältnis auf andere jede Person bloß nach ihrer Menschheit, mithin als homo noumenon wirklich betrachte, und so ist jeder Versuch, ihn nach dem Tode in übele falsche Nachrede zu bringen, immer bedenklich; obgleich eine gegründete Anklage desselben gar wohl statt findet (mithin der Grundsatz: de mortuis nihil nisi bene, unrichtig ist), weil gegen den Abwesenden, welcher sich nicht verteidigen kann, Vorwürfe auszustreuen ohne die größte Gewißheit derselben wenigstens ungroßmütig ist.
Daß durch ein tadelloses Leben und einen dasselbe beschließenden Tod der Mensch einen (negativ-) guten Namen als das Seine, welches ihm übrig bleibt, erwerbe, wenn er als homo phaenomenon nicht mehr existiert, und daß die Überlebenden (angehörige, oder fremde) ihn auch vor Recht zu verteidigen befugt sind (weil unerwiesene Anklage sie insgesamt wegen ähnlicher Begegnung auf ihren Sterbefall in Gefahr bringt), daß er, sage ich, ein solches Recht erwerben könne, ist eine sonderbare, nichtsdestoweniger unläugbare Erscheinung der a priori gesetzgebenden Vernunft, die ihr Gebot und Verbot auch über die Grenze des Lebens hinaus erstreckt. – Wenn jemand von einem Verstorbenen ein Verbrechen verbreitet, das diesen im Leben ehrlos, oder nur verächtlich gemacht haben würde: so kann ein jeder, welcher einen Beweis führen kann, daß diese Beschuldigung vorsetzlich unwahr und gelogen sei, den, welcher jenen in böse Nachrede bringt, für einen Kalumnianten öffentlich erklären, mithin ihn selbst ehrlos machen; welches er nicht tun dürfte, wenn er nicht mit Recht voraussetzte, daß der Verstorbene dadurch beleidigt wäre, ob er gleich tot ist, und daß diesem durch jene Apologie Genugtuung widerfahre, ob er gleich nicht mehr existiert. Daß man aber hiebei ja nicht auf Vorempfindung eines künftigen Lebens und unsichtbare Verhältnisse zu abgeschiedenen Seelen schwärmerisch schließe, denn es ist hier von nichts weiter, als dem rein moralischen und rechtlichen Verhältnis, was unter Menschen auch im Leben statt hat, die Rede, worin sie als intelligibele Wesen stehen, indem man alles Physische (zu ihrer Existenz in Raum und Zeit Gehörende) logisch davon absondert, d. i. davon abstrahiert, nicht aber die Menschen diese ihre Natur ausziehen und sie Geister werden läßt, in welchem Zustande sie die Beleidigung durch ihre Verleumder fühlten. – Der, welcher nach hundert Jahren mir etwas Böses fälschlich nachsagt, beleidigt mich schon jetzt; denn im reinen Rechtsverhältnisse, welches ganz intellektuell ist, wird von allen physischen Bedingungen (der Zeit) abstrahiert, und der Ehrenräuber (Kalumniant) ist eben sowohl strafbar, als ob er es in meiner Lebzeit getan hätte; nur durch kein Kriminalgericht, sondern nur dadurch, daß ihm nach dem Recht der Wiedervergeltung durch die öffentliche Meinung derselbe Verlust der Ehre zugefügt wird, die er an einem Anderen schmälerte. – Selbst das Plagiat, welches ein Schriftsteller an Verstorbenen verübt, ob es zwar die Ehre des Verstorbenen nicht befleckt, sondern diesem nur einen Teil derselben entwendet, wird doch mit Recht als Läsion desselben (Menschenraub) geahndet. Die Befugnis, die Rolle des Apologeten für den Verstorbenen zu spielen, darf dieser auch nicht beweisen; denn jeder Mensch maßt sie sich unvermeidlich an, als nicht bloß zur Tugendpflicht (ethisch betrachtet), sondern sogar zum Recht der Menschheit überhaupt gehörig: und es bedarf hiezu keiner besonderen persönlichen Nachteile, die etwa Freunden und Anverwandten aus einem solchen Schandfleck am Verstorbenen erwachsen dürften, um jenen zu einer solchen Rüge zu berechtigen. – Daß also eine solche ideale Erwerbung und ein Recht des Menschen nach seinem Tode gegen die Überlebenden gegründet sei, ist nicht zu streiten, obschon die Möglichkeit desselben keiner Deduktion fähig ist.
Wenn unter Naturrecht nur das nicht-statutarische, mithin lediglich das a priori durch jedes Menschen Vernunft erkennbare Recht verstanden wird, so wird nicht bloß die zwischen Personen in ihrem wechselseitigen Verkehr unter einander geltende Gerechtigkeit (iustitia commutativa), sondern auch die austeilende ( iustitia distributiva), so wie sie nach ihrem Gesetze a priori erkannt werden kann, daß sie ihren Spruch ( sententia) fällen müsse, gleichfalls zum Naturrecht gehören.
Die moralische Person, welche der Gerechtigkeit vorsteht, ist der Gerichtshof (forum) und im Zustande ihrer Amtsführung das Gericht (iudicium): alles nur nach Rechtsbedingungen a priori gedacht, ohne, wie eine solche Verfassung wirklich einzurichten und zu organisieren sei (wozu Statute, also empirische Prinzipien, gehören), in Betrachtung zu ziehen.
Die Frage ist also hier nicht bloß: was ist an sich recht, wie nämlich hierüber ein jeder Mensch für sich zu urteilen habe, sondern: was ist vor einem Gerichtshofe recht, d. i. was ist Rechtens? Und da gibt es vier Fälle, wo beiderlei Urteile verschieden und entgegengesetzt ausfallen und dennoch neben einander bestehen können: weil sie aus zwei verschiedenen, beiderseits wahren Gesichtspunkten gefällt werden, die eine nach dem Privatrecht, die andere nach der Idee des öffentlichen Rechts; – sie sind: 1. der Schenkungsvertrag (pactum donationis). 2. Der Leihevertrag (commodatum). 3.Die Wiedererlangung (vindicatio). 4. Die Vereidigung (iuramentum).
Es ist ein gewöhnlicher Fehler der Erschleichung ( Vitium subreptionis) der Rechtslehrer, dasjenige rechtliche Prinzip, was ein Gerichtshof zu seinem eigenen Behuf (also in subjektiver Absicht) anzunehmen befugt, ja sogar verbunden ist, um über jedes Einem zustehende Recht zu sprechen und zu richten, auch objektiv für das, was an sich selbst recht ist, zu halten: da das erstere doch von dem letzteren sehr unterschieden ist. – Es ist daher von nicht geringer Wichtigkeit, diese spezifische Verschiedenheit kennbar und darauf aufmerksam zu machen.
A
Von dem Schenkungsvertrag
Dieser Vertrag ( donatio), wodurch ich das Mein, meine Sache (oder mein Recht), unvergolten (gratis) veräußere, enthält ein Verhältnis von mir, dem Schenkenden ( donans), zu einem Anderen, dem Beschenkten ( donatarius), nach dem Privatrecht, wodurch das Meine auf diesen durch Annehmung des letzteren ( donum) übergeht. – Es ist aber nicht zu präsumieren, daß ich hiebei gemeint sei, zu der Haltung meines Versprechens gezwungen zu werden und also auch meine Freiheit umsonst wegzugeben und gleichsam mich selbst wegzuwerfen ( nemo suum iactare praesumitur), welches doch nach dem Recht im bürgerlichen Zustande geschehen würde; denn da kann der zu Beschenkende mich zu Leistung des Versprechens zwingen. Es müßte also, wenn die Sache vor Gericht käme, d. i. nach einem öffentlichen Recht, entweder präsumiert werden, der Verschenkende willigte zu diesem Zwange ein, welches ungereimt ist, oder der Gerichtshof sehe in seinem Spruch (Sentenz) gar nicht darauf, ob jener die Freiheit, von seinem Versprechen abzugehen, hat vorbehalten wollen, oder nicht, sondern auf das, was gewiß ist, nämlich das Versprechen und die Akzeptation des Promissars. Wenn also gleich der Promittent, wie wohl vermutet werden kann, gedacht hat, daß, wenn es ihn noch vor der Erfüllung gereuet, das Versprechen getan zu haben, man ihn daran nicht binden könne: so nimmt doch das Gericht an, daß er sich dieses ausdrücklich hätte vorbehalten müssen und, wenn er es nicht getan hat, zu Erfüllung des Versprechens könne gezwungen werden, und dieses Prinzip nimmt der Gerichtshof darum an, weil ihm sonst das Rechtsprechen unendlich erschwert, oder gar unmöglich gemacht werden würde.
B
Vom Leihvertrag
In diesem Vertrage ( commodatum), wodurch ich jemandem den unvergoltenen Gebrauch des Meinigen erlaube, wo, wenn dieses eine Sache ist, die Paziszenten darin übereinkommen, daß dieser mir eben dieselbe Sache wiederum in meine Gewalt bringe, kann der Empfänger des Geliehenen ( commodatarius) nicht zugleich präsumieren, der Eigentümer desselben ( commodans) nehme auch alle Gefahr ( casus) des möglichen Verlustes der Sache, oder ihrer ihm nützlichen Beschaffenheit über sich, der daraus, daß er sie in den Besitz des Empfängers gegeben hat, entspringen könnte. Denn es versteht sich nicht von selbst, daß der Eigentümer außer dem Gebrauch seiner Sache, den er dem Lehnsempfänger bewilligt, (dem von demselben unzertrennlichen Abbruche derselben) auch die Sicherstellung wider allen Schaden, der ihm daraus entspringen kann, daß er sie aus seiner eigenen Gewahrsame gab, erlassen habe; sondern darüber müßte ein besonderer Vertrag gemacht werden. Es kann also nur die Frage sein: wem von beiden, dem Lehnsgeber oder Lehnsempfänger, es obliegt, die Bedingung der Übernehmung der Gefahr, die der Sache zustoßen kann, dem Leihevertrag ausdrücklich beizufügen, oder, wenn das nicht geschieht, von wem man die Einwilligung zur Sicherstellung des Eigentums des Lehnsgebers (durch die Zurückgabe derselben oder ein Äquivalent) präsumieren könne. Von dem Darleiher nicht: weil man nicht präsumieren kann, er habe mehr umsonst eingewilligt, als den bloßen Gebrauch der Sache (nämlich nicht auch noch obenein die Sicherheit des Eigentums selber zu übernehmen), aber wohl von dem Lehnsnehmer: weil er da nichts mehr leistet, als gerade im Vertrage enthalten ist.
Wenn ich, z. B. bei einfallendem Regen, in ein Haus eintrete und erbitte mir einen Mantel zu leihen, der aber, etwa durch unvorsichtige Ausgießung abfärbender Materien aus dem Fenster, auf immer verdorben, oder wenn er, indem ich ihn in einem anderen Hause, wo ich eintrete, ablege, mir gestohlen wird, so muß doch die Behauptung jedem Menschen als ungereimt auffallen, ich hätte nichts weiter zu tun, als jenen, so wie er ist, zurückzuschicken, oder den geschehenen Diebstahl nur zu melden; allenfalls sei es noch eine Höflichkeit den Eigentümer dieses Verlustes wegen zu beklagen, da er aus seinem Recht nichts fordern könne. – Ganz anders lautet es, wenn ich bei der Erbittung dieses Gebrauchs zugleich auf den Fall, daß die Sache unter meinen Händen verunglückte, mir zum voraus erbäte, auch diese Gefahr zu übernehmen, weil ich arm und den Verlust zu ersetzen unvermögend wäre. Niemand wird das letztere überflüssig und lächerlich finden, außer etwa, wenn der Anleihende ein bekanntlich vermögender und wohldenkender Mann wäre, weil es alsdann beinahe Beleidigung sein würde, die großmütige Erlassung meiner Schuld in diesem Falle nicht zu präsumieren.
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Da nun über das Mein und Dein aus dem Leihvertrage, wenn (wie es die Natur dieses Vertrages so mit sich bringt) über die mögliche Verunglückung ( casus), die die Sache treffen möchte, nichts verabredet worden, er also, weil die Einwilligung nur präsumiert worden, ein ungewisser Vertrag ( pactum incertum) ist, das Urteil darüber, d. i. die Entscheidung, wen das Unglück treffen müsse, nicht aus den Bedingungen des Vertrages an sich selbst, sondern wie sie allein vor einem Gerichtshofe, der immer nur auf das Gewisse in jenem sieht (welches hier der Besitz der Sache als Eigentum ist), entschieden werden kann, so wird das Urteil im Naturzustande, d. i. nach der Sache innerer Beschaffenheit, so lauten: der Schade aus der Verunglückung einer geliehenen Sache fällt auf den Beliehenen (casum sentit commodatarius); dagegen im bürgerlichen, also vor einem Gerichtshofe, wird die Sentenz so ausfallen: der Schade fällt auf den Anleiher (casum sentit dominus), und zwar aus dem Grunde verschieden von dem Ausspruche der bloßen gesunden Vernunft, weil ein öffentlicher Richter sich nicht auf Präsumtionen von dem, was der eine oder andere Teil gedacht haben mag, einlassen kann, sondern der, welcher sich nicht die Freiheit von allem Schaden an der geliehenen Sache durch einen besonderen angehängten Vertrag ausbedungen hat, diesen selbst tragen muß. – Also ist der Unterschied zwischen dem Urteile, wie es ein Gericht fällen müßte, und dem, was die Privatvernunft eines jeden für sich zu fällen berechtigt ist, ein durchaus nicht zu übersehender Punkt in Berichtigung der Rechtsurteile.
C
Von der Wiederladung (Rückbemächtigung) des Verlornen (
vindicatio)
Daß eine fortdauernde Sache, die mein ist, mein bleibe, ob ich gleich nicht in der fortdauernden Inhabung derselben bin, und von selbst ohne einen rechtlichen Akt (derelictionis vel alienationis) mein zu sein nicht aufhöre, und daß mir ein Recht in dieser Sache ( ius reale), mithin gegen jeden Inhaber, nicht bloß gegen eine bestimmte Person ( ius personale) zusteht, ist aus dem obigen klar. Ob aber dieses Recht auch von jedem Anderen als ein für sich fortdauerndes Eigentum müsse angesehen werden, wenn ich demselben nur nicht entsagt habe, und die Sache in dem Besitz eines Anderen ist, das ist nun die Frage.
Ist die Sache mir abhanden gekommen ( res amissa) und so von einem Anderen auf ehrliche Art (bona fide), als ein vermeinter Fund, oder durch förmliche Veräußerung des Besitzers, der sich als Eigentümer führt, an mich gekommen, obgleich dieser nicht Eigentümer ist, so fragt sich, ob, da ich von einem Nichteigentümer (a non domino) eine Sache nicht erwerben kann, ich durch jenen von allem Recht in dieser Sache ausgeschlossen werde und bloß ein persönliches gegen den unrechtmäßigen Besitzer übrig behalte. – Das letztere ist offenbar der Fall, wenn die Erwerbung bloß nach ihren inneren berechtigenden Gründen (im Naturzustande), nicht nach der Konvenienz eines Gerichtshofes beurteilt wird.
Denn alles Veräußerliche muß von irgend jemand können erworben werden. Die Rechtmäßigkeit der Erwerbung aber beruht gänzlich auf der Form, nach welcher das, was im Besitz eines Anderen ist, auf mich übertragen und von mir angenommen wird, d. i. auf der Förmlichkeit des rechtlichen Akts des Verkehrs ( commutatio) zwischen dem Besitzer der Sache und dem Erwerbenden, ohne daß ich fragen darf, wie jener dazu gekommen sei: weil dieses schon Beleidigung sein würde ( quilibet praesumitur bonus, donec etc.). Gesetzt nun, es ergäbe sich in der Folge, daß jener nicht Eigentümer sei, sondern ein Anderer, so kann ich nicht sagen, daß dieser sich geradezu an mich halten könnte (so wie auch an jeden Anderen, der Inhaber der Sache sein möchte). Denn ich habe ihm nichts entwandt, sondern z. B. das Pferd, was auf öffentlichem Markte feil geboten wurde, dem Gesetze gemäß ( titulo emti venditi) erstanden: weil der Titel der Erwerbung meinerseits unbestritten ist, ich aber (als Käufer) den Titel des Besitzes des Anderen (des Verkäufers) nachzusuchen – da diese Nachforschung in der aufsteigenden Reihe ins Unendliche gehen würde – nicht verbunden, ja sogar nicht einmal befugt bin. Also bin ich durch den gehörig-betitelten Kauf nicht der bloß putative, sondern der wahre Eigentümer des Pferdes geworden.
Hierwider erheben sich aber folgende Rechtsgründe: Alle Erwerbung von einem, der nicht Eigentümer der Sache ist ( a non domino), ist null und nichtig. Ich kann von dem Seinen eines Anderen nicht mehr auf mich ableiten, als er selbst rechtmäßig gehabt hat, und ob ich gleich, was die Form der Erwerbung ( modus acquirendi) betrifft, ganz rechtlich verfahre, wenn ich ein gestohlen Pferd, was auf dem Markte feil stellt, erhandle, so fehlt doch der Titel der Erwerbung; denn das Pferd war nicht das Seine des eigentlichen Verkäufers. Ich mag immer ein ehrlicher Besitzer desselben ( possessor bonae fidei) sein, so bin ich doch nur ein sich dünkender Eigentümer ( dominus putativus), und der wahre Eigentümer hat ein Recht der Wiedererlangung (rem suam vindicandi).
Wenn gefragt wird, was (im Naturzustande) unter Menschen nach Prinzipien der Gerechtigkeit im Verkehr derselben unter einander ( iustitia commutativa) in Erwerbung äußerer Sachen an sich Rechtens sei, so muß man eingestehen: daß, wer dieses zur Absicht hat, durchaus nötig habe, noch nachzuforschen, ob die Sache, die er erwerben will, nicht schon einem Anderen angehöre; nämlich, wenn er gleich die formalen Bedingungen der Ableitung der Sache von dem Seinen des Anderen genau beobachtet (das Pferd auf dem Markte ordentlich erhandelt) hat, er dennoch höchstens nur ein persönliches Recht in Ansehung einer Sache ( ius ad rem) habe erwerben können, so lange es ihm noch unbekannt ist, ob nicht ein Anderer (als der Verkäufer) der wahre Eigentümer derselben sei; so daß, wenn sich einer vorfindet, der sein vorhergehendes Eigentum daran dokumentieren könnte, dem vermeinten neuen Eigentümer nichts übrig bliebe, als den Nutzen, so er als ehrlicher Besitzer bisher daraus gezogen hat, bis auf diesen Augenblick rechtmäßig genossen zu haben. – Da nun in der Reihe der von einander ihr Recht ableitenden sich dünkenden Eigentümer den schlechthin ersten (Stammeigentümer) auszufinden mehrenteils unmöglich ist: so kann kein Verkehr mit äußeren Sachen, so gut er auch mit den formalen Bedingungen dieser Art von Gerechtigkeit ( iustitia commutativa) übereinstimmen möchte, einen sicheren Erwerb gewähren.
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Hier tritt nun wiederum die rechtlich-gesetzgebende Vernunft mit dem Grundsatz der distributiven Gerechtigkeit ein, die Rechtmäßigkeit des Besitzes, nicht wie sie an sich in Beziehung auf den Privatwillen eines jeden (im natürlichen Zustande), sondern nur wie sie vor einem Gerichtshofe in einem durch den allgemein-vereinigten Willen entstandenen Zustande (in einem bürgerlichen) abgeurteilt werden würde, zur Richtschnur anzunehmen: wo alsdann die Übereinstimmung mit den formalen Bedingungen der Erwerbung, die an sich nur ein persönliches Recht begründen, zu Ersetzung der materialen Gründe (welche die Ableitung von dem Seinen eines vorhergehenden prätendierenden Eigentümers begründen) als hinreichend postuliert wird, und ein an sich persönliches Recht, vor einen Gerichtshof gezogen, als ein Sachenrecht gilt, z. B. daß das Pferd, was auf öffentlichem, durchs Polizeigesetz geordnetem Markt jedermann feil steht, wenn alle Regeln des Kaufs und Verkaufs genau beobachtet worden, mein Eigentum werde (so doch, daß dem wahren Eigentümer das Recht bleibt, den Verkäufer wegen seines ältern, unverwirkten Besitzes in Anspruch zu nehmen), und mein sonst persönliches Recht in ein Sachenrecht, nach welchem ich das Meine, wo ich es finde, nehmen (vindizieren) darf, verwandelt wird, ohne mich auf die Art, wie der Verkäufer dazu gekommen, einzulassen.
Es geschieht also nur zum Behuf des Rechtsspruchs vor einem Gerichtshofe ( in favorem iustitiae distributivae), daß das Recht in Ansehung einer Sache nicht, wie es an sich ist (als ein persönliches), sondern wie es am leichtesten und sichersten abgeurteilt werden kann (als Sachenrecht), doch nach einem reinen Prinzip a priori angenommen und behandelt werde. – Auf diesem gründen sich nun nachher verschiedene statutarische Gesetze (Verordnungen), die vorzüglich zur Absicht haben, die Bedingungen, unter denen allein eine Erwerbungsart rechtskräftig sein soll, so zu stellen, daß der Richter das Seine einem jeden am leichtesten und unbedenklichsten zuerkennen könne: z. B. in dem Satz: Kauf bricht Miete, wo, was der Natur des Vertrags nach, d. i. an sich, ein Sachenrecht ist, (die Miete) für ein bloß persönliches und umgekehrt, wie in dem obigen Fall, was an sich bloß ein persönliches Recht ist, für ein Sachenrecht gilt; wenn die Frage ist, auf welche Prinzipien ein Gerichtshof im bürgerlichen Zustande anzuweisen sei, um in seinen Aussprüchen wegen des einem jeden zustehenden Rechts am sichersten zu gehen.
D
Von Erwerbung der Sicherheit durch Eidesablegung (
Cautio iuratoria)
Man kann keinen anderen Grund angeben, der rechtlich Menschen verbinden könnte , zu glauben und zu bekennen, daß es Götter gebe, als den, damit sie einen Eid schwören und durch die Furcht vor einer allsehenden obersten Macht, deren Rache sie feierlich gegen sich aufrufen mußten, im Fall daß ihre Aussage falsch wäre, genötigt werden könnten, wahrhaft im Aussagen und treu im Versprechen zu sein. Daß man hiebei nicht auf die Moralität dieser beiden Stücke, sondern bloß auf einen blinden Aberglauben derselben rechnete, ist daraus zu ersehen, daß man sich von ihrer bloßen feierlichen Aussage vor Gericht in Rechtssachen keine Sicherheit versprach, obgleich die Pflicht der Wahrhaftigkeit in einem Fall, wo es auf das Heiligste, was unter Menschen nur sein kann, (aufs Recht der Menschen) ankommt, jedermann so klar einleuchtet, mithin bloße Märchen den Bewegungsgrund ausmachen: wie z. B. das unter den Rejangs, einem heidnischen Volk auf Sumatra, welche nach Marsdens Zeugnis bei den Knochen ihrer verstorbenen Anverwandten schwören, ob sie gleich gar nicht glauben, daß es noch ein Leben nach dem Tode gebe, oder der Eid der Guineaschwarzen bei ihrem Fetisch, etwa einer Vogelfeder, auf die sie sich vermessen, daß sie ihnen den Hals brechen solle u. dergl. Sie glauben, daß eine unsichtbare Macht, sie mag nun Verstand haben oder nicht, schon ihrer Natur nach diese Zauberkraft habe, die durch einen solchen Aufruf in Tat versetzt wird. – Ein solcher Glaube, dessen Name Religion ist, eigentlich aber Superstition heißen sollte, ist aber für die Rechtsverwaltung unentbehrlich, weil, ohne auf ihn zu rechnen, der Gerichtshof nicht genugsam im Stande wäre, geheim gehaltene Fakta auszumitteln und Recht zu sprechen. Ein Gesetz, das hiezu verbindet, ist also offenbar nur zum Behuf der richtenden Gewalt gegeben.
Aber nun ist die Frage: worauf gründet man die Verbindlichkeit, die jemand vor Gericht haben soll, eines Anderen Eid als zu Recht gültigen Beweisgrund der Wahrheit seines Vorgebens anzunehmen, der allem Hader ein Ende mache, d. i. was verbindet mich rechtlich, zu glauben, daß ein Anderer (der Schwörende) überhaupt Religion habe, um mein Recht auf seinen Eid ankommen zu lassen? Imgleichen umgekehrt: kann ich überhaupt verbunden werden, zu schwören? Beides ist an sich unrecht.
Aber in Beziehung auf einen Gerichtshof, also im bürgerlichen Zustande, wenn man annimmt, daß es kein anderes Mittel gibt, in gewissen Fällen hinter die Wahrheit zu kommen, als den Eid, muß von der Religion vorausgesetzt werden, daß sie jeder habe, um sie als ein Notmittel ( in casu necessitatis) zum Behuf des rechtlichen Verfahrens vor einem Gerichtshofe zu gebrauchen, welcher diesen Geisteszwang ( tortura spiritualis) für ein behenderes und dem abergläubischen Hange der Menschen angemesseneres Mittel der Aufdeckung des Verborgenen und sich darum für berechtigt hält, es zu gebrauchen. – Die gesetzgebende Gewalt handelt aber im Grunde unrecht, diese Befugnis der richterlichen zu erteilen: weil selbst im bürgerlichen Zustande ein Zwang zu Eidesleistungen der unverlierbaren menschlichen Freiheit zuwider ist.
Wenn die Amtseide, welche gewöhnlich promissorisch sind, daß man nämlich den ernstlichen Vorsatz habe, sein Amt pflichtmäßig zu verwalten, in assertorische verwandelt würden, daß nämlich der Beamte etwa zu Ende eines Jahres (oder mehrerer) verbunden wäre, die Treue seiner Amtsführung während desselben zu beschwören: so würde dieses Teils das Gewissen mehr in Bewegung bringen, als der Versprechungseid, welcher hinterher noch immer den inneren Vorwand übrig läßt, man habe bei dem besten Vorsatz die Beschwerden nicht voraus gesehen, die man nur nachher während der Amtsverwaltung erfahren habe, und die Pflichtübertretungen würden auch, wenn ihre Summierung durch Aufmerker bevorstände, mehr Besorgnis der Anklage wegen erregen, als wenn sie bloß eine nach der anderen (über welche die vorigen vergessen sind) gerügt würden. – Was aber das Beschwören des Glaubens ( de credulitate) betrifft, so kann dieses gar nicht von einem Gericht verlangt werden. Denn erstlich enthält es in sich selbst einen Widerspruch: dieses Mittelding zwischen Meinen und Wissen, weil es so etwas ist, worauf man wohl zu wetten, keinesweges aber darauf zu schwören sich getrauen kann. Zweitens begeht der Richter, der solchen Glaubenseid dem Parten ansinnte, um etwas zu seiner Absicht Gehöriges, gesetzt es sei auch das gemeine Beste, auszumitteln, einen großen Verstoß an der Gewissenhaftigkeit des Eidleistenden, teils durch den Leichtsinn, zu dem er verleitet und wodurch der Richter seine eigene Absicht vereitelt, teils durch Gewissensbisse, die ein Mensch fühlen muß, der heute eine Sache, aus einem gewissen Gesichtspunkt betrachtet, sehr wahrscheinlich, morgen aber, aus einem anderen, ganz unwahrscheinlich finden kann, und lädiert also denjenigen, den er zu einer solchen Eidesleistung nötigt.
Übergang von dem Mein und Dein im Naturzustande zu dem im rechtlichen Zustande überhaupt
Der rechtliche Zustand ist dasjenige Verhältnis der Menschen unter einander, welches die Bedingungen enthält, unter denen allein jeder seines Rechts teilhaftig werden kann, und das formale Prinzip der Möglichkeit desselben, nach der Idee eines allgemein gesetzgebenden Willens betrachtet, heißt die öffentliche Gerechtigkeit, welche in Beziehung entweder auf die Möglichkeit, oder Wirklichkeit, oder Notwendigkeit des Besitzes der Gegenstände (als der Materie der Willkür) nach Gesetzen in die beschützende (iustitia tutatrix), die wechselseitig erwerbende (iustitia commutativa) und die austeilende Gerechtigkeit ( iustitia distributiva) eingeteilt werden kann. – Das Gesetz sagt hiebei erstens bloß, welches Verhalten innerlich der Form nach recht ist ( lex iusti); zweitens, was als Materie noch auch äußerlich gesetzfähig, d. i. dessen Besitzstand rechtlich ist ( lex iuridica); drittens, was und wovon der Ausspruch vor einem Gerichtshofe in einem besonderen Falle unter dem gegebenen Gesetze diesem gemäß, d. i. Rechtens ist ( lex iustitiae), wo man denn auch jenen Gerichtshof selbst die Gerechtigkeit eines Landes nennt, und, ob eine solche sei oder nicht sei, als die wichtigste unter allen rechtlichen Angelegenheiten gefragt werden kann.
Der nicht-rechtliche Zustand, d. i. derjenige, in welchem keine austeilende Gerechtigkeit ist, heißt der natürliche Zustand ( status naturalis). Ihm wird nicht der gesellschaftliche Zustand (wie Achenwall meint), und der ein künstlicher ( status artificialis) heißen könnte, sondern der bürgerliche (status civilis) einer unter einer distributiven Gerechtigkeit stehenden Gesellschaft entgegen gesetzt; denn es kann auch im Naturzustande rechtmäßige Gesellschaften (z. B. eheliche, väterliche, häusliche überhaupt und andere beliebige mehr) geben, von denen kein Gesetz a priori gilt: »Du sollst in diesen Zustand treten«, wie es wohl vom rechtlichen Zustande gesagt werden kann, daß alle Menschen, die mit einander (auch unwillkürlich) in Rechtsverhältnisse kommen können, in diesen Zustand treten sollen.
Man kann den ersteren und zweiten Zustand den des Privatrechts, den letzteren und dritten aber den des öffentlichen Rechts nennen. Dieses enthält nicht mehr oder andere Pflichten der Menschen unter sich, als in jenem gedacht werden können; die Materie des Privatrechts ist eben dieselbe in beiden. Die Gesetze des letzteren betreffen also nur die rechtliche Form ihres Beisammenseins (Verfassung), in Ansehung deren diese Gesetze notwendig als öffentliche gedacht werden müssen. Selbst der bürgerliche Verein (unio civilis) kann nicht wohl eine Gesellschaft genannt werden; denn zwischen dem Befehlshaber (imperans) und dem Untertan (subditus) ist keine Mitgenossenschaft; sie sind nicht Gesellen, sondern einander untergeordnet, nicht beigeordnet, und die sich einander beiordnen, müssen sich eben deshalb unter einander als gleich ansehen, so fern sie unter gemeinsamen Gesetzen stehen. Jener Verein ist also nicht sowohl als macht vielmehr eine Gesellschaft.
Aus dem Privatrecht im natürlichen Zustande geht nun das Postulat des öffentlichen Rechts hervor: du sollst im Verhältnisse eines unvermeidlichen Nebeneinanderseins mit allen Anderen aus jenem heraus in einen rechtlichen Zustand, d. i. den einer austeilenden Gerechtigkeit, übergehen. – Der Grund davon läßt sich analytisch aus dem Begriffe des Rechts im äußeren Verhältnis im Gegensatz der Gewalt (violentia) entwickeln.
Niemand ist verbunden, sich des Eingriffs in den Besitz des Anderen zu enthalten, wenn dieser ihm nicht gleichmäßig auch Sicherheit gibt, er werde eben dieselbe Enthaltsamkeit gegen ihn beobachten. Er darf also nicht abwarten, bis er etwa durch eine traurige Erfahrung von der entgegengesetzten Gesinnung des letzteren belehrt wird; denn was sollte ihn verbinden, allererst durch Schaden klug zu werden, da er die Neigung der Menschen überhaupt über andere den Meister zu spielen (die Überlegenheit des Rechts anderer nicht zu achten, wenn sie sich der Macht oder List nach diesen überlegen fühlen) in sich selbst hinreichend wahrnehmen kann, und es ist nicht nötig, die wirkliche Feindseligkeit abzuwarten; er ist zu einem Zwange gegen den befugt, der ihm schon seiner Natur nach damit droht. ( Quilibet praesumitur malus, donec securitatem dederit oppositi.)
Bei dem Vorsatze, in diesem Zustande äußerlich gesetzloser Freiheit zu sein und zu bleiben, tun sie einander auch gar nicht unrecht, wenn sie sich unter einander befehden; denn was dem Einen gilt, das gilt auch wechselseitig dem Anderen, gleich als durch eine Übereinkunft ( uti partes de iure suo disponunt, ita ius est): aber überhaupt tun sie im höchsten Grade daran unrecht Dieser Unterschied zwischen dem, was bloß formaliter, und dem, was auch materialiter unrecht ist, hat in der Rechtslehre mannigfaltigen Gebrauch. Der Feind, der, statt seine Kapitulation mit der Besatzung einer belagerten Festung ehrlich zu vollziehen, sie bei dieser ihrem Auszuge mißhandelt, oder sonst diesen Vertrag bricht, kann nicht über Unrecht klagen, wenn sein Gegner bei Gelegenheit ihm denselben Streich spielt. Aber sie tun überhaupt im höchsten Grade unrecht, weil sie dem Begriff des Rechts selber alle Gültigkeit nehmen und alles der wilden Gewalt gleichsam gesetzmäßig überliefern und so das Recht der Menschen überhaupt umstürzen. in einem Zustande sein und bleiben zu wollen, der kein rechtlicher ist, d. i. in dem niemand des Seinen wider Gewalttätigkeit sicher ist.