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Die Verhandlungen mit Rußland und Holland waren also gescheitert. Politische Beziehungen zu fremden Mächten und bedeutende eigene Interessen hatten die beiden um Hilfe angegangenen Staaten bewogen, das englische Gesuch um Überlassung von Soldaten abzuweisen. Unter diesen Umständen mußte sich denn das Ministerium anderwärts nach Truppen umsehen und diese nehmen, wo sie nur zu haben waren – so blieb denn Deutschland die einzige Quelle, aus der man seinen dringenden Bedarf an Soldaten zu schöpfen hoffen konnte.
Wie England im ganzen vorigen Jahrhundert in Kriegszeiten Truppenlieferungsverträge mit den dortigen kleinen Fürsten abgeschlossen hatte, so war es auch seit langen Jahren gewohnt gewesen, von dort auf eigene Hand seine Rekruten zu beziehen. Zwar verbot der Regensburger Reichstag zuzeiten das Rekrutieren; allein nichtsdestoweniger hatten die britischen Werbeoffiziere am ganzen Rhein, in Frankfurt a. M., Neuwied und an der preußischen Grenze bei Kleve ihre Stationen. Die Kurfürsten von Köln, Trier und Mainz wandten auch jetzt so wenig wie früher etwas dagegen ein, daß die durch den amerikanischen Krieg, Desertion und Krankheit gelichteten Reihen der englischen Regimenter durch deutsche Rekruten wieder vollzählig gemacht wurden. Wie viele Deutsche auf diese Weise jährlich in den englischen Kolonien und namentlich während des Krieges in Amerika verbraucht wurden, ist schwer zu sagen, weil jeder Anhaltspunkt für ihre Schätzung fehlt und weil viel wichtigere Dinge die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen.
Kaum wurde übrigens in Deutschland die Verlegenheit bekannt, in der sich der König von England wegen der Ergänzung seiner Regimenter befand, als entlassene Offiziere aller Grade, vom Kroaten-Oberst an bis zum hannoverschen Oberstleutnant, und sonstige durch den Frieden überflüssig gewordene, aus dem Siebenjährigen Krieg stammende Abenteurer sich zur Beschaffung deutscher Rekruten erboten. Georg III. war trotz der übertriebenen Auffassung seiner königlichen Machtfülle doch ein gewissenhafter und ein im bürgerlichen Sinn des Wortes durchaus moralischer Mann; er hatte deshalb auch seine Bedenken, die ihm angetragenen Dienste anzunehmen.
»Deutschen Offizieren Patente zu geben, damit sie mir Rekruten schaffen«, sagte er, »heißt eigentlich auf gut Englisch nichts als mich selbst zu einem Menschendieb machen, welches Geschäft ich durchaus nicht als ehrenvoll betrachten kann.« Indessen überwog doch zuletzt die politische Notwendigkeit derartige Skrupel. Bancroft, VIII, 254.
Georg ließ also zunächst mit dem hannoverschen Oberstleutnant Scheither einen Vertrag abschließen, wonoch dieser unverzüglich 4000 Rekruten in Deutschland anwerben sollte. Diese Rekruten waren in Stade an Faucitt abzuliefern, der zu diesem Zweck noch nach Einschiffung der fünf hannoverschen Bataillone in Deutschland blieb, jedoch bis Mitte November nur 150 Rekruten in Empfang nahm. Das Ministerium überzeugte sich bald, daß es auf diesem langsamen Weg nie zum Ziel gelangen würde, ließ deshalb den ursprünglichen Plan auch fallen und entschloß sich zur Anknüpfung von direkten Verhandlungen mit den kleineren deutschen Fürsten. Diese kannten weder politische Bedenken, noch hatten sie außer ihrem Geldbeutel eigene Interessen; zudem erfreuten sie sich des zweifelhaften Glücks, in der europäischen Staatenfamilie einen so untergeordneten Rang einzunehmen, daß man sich um ihr Tun und Treiben gar nicht kümmerte, geschweige denn von ihren Handlungen eine Störung des künstlichen europäischen Gleichgewichtes abhängig machte. Andererseits war der deutsche Reichsverband in sich so lose und zerfallen, daß der Kaiser ihnen kein ernstliches Hindernis in den Weg zu legen wagte.
Jetzt endlich, nachdem man sich in London gegen ihre direkten und indirekten Winke so lange blind gestellt hatte, jetzt, nach dem Fehlschlag der bisherigen Verhandlungen und aller sonstigen Versuche zur Beschaffung von Truppen, eröffnete sich den Landesvätern eine sichere Aussicht auf glänzende Geschäfte. Die Geschichte ist ihnen das Zeugnis schuldig, daß sie sich für die beleidigende Hintansetzung in ihrer Weise empfindlich zu rächen und die günstigen Konjunkturen des Marktes gehörig auszubeuten und zu verwerten verstanden. Das englische Ministerium hatte sich mit der Anknüpfung von Verhandlungen mit den deutschen Fürsten deshalb nicht übereilt, weil es, solange es noch Aussicht auf Erlangung einer einzigen großen, einheitlich organisierten Hilfsarmee zu haben glaubte, dieser im Interesse des Dienstes den Vorzug gab; weil es andererseits aber ganz gut wußte, daß einzelne deutsche Korps zu jeder Zeit zu haben waren und daß die dortigen Fürsten nichts sehnlicher wünschten, als ihre Soldaten an England verkaufen zu können. Über die deutschen Verhältnisse und die Gewißheit, Truppen in Deutschland zu erlangen, war es ganz gut durch Sir Joseph Yorke, den bereits erwähnten Gesandten im Haag, unterrichtet, der schon im Sommer 1775 den Auftrag erhalten hatte, sich auf dem Kontinent des guten Willens der Freunde des Königs und der Zahl und Bedingungen der von ihnen möglicherweise zu liefernden Soldaten zu vergewissern. Yorke berichtete schon im September 1775 nach Hause Siehe Anhang sub I und II., daß Hessen-Kassel, Hessen-Darmstadt, Württemberg, Sachsen-Gotha und Baden zu irgendeiner Zeit eine beliebige Anzahl Truppen zu billigen Preisen zu liefern imstande und bereit seien. Vor allem bemühte sich schon im August 1775 der Erbprinz von Hessen-Kassel um einen Lieferungsvertrag mit England, und ihm folgte zunächst der Fürst von Waldeck; ihre im servilsten Ton gehaltenen Anerbietungen verdienen im Original gelesen zu werden. Siehe Anhang sub III-VIII. Braunschweig und Kassel verhielten sich vorläufig abwartend.
Es war übrigens jetzt Gefahr im Verzug. Wollte die Regierung den Feldzug von 1776 energisch eröffnen, so mußte sie an eine schleunige Verstärkung denken; sie beauftragte also Oberst Faucitt mit der Leitung der Verhandlungen. Lord Suffolk, der Minister des Auswärtigen, schickte ihm am 14. November 1775 folgende Instruktion nach Stade: S. P. O. German States, Vol. 101.
Reisen Sie sofort nach Empfang dieser Depesche unter irgendwelchem Vorwand nach Braunschweig, und suchen Sie dort zu ermitteln, ob der Herzog willens ist, dem König eine Anzahl seiner Truppen für den Dienst in Amerika zu überlassen. Sie können sich darüber leicht beim Erbprinzen unterrichten. Wenn Serenissimus geneigt ist, dem König beizustehen, so überreichen Sie unverzüglich das einliegende Beglaubigungsschreiben und beginnen Sie ohne jeden Zeitverlust Ihre Unterhandlungen.
Ich sende Ihnen zugleich einliegend Abschriften der früheren, namentlich im letzten Krieg abgeschlossenen Subsidienverträge. Sie können diesmal im Notfall die höchsten der früher festgesetzten Preise zahlen. Abweichende Bestimmungen in den einzelnen Punkten, wenn sie sonst im ganzen auf dasselbe herauskommen, bleiben Ihrer Diskretion überlassen. Obgleich uns in unserer gegenwärtigen Lage weniger als sonst an den Kosten liegt, so dürfen Sie auf der anderen Seite doch auch nicht verschwenden, und es wird Ihnen hoch angerechnet werden, wenn Sie möglichst billige Bedingungen zu erlangen imstande sind. Es wird mit einem gewissen Grad von Recht und Billigkeit geltend gemacht werden, daß der von uns verlangte Dienst neu und für ferne Lande bestimmt ist. Wenn wir das auch zugeben müssen, so hat der amerikanische Krieg doch nichts mit irgendeiner europäischen Macht zu tun, und kann die Beteiligung daran für keinen Deutschen nachteilige Folgen haben.
Was nun die weite Entfernung betrifft, so muß zugestanden werden, daß die Truppen zum Teil wenigstens durch neue Aushebungen vollzählig zu erhalten sind, die für den aushebenden Fürsten zu einer neuen Last werden, wenn irgendein glückliches Ereignis den Kampf bald beenden würde. Sie können diesem Einwand, wenn er stark betont werden sollte, damit begegnen, daß Sie sich verpflichten, daß die Subsidie während der wirklichen Verwendung der Truppen in Kraft bleiben und erst sechs Monate nach gegebener Kündigung aufhören soll. Wenn mehr als sechs Monate beansprucht werden, so berichten Sie vorher darüber an mich.
Bei früheren Gelegenheiten war es nichts Ungewöhnliches, daß der seine Truppen vermietende Fürst den Überschuß für sich behalten hat, der sich aus dem Unterschied zwischen englischer und deutscher Löhnung ergab. Das kann im gegenwärtigen Fall nicht gestattet werden, weil es für uns sehr wichtig ist, daß der Soldat ermutigt wird, seinen Dienst in Amerika freudig zu tun.
Wir glauben kaum, daß der Herzog von Braunschweig mehr als 3000-4000 Mann liefern kann. Ihre Aufgabe ist, soviel als möglich für den Krieg in Amerika von ihm zu erlangen. Der König gibt Ihnen zugleich einen ähnlichen Auftrag für Kassel. Finden Sie in Ihrer Unterhaltung mit dem Erbprinzen, daß sich in Braunschweig nichts machen und erwarten läßt, so reisen Sie sofort nach Kassel, wo Sie Mittel und Wege finden werden, dem Landgrafen auf den Zahn zu fühlen und im übrigen geradeso wie in Braunschweig zu handeln. Es läßt sich kaum voraussetzen, daß der Landgraf mehr als 5000 Mann liefern kann; versuchen Sie jedenfalls, auch hier soviel als möglich zu bekommen.
Wenn Sie in Braunschweig Aussicht auf Erfolg haben, so ergreifen Sie den ersten günstigen Moment und machen Sie einen Vorschlag, oder nehmen Sie einen Ihnen gemachten an. Reisen Sie, nachdem Sie mir Bericht erstattet haben, sofort nach Kassel. Sind Sie dort sicher, durchzudringen oder abschlägig beschieden zu werden, so gehen Sie nach Braunschweig zurück und schließen Sie mit dem Herzog ab.
Es ist in dieser Sache überhaupt die größte Tätigkeit erforderlich, da der König sich in der einen oder anderen Weise ohne Zeitverlust darüber verlässigen will, ob und wie schnell er fremde Truppen für Amerika erhalten kann. Zu diesem Zweck schicke ich Ihnen zwei Kuriere, die Ihnen als Ihre Bedienten nach Braunschweig und Kassel folgen sollen, und deren einen Sie sofort, nachdem Sie selbst Gewißheit darüber erlangt haben, ob Truppen zu haben sind, noch vor Erledigung aller Förmlichkeiten hierher zurückschicken wollen.
Es entspricht weder der Würde noch dem Interesse Ihres Hofes, daß Sie, wenn es überhaupt vermieden werden kann, als erfolgloser Bittsteller bei irgendeinem Fürsten auftreten. Meine eigenen Hoffnungen für den günstigen Abschluß des Ihnen anvertrauten Geschäftes, ich gestehe es offen, sind nicht sehr sanguinisch. Treten Sie also in Ihrer amtlichen Eigenschaft nicht eher auf, als bis Sie eine sichere Aussicht auf Erfolg vor sich haben.
Faucitt erhielt dieses Schreiben am 24. November 1775 in Stade, wo er durch die Einmusterung der Scheitherschen Rekruten noch aufgehalten worden war, und reiste einige Stunden nach seinem Empfang mit Extrapost über Hannover nach Braunschweig ab. Die Nächte waren aber so dunkel und die Wege so schlecht – Faucitt nennt sie in seinem Bericht die schlechtesten in Europa –, daß er erst nach fünftägiger Reise in letzterer Stadt ankam. Der englische Gesandte war hier kein Fremder: Er war während des Siebenjährigen Krieges, wo er unmittelbar unter dem Erbprinzen gedient hatte, öfter sowohl in Braunschweig als in Kassel gewesen und von jener Zeit her mit den jetzt einflußreichsten Personen beider Residenzen bekannt. Die Vorteile dieser persönlichen Beziehungen wurden von ihm aber nicht gehörig ausgebeutet, da er in seinem Auftreten nicht entschieden genug und in seinem Urteil nicht selbständig war. Ein stolzer englischer Lord, der die hinter der glänzenden Außenseite lauernde Misere jener Höfe sofort erkannt und diese Welt des Scheins rücksichtslos im Interesse seines Landes auszubeuten verstanden hätte, wäre besser am Platz gewesen; Faucitt war bloß eine subalterne Natur und als solche allen Details seiner Aufgabe vollständig gewachsen. Er arbeitete in der Tat von morgens bis abends mit gewissenhaftestem Fleiß, mit anerkennenswertester Uneigennützigkeit; allein es fehlte ihm das richtige Verständnis für seine Stellung. Er war zu sehr untergeordneter Hofmann, den ein freundliches Lächeln des Fürsten leicht erobert, ein »Snob«, der vor Titeln, Rang und äußerem Glanz einen angeborenen Respekt hat und für jede Herablassung der Höhergestellten dankbar ist. Aus diesem Grunde wurde er ein Spielball in den Händen einsichtiger, kühler und berechnet handelnder Personen, während er mit Entschiedenheit und Grobheit jede Forderung, selbst die härteste, durchgesetzt und England Hunderttausende erspart hätte.
Herzog Karl I. von Braunschweig (1735-80), mit dem Faucitt zunächst zu tun hatte, war einer der prachtliebendsten, leichtsinnigsten und verschuldetsten Fürsten, von denen Deutschland im vorigen Jahrhundert heimgesucht war. Sein Ländchen, das bei einer Größe von ungefähr sechzig Quadratmeilen mit etwa 150 000 Einwohnern kaum anderthalb Millionen Taler Einkünfte abwarf, war zwar durch den Siebenjährigen Krieg hart mitgenommen worden, aber erst des Herzogs üble Wirtschaft hatte es an den Rand eines Bankrotts gebracht – die Schulden beliefen sich auf nahezu zwölf Millionen Taler. Karl lebte aber auf einem Fuß, als ob ihm die reichen Hilfsquellen eines großen Königreichs zu Gebote ständen. Italienische Oper und französisches Ballett, auswärtige und einheimische Huren, Militärspielerei und Alchemie verschlangen ungeheure Summen. Der Theaterdirektor und Kuppler Nicolini, ein unbedeutender italienischer Abenteurer, hatte 30 000 Taler jährliches Gehalt; einer der größten Männer der Neuzeit aber, G. E. Lessing, der zu jener Zeit in der bescheidenen Stellung eines herzoglichen Bibliothekars seine Nation veredelte und zum Bannerträger des freien Geistes erhob, bezog ein Gehalt von 300 Talern jährlich. Dort lernte er »lieber hungern als niederträchtig sein« – mußte er doch um eine armselige Gehaltszulage von 200 Taler länger als drei Jahre supplizieren! »Es ist ein Irrtum«, schrieb er seiner Freundin und späteren Gattin, Frau König, aus Wolfenbüttel, »daß kleine Souveräne den Gelehrten und Künstlern förderlich seien; sie sind es nur in dem Maße, als Wissenschaft und Kunst ihnen Amüsement machen und man ihnen hofmännisch schmeichelt. Das verstehe ich nicht ... Ich fühle mich hier, als wäre ich in einen Sarg gedrückt; ich kann keine Bücklinge machen, um mich zu empfehlen. Lichtenberg verkümmert im kleinen Göttingen, Moser im kleinen Osnabrück; beide zehren von den Erinnerungen aus England – wie ich aus Leipzig und Berlin.«
Erst Anfang der siebziger Jahre wurde in diese wüste Braunschweiger Wirtschaft etwas Ordnung eingeführt, als infolge der ständigen Finanznot von dem zum Mitregenten ernannten Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand die Landstände einberufen wurden; es durfte ohne dessen Mitunterschrift fortan kein Geld mehr ausgegeben werden. Karl Wilhelm Ferdinand, der seinem Vater während des amerikanischen Krieges 1780 als Herzog folgte, als preußischer General 1787 in Holland und 1792 in Frankreich kommandierte und, in der Schlacht bei Auerstedt seines Augenlichts beraubt, bald darauf in Ottensee bei Hamburg starb, war ebenso sparsam wie sein Vorgänger verschwenderisch. Ein Zögling des bekannten Abtes Jerusalem, dem Ordens- und Gesellschaftswesen jener Zeit von Herzen zugetan, zwischen mystischem Glauben und Voltaireschem Unglauben schwankend, ein begeisterter Verehrer des französischen Wesens, dabei ein schöner Mann, sinnlich, gefallsüchtig und Meister der Repräsentation, stand er in engeren Beziehungen zum englischen Hofe, da er eine Schwester Georgs III., Lady Auguste, zur Frau hatte. Da sie unbedeutend und ungebildet war, so entschädigte sich Ferdinand durch schöne und geistreiche Mätressen, wie die von Goethe bewunderte italienische Gräfin Branconi, deutsche Baroninnen und französische Schauspielerinnen. Im übrigen knauserte er, wo er nur konnte, um die Schulden seines Vaters zu bezahlen, und war ebenso gewissenlos als unermüdlich in der Findung neuer Hilfsquellen zur Verbesserung seiner ökonomischen Lage. Ein italienisches Lotto, dessen Pacht dem Geheimen Rat und Minister Feronce überlassen war, tat in dieser Beziehung zwar sehr gute Dienste, reichte indessen zur Hebung der zerrütteten Finanzen allein noch nicht aus. Es galt also, da sich die Goldmacherei des alten Herzogs nicht bewährt hatte, noch andere außerordentliche Mittel flüssig zu machen.
Mitten über diesen Versuchen und Plänen zur Verbesserung des herzoglichen Haushalts traf Faucitt in Braunschweig ein. Ein Engel vom Himmel hätte zu keiner günstigeren Stunde zum dortigen Hof herniedersteigen und goldenen Segen spenden können als der englische Kommissär. Es kam jetzt darauf an, ihn gehörig auszubeuten. Er hatte, wie wir aus seiner Instruktion ersehen, den Auftrag, zuerst den damals fast allein gebietenden Erbprinzen zu sondieren und diesem einen Privatbrief des Königs zu überreichen. Faucitt, statt erst die Verhältnisse zu prüfen und sich der für ihn daraus ergebenden Vorteile zu versichern, hatte kaum die Reisekleider ausgezogen, als er am Abend des Tages seiner Ankunft, am 29. November, dem Erbprinzen seine Aufwartung machte. Sobald dieser sich überzeugt hatte, daß der Engländer nichts von seinen häuslichen Verlegenheiten und der Finanznot blasser Wehmut wußte, nahm er die ihm so gut stehende Miene des herablassenden Gönners und Beschützers an.
»Der Erbprinz«, berichtet Faucitt am 1. Dezember 1775 an Suffolk, S. P. O. German Papers, Vol. 101, wo auch die in diesem Kapitel vorkommende Privatkorrespondenz zwischen Suffolk und Faucitt steht. »gab mir die stärksten Versicherungen, daß er den königlichen Vorschlag billige und daß er all seinen Einfluß auf den regierenden Herzog zu dessen Durchführung aufbieten wolle. Er verbürgte sich übrigens nicht dafür, daß sein Vater unbedingt darauf eingehen werde, da er nur ungern so viele seiner Untertanen in einem unbekannten, so sehr entfernten Land verwendet sehe, und fragte mich, ob nicht die Bestimmung der braunschweigischen Truppen besser nach Irland statt nach Amerika geändert werden könne, was ich natürlich unbedingt verneinte. Dann wünschte der Erbprinz, daß wenigstens ein Teil der Truppen nach Gibraltar und Minorca geschickt werden möge. Ich erwiderte ihm, daß bereits fünf Bataillone aus dem Kurfürstentum dahin gesandt seien, daß also eine Änderung nicht mehr stattfinden könne. Schließlich forderte mich der Prinz auf, von meinem Beglaubigungsschein nicht eher Gebrauch zu machen, als bis ich sicher sei, daß der Herzog auf meinen Antrag eingehen wolle.«
Der Erbprinz hatte jetzt das Spiel in den Händen und dabei den Vorteil, es mit einem höchst unerfahrenen Anfänger zu tun zu haben. Am 30. November riet er ihm in einem freundschaftlichen, elegant geschriebenen französischen Briefchen, das natürlich seinen Eindruck auf den Empfänger nicht verfehlte, vorläufig nur als Privatmann bei Hof zu erscheinen, da der Herzog sich sehr schwierig zeige, erklärte ihm aber seine Bereitwilligkeit, ihn von allem in Kenntnis zu setzen, was dazu dienen könne, die Absichten des Königs zu fördern. Am 1. Dezember führte er weiter aus, wie schwer es sei, den Herzog trotz seiner finanziellen Verlegenheiten zu dem beabsichtigten Vertrag zu bewegen, da die Soldaten in seinen alten Tagen sein einziges Vergnügen, seine einzige Erholung seien. Am dritten Tag endlich, am 2. Dezember, wurde durch die unausgesetzten Bemühungen des Erbprinzen die Zustimmung des Herzogs erlangt.
»Der regierende Herzog«, schreibt Faucitt am 2. Dezember an Suffolk, »hat endlich [nach zwei Tagen!!] eingewilligt, einen Truppenkörper für Sr. Majestät Dienst in Amerika zu stellen; infolgedessen habe ich heute mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Der Herzog empfing mich äußerst gnädig, erklärte, des Königs Wunsch aus allen Kräften erfüllen und ein so starkes Korps stellen zu wollen, als die Lage der Dinge ihm gestatten werde. Er sagte, er habe Herrn von Feronce mit den Verhandlungen in dieser Angelegenheit betraut. Ich kenne diesen Minister schon lange. Er ist ein fähiger und erfahrener, redlicher Mann, der Schlichen und Kniffen feind ist. Ich weiß noch nicht, wie groß die Zahl der Soldaten sein wird; jedoch gab mir der Erbprinz zu verstehen, daß sie nicht weniger als 4000 Mann betragen würde und daß wir sie Anfang des Frühjahrs haben könnten.«
Der Herzog beantwortete den Brief des Königs am 5. Dezember, und zwei Tage darauf war schon der Vertrag zwischen Faucitt und Feronce abgeschlossen, der mit einigen nicht sehr erheblichen Abänderungen schließlich am 9. Januar 1776 angenommen wurde.
Der Herzog verpflichtete sich in diesem Vertrag, der Krone Englands 3964 Mann Infanterie und 336 Dragoner – im ganzen also 4300 Mann – in zwei Divisionen für den Krieg in Amerika zu überlassen. Von diesen, mit Ausnahme der Pferde, vollständig auf Kosten des Herzogs zu equipierenden, mit Zelten und sonstigen Utensilien zu versehenden Truppen sollte die erste, aus 2282 Mann bestehende Division bereits am 25. Februar im Hafen sein, die letzte Division aber in der letzten Woche des März 1776 abmarschieren. Sie müssen am Ort der Einschiffung vom englischen Kommissär besichtigt werden, der jeden ihm untauglich erscheinenden Soldaten verwerfen kann und den Trappen den Eid der Treue für den König von England abnimmt. Die Besetzung der vakanten Stellen behält sich der Herzog vor, die Verwendung der Truppen in Amerika bestimmt aber der König. Um ihre Desertion auf dem Marsch zu verhindern, erläßt der König von England als Kurfürst von Hannover an seine eigenen Behörden den Befehl, jeden Deserteur aufzugreifen und am Einschiffungsplatz dem Regiment zu überliefern. Ebenso verpflichtet sich der Herzog von Braunschweig, die nötig werdenden Rekruten jährlich zu liefern, nachdem ihm wenigstens vier Monate vorher Kenntnis von der zu ergänzenden Zahl gegeben ist. Die Truppen stehen in Löhnung und sonstigen Vorteilen – wie Verpflegung, Behandlung in den königlichen Hospitälern, Fourage etc. – ganz den königlichen Truppen gleich, und der Herzog verpflichtet sich, ihnen namentlich ihre ganze Löhnung ungeschmälert zukommen zu lassen. Die Schwerverwundeten und Dienstunfähigen werden auf königliche Kosten an die Mündung der Elbe und Weser zurückgeschafft, und die Dragoner sollen von dem Tag an, da sie beritten gemacht werden, auf demselben Fuß mit der königlichen leichten Kavallerie stehen.
Der Herzog erhält für jeden Fußsoldaten 30 Kronen Banko (gleich 51 Taler 15 Silbergroschen preußisch) Werbegeld; ein Drittel davon soll einen Monat nach Zeichnung des Vertrags, und die anderen zwei Drittel sollen zwei Monate später bezahlt werden. Für die Soldaten, die am Tag der Musterung nicht anwesend sind, wird dieses Werbegeld natürlich entweder gar nicht oder erst dann bezahlt, wenn sie sich bei ihren Regimentern gestellt haben. Drei Verwundete gelten als ein Toter, und ein Toter wird nach der Rate des Werbegeldes mit 30 Kronen bezahlt.
Sollte durch eine Seuche, einen Schiffbruch, eine Belagerung oder eine Schlacht ein außerordentlich großer Verlust in einem Regiment oder Korps eintreten, so wird der König von England außerdem in der billigsten und liberalsten Weise den Verlust der Offiziere oder Soldaten ersetzen und die Kosten für neue Rekrutierungen tragen, um das von einem solchen Unglück betroffene Korps wieder vollzählig zu machen. Zur Vergütung für die außerordentlichen Kosten, die durch die plötzliche Mobilmachung erwachsen sind, wird der Übertritt der Truppen in den englischen Dienst antedatiert und ihnen Löhnung für zwei Monate vor dem Tag ihres Abmarsches ausbezahlt. Die jährliche an Braunschweig zu zahlende Subsidie, die mit dem Tag der Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages beginnt, ist eine einfache für die Zeit, da die braunschweigischen Truppen in englischen Diensten stehen, und beträgt 64 500 deutsche Kronen (gleich 11 517/17/ 1½ £Stg) per Jahr; sie wird aber verdoppelt, beläuft sich also auf 129 000 Kronen, von dem Tag an, an dem die braunschweigischen Truppen in ihre Heimat zurückkehren, und wird von diesem Zeitpunkt an noch zwei Jahre lang an den Herzog bezahlt. Siehe Anhang sub X.
Sehen wir jetzt, wie der Vertrag in dieser seiner definitiven Fassung zustande kam, und lassen wir Faucitt und Suffolk die Geschichte der Verhandlungen selbst erzählen.
»Einliegend«, schreibt jener am 7. Dezember 1775 an Suffolk, »Entwurf eines Vertrags mit dem Herzog von Braunschweig für 4000 Infanteristen und 300 leichte Dragoner. Ich wollte eigentlich keine Kavallerie, da ich zu wissen glaube, daß Sie keine wünschen. Ich ließ sie mir aber gefallen und bestand nicht auf meinem Widerspruch, weil das Korps dem zum Kommando bestimmten Oberst Riedesel gehört und weil ich es für das Beste hielt, am Anfang der Verhandlungen lieber etwas nachzugeben als schwierig zu erscheinen. Das Werbegeld ist so niedrig, wie ich es nach langem Hinundherreden nur festsetzen konnte. Von den zuerst verlangten 60 deutschen Reichstalern habe ich es auf 30 Banko-Taler [gleich 43 deutsche Reichstaler] gebracht; es ist dies derselbe Preis, der bei der Marburger Übereinkunft bewilligt wurde. Ihr entsprechend mußte ich mir auch gefallen lassen, daß der Anfang der englischen Löhnung auf zwei Monate vor dem Abmarsch des Korps festgesetzt wurde. Man bestand sogar anfangs auf drei Monaten; es gelang mir aber, einen Monat abzuhandeln.
Der Subsidienartikel war übrigens der wichtigste und schwierigste. Zuerst wurden, bis das Korps die englische Löhnung bezog, 120 000 Banko-Taler verlangt, 70 000 Banko-Taler so lange, als es diese erhielt, und wieder 120 000 Banko-Taler für den Zeitraum von sechs Jahren nach der Rückkehr der Truppen in ihr Vaterland. Nach zweitägigem Streit über diesen Punkt kamen wir endlich dahin überein, daß jeder Teil seinen Vorschlag zu Papier bringen und Ihnen zur Entscheidung vorlegen sollte. Übrigens wird sich der Herzog in diesem Punkt dem König fügen. Er bittet nur, daß er im Fall einer plötzlichen Beendigung des amerikanischen Krieges in den Stand gesetzt werde, die außerordentliche Last zu tragen, die diese neue Aushebung ihm auferlegen wird. Der letzte [im definitiven Vertrag gestrichene] Artikel, worin der Herzog verlangt, daß zwei Bataillone seiner Truppen, nämlich 1160 Mann, irgendwo in Europa garnisonieren sollten, wurde von mir auf das äußerste bekämpft. Der Herzog drang aber darauf, daß sein Vorbehalt dem König vorgelegt werden solle; er sei, wie er sagte, diesen Regimentern ganz besonders zugetan und dann eifersüchtig auf die den Hannoveranern im Mittelmeer zugewiesenen Garnisonen. Er wird sich aber mit der Zeit den Wünschen des Königs fügen. In der Voraussetzung, daß der Vertrag in der einen oder anderen Form abgeschlossen wird, habe ich für jeden Rekruten, der diensttüchtig in Harburg abgeliefert wird, dreißig Taler versprechen müssen, da der Herzog, um keine Zeit zu verlieren, sofort rekrutieren wollte; sie sind natürlich verloren, wenn der Vertrag nicht zustande kommt.«
Suffolk war so sehr wegen der günstigen Aussichten erfreut, die ihm Faucitts Bericht bot, daß er gar nicht handelte und feilschte, sofern er nur sein Ziel, die schnelle Verschiffung der Truppen nach Amerika, erreichen konnte. »Ich geben Ihnen«, schreibt er am 22. Dezember 1775 aus St. James an Faucitt, »meine volle Zufriedenheit über Ihren Eifer und Ihre Geschicklichkeit zu erkennen und lege Vollmacht für den Abschluß des Vertrags mit Braunschweig bei. Ihr Entwurf ist auf fünfzehn Artikel reduziert. Alle braunschweigischen Truppen müssen nach Amerika; ihre anderweitige Verwendung ist durchaus unzulässig. Nur keine Verzögerung! Die Zeit, von der Sie sprechen, ist zu lang. Drei von den fünf Bataillonen müssen in der letzten Woche des Februar und der Rest Ende März am Einschiffungsplatz sein. Dieser Punkt ist von äußerster Wichtigkeit; Sie müssen darauf dringen und bestehen. Da die englische Löhnung, wie ich hoffe, ein Mittel ist, ihn durchzusetzen, so ist Se. Majestät damit einverstanden, daß sie zwei Monate vor dem wirklichen Dienst beginnt. Wenn aber die erste Division noch früher marschieren kann, so können Sie die Löhnung verhältnismäßig noch mehr vordatieren.
Die 300 Dragoner sind mehr, als wir brauchen; indessen will der König sie unberitten nehmen, und die Leute sollen die Löhnung unserer leichten Kavallerie haben. Sie haben recht gehabt, daß Sie sich verpflichteten, selbst dann für die Rekruten zu zahlen, wenn der Vertrag nicht zustande kommen sollte. Dringen Sie auf Riedesels Beförderung zum General. Wird den Wünschen Sr. Majestät überall entsprochen, so sind Sie selbst bevollmächtigt, die von Herrn von Feronce verlangte Subsidie zu bewilligen.«
In diesem letzteren Punkt war Faucitt sogar noch vorsichtiger als der Minister, denn es gelang ihm am 9. Januar 1776, den sich auf die Subsidie beziehenden Teil des Vertrags zu günstigeren als den ihm aufgegebenen Bedingungen abzuschließen.
»Der Herzog«, schreibt er am 9. Januar 1776 an Suffolk, »hat endlich alle Einwendungen gegen die Verschiffung seiner Truppen nach Amerika aufgegeben. Die zwei Bataillone, die er in Europa behalten wollte, sind eigentlich die einzigen für uns bestimmten regulären Truppen; sie bilden sein Veteranenregiment, das hauptsächlich aus seinen eigenen Untertanen besteht, während die drei anderen Bataillone – mit einer geringen Ausnahme altgedienter Soldaten und Offiziere – größtenteils rohe Rekruten sind, die aus aller Herren Ländern zusammengestohlen wurden. Wir werden jetzt aber sechs Bataillone haben, die der Mehrzahl nach Braunschweiger sind. Sie sollen in zwei Divisionen an den Einschiffungsplatz Stade marschieren, und die erste davon soll 2282 Mann, die letztere aber 2018 Mann zählen. Im ganzen weicht der nunmehr endgültig abgeschlossene Vertrag wenig von Ihrem Entwurf ab; nur die Subsidie ist geändert – sie ist aber von Anfang an bis zur Rückkehr der Truppen nur einfach. Die zweimonatige Löhnung vor der Übernahme in den englischen Dienst ist beibehalten.
Erlassen Sie sofort die erforderlichen Befehle zum Transport der Truppen und zur Vorbeugung ihrer Desertion in Hannover. Beifolgend eine Aufstellung der Mannschaften, für die das Werbegeld und die zweimonatige Löhnung im voraus verlangt werden. Der Herzog bittet um sofortige Zahlung. Ebenso lege ich auf seinen und des Erbprinzen Wunsch einen Separatartikel bei, der auf das möglicherweise zu erlassende Verbot des Kaisers gegen Truppenanwerbungen für fremde Mächte Bezug hat.«
Suffolk sandte am 20. Januar den ratifizierten Vertrag an Faucitt zurück. »Die verschiedenen Änderungen«, sagt er in seinem Begleitschreiben vom selben Datum, »sind nicht gemißbilligt; aber hinsichtlich der Subsidien enthielten meine Instruktionen keineswegs eine Bevorzugung des Vorschlags von Feronce, sondern nur die Erlaubnis für Sie, ihn dann anzunehmen, wenn Sie dadurch weitergehende Absichten erreichen konnten. Sagen Sie dem Herzog, daß der König den kurfürstlichen Behörden die geeigneten Befehle zur Verhinderung der Desertion gegeben hat. Der vom Herzog und vom Erbprinzen vorgeschlagene Separatartikel wegen des möglicherweise vom Kaiser zu erlassenden Truppenaushebungsverbots für den Dienst fremder Mächte ist genehmigt. Wir halten diesen Vorbehalt für eine überflüssige Vorsichtsmaßnahme und haben ihm nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß der Herzog alles aufbieten wird, sein Korps zu vervollständigen und jedes Hindernis, von welcher Seite es auch kommen mag, zu vereiteln.«
In einem »durchaus privat« bezeichneten Anhang zu obiger offizieller Depesche gibt Suffolk seinem Agenten auf, den Herzog womöglich zu bestimmen, daß er den Separatartikel ganz fahren lasse. »Sie müssen ihm begreiflich machen, daß der ganze Vertrag im Laufe der parlamentarischen Verhandlungen ein Gegenstand der öffentlichen Debatte werden wird, daß der fragliche Artikel, obgleich dem Anschein nach obligatorisch für uns, ohne auf der anderen Seite Sicherheit zu gewähren (und folglich sehr vielen gehässigen Bemerkungen ausgesetzt), nicht allein aus diesem Grunde anstößig ist, sondern daß er sogar einen feindseligen Ausdruck gegen eine andere Macht enthält, und zwar über einen Punkt, der, wenn nicht viel stärkere Gründe dafür sind, besser unerwähnt bliebe. Der für den Herzog daraus herzuleitende Vorteil ist unbedeutend und hängt von einem höchst unwahrscheinlichen Ereignis ab. Wenn aber die Proklamation des Kaisers wirklich in Kraft tritt und unser Rekrutenbedürfnis nach wie vor dasselbe bleibt, so kann es aus anderen Quellen leicht befriedigt werden, so daß kein vernünftiger Grund zur Befürchtung vorliegt, daß während der Zeit ihrer Desertion irgendein Abzug von den Subsidien gemacht werde. Lassen Sie diesen Artikel nur im äußersten Notfall stehen; tun Sie aber, was Sie können, dagegen.«
Der Herzog stand, wie Faucitt am 20. Februar 1776 antwortete, ohne große Schwierigkeit von dem Verlangen des Separatartikels ab, der hauptsächlich vom Erbprinzen angeregt war, worauf denn am 18. Februar die Ratifikation ausgewechselt wurde. Faucitt erhielt einen Diamantring im Wert von 100 Pfund Sterling zum Geschenk. Er habe, sagte er, dessen Annahme nicht ausschlagen können, da ein solches Geschenk von früheren Verträgen her üblich ist. Der Kanzlei des englischen Ministerium des Auswärtigen wies der braunschweigische Minister Feronce 150 Pfund zur Verteilung an und versäumte zu gleicher Zeit nicht, Suffolk um eine Abschlagszahlung von 20 000-30 000 Pfund zu bitten.
Natürlich erhielt auch Feronce ein Geschenk. Es bestand in Bargeld; wieviel, wird in unseren Quellen nicht gesagt, und auch Feronce schweigt darüber in seinem Danksagungsbrief vom 3. April 1776.
Die erste Braunschweiger Division war zur festgesetzten Zeit marschfertig, mußte indessen in ihre Quartiere zurückbeordert werden, weil die englischen Transportschiffe noch nicht in Stade angekommen waren. So marschierte sie unter dem Kommando des Generals Riedesel erst am 22. Februar und kam am 5. März in Stade an, ohne auch nur einen einzigen Mann durch Desertion verloren zu haben. »Ich habe«, schreibt Faucitt am 12. März an Suffolk, »die Grenadiere und Dragoner bereits eingemustert; sie haben viel zu viele alte Leute unter sich. Die vorderen und hinteren Glieder sind aus gesunden und kräftigen Mannschaften gebildet, aber das Zentrum ist nichts wert. Es besteht aus lauter frischen Rekruten, die nicht nur zu klein, sondern auch schlecht gewachsen und teilweise zu jung sind. Prinz Friedrichs Regiment ist das beste. Die Waffen sind alt, aber gut in Ordnung. Die Disziplin ist ausgezeichnet, kein Soldat war betrunken. Jedes Korps wurde einzeln vereidigt. Das dabei beobachtete Verfahren ist dieses: Das ganze Regiment wird in einen Kreis formiert, der Auditeur liest den Eid vor, ermahnt die Truppen, sich als treue, tapfere und ordentliche Soldaten aufzuführen, worauf Offiziere und Mannschaften den rechten Arm erheben und den Eid Wort für Wort nachsprechen. All das ging sehr gut ab, und vom 12. bis 17. März wurde die ganze erste Division eingeschifft.«
Derselbe Herzog von Braunschweig, der seinem Theaterdirektor jährlich 30 000 Taler Gehalt zahlte, der die schönsten und teuersten Mätressen unterhielt und Millionen für den sinnlosesten Luxus vergeudete, wollte oder konnte übrigens nicht einmal brauchbare Uniformen für seine Truppen beschaffen. Sie hatten keine Mäntel und kamen Ende März ganz zerlumpt und zerrissen in Portmouth an; hier mußten sie erst mit Schuhen und Strümpfen versehen werden. Das englische Ministerium streckte dem General Riedesel 5000 Pfund Sterling vor, damit seine Soldaten sich wenigstens die notwendigsten Bedürfnisse kaufen konnten.
Die englischen Kaufleute waren nicht die letzten, aus dieser Not ihren Vorteil zu ziehen. Als man auf See die Kisten mit dem englischen Schuhwerk für die Grenadiere öffnete, fand man dünne und leichte Damenschühchen und überhaupt lauter nutzlose Ware. »Sie müssen im Interesse des Dienstes darauf dringen«, schreibt Suffolk an Faucitt am 2. April 1776, »daß sofort neue Uniformen angeschafft werden. Der Herzog muß sie beizeiten schicken, damit seine Truppen nicht unter der Ungunst des Wetters leiden und damit sie nicht unzufrieden werden, wenn sie ihre Kameraden besser gekleidet sehen.« Es gelang denn auch den Vorstellungen Faucitts, daß der ersten Division gegen Ende Juni neue Uniformen nach Kanada nachgeschickt wurden.
Um dazu in die Lage versetzt zu werden, mußte sich der Herzog erst einen Teil seiner Forderungen an England auszahlen lassen. Die Löhnung, die vom Augenblick der Ankunft in Amerika an fällig wurde, schickte die englische Regierung direkt an ihren dortigen Generalzahlmeister, der sie wieder an die Unterzahlmeister verabfolgte, von denen sie den betreffenden Befehlshabern eingehändigt wurde.
Diese Vorsichtsmaßnahme hatte ihre ganz bestimmten Gründe. Da die englische Löhnung doppelt so hoch war als die deutsche, hatten bei früheren Gelegenheiten Braunschweig und Kassel die Differenz in die Tasche gesteckt – eine Summe, die sich während des Siebenjährigen Krieges auf mehrere Millionen belief. Diesem Unfug wollte England nun vorbeugen, um die deutschen Soldaten, die jetzt in einem anderen Weltteil an der Seite der Engländer kämpften, auf gleichen Fuß mit diesen zu stellen und nicht unzufrieden zu machen. Die Sache erschien sogar mit Recht dem Minister Suffolk wichtig genug, um sie zum Gegenstand eines besonderen Paragraphen zu machen. Der arme deutsche Soldat, der für eine ihm ganz fremde Sache seine Haut zu Markte trug, mußte vom Käufer gegen die niedrige Habsucht des Verkäufers geschützt werden! Natürlich wurde dasselbe Verfahren auch den Hanauern, Ansbachern und übrigen Landesvätern gegenüber eingehalten. Diese versprachen zwar, ihren Truppen die volle englische Löhnung zukommen zu lassen, um auf diese Weise das ganze Geld in die Hände zu bekommen; England traute ihnen aber nicht und handelte in der oben angegebenen Weise. Nur Kassel ließ sich diese Behandlung nicht gefallen und setzte durch, daß die Löhnung für seine Soldaten dem Kriegszahlmeister des Landgrafen direkt verabfolgt wurde.
Die zweite Division Braunschweiger, bestehend aus dem Bataillon Barner und den Regimentern Rhetz und Specht, kam in den letzten Maitagen in Stade an und wurde am 28. und 29. Mai von Faucitt in den englischen Dienst eingemustert. »Das Bataillon Barner, das ausdrücklich für den Dienst in Amerika ausgehoben ist«, berichtet Faucitt an Suffolk, »besteht fast nur aus Rekruten; es befinden sich viele halb ausgewachsene Jungen darunter, die kaum stark genug sind, das Gewehr zu tragen. In den Regimentern Rhetz und Specht fand ich viele alte Männer und im Zentrum eine Menge kleiner, schlechtgewachsener Jungen. Uniformen und Waffen sind gut. Die Offiziere beklagen sich über die nichtswürdig engen und schlechten Schiffseinrichtungen. Die Marineoffiziere selbst, die die Transportschiffe unter sich haben, geben zu, daß diese keine Bequemlichkeiten bieten. Die Kajüten sind zu eng, die Leute müssen förmlich aufeinander gepökelt werden. Zudem haben die Lieferanten in Bristol arg betrogen. Die Betten sind dürftig und dünn; die Kopfkissen nur fünf Zoll lang und sieben Zoll breit, kaum größer als Nadelkissen. Ein ganzes Bett, bestehend aus Matratze, Kissen, grober wollener Decke und Oberdecke, wiegt kaum sieben Pfund.«
Die Verpflegung war nicht viel besser. Schinken mit Würmern, faules Trinkwasser und Schiffsvorräte, die noch seit dem Siebenjährigen Krieg in den englischen Magazinen gelagert hatten, wurden für gut genug zur Verpflegung der deutschen Soldaten befunden. Warum sollten aber die Engländer da Rücksicht nehmen, wo die deutschen Landesväter keine andere Sorge kannten, als möglichst viel Geld aus den verkauften Landeskindern zu machen?
Diese zweite Division ging am 1. Juni 1776 in See, an demselben Tag, an dem die erste unter Riedesel in Quebec ankam.